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Mit seinem Romanzyklus um die Riesen Gargantua, den Vater, und Pantagruel, seinen Sohn, hat François Rabelais ein unvergleichliches Werk geschaffen: phantastisch, grotesk, satirisch und obszön, voll überbordendem Witz und von einer sprachlichen Virtuosität, die in der französischen Literatur einzigartig ist, dabei geprägt von einer zutiefst humanen Gesinnung. Wolf Steinsieck gelingt es auf brillante Weise, Rabelais' Fabulierkunst, die alle Register zieht vom ernsten Pathos bis zur derbsten Komik, ins Deutsche zu übertragen und dem heutigen Leser zugänglich zu machen.

Produktbeschreibung
Mit seinem Romanzyklus um die Riesen Gargantua, den Vater, und Pantagruel, seinen Sohn, hat François Rabelais ein unvergleichliches Werk geschaffen: phantastisch, grotesk, satirisch und obszön, voll überbordendem Witz und von einer sprachlichen Virtuosität, die in der französischen Literatur einzigartig ist, dabei geprägt von einer zutiefst humanen Gesinnung. Wolf Steinsieck gelingt es auf brillante Weise, Rabelais' Fabulierkunst, die alle Register zieht vom ernsten Pathos bis zur derbsten Komik, ins Deutsche zu übertragen und dem heutigen Leser zugänglich zu machen.
Autorenporträt
François Rabelais wurde 1492 oder 1493 in der Touraine geboren, er starb 1553 in Paris. Seine umfassende Bildung erwarb er bei den Franziskanern und den Benediktinern, wurde dann Weltgeistlicher, studierte Medizin, war als Arzt in Lyon tätig und wurde Leibarzt des Bischofs von Paris, mit dem er insgesamt drei Reisen nach Rom unternahm. Wolf Steinsieck, 1946 geboren, unterrichtete bis 2011 französische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Hochschule Aachen und ist heute französischer Honorarkonsul in Aachen. Für seine Verdienste um die Vermittlung französischer Kultur wurde er 2003 mit dem Ordre des Palmes Académiques ausgezeichnet. Für Reclam hat er »Das altfranzösische Rolandslied« und Racines »Phèdre« übersetzt und kommentiert.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Geradezu prächtig viel Vergnügen hat Werner von Koppenfels an diesem sinnenfreudigen Klassiker der frühen Neuzeit, der seine Form fröhlich in alle Richtungen wuchern lässt und literarischen Genuss mit deftiger Körperlichkeit bis hin zum Fäkalischen verbindet. Fast schon als postmodernen Idealtext kennzeichnet der Rezensent dieses Werk, das sich über Kategorien und Rubriken nonchalant hinwegsetzt, Komik und Drastik kreuzt, andere Werke plündert und die Lust am Grotesken mit intellektuellen Genüssen verbindet. Für den Rezensenten korrespondiert dies mit Rabelais' bewegter Lebensgeschichte, der im Laufe seines Lebens im ganzen Renaissance-Europa zuhause gewesen ist und seine Freude an aller Sudelei durchaus als subversives Programm gegenüber der Sinnenfeindlichkeit des Klerus positionierte und dabei eine ins Gigantomanische spielende Sprache in den Mittelpunkt seines Interesses stellte, wie der Rezensent schwärmerisch festhält. Was taugt vor diesem Hintergrund nun diese mit einem, wie von Koppenfels findet, gelegentlich etwas überausführlichem Kommentar versehene Neuübersetzung? Vor allem schätzt der Rezensent an ihr die philologische Bodenständigkeit, die sie von einer in ihrer Skurrilität glänzenden Übersetzung aus dem 19. und von einer enthusiastisch überbordenden und damit dreimal so langen Übersetzung aus dem 16. Jahrhundert abgrenzt. Somit liest sich das Werk heute "angenehm frisch und flüssig", auch wenn nun viele der im Original lateinischen Stellen ebenfalls übersetzt sind und sich mancher Sprachwitz erst über den Kommentar erschließt.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.03.2013

Das phlegmatische Hinterteil macht's aus
Renaissance in ganzer Fülle: Wolf Steinsiecks und Frank-Rutger Hausmanns Rabelais-Neuübersetzungen

Man kann sich die Weltliteratur als eine Landkarte vorstellen, auf der jede menschliche Regung ihr Reich hat. Im großen, aber vernachlässigten Land des Lachens herrscht in einer Burg aus Flaschen, Fässern und Viktualien ein Geschlecht grotesker Riesen: Grandgousier, Gargantua und Pantagruel. Seit der Renaissance geben sie sich Gelagen und gelehrten Debatten hin, trinken, verdauen, verhauen und lassen so weise wie unflätige Laute fahren. Es sind die Kreaturen von François Rabelais (1493/94 bis 1553), Mönch in diversen Orden, Arzt, Jurist, philologisch gebildeter Humanist und Vater unehelicher Kinder, der in fünf Bänden von Kindheiten, Erziehungen, Reisen und Abenteuern berichtet.

