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Am 24. Marz 1980 brach Oscar Romero (1917-1980), der Erzbischof von San Salvador, wahrend der Eucharistiefeier blutend zusammen. Die Schusse seines Morders brachten den Mann zum Verstummen, der die ganze Welt auf das Massaker am Volk El Salvadors aufmerksam gemacht hatte. James Brockmans Buch gilt als die Biografie schlechthin. Sie schildert das dramatische Leben des anfangs eher konservativen Kirchenmannes, der zum kompromisslosen Verteidiger der Armen wurde. Vom lateinamerikanischen Volk langst als ein Heiliger verehrt, wurde Bischof Romero nun von Papst Franziskus auch offiziell seliggesprochen.…mehr

Produktbeschreibung
Am 24. Marz 1980 brach Oscar Romero (1917-1980), der Erzbischof von San Salvador, wahrend der Eucharistiefeier blutend zusammen. Die Schusse seines Morders brachten den Mann zum Verstummen, der die ganze Welt auf das Massaker am Volk El Salvadors aufmerksam gemacht hatte. James Brockmans Buch gilt als die Biografie schlechthin. Sie schildert das dramatische Leben des anfangs eher konservativen Kirchenmannes, der zum kompromisslosen Verteidiger der Armen wurde. Vom lateinamerikanischen Volk langst als ein Heiliger verehrt, wurde Bischof Romero nun von Papst Franziskus auch offiziell seliggesprochen.
Autorenporträt
James Brockmann (1926-1999) war US-amerikanischer Jesuit. Der profunde Lateinamerika-Kenner hatte intensive Begegnungen und Gespräche mit Erzbischof Romero und gilt als der kompetenteste Kenner der Person und des Lebenswerks des Märtyrer-Bischofs.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.2015

Die Wandlung eines Erzbischofs
James Brockmans Biographie des vor kurzem seliggesprochenen katholischen Oberhirten von San Salvador, Oscar Romero

Über dem Westportal der Westminster Abbey in London wurde vor einigen Jahren eine Gruppe großer Statuen angebracht. Sie zeigen Darstellungen christlicher Märtyrer des zwanzigsten Jahrhunderts. Oscar Romero, 1980 ermordeter Erzbischof von San Salvador, ist einer der zehn Dargestellten. Plaziert ist er zwischen Martin Luther King und Dietrich Bonhoeffer. Durch die Brille fällt sein Blick auf das Kind auf seinem Arm. In El Salvador und anderen Ländern ist es üblich, nach der Messe Kinder vom Priester segnen zu lassen. In der von John Roberts 1998 geschaffenen Plastik hat das Kind eine besondere Bedeutung: Es steht für die Kirche von El Salvador, die der Bischof als Hirte trägt und zu schützen sucht.

El Salvador, ein Land mit heute etwa sieben Millionen Einwohnern auf einem Gebiet von der Größe Hessens, ist der kleinste Staat Zentralamerikas. Er ging im neunzehnten Jahrhundert aus einer spanischen Kolonie hervor, und bis heute heißen die Probleme: Armut der Massen, Fehlen einer Mittelschicht, Korruption. Die Regierungen haben das Land kaum im Griff. Reisende werden auf die hohe Kriminalitätsrate hingewiesen und vor der Benutzung von Autobussen gewarnt.

In dieser Situation kommt der Kirche eine besondere Bedeutung zu. Aufgrund ihres Ansehens und ihrer organisatorischen Stärke bildet sie ein zweites Sozialsystem und zeitweise auch eine zweite Macht, die staatliche Funktionen wahrnimmt. Das war in der Zeit, in der Oscar Romero als Priester in El Salvador wirkte, oft der Fall, am deutlichsten aber 1977 bis 1980, in den drei Jahren seines Amtes als Erzbischof. Der als konservativ geltende, sich eng an die Lehre der Päpste anschließende Erzbischof nahm sich zunehmend der Anliegen der Landarbeiter an, hielt der Regierung und ihren Organen Unfähigkeit und Korruption vor - und beharrte auf einer politischen Lösung. Aufgrund seiner charismatischen Predigten, die durch kirchlichen Rundfunk einen großen Teil der Bevölkerung erreichten, wurde der Erzbischof zu einem Politikum - für Staat und Kirche. Es gab unaufgeklärte Morde an Priestern und Laien. Konservative Kollegen im Bischofsamt und der Nuntius des Papstes in El Salvador kritisierten Romero und kündigten ihm die Unterstützung auf. Konservative kirchliche Kreise betrieben seine Absetzung als Erzbischof.

