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Ein vom Vormieter zurückgelassenes Bild in einer leeren Wohnung bringt einen Schriftsteller gehörig aus der Fassung. Ein Junge nimmt die Geburtstagseinladung eines Klassenkameraden an, weil er sich in dessen Mutter verliebt hat. Ein bekannter Filmstar träumt davon, am Samstagmorgen unbehelligt seinen Wagen in der Garagenauffahrt waschen zu können. Ein Metzger versucht, mit einer Spende an das städtische Tierheim sein schlechtes Gewissen zu beruhigen.Arne Nielsens Geschichten handeln von Menschen, die mit ungeahnten Hoffnungen oder nie gekanntem Leid konfrontiert werden. Oft sind es…mehr

Produktbeschreibung
Ein vom Vormieter zurückgelassenes Bild in einer leeren Wohnung bringt einen Schriftsteller gehörig aus der Fassung. Ein Junge nimmt die Geburtstagseinladung eines Klassenkameraden an, weil er sich in dessen Mutter verliebt hat. Ein bekannter Filmstar träumt davon, am Samstagmorgen unbehelligt seinen Wagen in der Garagenauffahrt waschen zu können. Ein Metzger versucht, mit einer Spende an das städtische Tierheim sein schlechtes Gewissen zu beruhigen.Arne Nielsens Geschichten handeln von Menschen, die mit ungeahnten Hoffnungen oder nie gekanntem Leid konfrontiert werden. Oft sind es Außenseiter, die versuchen, ihr Leben in den Griff zu bekommen, oder Sonderlinge, die nicht die Kontrolle über andere verlieren wollen. Arne Nielsen erzählt lakonisch und pointiert, mit großer Intensität und skurrilem Humor. Seine Stories sind direkt, eindringlich und lassen einen nicht mehr los.
Autorenporträt
Arne Nielsen wurde 1971 in Dänemark geboren. Er machte eine Ausbildung zum Herrenschneider und studierte Wirtschaftswissenschaften. Danach arbeitete er u.a. als Tankwart, Vertreter und Konsulatsbeamter. Arne Nielsen lebt mit seiner Familie in Hamburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.10.2003

