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»Der Fuchs weiß viele Dinge, aber der Igel weiß eine große Sache.« Der griechische Dichter Archilochos hat diesen Satz formuliert, Isaiah Berlin hat ihn mit seinem Tolstoi-Essay berühmt gemacht. Aber was ist diese »eine große Sache«? Ronald Dworkin liefert in »Gerechtigkeit für Igel« eine Antwort: Es sind Werte in all ihren Erscheinungsformen. Wenn wir verstehen wollen, was Wahrheit und Schönheit sind, was dem Leben Sinn verleiht, was die Moral fordert und die Gerechtigkeit verlangt, so müssen wir der Spur jener moralischen Einstellungen nachgehen, die menschliches Denken, Fühlen und Handeln…mehr

Produktbeschreibung
»Der Fuchs weiß viele Dinge, aber der Igel weiß eine große Sache.« Der griechische Dichter Archilochos hat diesen Satz formuliert, Isaiah Berlin hat ihn mit seinem Tolstoi-Essay berühmt gemacht. Aber was ist diese »eine große Sache«? Ronald Dworkin liefert in »Gerechtigkeit für Igel« eine Antwort: Es sind Werte in all ihren Erscheinungsformen. Wenn wir verstehen wollen, was Wahrheit und Schönheit sind, was dem Leben Sinn verleiht, was die Moral fordert und die Gerechtigkeit verlangt, so müssen wir der Spur jener moralischen Einstellungen nachgehen, die menschliches Denken, Fühlen und Handeln durchdringen und zu einer Einheit formen. Entsprechend entwickelt Dworkin eine umfassende Epistemologie der Moral, die bei Problemen des Wissens und Verstehens ansetzt und über grundsätzliche Fragen der Ethik bis hin zur Politik und zum Recht führt. »Gerechtigkeit für Igel« ist eines jener Bücher, wie es sie in Zeiten der Füchse - der Spezialisten und Skeptiker, der Zyniker und Viel- oder Besserwisser - immer seltener gibt: eines, das aus einem einzigen Prinzip eine ganze Welt erklären und zugleich Orientierung geben möchte. Denn wissen wir überhaupt noch, was ein gutes Leben ausmacht? Ein Igel-Buch. Eine große Sache. Ein Opus magnum.
Autorenporträt
Dworkin, Ronald§
Ronald Dworkin war Professor für Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie an der New York University und am University College in London. Er ist am 14. Februar 2013 im Alter von 81 Jahren in London verstorben.
Celikates, Robin§
Robin Celikates ist Professor für Politische Theorie und Sozialphilosophie an der Universität Amsterdam.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Michael Schefczyk setzt sich intensiv mit Ronald Dworkins großem Werk "Gerechtigkeit für Igel" auseinander, das er zumindest von Umfang und Ambition mit John Rawls' "Theorie der Gerechtigkeit" auf eine Stufe stellt. Abschließend beurteilen möchte Schefczyk das Buch noch nicht, dafür ist ihm der Wurf einfach zu kühn, er ordnet zunächst einmal die Stärken und die Schwächen des Werks. Nachvollziehbar findet der Rezensent etwa noch Dworkins Kritik an der Metaethik, die den Eindruck erwecke, als können man von einem Standpunkt außerhalb des moralischen Diskurses diesen beurteilen. Daraus ergibt sich für Dworkin, dass die Moral ihren Wahrheitsanspruch aus sich selbst heraus begründen muss, was in Schwefczyks Augen zwar zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit den eigenen Wertvorstellung führt, aber auch zu der fraglichen Gleichstellung von Wertvorstellungen und objektiven Wahrheiten. Interessant findet der Rezesnent dann wieder den Gedanken, dass Moral und gutes Leben sich in keiner Weise ausschließen, da die Moral überhaupt nichts fordere, was einem gelungenen Leben im Weg stünde. Was den künftigen Umgang mit diesem Opus magnum betrifft, rät Scheczyk zur konstruktiven Auseinanderansetzung, das heißt nicht an den Schwächen haften zu bleiben, sondern an die Stärken anzuknüpfen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.09.2012

Du sollst wollen, dass dein Leben gelingt
Wie man mit Beharrlichkeit ein liberales Wertesystem schafft: Der amerikanische Philosoph Ronald Dworkin kennt den Weg zu Toleranz und Weltoffenheit

