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Ein spannender Roman über den englischen Abenteurer Richard Burton (1821-1890). Anstatt in den Kolonien die englischen Lebensgewohnheiten fortzuführen, lernt er wie besessen die Sprachen des Landes, vertieft sich in fremde Religionen und reist zum Schrecken der Behörden anonym in den Kolonien herum. Trojanows farbiger Abenteuerroman über diesen Exzentriker zeigt, warum der Westen bis heute nichts von den Geheimnissen der anderen Welt begriffen hat.

Produktbeschreibung
Ein spannender Roman über den englischen Abenteurer Richard Burton (1821-1890). Anstatt in den Kolonien die englischen Lebensgewohnheiten fortzuführen, lernt er wie besessen die Sprachen des Landes, vertieft sich in fremde Religionen und reist zum Schrecken der Behörden anonym in den Kolonien herum. Trojanows farbiger Abenteuerroman über diesen Exzentriker zeigt, warum der Westen bis heute nichts von den Geheimnissen der anderen Welt begriffen hat.
Autorenporträt
Ilija Trojanow, 1965 in Bulgarien geboren, in Kenia aufgewachsen, studierte und arbeitete viele Jahre in Deutschland. Seit 1998 lebt er in Bombay. Trojanow ist Autor, Herausgeber und Verleger. er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit afrikanischer Geschichte, Kultur und Literatur.
Der Autor erhielt zahlreiche Preise: 1995 den Bertelsmann-Literaturpreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt, ein Aufenthaltsstipendium im Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf sowie ein Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds e.V., 1996 den Marburger Literaturpreis, 1997 den Viktor-von-Scheffel-Preis und Thomas-Valentin-Preis der Stadt Lippstadt und 2000 den Adelbert-von-Chamisso-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2006

Unser Mann in Mekka
Ilija Trojanow erzählt von Richard Burton, einem der großen Abenteurer des 19. Jahrhunderts

Die Mail kam aus Lissabon und doch nicht aus Kapstadt, und außerdem war der Absender vorher in Bulgarien, wo er für sein neues Buch recherchiert hat. In zwei Tagen werde er von München aus wieder nach Indien fliegen, sagt Ilija Trojanow, und im übrigen sei das sein erster Winter seit fünf Jahren, weil er immer gerade dort gelebt hat, wo die Sonne schien. Es ist dann doch ganz praktisch, daß es heute E-Mail und Telefon gibt, wenn man mit einem reiselustigen Schriftsteller wie Trojanow Kontakt aufnehmen will, und nicht, wie zu Sir Richard Francis Burtons Zeiten, schleppenden Briefverkehr. Burton ist die Titelfigur in Trojanows Roman "Der Weltensammler", einem wunderbaren und wundersamen Buch, das tief im 19. Jahrhundert spielt und doch so gegenwartsnah ist, wie man sich das nur wünschen kann.

Es ist die Geschichte eines Mannes, der als erster Europäer über seine heimliche Pilgerfahrt nach Mekka und Medina im Jahr 1853 schrieb, der später in Afrika nach der Quelle des Weißen Nils suchte und seine Karriere als Offizier in Indien begonnen hatte. Ein fernes Echo von Karl May liegt über dem Roman, eine sublimierte Erinnerung an alte Abenteuerbücher, aber Ilija Trojanow hat die Welt eben nicht in Bibliotheken erkundet, er ist Burton nachgereist. Er ist Ende der neunziger Jahre nach Bombay gezogen. Er hat unter Deobandi gelebt, das sind indische Muslime, die, zu Unrecht, sagt Trojanow, unter Islamismusverdacht geraten sind. Er hat ihnen Englisch beigebracht, im Gegenzug haben sie ihn so weit im muslimischen Glauben unterwiesen, daß er ein Visum für Saudi-Arabien beantragen konnte. Er hat mit ihnen gebetet und gefastet, und so durfte er, anders als Burton, ohne Verkleidung nach Mekka und Medina reisen, worüber er auch ein Buch geschrieben hat, das "Zu den heiligen Quellen des Islam" heißt.