Wer nicht allein sein will, muss lügen
„Donny hat ein neues Auto und fährt etwas zu schnell”: Der dänische Schriftsteller Arne Nielsen legt seinen ersten Erzählungsband vor
Zwei Männer sitzen im Lesesaal einer Bibliothek und lesen Zeitung. Jimmy, der jüngere der beiden, mag den anderen irgendwie, diesen „älteren Herrn”. Nicht dass die zwei jemals ein Wort miteinander gewechselt hätten. „Doch Jimmy glaubt, der ältere Herr sei in Ordnung, zumindest hofft er das. Sicher kann er sich aber natürlich nicht sein.” Sicher sein kann sich bei Arne Nielsens Buch „Donny hat ein neues Auto und fährt etwas zu schnell” weder das Personal der 14 Erzählungen noch der Leser. Zu artistisch jongliert der junge Däne mit Erwartungen und Klischees.
Alle Geschichten fangen banal an: ein Mann kann seine Jacke nicht finden, ein Junge wird zum Geburtstag eines anderen eingeladen, der Besitzer eines Videoladens isst Kartoffelspalten. Niedlich, denkt der Leser da, und freut sich auf stille, unaufgeregte literarische Miniaturen, die er so gerne liest, seitdem draußen alles so kompliziert geworden ist. Aber kaum hat er sich in den Geschichten behaglich eingerichtet, vielleicht sogar Zutrauen zu Jimmy gefasst, schon könnte er den Autor verfluchen, dass der ihm auf einmal so Ungeheuerliches und Unappetitliches auftischt. So nett hätte es werden können. Und dann so was.
Gegen Ende der Erzählung „Enten füttern” trifft Jimmy den älteren Herrn im Park. „Er zeigt ihm das Stück Brot und deutete auf die Enten. Der Alte schüttelt den Kopf und geht weiter. Niemand sieht, wie ihn der jüngere Mann daraufhin niederschlägt.” Ob Jimmy ihn tötet, bleibt offen. Dafür erfährt der Leser, dass Jimmy sich anschließend eine Pizza mit frischen Champignons bestellt und beginnt, in einem Buch über Schmetterlinge zu lesen. Der ältere Herr war also in Ordnung, nur Jimmy, Jimmy war es eben nicht. Verrückt, denkt der Leser da, und hat ja auch recht. Nur sicher sein lässt ihn der Autor eben nie, denn die Grenzen zum Wahnsinn sind fließend und der Wahrheiten sind zu viele. Arne Nielsen wirft seinen Lesern ungeschönte und unschöne Einblicke in die Seele der Menschen vor die Füße, die jeden Tag vor ihnen im Supermarkt an der Kasse stehen.
In „Der Gerätemann” findet ein Mann seine Frau aufgehängt in der Garage. „Er hatte sie damals ein paar Tage hängen lassen, da er nicht recht wusste, was er tun sollte. Noch nie hatte er eine Leiche gesehen und war natürlich verunsichert, wie er sie dort hängen sah.” Verrückt oder nur merkwürdig, überfordert, pathologisch sensibel? In „Bursche ist da” wird ein Mann durch den Anblick seiner gebärenden Schwester dermaßen erregt, dass er nicht anders kann, als in eine säuberlich präparierte Apfelsine zu onanieren. „Es ist eine furchtbare Schweinerei, die er da macht, ihm kommen beinahe die Tränen.”
In „Mein Nachbar” hört ein Mann im Autoradio vom Tod seines Sohnes. Selbstmord. „Trotzdem fuhr er zur Arbeit, denn es war Freitag und in der Kantine gab es Fisch.” Als zudem die Tochter „spurlos verschwindet” und man bei seiner Frau Brustkrebs diagnostiziert, geht Seltsames vor sich: endlich plant das Paar wieder Reisen und sitzt händchenhaltend bei einem Sherry auf der Terrasse. „Das Schicksal meint es gut mit uns”, resümieren die beiden und verhöhnen so mittelständische Familienträume.
Arne Nielsens Figuren stehen außerhalb der Gesellschaft. Aber sie verweigern das Reglement nicht in einem Akt der Rebellion. Sie schaffen es einfach nicht. Sie müssen allein bleiben, weil sie ehrlich sind. Wer nicht allein sein will, muss lügen. Dass sie zur Gewalt neigen, macht sie unberechenbar, wie Ed, der ein unschuldiges Huhn erst „auf den Rasen” schlägt. „Dann auf den Gartentisch. Und dann gegen alles.” Alle leben sie in einer Welt, die sie verzweifeln lässt. Verrückt schimpft man sie, weil sie nicht gelernt haben, ihre Regungen durch ein schleimiges Lächeln zu kompensieren. Weder verteidigt Arne Nielsen diese Sonderlinge noch verurteilt er sie. Er macht auf sie aufmerksam, in einer sehr lakonischen Sprache. „Ich bin ein Sadist, aber ein vollkommen normaler Mensch” hat Luis Bunuel geschrieben. Arne Nielsens Figuren sind vollkommen normale Menschen.
TOBIAS HABERL
ARNE NIELSEN: Donny hat ein neues Auto und fährt etwas zu schnell. Liebeskind Verlag, München 2003. 124 Seiten, 14,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2003

Denn schließlich ist es Zucker
Leichenschmaus: Arne Nielsens Erzählungen aus der Bizarro-Welt

"Donny lacht gerne allein. In dieser Hinsicht ist er unabhängig." Unter Menschen hat er weniger zu lachen. Donny ist nämlich kleinwüchsig, 1,53 Meter, um genau zu sein, und muß die gönnerhaft herablassenden Ratschläge seines besten und übrigens einzigen Freundes ertragen. Jetzt aber hat Donny ein neues Auto und fährt so schnell, daß dem faden Limonadentrinker auf dem Beifahrersitz fast übel wird. Donny ist gewachsen, Ed geschrumpft und deshalb muß er zu Hause unbedingt ein Huhn töten. "Wirklich schade, das alles."

Nicht alle Geschichten von Arne Nielsen gehen so glimpflich aus. Manchmal trifft es statt der Tiere nämlich auch Menschen. Der Labrador, erzählt ein neurotischer Hundehasser seinem Psychologen, "ist verwöhnt, der Labrador hat das, was ich nie gehabt habe. Er wohnt direkt am Fluß, in erster Reihe sozusagen, nicht in der dritten so wie ich". Aber als der Therapeut eines Nachts seinen toten Labrador als Haßobjekt anbietet, schlägt sein Patient lieber gleich den Doktor.