Schlägt Ihr Herz für Plato, Dante, Pascal, Hegel, Dostojewski, Nietzsche, Ibsen und Proust? Oder eher für Aristoteles, Montaigne, Erasmus, Shakespeare, Molière, Goethe, Puschkin, Balzac und Joyce? Im ersten Fall sind Sie vermutlich ein Igel. Im zweiten ein Fuchs. Diese Klassifizierung klingt wie ein albernes Gesellschaftsspiel, stammt aber aus einem berühmten Essay von Isaiah Berlin aus dem Jahr 1953. "Der Fuchs weiß viele Dinge, aber der Igel weiß eine große Sache" - dieser Satz aus einem Fragment des antiken Dichters Archilochos hatte den Philosophen dazu inspiriert, eine womöglich grundlegende Unterscheidung vorzuschlagen, die Schriftsteller und Denker in zwei Lager teilt.

Füchse, so Berlin, verfolgen viele Interessen, lassen sich heute von diesem und morgen von jenem faszinieren, sind auf Vielfalt und bunte Empirie aus. Der Igel dagegen strebe beharrlich nach dem alles zusammenhaltenden Prinzip, nach dem kohärenten System, das seine Sicht auf die Welt ordnet - nach der einen großen Sache. Moralphilosophie war über viele Jahrzehnte ein von Füchsen dominiertes Gebiet. Sie bemühten sich nachzuweisen, dass moralische Urteile nur Gefühlsausdrücke oder gesellschaftliche Konstrukte sind, die nichts über die Beschaffenheit der Welt aussagen. Das hat den großen Vorteil, dass damit moralische Urteile von der Notwendigkeit befreit werden, dass sie nur wahr sein können, wenn ihr Gegenteil falsch ist und umgekehrt. In Zeiten, in denen Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen auf das Engste zusammenleben, scheint eine solche füchsische Sicht die einzig adäquate zu sein: Sie ermöglicht Pluralismus, Liberalität und multikulturelle Toleranz, und die mit ihr einhergehende ironische Abgeklärtheit scheint kein zu hoher Preis zu sein für den Schutz vor den stacheligen Igeln mit ihren geschlossenen moralischen Weltbildern.

Ronald Dworkin will die Dominanz der Füchse brechen. Das ist das erklärte Ziel des jüngsten Buches dieses großen New Yorker Rechtsphilosophen und Oxforder Emeritus, eines wahren Opus Magnum, das die Summe seines rechts- und moralphilosophischen Nachdenkens seit mehr als fünfzig Jahren zieht. Nicht nach ideologischer Restauration strebt er dabei, im Gegenteil. Dworkin bleibt der kämpferische Liberale, den wir aus seinen politischen und juristischen Essays in der "New York Review of Books" kennen. Er will zeigen, dass beides möglich ist: liberal sein und fest im moralischen Urteil, prinzipientreu und seiner Werte bewusst, ein toleranter, weltoffener, freundlicher Igel.

Um dieses Ziel zu erreichen, hat er ein enormes Programm zu bewältigen. Zunächst muss er den vorherrschenden Skeptizismus widerlegen und eine haltbare Theorie formulieren, was normative Wahrheit ist und woran man sie erkennt. Dann muss er die Prinzipien einer solchen Moral mit Wahrheitsanspruch identifizieren. Und schließlich muss er ausbuchstabieren, wie sich seine Theorie auf die Beantwortung der drängenden philosophischen und politischen Fragen auswirkt, die uns jeden Tag beschäftigen, von der Willensfreiheit bis zum Schwangerschaftsabbruch.

Ob eine normative Überzeugung wahr ist oder nicht, hängt für Dworkin nicht von ihrer Übereinstimmung mit der Welt da draußen ab, mit irgendwelchen "Moronen" geheißenen moralischen Elementarteilchen womöglich. Ein solches Wahrheitsurteil ist vielmehr seinerseits ein Werturteil. Nur Werte und nicht Fakten können über die Wahrheit von Werturteilen richten. Wahr ist somit für Dworkin ein Werturteil dann, wenn es Teil eines einheitlichen, universellen Systems sich wechselseitig abstützender Werte des guten Lebens und der Verantwortung für sich und andere ist. Ein Wertesystem, das dieses leistet, ist wahrhaftig eine "große Sache", und die weiß der Igel und fühlt/vermutet/benutzt sie nicht nur.