Eine Pilgerfahrt.

Burton, das ist ein Kindheitstraum. Trojanow, der 1965 in Sofia geboren wurde und in Kenia aufwuchs, hat ihn in einem Buch kennengelernt. "Explorers of Africa" hieß es, die Eltern hatten es dem Zehnjährigen geschenkt. Und statt die wilden Tiere im Nationalpark zu beobachten, hat er an einem Wasserloch gesessen und dieses Buch verschlungen, weil sein Blick sofort von einem Mann angezogen wurde, der anders aussah, der anders gekleidet war, in ein wallendes orientalisches Gewand. Ein Mann, der in allen möglichen Ecken der Welt lebte und mehr als zwanzig Sprachen beherrschte, der 1890 als Konsul in Triest starb, wohin man ihn abgeschoben hatte. Nach seinem Tod verbrannte seine Frau die Notizbücher aus vierzig Jahren, die er als seinen größten Schatz mit sich führte, die er sich im Roman slapstickartig von diebischen Affen zurückerkämpft. Die Ehefrau hatte befürchtet, man könne biographische Rückschlüsse aus Burtons Interesse an bizarren sexuellen Praktiken ziehen. Es reichte ja schon, daß er das "Kamasutra" übersetzt hatte und dazu noch die "Geschichten aus Tausendundeiner Nacht".

"Der Weltensammler" kann deshalb nur ein Abenteuerbuch sein, das einen mitnimmt und seine Faszination für den Mann großzügig mit dem Leser teilt. Was es so besonders macht, das ist allerdings nicht bloß sein Held, es ist vor allem Trojanows raffinierte Porträttechnik. Er schlüpft nicht einfach in Burtons Haut. Er inszeniert die drei Teile des Romans, die den Stationen Indien, Mekka und Afrika entsprechen, jeweils als einen mittelbaren Dialog zweier Perspektiven. Zum einen ist da immer die Schilderung aus Burtons Blickwinkel. In Indien dann geht Burtons entlassener Diener zu einem Schreiber, um seine Erinnerungen aufschreiben zu lassen, und dieser Schreiber verfertigt daraus mit Geschick seine Version. Die Hadsch, die Pilgerfahrt nach Mekka, wird zugleich durch Protokolle und Briefwechsel der osmanischen Behörden rekonstruiert, die nachträglich ermittelt und Zeugen verhört hatten, nachdem Burtons Reisebericht erschienen war. Und in Afrika ist es der Führer der Nilquellen-Expedition, der seinen Freunden von den Mühen und Kuriositäten der Reise erzählt, ein Afrikaner namens Sidi Mubarak Bombay, der als junger Mann in die Sklaverei nach Indien verschleppt wurde.

Ein Kindheitstraum.

Trojanow ist der Gefahr elegant ausgewichen, sich voller Überschwang in den Mann hineinzuversetzen, der für ihn eine ferne Identifikationsfigur ist. Er wollte, wie er sagt, nicht nur Burtons Erfahrungen, sondern auch den Blick der Einheimischen auf Burton wiedergeben. Ihre Sicht sei gleichberechtigt und nicht bloß exotisches Kolorit. "Und dort, wo es mir besonders wichtig ist", sagt Trojanow, "bin ich am weitesten weg von Burtons realer Biographie." Diese poetische Lizenz erlaubt es ihm, ständig die Tonlagen zu wechseln, sehr verschiedene, distinkte Stimmen zu modellieren, und es verhilft ihm gleich zu Anfang zu einem Coup, der einen unwiderstehlich in das Buch hineinzieht, weil da etwas gelingt, was selbst Überblendungen selten schaffen.

