21,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 1-2 Wochen
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Selbstbewußtsein war so sehr ein Thema der philosophischen Moderne, daß es die ganze Epoche hat charakterisieren können. Neben dem Ausdruck »Selbst-Bewußtsein«, der erst im 18. Jahrhundert aufkam, machte bald ein weiterer von sich reden, der damals weiter verbreitet war: »Selbstgefühl«. Warum aber soll Selbstbewußtsein ein Gefühl, eine vorbegriffliche Kenntnisnahme oder Einstellung sein? Das neue Buch von Manfred Frank unternimmt eine großflächig angelegte Erkundung sowohl rationalistischer als auch empiristisch-psychologischer Theoriebildungen, die heute meist vergessen sind. Es sichtet alte…mehr

Produktbeschreibung
Selbstbewußtsein war so sehr ein Thema der philosophischen Moderne, daß es die ganze Epoche hat charakterisieren können. Neben dem Ausdruck »Selbst-Bewußtsein«, der erst im 18. Jahrhundert aufkam, machte bald ein weiterer von sich reden, der damals weiter verbreitet war: »Selbstgefühl«. Warum aber soll Selbstbewußtsein ein Gefühl, eine vorbegriffliche Kenntnisnahme oder Einstellung sein?
Das neue Buch von Manfred Frank unternimmt eine großflächig angelegte Erkundung sowohl rationalistischer als auch empiristisch-psychologischer Theoriebildungen, die heute meist vergessen sind. Es sichtet alte Überzeugungen im Lichte dessen, was neuere Theorien von ihnen lernen könnten, und gibt abschließend einen Kommentar zu Novalis, in dessen Fichte-Studien die Annahme eines ungegenständlichen Selbst- und Seinsgefühls stand.
Autorenporträt
Frank, ManfredManfred Frank ist Professor für Philosophie an der Universität Tübingen. Zuletzt erschienen: Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft / Schriften zur Ästhetik und Naturphilosophie (2009, hg. gemeinsam mit Véronique Zanetti), Auswege aus dem Deutschen Idealismus (2007) und Warum bin ich Ich? Eine Frage für Kinder und Erwachsene (2007).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.04.2003