Wie kann ein solches einheitliches, selbsttragendes Wertesystem aussehen? Für den Erz-Igel Dworkin reichen zwei Prinzipien der menschlichen Würde aus, um darauf sein ganzes ethisches, moralisches, politisches und rechtliches Überzeugungsgebäude zu gründen. Erstens: Du sollst wollen, dass dein Leben gelingt. Zweitens: Du sollst Verantwortung übernehmen dafür, was du für ein gelungenes Leben hältst. Wer das für objektiv richtig und nicht nur sich selbst für etwas Besonderes hält, muss diese Prinzipien der Selbstachtung und Authentizität auch anderen zugestehen, womit wir von der Ethik zur Moral gelangt wären: Du sollst die Würde des Menschen achten.

Vom Ariadnefaden dieser beiden Prinzipien geleitet, arbeitet sich Dworkin durch so gut wie sämtliche philosophischen und politischen Großkonflikte unserer Zeit und leitet daraus Positionsbestimmungen von hoher Feinauflösung ab, und zwar teilweise durchaus überraschende: Verbote rassistischer Hasspropaganda beispielsweise sind in Dworkins Augen nur schwer mit den "Rechten eines abscheulichen Menschen" auf ethische Unabhängigkeit in Einklang zu bringen.

Oder, um ein weiteres Beispiel zu nennen: Demokratie verlangt für Dworkin, dass allen Bürgern gleiche Achtung zukommt; dass sie möglichst viel selbst entscheiden können, etwa durch Plebiszite, verlangt sie dagegen nicht, ebenso wenig die etwa vom Bundesverfassungsgericht geforderte arithmetische Gleichheit des Erfolgsgewichts aller Wählerstimmen. Eine solche "Fetischisierung der Wirkungsgleichheit" beschädige im Gegenteil den Wert der positiven Freiheit des Bürgers, an der eigenen zwangsbewehrten Regierung mitbeteiligt zu sein. Im Großen und Ganzen halten sich Dworkins Schlussfolgerungen aber im Rahmen des liberalen Mainstream-Konsenses. Das macht die Lektüre gelegentlich etwas ermüdend. Über längere Strecken begründet Dworkin mit großem argumentativem Aufwand, was dem aufgeklärten europäischen Durchschnittsleser nie zu bezweifeln eingefallen wäre. Aber das muss wohl so sein bei einem rechten Igel-Buch, dessen moralischer Wahrheitsanspruch auf der Kohärenz des gesamten Prinzipiengebäudes gründet.

Überhaupt, was heißt hier Mainstream? In Europa und noch mehr in Dworkins Heimat ist der pluralistische Liberalismus, wie er ihn verficht, alles andere als unumstritten. Stattdessen wächst überall die Attraktion strammer, illiberaler Weltanschauungen, ob religiös oder antireligiös fundiert, die ihrem Inhaber das angenehme Gefühl verschaffen, dem windelweichen Relativismus des liberalen Mainstreams moralisch etwas vorauszuhaben. Die bigotten Konservativen in den Vereinigten Staaten und die Islamophoben in Europa glauben, eine große Sache zu wissen. Mögen sie zeigen, ob sie es mit Dworkins großer Sache in puncto Durchdachtheit, Stringenz, Ernsthaftigkeit und Wahrheitsanspruch aufnehmen können.

MAXIMILIAN STEINBEIS

Ronald Dworkin: "Gerechtigkeit für Igel".

Aus dem Amerikanischen von Robin Celikates und Eva Engels. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 813 S., geb., 48,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ein philosophisches Werk von 700 Seiten, das die Fachdiskussion konsequent in weitere 100 Seiten Anmerkungen ausgliedert, in dem der Autor seine Leser an die Hand nimmt und Schritt für Schritt seine Argumentation entwickelt, mögliche Einwände aufnimmt und mit Zusammenfassungen und Ausblicken das Ganze strukturiert - literarisch setzt der amerikanische Philosoph Ronald Dworkin Maßstäbe!«
Christoph Fleischmann, Deutschlandfunk 02.07.2012