Es ist ein Stück Sprachmagie, wenn Burtons Gärtner vor dem Feuer steht, in dem die Tagebücher verbrennen: ein Fanal, das den ganzen Zauber dieses Buches leuchten läßt. Er sieht "krakelige Buchstaben, die als Funken aufflattern, bevor sie als Kohlenstaub herabsinken". Er glaubt, den jungen Burton zu erkennen, "die Seiten brennen, die Zettel, die Fäden, die Lesezeichen und das Haar, ihr seidenes schwarzes Haar, langes schwarzes Haar, das vom vorderen Ende eines Schragens herabhängt, im Klagewind treibt. Nur eine Flammenwand entfernt liegt eine Tote, ihre Haut löst sich ab, ihr Schädel platzt, sie beginnt zu schrumpfen, bis von ihr übrig ist, was weniger wiegt als ihre schönen langen schwarzen Haare. Der junge Offizier weiß nicht, wie sie heißt, wer sie ist. Er kann den Geruch nicht mehr ertragen." Und auf einmal steht man in Bombay, mitten im 19. Jahrhundert.

Aus solchen Verwandlungen und Überblendungen setzt sich das Bild des Abenteurers zusammen - schwer zu fassen, flüchtig, dann wieder so klar wie auf den Fotografien, die von Burton erhalten sind, und dabei immer auch fremd, undurchschaubar. Ein Mann des 19. Jahrhunderts - und doch wie aus seiner Zeit gefallen. Von einer kaum zu stillenden Neugier, einer waghalsigen Bereitschaft zur Selbstaufgabe. Einer, der sich auf fremde Kulturen einließ, ohne restlos in ihnen aufzugehen. Ein Verwandlungskünstler mit Schauspieltalent, wenn er sich in Kairo mit Erfolg als Arzt ausgibt, ein Lebensgieriger, ein Erfahrungshungriger. Einer, dessen unendliche Faszinierbarkeit wenig mit dem zu tun hat, was Akademiker als das Andere mit dem ganz großen A beschworen haben, und noch weniger mit der Selbstüberschreibung sinnkranker Europäer an fremde Götter.

Ein Zukunftsbild.

"Ich glaube nicht", sagt Ilija Trojanow, "daß man nicht einer von den anderen werden kann", er selber habe im übrigen die Erfahrung gemacht, wie wenig homogen andere Kulturen seien, sobald man einmal ernsthaft versuche, in ihnen zu leben: "Ihre reale Vielfalt wird gar nicht wirklich wahrgenommen." Was sich wahrnehmen läßt, das ist Trojanows Pointe, davon muß sich erzählen lassen. Erklärungen und dürre Begriffe wie Interkulturalität lösen sich auf in Geschichten. Und deshalb ist dieser Roman so nah an der Gegenwart: Gerade weil er diesen Burton nicht aus seiner Welt herauslösen, sondern ihn in seiner Zeit verorten will. Das Wort Multikulturalität, bei dem man inzwischen schon automatisch die Stimme von Claudia Roth schrillen hört, dieses Wort kann Trojanow ohne Nebengeräusch aussprechen, weil es seine Biographie beschreibt. Was er damit meint, das ist keine Verschmelzung der Kulturen, kein Monopluralismus, aber auch keine Atempause im Kampf der Kulturen. Es ist ein Plädoyer für Erfahrung, für Anschauung - und Selbstreflexion. Und man könnte dafür keinen besseren Anwalt finden als diesen Burton, diesen unzeitgemäßen Streuner zwischen den Kulturen und Religionen, der eben nicht nur in immer neue Kostüme und Masken schlüpft, sondern der das alles ernst nahm, der den Islam wie die Upanischaden von innen heraus begreifen wollte.

