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Produktdetails
  • Verlag: Edition Epoca
  • Originaltitel: Stiff Upper Lip, Jeeves
  • Seitenzahl: 223
  • Deutsch
  • Abmessung: 175mm
  • Gewicht: 226g
  • ISBN-13: 9783905513301
  • ISBN-10: 3905513307
  • Artikelnr.: 11935418
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.12.2003

Butler supreme
Gut gebrüllt, Jeeves: P. G. Wodehouse ist wie immer unschlagbar

Im Londoner Drones Club weiß man so gut wie anderswo auf den Britischen Inseln, daß Bertie Wooster ein Mann ist, der den Kopf hoch, die Ohren steif und die Nase in den Wind zu halten versteht - jedenfalls solange sein Diener Jeeves in der Nähe ist. Es wäre jedoch irrig zu glauben, daß Bertram Wilberforce Wooster, Nachkomme des Kreuzfahrers Sieur de Wooster und bekannt als wohlsituierter, müßiggängerischer Arbeitgeber des einzigartigen, unnachahmlichen Jeeves, aufgrund der Abwesenheit eines - nun ja, nennen wir es: ausgeprägten Intellekts (Jeeves beschreibt ihn einmal als "mentally negligible", also als "geistig unerheblich") nur als begnadeter Erzähler im Wodehouseschen Universum von Bedeutung ist. Wäre dem so, hätte die Schweizer Edition Epoca, die sich mit ihren hübsch aufgemachten, allherbstlichen Neuübersetzungen seit vier Jahren um die Erweiterung der Wodehouseschen Fangemeinde im deutschsprachigen Raum verdient macht, nicht nach "Ohne mich, Jeeves" nun bereits den zweiten Jeeves-und-Wooster-Roman vorgelegt.

"SOS, Jeeves!" heißt die neueste, in kessem Grün gehaltene Lieferung, und sie bietet allen Anlaß, eine Lanze für ebenjenen Bertie Wooster zu brechen, der hier wie gewohnt von einem Fettnäpfchen zum nächsten watet und dabei Heiterkeitsschauer beim Leser hervorruft. "Wie gewohnt" ist nicht, wie Uneingeweihte vermuten könnten, eine Einschränkung des Lobes, sondern dessen größtmögliche Steigerung, verheißt der Begriff doch die Rückkehr des Gewohnten: im Fall von Pelham Grenville Wodehouse also eine Handlung, die so hübsch verworren wie operettenhaft wie nebensächlich ist, deren Lektüre den Leser jedoch in eine idyllische, magische Welt versetzt, die es selbst in good old England so nie gegeben hat. Neben dem Ausbaden vieler kleinerer Katastrophen besteht Bertie Woosters Leben vor allem darin, der einen großen Katastrophe namens Ehe zu entgehen. Daß bei Wodehouse eigentlich immer das gleiche passiert und gerade die Jeeves und Wooster gewidmeten Bücher Variationen über ein Thema sind, gehört also zu ihren verläßlichen Stärken. Der wahre Wodehouse-Leser sehnt sich nicht nach Abwechslung, sondern nur nach immer neuen Darbietungen des grandios Immergleichen.

Aber wir wollten uns für Bertie in die Bresche werfen. Denn allem Anschein zum Trotz ist Bertram Wooster, Esq., nicht nur ein Trottel, sondern er ist außerdem liebenswürdig, ritterlich, hilfsbereit und von erstaunlich sonniger Gemütsverfassung selbst angesichts von heiratswilligen jungen Damen und anderem Unbill. Wenngleich keine Intelligenzbestie im strengen Wortsinn, ist Bertie doch stets begierig, die Brocken, die Jeeves ihm an Weisheit und meist in Form von Zitaten zukommen läßt, selbst anzuwenden. Ohne Jeeves' Sprüche wäre Bertie den meisten Schlamasseln kaum gewachsen. Schlamassel, muß man wissen, sind Berties natürliches Habitat, so wie andere in Landhäusern oder in Clubs wohnen. Nun ist der genius loci eines englischen Landhauses schier unübertrefflich; ja, man mag sich fragen, ob es überhaupt nennenswerte englische Literatur gäbe ohne die Möglichkeit, sich von London aufs Land zu flüchten. Diesmal nimmt das heitere Grauen seinen Lauf in Totleigh Towers, und wieder ist Bertie das Schlüsselloch, durch das wir Jeeves betrachten dürfen, dem wir einzig in den bildreichen Schilderungen seines Herrn begegnen ("das leise Hüsteln von Jeeves erinnerte mich stets an ein hochbetagtes und sich auf einem fernen Berggipfel räusperndes Schaf").

