Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 6,50 €
  • Broschiertes Buch

In ihrem Beitrag zur renommierten Vorlesungsreihe der Tanner Lectures beschäftigt sich Seyla Benhabib mit der Spannung zwischen universellen Menschenrechten und dem jeweils nur beschränkt gültigen Gesetz demokratischer Staaten. Mit Blick auf legale und illegale Immigranten, die in Staaten leben, von deren Gemeinwesen sie jedoch häufig ausgeschlossen sind, fragt sie, ob diese nicht eigentlich durch Menschenrechtsprinzipien geschützt sein müssten, die über der Gesetzgebung einzelner Staaten stünden. Die Versöhnung beider Prinzipien bestehe darin, so Benhabib, universelle Normen nach und nach in…mehr

Produktbeschreibung
In ihrem Beitrag zur renommierten Vorlesungsreihe der Tanner Lectures beschäftigt sich Seyla Benhabib mit der Spannung zwischen universellen Menschenrechten und dem jeweils nur beschränkt gültigen Gesetz demokratischer Staaten. Mit Blick auf legale und illegale Immigranten, die in Staaten leben, von deren Gemeinwesen sie jedoch häufig ausgeschlossen sind, fragt sie, ob diese nicht eigentlich durch Menschenrechtsprinzipien geschützt sein müssten, die über der Gesetzgebung einzelner Staaten stünden. Die Versöhnung beider Prinzipien bestehe darin, so Benhabib, universelle Normen nach und nach in die Gesetzgebung von Demokratien einfließen zu lassen. Eine universelle Geltung solch kosmopolitischer Normen jenseits demokratischer Rechtssysteme im Sinne eines Weltstaatsmodells sei hingegen nicht denkbar. Ergänzt und kritisch diskutiert werden ihre Thesen von Bonnie Honig, Jeremy Waldron und Will Kymlicka.
Autorenporträt
Seyla Benhabib ist Professorin für politische Philosophie an der Yale University.

Ausgezeichnet mit dem Ernst-Bloch-Preis 2009
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.04.2009