Das ist kein Alles-Verstehen, Alles-Tolerieren, Alles-Verzeihen. Da setzt sich jemand einer Kultur mit Haut und Haaren aus, läßt sich beschneiden, um einer Enttarnung auf der Pilgerfahrt nach Mekka vorzubeugen, und bleibt insofern er selbst, als er immer wieder ein anderer wird. Das ist natürlich kein Leben, das sich dem Integrationsbeauftragten als Rollenmodell für ganze Gesellschaften empfehlen ließe, es bleibt eine wilde Abenteurerexistenz, voller Widersprüche, Umwege, auch Sackgassen, aber es steht für eine Haltung, die eine Zukunft hat. Der sogenannte Ungläubige, der in Mekka voller spiritueller Inbrunst zu Allah betete, der abgefallene Katholik, der sich die letzte Ölung verabreichen ließ und mit seinen seltsamen theologischen Ansichten den zuständigen Priester in Gewissensnöte stürzte, der Oxford-Student, der als Konsul des Empire starb und als Weltensammler lebte, dieser Richard Francis Burton schrieb mit einem Pathos, das noch immer unbedingt modern klingt: "Aller Glaube ist falsch, aller Glaube ist wahr: / Wahrheit ist der zersplitterte Spiegel, / in Myriaden von Stücken zerstreut; während jeder glaubt, / in seinem kleinen Stückchen die ganze Wahrheit zu besitzen".

PETER KÖRTE.

Ilija Trojanow: "Der Weltensammler". Roman. Hanser. 476 Seiten, 24,90 Euro.

Ders.: "Zu den heiligen Quellen des Islam. Als Pilger nach Mekka und Medina". Malik-Verlag, 2004. 174 Seiten, 16,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.03.2006

