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Tragödie, Opfergang, Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges - vielfach hat man versucht, dieses Geschehen einzuordnen, verstehbar zu machen. Und doch: "Stalingrad kennt nur, wer es durchlebt hat" sagen die Männer, die Carl Schüddekopf für dieses Buch befragt hat. Er erzählt acht Geschichten junger Männer, aus unterschiedlichsten Berufen und von unterschiedlichster Herkunft, die plötzlich in ein unvorstellbares Geschehen geworfen werden: 250 000 Soldaten werden von der Roten Armee eingeschlossen. Langsam, innerhalb von drei Monaten, wird der Ring immer enger gezogen. Ausbruchsversuche werden von…mehr

Produktbeschreibung
Tragödie, Opfergang, Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges - vielfach hat man versucht, dieses Geschehen einzuordnen, verstehbar zu machen. Und doch: "Stalingrad kennt nur, wer es durchlebt hat" sagen die Männer, die Carl Schüddekopf für dieses Buch befragt hat. Er erzählt acht Geschichten junger Männer, aus unterschiedlichsten Berufen und von unterschiedlichster Herkunft, die plötzlich in ein unvorstellbares Geschehen geworfen werden: 250 000 Soldaten werden von der Roten Armee eingeschlossen. Langsam, innerhalb von drei Monaten, wird der Ring immer enger gezogen. Ausbruchsversuche werden von der Führung nicht genehmigt, Kapitulation verboten. Und so nimmt das Leiden seinen Fortgang: Ständige Todesgefahr, Hunger und Krankheiten quälen die Eingeschlossenen. Etwa 5 000 Männer werden am Ende nach Deutschland zurückkehren. Schüddekopf läßt Überlebende, die letzten Zeitzeugen, ohne Vorgaben oder Einschränkungen ihre Schicksale erzählen. So ergibt sich ein direkter und unverstellt er Blick auf dieses menschliche Drama.
Autorenporträt
Carl Schüddekopf, geboren 1946 in Hamburg, studierte Soziologie und Psychologie in Berlin und machte dann eine Lehre als Verlagsbuchhändler. Er war lange Zeit Lektor im Verlag J.H.W. Dietz und im Rowohlt Verlag. Heute arbeitet er als Publizist. Er lebt mit seiner Familie in der Nähe von Hamburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.06.2003