Schrittweise zur Demokratie
Die Menschenrechte müssen weltweit verbindlich werden
Spätestens seit der Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen 1948 ist eine Entwicklung zu weltweiten Gerechtigkeitsnormen in Gang gekommen, deren Geltungsanspruch in einem Spannungs- oder auch Konfliktverhältnis steht zum demokratischen Selbstbestimmungsrecht der Völker und Staaten. Darauf macht die Politikwissenschaftlerin Seyla Benhabib in einem Buch aufmerksam, das aus ihren „Tanner Lectures” von 2004 in Berkeley hervorgegangen ist und auch kritisch kommentierende Beiträge des Rechtswissenschaftlers Jeremy Waldron, der Politologin Bonnie Honig und des Politikphilosophen Will Kymlicka enthält.
Benhabib zeigt die philosophischen Grundlagen kosmopolitischer Normen bei Karl Jaspers, Hannah Arendt und Jürgen Habermas auf, vor allem aber bei Immanuel Kant. Der Königsberger Philosoph entwickelte in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden” (1795) und an anderer Stelle Überlegungen zu einer friedlichen weltbürgerlichen Ordnung, die nicht nur für Jeremy Waldron zu den „nützlichsten philosophischen Quellen für diese schwierigen Fragen” gehören. Kant unterscheidet begrifflich sehr genau – was man von Benhabib nicht durchwegs sagen kann – zwischen Staatsbürgerrecht (ius civitatis) „der Menschen in einem Volke”, Völkerrecht (ius gentium) „der Staaten in Verhältnis gegen einander” und Weltbürgerrecht (ius cosmopoliticum), „so fern Menschen und Staaten, in äußerem auf einander einfließendem Verhältnis stehend, als Bürger eines allgemeinen Menschenstaats anzusehen sind”. Nach Kant soll das Weltbürgerrecht „auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein”. Damit (Benhabib sagt „Gastfreundschaft”) meint Kant „das Recht eines Fremdlings, seiner Ankunft auf dem Boden eines andern wegen, von diesem nicht feindselig behandelt zu werden. Dieser kann ihn abweisen, wenn es ohne seinen Untergang geschehen kann”.
Aus Kants Hospitalitätsprinzip mit dem Kriterium des drohenden „Untergangs” für den Fremden lässt sich nun gewiss ein Asylrecht herleiten, auch ein temporäres Aufenthaltsrecht für Menschen aus Gebieten mit lebensbedrohlicher Not. Benhabib jedoch legt, um ihre kosmopolitische Theorie auf Kant stützen zu können, dessen Hospitalitätsprinzip wohl zu weit aus. „In einem Kant’schen Sinn”, schreibt sie, „beziehe ich Gastfreundschaft auf Menschenrechtsansprüche, deren Horizont Grenzen überschreitet”. Damit aber „überinterpretiert” sie Kant, kritisiert Jeremy Waldron, und Bonnie Honig weist Benhabibs „neo-kantianischen Kosmopolitismus” sogar insgesamt zurück.
Methodisch ist Benhabib mehr normativ als analytisch orientiert, ihr kosmopolitisches „Projekt” sieht sie in geistiger Nähe zu den universalistischen Intentionen der Kritischen Theorie und der Diskursethik (Habermas u.a.). Ihre zentrale Fragestellung formuliert sie so: „Wie ist der politische Wille demokratischer Mehrheiten mit den Normen kosmopolitischer Gerechtigkeit in Einklang zu bringen? Wie können rechtliche Normen und Standards, deren Ursprung außerhalb demokratischer Gesetzgebungsverfahren liegt, für diese bindend werden?”
Konkret geht es Benhabib etwa um die Frage, wie ausländische Mitbürger – Migranten, Asylanten, Flüchtlinge –, die keine Staatsbürger mit demokratischen Mitwirkungsrechten sind, zu rechtlich garantierten Menschen- und Bürgerrechten kommen können. Benhabib setzt auf die Macht „demokratischer Iteration”. Darunter versteht sie die durch öffentlichen Druck und Diskurs schrittweise zustande kommende Neubestimmung von Normen im nationalstaatlichen Recht, die den Unterschied von Staatsbürgern und quasi rechtlos mitlebenden Ausländern nivelliert. Sie nennt das auch eine „jurisgenerative Politik”.
Als Beispiel führt sie das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht an, das im Jahr 2000 geändert wurde; seitdem dürfen in Deutschland wohnende Ausländer, wenn auch nur aus Mitgliedstaaten der EU, bei Kommunal- und Europawahlen wählen. Auch den Kopftuch-Streit in Frankreich behandelt Benhabib im Kontext demokratischer Iteration und tritt, wie auch Will Kymlicka, für mehr Bereitschaft zu multikulturellem Lernen und Verstehen ein. Das laizistische Frankreich sollte gegenüber Kopftuchträgerinnen duldsamer sein, meint die türkisch-amerikanische Politikwissenschaftlerin und zitiert eine französische Muslimin: „Mein Kopftuch ist ein Teil von mir (. . .) Wir müssen den Staat lehren, warum das Tuch so wichtig ist und warum es keine Angst machen muss.” Was diese Frau möchte, schreibt Benhabib, „ist nichts Geringeres als einen Prozess demokratischer Iteration”. NIKOLAUS GERMAN
SEYLA BENHABIB: Kosmopolitismus und Demokratie. Eine Debatte. Hg.: Robert Post. Campus Verlag, Frankfurt 2008. 192 Seiten, 21,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Als "konzis", also prägnant auf den Punkt gebracht lobt Rezensent Rudolf Walther dieses Buch der in Yale lehrenden türkischen Philosophin und Professorin für politische Theorie, Seyla Benhabib. Darin geht es seinen Informationen zufolge darum, "den Status universalistischer Normen" wie sie beispielsweise die Menschenrechte oder das Weltbürgertum darstellen würden, gegenüber nationalstaatlichen Regelungen auszudifferenzieren. Unter anderem durch eine gedankliche Trennung zwischen dem ethnischen Volk und dem bürgerschaftlichen Souverän. Aber auch Benhabibs Konzept der demokratischen Iteration leuchtet ihm sehr ein, das er besonders hellsichtig am Kopftuchstreit abgehandelt fand. Zu den Qualitätsmerkmalen der deutschen Edition zählt für ihn auch die kritische Kommentierung ihrer Thesen durch die Politikwissenschaftlerin Bonnie Honig sowie die Philosophen Jeremy Waldron und Will Kymlicka.

© Perlentaucher Medien GmbH
Unendliche Aufgabe
"Seyla Benhabib lotet die Paradoxien demokratischer Legitimität neu aus." (Frankfurter Rundschau, 14.10.2008)

Drinnen. Draußen
"Seyla Benhabib ist ein weiblicher Habermas der politischen Philosophie."
(Die Zeit, 29.01.2009)