Portwein gegen Wortschatz
Wie man Welten sammelt: Ilija Trojanows Abenteuerroman
Hier hat ein Mann seinen Biografen gefunden. Und der Biograf fand einen Mann, dessen ungezähmter, widersprüchlicher Charakter nur in einem Roman zu fassen ist. Richard Francis Burton hat von 1821 bis 1890 tatsächlich gelebt, auch wenn sich sein Leben wie ein Abenteuerroman liest. Einen Abenteuerroman hat auch Ilija Trojanow verfasst, allerdings einen, der sich bei aller Erzählfreude gegen die Verlockungen des Genres, spannende Episoden aneinanderzureihen und mit exotischen Schauplätzen zu renommieren, zu behaupten weiß.
„Der Weltensammler” ist ein vielschichtiges Werk, in dem sich der 1965 in Sofia geborene Autor von seinem Helden merklich fasziniert zeigt, ohne ihm gänzlich zu verfallen. Außer Bewunderung und Sympathie, die das geradezu hochmütige Unterfangen fast 500 Seiten vorantreiben, bringt er ihm auch jene Distanz entgegen, die dafür sorgt, dass dies kein Hymnus auf einen titanischen Charakter wurde, sondern ein historischer Roman, der so spannend und intelligent, so farbenprächtig und reflexiv zugleich ist, dass er seinesgleichen sucht.
Richard Francis Burton war ein britischer Kolonialoffizier mit der seltenen Begabung, die Kulturen der unterworfenen Völker nicht zu verachten, sondern zu bewundern, und der rätselhaften Leidenschaft, sie sich so gründlich anzueignen, dass sie die seinen wurden. Im Laufe seiner obsessiven Wanderschaft, die ihn von England nach Britisch-Indien, von dort nach Arabien und schließlich zu den Nilquellen Afrikas führte, hat er über zwanzig Sprachen erlernt, Lebensweise und Weltverständnis der Brahmanen erkundet, als erster Europäer den Hadsch nach Mekka mitgemacht und in Ostafrika den Tanganjika-See entdeckt. In seinen sehr erfolgreichen Reisebüchern konnten die Europäer eine Welt, nein, Welten kennenlernen, über die zu herrschen sie sich gerade anschickten und von denen sie doch fast nichts wussten.
Trojanow zeichnet seinem Weltensammler, der sich fremde Kulturen anzieht, als wären sie Kleider, in denen er sich wohlfühlt und die er bei Gelegenheit wechselt, die historische Ambivalenz solcher Welterkundung ein. Burton ist ein Entdecker, aber er scheut sich nicht, die Länder auch auszukundschaften, er verachtet die selbstzufriedenen englischen Offiziere, aber was er nach intensivem Studium und entbehrungsreichen Reisen beschreibt, das war auch für die Strategen in der britischen Armee interessant.
Der Botschafter des Osmanischen Reiches mutmaßt in einem von Trojanow gewitzt erfundenen Protokoll über die Alleingänge des Offiziers und die Erfolge seiner Bücher: „Die Untertanen des britischen Imperiums wollen an dem Abenteuer der Welteroberung teilhaben... Doch hege ich den Verdacht, durch Publikationen dieser Art soll der Boden bereitet werden für eine nahe Zukunft, in der diese Regionen nicht mehr fern und unbekannt sind, sondern Teil des Imperiums, eine vorauseilende Gewöhnung an eine Fremde, die das britische Imperium sich bald einzuverleiben beabsichtigt.”
Der Roman breitet seine immense Materialfülle in drei großen Kapiteln aus. Im ersten folgen wir dem Offizier Burton nach Britisch-Westindien. Kaum angekommen, geht er mit den Indern, die er trifft, einen seltenen Tauschhandel ein: „Portwein gegen Wortschatz”. Er lernt so rasch, dass ihn bald schon allein ein Gelehrter weiterbringen kann. Es ist der gestrenge, listige Brahmane Upanitsche, der ihn in Sanskrit unterrichtet und die spirituelle Vielfalt Indiens erahnen lässt. Burton lebt in Bombay und Baroda, Städten, deren Atmosphäre Trojanow einprägsam zu fassen weiß: „Manchmal rülpste die pralle Stadt. Alles roch wie von Magensäften zersetzt. Am Straßenrand lag halbverdauter Schlaf, der bald zerfließen würde.”
Es ist Trojanow aber nicht genug, die Stätten von Burtons Wanderschaft sensitiv mit ihren Gerüchen, Farben, Stimmungen einzufangen und davon zu berichten, wie Burton die Fremde erlebt. Er erzählt nicht einsinnig linear, sondern multiperspektivisch. Im ersten Kapitel wechselt er von den Erlebnissen des Reisenden immer wieder zu den Erinnerungen von dessen indischem Diener Naukaram, die dieser einem Schreiber diktiert.
Wir sehen Indien also einmal aus der Perspektive des Engländers, dann aus dem Blickwinkel eines Inders, der sich über seinen Herren gar nicht genug wundern kann und ihm zugleich seine eigene Welt näher zu bringen versucht. Ehe die Abenteuer sich verselbständigen und wir uns in lauter exotischen Episoden über Opiumhändler und Kurtisanen verlieren, bricht Trojanow den Erzählfluss, indem er Burtons Sicht auf die indische Fremde die Sicht der Inder auf den britischen Fremden entgegenstellt.