Im Deutschen hat die Bezeichnung humoristisch eine leicht verzweifelte, sozusagen gequält lächelnde Anmutung. Dennoch darf, ja muß man P. G. Wodehouse als größten und - glücklicherweise - produktivsten humoristischen Autor des zwanzigsten Jahrhunderts bezeichnen. Seinem Werk mit modernen literaturkritischen Maßstäben zu begegnen wäre so, als wollte man ein Soufflé mit dem Spaten verzehren, wie das Satiremagazin "Punch" einmal schrieb. Das Arkadien, das Wodehouse in über neunzig Büchern schuf, ist nicht etwa Produkt eines kindlichen Geistes, sondern kostbares Gebilde einer Wunderwaffe, seiner Prosa. Das Phänomen kann nur verstehen, wer diese Sprache - oder die kongenialen Übersetzungen von Thomas Schlachter - liest: Sie erzeugt eine Komplizenschaft zwischen Buch und Leser, festgeklopft von Lachsalven. Denn die Dialoge und szenischen Beschreibungen von Wodehouse sind von jenem raren Witz, der am besten unmittelbar und auf der Seite funktioniert.

Daß Wodehouses Humor stets stubenrein bleibt, läßt das Vergnügen an seinen Romanen ebenso läßlich wie harmlos erscheinen. Dabei sind die Themen, in die er uns auch diesmal geschickt zu verstricken versteht, durchaus lebensnah, reichen von Baby-Schönheitswettbewerben und ihren gravierenden Folgen für die Gesundheit des Preisrichters über die Nachteile eines vegetarischen Lebens bis zum Zusammenhang zwischen einem Vikariat und einer kompletten Rugby-Mannschaft. Wir legen die Ohren an, sperren die Augen auf und begeben uns vertrauensvoll in Berties linke Hände: ",Mr. Wooster', verkündete der Butler und ließ mich von der Leine."

P. G. Wodehouse: "SOS, Jeeves!" Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Schlachter. Edition Epoca, Zürich 2003. 224 S., geb., 19,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Thomas Hermann fühlt sich von P. G. Wodehouses skurrilem englischen Humor richtig gut unterhalten: "Regelmäßige Zufuhr von Vitamin H fördert schließlich die Gesundheit, weshalb Wodehouses Bücher eigentlich als krankenkassenpflichtig erklärt werden müssten". Wie Hermann die Taten von Wodehouses Protagonisten in seiner Rezension wiedergibt, klingt das auf jeden Fall nach unterhaltsamen Klamauk. Auch mit der Übersetzung von Thomas Schlachter ist er sehr zufrieden. Trotzdem ärgert der Rezensent sich ein bisschen über die Veröffentlichungspolitik des Verlages. Obwohl Hermann einsieht, dass aus Wodehouses großem Werk eine Auswahl getroffen werden muss - schon allein aus wirtschaftlichen Gründen - sollte diese Auswahl doch wenigstens in einer sinnvollen Reihefolge stehen. So kann der Leser wenigstens dann die "zahlreichen Verweisen auf frühere Episoden" goutieren: "Auch wenn eine Kenntnis des Kontextes nicht Voraussetzung für das Verständnis ist, so fügt sie dem Lesegenuss eine weitere Dimension hinzu".

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