Sprich, Seele, sprich mit mir!
Manfred Frank verfolgt die Theorien des Bewusstseins durch die Philosophiegeschichte
Zum vielleicht prekärsten Dauerthema der neueren Philosophie, Bewusstsein oder Selbstbewusstsein, hatte Manfred Frank bereits vor zwölf Jahren eine Studie des Titels „Fragmente einer Geschichte der Selbstbewusstseins-Theorie von Kant bis Sartre” veröffentlicht. Der jetzt erschienene Band „Selbstgefühl” lässt sich als Fortsetzung lesen, nur dass nun auch Einsichten von Autoren diskutiert werden, derer anderenorts nurmehr in den dicksten Handbüchern gedacht wird, etwa Karl Heinrich Heydenreich, des Lehrers von Novalis in Leipzig, des Göttinger Philosoph Christoph Meiners oder Johann Nikolaus Tetens, der innerhalb einer einheitlichen „Seelengrundkraft” nur Schattierungen vom dunklen zum hellsten Bewusstsein annahm.
Frank durchmustert historisch-systematisch Bewusstseinstheorien des 18. Jahrhunderts, der deutschen Aufklärung und Romantik, wie auch solche der französischen Rationalisten und englischen Empiristen. Überraschend ist dabei, wie sich Ideen längst verdrängter, durch die groben Netze des Zeitgeistes gefallener Denker in der jüngsten analytischen Philosophy of Mind in neuem Zuschnitt und anderer Terminologie wiederfinden. Die Geschichte der Philosophie, das erfährt man dabei wieder einmal, verläuft auf krummen Wegen.
Frank mutet dem Leser zu, wie er gesteht, sich durch „die labyrinthischen Verästelungen” der Tradition zu „quälen”. Wer das durchsteht, der findet am Ende, dass er nicht bloß ein Wissen von Theorien gespeichert, sondern, wie Fichte Philosophieren verstand, sie selbst gleichsam mit erzeugt hat.
An den Anfang stellt Frank den Dichterphilosophen Novalis, den die Götter liebten und früh abberiefen, mit knapp 29 Jahren. In dessen Fichte- Studien, einer Aphorismen- und Notizensammlung, glaubt Frank, wie sich am Schluss bestätigen soll, hinreichende Winke wenn nicht zur Lösung, so doch zur Klärung des vertrackten Bewusstseinsproblems aufgespürt zu haben.
Den erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts aufkommenden Ausdruck „Selbstgefühl” übernimmt Novalis zur Bezeichnung eines dunklen, arationalen, aber unabweisbaren Gewahrseins eigener Subjektivität und Existenz. Dieses ursprüngliche, unmittelbare, vorbegriffliche Selbstgefühl liegt aller Vergegenständlichung in der Reflexion voraus und muss den Ausgangspunkt der Philosophie bilden. Mit Kant und anderen Denkern der Zeit weiß sich Novalis einig, dass nicht dem Denken, sondern dem Gefühl sich das Sein oder die Wirklichkeit erschließen, wenn nicht als ein Wissen, so doch als eine dem Gefühl vom Sein aufgedrängte Gewissheit. Im Gegensatz zu Fichtes „Tathandlung” des Ich, die am Beginn steht, ist demnach für Novalis nicht eine Handlung, sondern ein „Erleidnis” das Erste.
Das Geheimnis
Von dieser Exposition aus schlägt sich Frank in gedrängten Exegesen und auf Umwegen unzähliger Exkurse durch das Dickicht der Bewusstseinstheorien. Niemand wird vernachlässigt, Leibniz und Kant werden gegeneinander aufgewogen, Herder, Fichte, Schleiermacher, Descartes, Condillac, Sartre, Hume und Locke bis Russell oder Saul Kripke. Und jeweils werden Fragen diffizilster Art durchgespielt, etwa: ob Reflektieren schon Denken heißt; wie Ich-Gefühl und Existenzbewusstsein zusammenhängen; ob Bewusstseinsebenen im nach Sartre völlig leeren Bewusstsein Sinn machen; ob die von Fichte als unaufgebbar gedachte Identität von Subjekt und Objekt im Selbstbezug das letzte Wort ist; ob das Bewusstsein Sein „setzt”, oder wie dem Bewusstsein nicht nur sein Sein, sondern äußeres Sein, Wirklichkeit, gegeben ist.
Außer Frage steht für Frank, dass sich das allem zugrunde liegende Selbstgefühl dem Begrifflichen entzieht (oder schöner mit Schiller: „Spricht die Seele, so spricht ach! schon die Seele nicht mehr”). Überdies ergibt sich für Frank, dass das geläufige „Reflexionsmodell” stets in einem Zirkel mündet: Ich kann mich in der Reflexion, so zitiert Frank den Amerikaner Sidney Shoemaker, nicht als Gegenstand meiner selbst identifizieren, besäße ich nicht zuvor schon eine zumindest rudimentäre Kenntnis meiner selbst. Daran hängt auch, dass ein Stufenmodell, wonach sich ein höheres auf ein tieferes, präreflexives Bewusstsein richtet, keinerlei neue Erkenntnis erzeugt, was Novalis in dem Satz ausgedrückt hat: „Was die Reflexion findet, scheint schon da zu seyn”.
Die als so vielversprechend angekündigte schließliche Rückkehr zu Novalis, dessen Überlegungen Frank „Pioniercharakter” zugesprochen hatte, bleibt kurzatmig und enttäuschend, denn Novalis verliert sich in vagen Metaphern wie der Verspiegelung von Sein und Schein – „Alles Denken ist also eine Kunst des Scheins” –, oder er spricht, nicht gerade originell, vom „wissenden Nichtwissen”. Ungereimt erscheint auch, dass Frank das dumpfe, unmittelbare (Selbst-) Gefühl dennoch als sich selbst wissend vermutet (rüde gefragt: Denkt auch der Bauch?), und dieses einerseits durch Reflexion zu sich kommend denkt, wo es andererseits doch dieser Reflexion vorausliegen sollte. Nicht von ungefähr heißt des Autors letztes Wort in dieser Bewusstseinsgeschichte „Geheimnis”.
Manfred Frank, daran besteht kein Zweifel, hat ein ungemein dichtes, höchst gelehrtes, lehrreiches Buch über eine der schwierigsten Materien der Philosophie geschrieben. Indes, es liegt keine fortune im Umgang mit dem Bewusstseinsproblem, vermutlich deshalb, weil – wie unlängst Colin McGinn, den auch Frank einmal zitiert, vermutete – wir allem Anschein nach „organisch” nicht in der Lage sind, die philosophischen Fragen, die die Vernunft selbst aufwirft, auch zu beantworten. Die Lösung des Bewusstseinsproblems, anders gesagt, verlangte von der Vernunft, über ihren eigenen Schatten zu springen.
WILLY HOCHKEPPEL
MANFRED FRANK: Selbstgefühl. Eine historisch-systematische Erkundung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 279 Seiten. 11 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Willy Hochkeppel findet Manfred Frank Studie "Selbstgefühl" recht überzeugend. Wie Hochkeppel ausführt, verfolgt Frank darin in historisch-systematischer Absicht die Bewusstseinstheorien des 18. Jahrhunderts, der deutschen Aufklärung und Romantik, wie auch solche der französischen Rationalisten und englischen Empiristen. Frank mute dem Leser eingestandenermaßen zu, sich durch "die labyrinthischen Verästelungen" der Tradition zu "quälen". Ausgehend von Novalis' Begriff des "Selbstgefühls", berichtet Hochkeppel, schlage sich Frank in "gedrängten Exegesen" und "auf Umwegen unzähliger Exkurse" durch das Dickicht der Bewusstseinstheorien von Leibniz, Kant, Herder, Fichte, Schleiermacher, Descartes, Condillac, Hume, Locke, Russell, Kripke, Sartre und anderen. Dabei spiele er jeweils Fragen diffizilster Art durch. Alles in allem besteht für Hochkeppel kein Zweifel daran, dass Frank ein "ungemein dichtes, höchst gelehrtes, lehrreiches Buch über eine der schwierigsten Materien der Philosophie" geschrieben hat. Indes, es liege keine fortune im Umgang mit dem Bewusstseinsproblem, klagt der Rezensent abschließend. "Die Lösung des Bewusstseinsproblems", vermutet er, "verlangte von der Vernunft, über ihren eigenen Schatten zu springen."

© Perlentaucher Medien GmbH