Der Höhepunkt von Romeros politischen Äußerungen fiel in die Monate Februar und März 1980. Er richtete einen Brief an den amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter mit der Bitte um Einstellung der Waffenlieferungen an die Regierung von El Salvador: Es bestehe die Gefahr des Waffeneinsatzes gegen die Bevölkerung. In einer Sonntagspredigt beschwor er die Soldaten, keine Menschen zu töten. Es war ein Aufruf an die Streitkräfte und die Polizei, den ihnen erteilten Schießbefehlen nicht zu gehorchen. Beantwortet wurde Romeros Predigt mit einer tödlichen Kugel. Sie traf ihn einen Tag später, am 24. März 1980, als er in der Kapelle eines Krankenhauses die Messe las.

Das Buch "Oscar Romero - Anwalt der Armen" lässt diese Zeit in vielen Einzelheiten vor uns erstehen, wenngleich es der Verfasser, ein amerikanischer Jesuit, unterlässt, den wenig vorbereiteten Leser über das Land und seine Geschichte aufzuklären. Das Buch, eine Neuauflage der deutschen Ausgabe von 1990, ist ein Zeitdokument der achtziger Jahre. Von konservativen Kreisen als Kommunist bezeichnet, warf man Romero vor, er stehe unter dem Einfluss von Jesuiten. Diese hätten den Marxismus in das Land eingeschleppt und die Kirche unterwandert. Die von Jesuiten und anderen "linken" Priestern unter den armen Landarbeitern praktizierte seelsorgerliche Arbeit sei in Wirklichkeit marxistische Indoktrination und Anstiftung zum Aufstand gewesen.

Brockmans Biographie kann solche Vorwürfe entkräften. Von einer marxistischen Unterwanderung des Klerus könne keine Rede sein, wenngleich Romero selbst zeitweise an dieses Gerücht geglaubt hatte. Tatsächlich hat er als Lateinamerika-Konsultor der römischen Kirchenleitung noch 1975, ohne dazu aufgefordert zu sein, einen entsprechenden Bericht geliefert: Ein Teil des Klerus, vor allem die Jesuiten, sei politisiert und vernachlässigt seine eigentliche spirituelle Aufgabe. Doch 1977, nach der Ermordung des mit ihm befreundeten Jesuitenpaters Rutilio Grande, wandelte sich sein Denken grundlegend. Er dachte und predigte nun in politischer Verantwortung.

Heute liegt der Streit um die Existenz marxistischer Jesuiten weit zurück. Von Romero, dem Marxisten, ist nicht mehr die Rede. Allen gilt der Erzbischof als guter Hirte der Katholiken von El Salvador. Doch die Einigkeit, die bei der Seligsprechung Romeros im Mai dieses Jahres im Vordergrund der Reden stand, täuscht. Romero, der Seelsorger, Hirte und Anwalt der Armen, ist den Anhängern der Befreiungstheologie zu wenig; in dieser Charakterisierung sehen sie eine verharmlosende Entpolitisierung Romeros. Gewiss: Romero war kein Radikaler, kein Hélder Câmara, kein Camilo Torres. Doch die unbequemen Fragen des Erzbischofs können nur in umfassenden politischen Reformen - oder Revolutionen - ihre Antwort finden. Damit stehen wir wieder in jener Debatte, die Brockmans Buch zugrunde liegt.

Das Bild des guten Hirten, das die Londoner Statue von Oscar Romero vor Augen stellt, spiegelt demnach einen minimalistischen Konsens. In seiner Bescheidenheit wäre Romero mit dieser Sicht auf seine Person gewiss einverstanden. Gleichwohl werfen Romeros Leben und Werk Fragen auf, die im gesellschaftlichen und politischen Leben von El Salvador bis heute einer Antwort harren.

BERNHARD LANG.

James R. Brockman: "Oscar Romero". Anwalt der Armen.

Aus dem Englischen von Maria-Antonia Fonesca-Visscher van Gaasbeek. Verlagsgemeinschaft Topos Plus, Kevelaer 2015. 439 S., Abb., br., 26,95 [Euro].

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