Auf Augenhöhe
Berichte aus dem Kessel von Stalingrad
CARL SCHÜDDEKOPF: Im Kessel. Erzählen von Stalingrad. Piper Verlag, München 2002. 394 Seiten, 22,90 Euro.
Glaubt Gustav L. wirklich immer noch, in Stalingrad hätten damals gerade die Erdbeerpflanzen geblüht? Schon möglich, dass der Wehrmachtssoldat die Stadt aus der Ferne sah, aber betreten hat er sie vermutlich nie. „Gustav L. erzählt eine Agentengeschichte”, urteilt Carl Schüddekopf, der per Zeitungsinserat nach Überlebenden der 6.Armee suchte. Mit Gustav L. wollte er das Gespräch nicht fortführen. Denn weniger Mitgefühl für die Opfer, „sondern eine Unterstreichung seiner eigenen Männlichkeit” hätten diesen bewogen, von der Vergangenheit zu berichten, findet Schüddekopf. Stattdessen suchte und fand er andere Zeitzeugen. Acht ihrer Berichte gibt er in seinem Buch „Im Kessel von Stalingrad” wieder.
Acht Geschichten – erzählt von jungen Männern aus unterschiedlichen Berufen, mit unterschiedlicher Herkunft und ebenso unterschiedlichen Erfahrungen. Was sie verbindet, ist der Krieg; durch ihn geraten sie mit einem Mal in eine ausweglose Situation. Zusammen mit 290000 Kameraden werden sie im Herbst 1942 in Stalingrad eingeschlossen; in den folgenden Monaten zieht sich der Belagerungsring der Roten Armee immer enger. Wenig später dann steht Hitlers 6. Armee vor dem Ende.
Ich war dabei
Diese Fakten sind bekannt, und über die Jahrzehnte schoss eine üppige Erlebnis-Literatur ins Kraut, endlose Reihen von Ich-war-dabei- Berichten. Warum also dieser Band? Schüddekopf, Jahrgang 1946, hat nicht umsonst Psychologie und Soziologie studiert. Ihm geht es um die Sicht „auf Augenhöhe”. Was damit gemeint ist, erklärt er wie ein Drehbuchschreiber als Kamerafahrt – nur mit dem Unterschied, dass hier das Objektiv ersetzt werde durch den Blick: „Zuerst über wechselnde Frontabschnitte und wenige Kilometer hinweg, verengt er sich immer mehr, scheint schließlich an den Wänden der unter Trümmern liegenden Kellerlöcher ins Nichts zu gehen, führt dann doch weiter in die russischen Kriegsgefangenenlager oder aus den Lazaretten der Wehrmacht hinaus zu anderen Orten des Krieges.” Schlichter ausgedrückt bedeutet dies nichts anderes als die Schilderung von Soldatenleben und Soldatenleiden aus Sicht der Betroffenen. Und tatsächlich: Mit Hilfe seiner Gesprächspartner kann der Autor diese Sicht erreichen.
Da ist zum Beispiel Fritz Schreiber, dessen Vater nach dem Reichstagsbrand als KPD-Mitglied verhaftet wird. Sein Sohn kommt 1940 zur Wehrmacht. Krieg sei für ihn „zum Synonym von Vormarsch” geworden, kommentiert Schüddekopf. Doch Schreiber gerät in den Kessel von Stalingrad; hier ist nun alles anders, der Vormarsch wäre besser ein Rückzug, stattdessen müssen die Soldaten ausharren in der umzingelten Stadt. Schreibers Erinnerung: „Dann haben wir die ersten gesehen, die liefen schon mit Tüchern rum, weiß, die wollten sich ergeben. Das war der 31. Januar.” Mit dem Leben hatte der Offizier abgeschlossen, doch es kam anders. „Es hieß, die Russen machten keine Gefangenen, aber dann ist während der Gefangennahme überhaupt nichts passiert. Wir wurden nicht misshandelt.”
Andere haben anderes erlebt. Hans Horn gesteht, er habe wie so viele deutsche Landser Angst vor der russischen Gefangenschaft gehabt: „Die Russen haben keinen geschont. Niemand hat jemanden geschont.”
Schüddekopf lässt solche Widersprüche in den von ihm gesammelten Texte zumeist unkommentiert stehen. Im Vordergrund bleibt das Authentische, oral history, die, wenngleich keine gesicherten Fakten, so doch unvermittelte Eindrücke wiedergibt. Dass auch der Leser nach dieser Methodik nicht geschont wird, liegt in der Natur der Sache. Da wird von Kannibalismus unter den aus-gehungerten Soldaten erzählt; man er-fährt, dass es leichter ist, einem Toten den Arm abzudrehen als ein Stück Fleisch aus dem Körper herauszuschneiden.
Das Grauen und das Makabre waren an der Tagesordnung im Stalingrad jener Zeit, und keiner kann sagen, wo die Grenze verlief zwischen Tätern und Opfern. „Es wäre mir in vielem leichter gewesen, wäre ich allein auf den Täter und die Nazis gestoßen”, schreibt Carl Schüddekopf in seinem Vorwort. Was er stattdessen fand, waren Menschen, die den Krieg so erlebten, wie er sich aus der eingangs beschriebenen Sicht von unten nun mal zeigt: grauenhaft, widersprüchlich und mitunter nicht ohne eine Spur von Groteske. Das alles kommt manchmal etwas naiv daher; aber eben das war auch die Absicht des Autors; etwas anderes wird er wohl kaum erwartet haben.
OLIVER SCHMIDT
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Über die Jahrzehnte ist zu Stalingrad ja nun schon eine "üppige Erlebnisliteratur ins Kraut" geschossen, "endlose Reihen von Ich-war-dabei-Berichten" sind entstanden, meint Oliver Schmidt, und fragt: "Warum also dieses Buch?" Im Ergebnis jedoch hält er es dann doch für zumindest berechtigt. Die erstrebte Perspektive auf "Soldatenleben und Soldatenleiden aus Sicht der Betroffenen" sei hier, unter anderem dank der umsichtigen Auswahl der Befragten durch den Autor, tatsächlich gelungen. Manchmal kommt das zwar "etwas naiv daher", bemängelt der Rezensent dann noch, aber "eben das war auch die Absicht des Autors; etwas anderes wird er wohl kaum erwartet haben."

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