Ein getriebener Europäer
Für ein solches Doppelspiel ist der Autor lebensgeschichtlich prädestiniert und durch sein stupendes Wissen befähigt. Trojanow wurde in Bulgarien geboren, übersiedelte mit seinen Eltern 1971 nach Deutschland, wuchs aber in Kenia auf, wo er eine deutsche Schule besuchte. Er hat auf den Spuren Burtons Tansania bereist, Islamstudien betrieben, ist nach Mekka und Medina gepilgert und von Bombay aus, wo er ein Jahr verbrachte, zu einer großen Indien-Reise aufgebrochen. 2003 erschien seine ethnografisch-kulturhistorische Reportage „An den inneren Ufern Indiens”, im Jahr darauf das Reisebuch „Zu den heiligen Quellen des Islam. Als Pilger nach Mekka und Medina”, zwei eigenständige, bedeutende Bücher, die sich als Vorstudien für den großen Roman begreifen lassen.
Weil er die Städte Mekka und Medina besuchen wollte, die damals den Ungläubigen noch verboten waren, trat Burton zum Islam über. Die Konversion zeugt von beidem, von seinem Respekt vor der islamischen Kultur und von der berechnenden Hartnäckigkeit, mit der er ein einmal gewähltes Ziel verfolgte. Der Mittelteil des Romans sucht dem Rätsel des „islamischen Burton” auf den Grund zu gehen, eines Engländers, der den Koran studiert, sich Ansehen als islamischer Arzt erschwindelt, Zugang zu den Harems reicher Leute verschafft und in drei Büchern einem staunenden Publikum im Westen von seiner Pilgerfahrt zu den heiligen Stätten des Islam berichtet.
Aber wiederum sind dem Autor die prall erzählten Abenteuer des Weltensammlers nicht genug; er setzt ihnen Protokolle und Briefe der osmanischen Behörden entgegen, die mit Misstrauen verfolgen, was dieser verrückte Engländer, der sich arabischer gibt als jeder Araber, in ihrem Lande treibt.
Auch im dritten Abschnitt, der in Afrika spielt, stellt Tojanow seinem Helden einen Gefährten zur Seite, der das Geschehen aus außereuropäischer Perspektive beleuchtet. Dieser Sidi Mubarak Bombay beschreibt die Entbehrungen und Widrigkeiten, denen der Expeditionstrupp ausgesetzt ist, den Burton zusammengestellt hat, um als erster die Nil-Quellen zu erreichen.
Durch das Raffinement dieses perspektivischen Erzählens gelingt es Trojanow, sowohl ein schillerndes Bild Indiens, Arabiens, Ostafrikas zu geben, gesehen mit den Augen des getriebenen Europäers, als auch den Charakter, das Streben dieses exzentrischen Engländers aus der Perspektive von Indern, Arabern, Afrikanern zu deuten.Die Fremde,in diesem Opus magnum eines Autors in seinen mittleren Jahren wird sie uns als eine doppelte kenntlich: So fremd uns die islamische oder die hinduistische Kultur anmuten,betrachtet man die Welt einmal von Bombay, Kairo oder von Bagamoyo an der Küste Ostafrikas aus, ist es der Westen, dessen Fremdheit zu staunen Anlass gibt. KARL-MARKUS GAUSS
ILIJA TROJANOW: Der Weltensammler. Roman. Carl Hanser Verlag, München 2006, 475 Seiten, 24,90 Euro.
Ilija Trojanow, Träger des Leipziger Buchpreises.
Foto: Jürgen Bauer
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hingerissen ist Karl-Markus Gauß von diesem Abenteuerroman über den britischen Kolonialoffizier Richard Burton, der wirklich lebte. Burton war ein Mann, der zutiefst neugierig war auf die fremden Kulturen, die er im Dienste ihrer Majestät erkundete, erzählt Gauß. Er war in Indien, machte als erster Europäer eine Hadsch nach Mekka und entdeckte den Tanganjika-See. Er sprach zwanzig Sprachen! Zugleich scheute er sich nicht, die bereisten Länder für die Strategen der britischen Armee auszukundschaften. Ilija Trojanow Roman um diesen Mann nun gliedert sich in drei Teile, lesen wir: zuerst ist er in Indien, dann in Arabien, wo er zum Islam konvertiert, um Mekka und Medina besuchen zu können, und schließlich in Afrika, wo er einen Expeditionstrupp zu den Nilquellen führt. Das ist alles "prall erzählt", so der begeisterte Rezensent. Am besten gefällt ihm jedoch, dass der Autor seinem Helden immer einen Kontrapunkt beigibt. In Indien ist es der Diener Naukaram, dessen Erinnerungen mit den Erzählungen des Helden abwechseln. Der arabische Teil wird ergänzt durch Briefe misstrauischer osmanischer Behörden, und im Afrikateil erlaubt ein afrikanischer Gefährten den Blick aus einer anderen Perspektive. So verhindert Trojanow, dass Burton zu einem "titanischen Charakter" ohne Brüche wird, erklärt Gauß. Insgesamt sei dies "ein historischer Roman, der so spannend und intelligent, so farbenprächtig und reflexiv zugleich ist, dass er seinesgleichen sucht".

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