Am bekanntesten sind die ersten zwei Romane der Pentalogie: "Pantagruel" (1532) und "Gargantua" (1535), monströse Werke, auf die der Begriff "Klassiker" kaum passen will. Die Romanisten Wolf Steinsieck und Frank-Rutger Hausmann haben bereits 1992 eine Übersetzung des "Gargantua" in Reclams Gelber Reihe vorgelegt (Steinsieck widmete sich der Prosa des Textes, Hausmann den Versen); sie erscheint nun durch "Pantagruel" ergänzt in der Reclam Bibliothek. Damit liegt zum ersten Mal seit den Siebzigern eine Neuübertragung des wichtigsten Romanwerks der französischen Renaissance vor. Das ist Anlass zur Freude: Zum einen hat es in Frankreich seitdem große Neuausgaben gegeben, welche die unzähligen kulturellen Verweise, Wortspiele und Kalauer weiter aufschlüsselten. Zum anderen war es an der Zeit, den leicht angestaubten Versionen von Edith und Horst Heintze sowie Rolf Müller (1970) und von Walter Widmer sowie Karl August Horst (1968) etwas an die Seite zu setzen.

Der Leser kann die Romane nun in frischer Derbe und Deftigkeit genießen. In der Heintze-Übersetzung heißt es zu Gargantuas Zeugung noch, Grandgousier und Gargamelle "rieben sich lustig aneinander". Bei Steinsieck hingegen "rieben (sie) fröhlich ihre Schwarten aneinander", was das Original "joyeusement se frotans leur lard" besser trifft. Wenn die Kinderfrauen Kosenamen für Gargantuas Geschlechtsteile erfinden, dann ist "couille bredouille" (eigentlich ein Spieler ohne Glück) mit "Säckchen ohne Jagdglück" besser übertragen als mit "Rübchen" (Widmer/Horst). Und als die Damen um das Prachtstück streiten und vorgeben, es kappen zu wollen, da wird "monsieur sans queue" (Steinsieck: "Herr Schwanzlos") bei Widmer/Horst ganz unterschlagen. Auch manche Lösung Steinsiecks kann man diskutieren, etwa die Verwandlung eines Vierzeilers in Prosa (im "Vorwort" zu "Pantagruel"). Aber die neue Übersetzung kommt frisch und lesbar daher.

Gut gewürzt aber muss man es mögen: Gleich im "Vorwort" von "Gargantua" werden die Leser durch die charmante Anrede "ihr Eselspimmel" (Heintze: "Eselsgesichter"!) begrüßt. Rabelais beglückt sie dann mit Gargantuas Geburt, bei der sich die Mutter überfrisst. Durchfall und Verstopfung blockieren den Weg, das Kind kriecht durch eine Ader ins linke Ohr und ins Freie: "Es machte Freude, ihn zu sehen, denn er hatte ein rundes Gesicht und ein fast achtzehnfaches Kinn; er schrie recht wenig, aber er schiss sich ständig zu, weil er einen unerhört phlegmatischen Hintern hatte." Das Erzählgerüst, auf dem so zotige Szenen aufgespannt werden, stammt aus dem Ritterroman, die Helden durchlaufen bekannte Stationen: Abstammung, Kindheit, Erziehung, Ausbildung, Bewährung im Kampf und als Sieger (Milde mit dem Feind). Freilich wachsen nicht edle Ritter heran, sondern Riesen, deren größte Freude im Fressen (Gargantua) und Saufen (Pantagruel) besteht. Man kann zwar eine Verfeinerung vom mittelalterlichen Rauhbein Grandgosier hin zum humanistischen Enkel Pantagruel sehen, aber des Körpers Freud und Leid bleiben zentral.

Wenn Rabelais sich dem Wissen und den Institutionen seiner Zeit widmet, bleibt kein Auge trocken. Die scholastische Erziehung Gargantuas wird scharf kritisiert: "Nun, sein Vater stellte fest, dass er zwar ausgezeichnet studierte und seine ganze Zeit darauf verwendete, nur kam er in rein gar nichts voran, schlimmer noch, er wurde dümmlich, blöde, spinnert und ein Schwätzer." Über Ordensvertreter erfährt man: "In unserem Kloster wird nicht studiert, aus Angst vor Mumps. Unser seliger Abt pflegte zu sagen, dass ein gelehrter Mönch eine wundersame Sache sei." Die Sorbonnelehrer werden am Beispiel von Meister Janotus von Bragmardo ("braquemart": männliches Glied) veräppelt: "Er hatte einen Haarschnitt wie Cäsar und trug den altertümlichen Talar der Theologiedoktoren. Seinen Magen hatte er mit Quittenbrot aus dem Ofen und Weihwasser aus dem Keller immunisiert." Und zu juristischen Fachkommentaren findet Pantagruel klare Worte: "Er sagte häufiger, dass ihm die Rechtsbücher vorkämen wie ein schönes Goldkleid, über alle Maßen prächtig und kostbar, aber mit Scheiße gesäumt."