Arne Nielsen erzählt kaltblütig und ungerührt von ganz normalen Menschen, die fast grundlos und ohne Reue Hühner, Hunde, Mütter und Kinder totschlagen. In "Bursche ist da" überfällt eine Hebamme plötzlich die Lust, das neugeborene Kind an die Wand zu klatschen, während der Onkel nebenan still nach Hause strebt, um seinem Hobby zu frönen: in Apfelsinen onanieren. In einer anderen Geschichte klingelt ein vielgeprüfter Hiob mitten in der Nacht, um sich von seinem Nachbarn - ohne sexuelle Absichten - auf Hodenkrebs untersuchen zu lassen. Einsame Menschen tun manchmal ziemlich verrückte Dinge, um Trost und Gesellschaft zu finden, und Arne Nielsens Helden sind alle einsam und krank, häßlich, böse und vor allem unberechenbar: Neurotiker, empfindsame Metzger, apathische Choleriker, gutmütige Sodomiten, kurz: Biedermänner in der Maske des Triebtäters. Selbst Arnold, der einsame Hollywood-Star, will sein Auto unbedingt inkognito, in den Shorts seines Sohnes, in einer fremden Garageneinfahrt waschen.

Der Lebenslauf in absteigender Linie weist den zweiunddreißigjährigen Dänen als literarischen Seiteneinsteiger aus: Studium der Wirtschaftswissenschaften, Lehre als Herrenschneider, Jobs als Konsularbeamter, Tankwart und Friedhofswächter. Auf dem Friedhof könnten Nielsen auch die vierzehn Erzählungen seines Prosadebüts zugeflogen sein. Seine Geschichten sind makaber, bizarr, oft auch unappetitlich, in surrealen Traum- und Parallelwelten angesiedelt, aber durchaus innerhalb des Kontinuums menschlicher Verirrungen und alltäglicher Perversionen. Nielsens Figuren sind Außenseiter und exzentrische Sonderlinge, die gemütlich ins Zentrum der Normalität spazieren wollen und sich unversehens, verwundert und verwundet, im Abseits wiederfinden. Es sind Ungeheuer mit guten Vorsätzen, Monster aus Sanftmut, Ekelpakete mit rosa Schleifchen.

Und Naschkatzen. Ständig stopfen sie Pralinen, Chips, Lakritze, Kuchen und Unmengen von Limonade in sich hinein. Es braucht nur eine kleine Demütigung, eine leise Enttäuschung, ein falsches Wort als Hefe, und schon beginnt der Zucker des Bösen zu gären, Faulgase und ätzende Laugen freizusetzen. Nielsen macht nicht viel Aufhebens von diesen seltsamen Zersetzungsprozessen. Er verweigert Erklärungen und gibt keine Auflösung. Nur so viel ist sicher: Man kann Tür an Tür leben und doch unentdeckte Leichen im Keller haben, wie familiäre Succubi aufeinander hocken und einander doch unendlich fremd und fern bleiben. Zwischen den Zeilen, im Innern einer schmucklosen Sprache, ist Platz genug für namenlose Geheimnisse, verdrängte Lüste, verschwiegene Laster.

Das Gesellenstück des Herrenschneiders Nielsen ist kein Meisterwerk; es gibt etliche lose Fäden und Flickwerk, hin und wieder auch modische Raymond-Carver-Applikationen. Aber Nielsen hat seinen Stoff lakonisch knapp und kühl auf Kante genäht, und deshalb paßt sein erster Anzug gar nicht so übel.

MARTIN HALTER

Arne Nielsen: "Donny hat ein neues Auto und fährt etwas zu schnell". Erzählungen. Liebeskind Verlag, München 2003. 128 S., geb., 14,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Es hätte so nett werden können", würden die Geschichten so belanglos weiter gehen, wie sie beginnen, seufzt Tobias Haberl. Aber das gönne einem Arne Nielsen nicht. Die Einblicke in die Seelen der einen tagtäglich umgebenden Menschen seien "unschön und ungeschönt". Brave Jungs werden zu Mördern und töten wahlweise ältere Männer oder unschuldige Hühner. Haberl findet diese 14 Erzählungen trotzdem gelungen, denn Nielsen beherrsche die Kunst der "lakonischen Sprache". Letztlich beschreibe er einfach "vollkommen normale Menschen", die der Rezensent zu seiner Erleichterung vom Autor nicht bewertet sieht. Die Figuren stehen alle am Rand der Gesellschaft - und ihr Gewaltpotential mache sie verdammt "unberechenbar", wodurch viel "Ungeheuerliches und Unappetitliches" passiere.

© Perlentaucher Medien GmbH