Einerseits ist das ein Heidenspaß, der noch fünfhundert Jahre später das Zwerchfell erschüttert. Dank sei dem Übersetzer: Steinsieck überträgt noch das Obszönste mit gelassener Philologentreue; sein reicher Apparat erklärt umfassend, knapp, präzise. Andererseits ist das ein grober Scherz, ein Feuerwerk der Respektlosigkeit. Mehr nicht? Seit je hat diese Frage Leser und Forschung gespalten. Zwar erzielten Rabelais' Romane schon zu Lebzeiten viele Auflagen und kommerziellen Erfolg, aber die Zeitgenossen und mehr noch das klassizistische siebzehnte Jahrhundert verstanden sie meist als Amüsement. Die, die sie ernst nahmen, suchten nach Schlüsseln, wollten historische Gestalten erkennen - Voltaire sieht in Gargantua König Franz I.; spätere Auslegungen sind raffinierter, aber das Vorgehen bleibt gleich.

Startpunkt der Spekulationen ist ein bekannter Lektürehinweis im "Vorwort" zu "Gargantua": "Die Dinge, von denen hier die Rede ist, sind bei weitem nicht so närrisch, wie der Titel des Buches vorgibt." Versprochen wird "eine sehr viel verborgenere Lehre, die euch großartige und ungeheuerliche Geheimnisse offenbaren wird, sowohl was unsere Religion angeht als auch die Lage des Staatswesens wie die der häuslichen Geschäfte". Dann aber rudert Alcofribas Nasier (ein Anagramm von François Rabelais) wieder zurück, erklärt, dass es Unsinn wäre, zu glauben, dass "meine Chroniken mit Allegorien befrachtet sind". Und singt dem "Duft des Weines" ein Loblied: "Mir bedeutet es wirklich nur Ehre und Ruhm, spricht man von mir als von einem lustigen Zechkumpan, der zu leben versteht."

Von der Groteske und ihren Zweideutigkeiten kann man so rasch nicht abstrahieren, wie Hausmann es im Nachwort tut: Er sieht in den Riesen den gigantischen Wissensstand des Humanismus gespiegelt, lässt sie "zum Idealbild eines prinzipiell realisierbaren Bildungs- und Charakterideals" mutieren. Das sind sie - auch. Aber die ansteckende Freude am Verformten und Maßlosen verhindert eine glatte Allegorisierung. Da wären weniger schmeichelhafte Charakterzüge der Helden oder ambivalente Nebenfiguren: der prügelfreudige Mönch Jean des Entommeures etwa, oder Panurge, zwielichtiges Alter Ego von Pantagruel. Dies ist der eine Mangel der Ausgabe: Bei gleicher philologischer Treue wünscht man sich mitunter einen Funken mehr literarische Phantasie, welcher der Zügellosigkeit des Textes gerechter würde.

Den zentralen Hinweis gibt das Gedicht "An die Leser": "Fürwahr, hier lernt ihr keine Meisterschaft, / es sei denn in des Lachens hoher Kunst, / denn andrer Stoff fand bei mir niemals Gunst, / da ich den Schmerz sah, der euch höhlt und narrt / Von Lachen schreib' man, nicht von Tränenbrunst, / denn Lachen ist der Menschen Eigenart." Auch dieses Lachen hat praktische Funktionen: Es entlarvt Missstände, stellt die Welt auf den Kopf; Michail Bachtin hat es in seiner Studie gezeigt. Ja, in der Renaissance sagte man ihm medizinischen Nutzen nach, denn es sorge für seelisches Gleichgewicht. Vor allem jedoch ist es "der Menschen Eigenart" und lohnt der Entfaltung - um seiner selbst willen.

NIKLAS BENDER

François Rabelais: "Gargantua, Pantagruel".

Mit 29 Holzstichen von Gustave Doré. Aus dem Französischen übersetzt und kommentiert von Wolf Steinsieck, Übersetzung der Verse und Nachwort von Frank-Rutger Hausmann. Reclam, Stuttgart 2013. 626 S., geb., 34,95 [Euro].

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