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Im September 1894 entdeckte der französische Geheimdienst eine undichte Stelle im Generalstab der Armee: Militärische Geheimnisse wurden verraten, ausgerechnet an die Deutschen. Wenige Wochen später wurde Hauptmann Alfred Dreyfus trotz mangelnder Indizien verhaftet, des Landesverrats für schuldig befunden und zu lebenslanger Verbannung auf der Teufelsinsel verurteilt. Kaum jemand zweifelte an der Richtigkeit des Urteils: Dreyfus war Jude. Louis Begley schöpft aus seinem reichen Wissen als Anwalt und rekonstruiert den heute fast vergessenen Fall. Dabei schlägt er geschickt eine Brücke in die…mehr

Produktbeschreibung
Im September 1894 entdeckte der französische Geheimdienst eine undichte Stelle im Generalstab der Armee: Militärische Geheimnisse wurden verraten, ausgerechnet an die Deutschen. Wenige Wochen später wurde Hauptmann Alfred Dreyfus trotz mangelnder Indizien verhaftet, des Landesverrats für schuldig befunden und zu lebenslanger Verbannung auf der Teufelsinsel verurteilt. Kaum jemand zweifelte an der Richtigkeit des Urteils: Dreyfus war Jude. Louis Begley schöpft aus seinem reichen Wissen als Anwalt und rekonstruiert den heute fast vergessenen Fall. Dabei schlägt er geschickt eine Brücke in die Gegenwart: Wie die Gefangenen von Guantánamo wurde Dreyfus von einem unfairen und gegen ihn voreingenommenen Militärgericht verurteilt. Begley zeigt, wie Antisemitismus und Rassismus in einer vermeintlich liberalen Gesellschaft funktionieren, damals wie heute: Vorannahmen führen zur Anklage, Racial Profiling ersetzt die Suche nach der Wahrheit, Beweise werden fabriziert. Guantánamo liegt der Teufelsinsel näher, als man glauben mag.
Autorenporträt
Louis Begley, 1933 in Polen geboren, arbeitete bis 2004 als Anwalt in New York. Als Schriftsteller wurde er mit seinem Roman Lügen in Zeiten des Krieges weltweit bekannt. Seine Bücher wurden in 18 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. Christa Krüger übersetzte u.a. Werke von Louis Begley, Penelope Fitzgerald und Richard Rorty. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Rezensionen
»Dass sich Begley in seiner Darstellung vor allem auf den höchst fragwürdigen juristisch-prozessualen Verlauf der »Dreyfus-Affäre« beschränkt, ist die Stärke dieses Buchs. Schritt für Schritt deckt Begley auf, wie eine von der Politik und der Mehrheitsmeinung gedeckte, voreingenommene Militärführung und Militärgerichtsbarkeit, die sich auf fragwürdige und vor allem auch gefälschte Indizienbeweise beruft, eine auf den Vorwurf der Spionage für das Deutsche Reich gestützte Anklage konstruiert, die eine Verurteilung des unschuldig Beschuldigten Dreyfus förmlich erzwingt.«

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.07.2009

Die Erfindung der Teufelsinsel
Aktualität einer Rechtsbeugung: Der amerikanische Anwalt und Schriftsteller Louis Begley über den „Fall Dreyfus” und Guantánamo
Wenn ein bekannter amerikanischer Schriftsteller, der sich auch als Anwalt einen Namen machte, heute das aus vielen Lügen, Fälschungen und antisemitischen Vorurteilen dicht gewebte Labyrinth, das den Fall Dreyfus so exemplarisch macht, minutiös aufdröselt und darstellt, führt er Aufklärung sehr gegenwärtiger Vorkommnisse im Schild. Das macht bereits der deutsche Titel des jüngsten Buches von Louis Begley unmissverständlich deutlich: „Der Fall Dreyfus: Teufelsinsel, Guantánamo, Alptraum der Geschichte.”
Die Peripetien der „Dreyfus-Affäre”, die das Frankreich der III. Republik Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts erschütterten und das Land in zwei miteinander tief verfeindete Lager spalteten, bieten unter sehr unterschiedlichen Perspektiven ein erschütterndes Spektakel. Ein Aspekt dabei ist etwa die aus politischen Rücksichten geförderte Verabsolutierung des Militärs, das im Ruf stand, der den Parteienkämpfen enthobene Sachwalter der nationalen Interessen zu sein.
Dieses Ansehen verdankte sich vor allem dem Umstand, dass die III. Republik im Unterschied zu ihren beiden Vorgängerinnen nicht das Ergebnis einer Revolution war, sondern das Resultat einer höchst widrigen Mischung aus Niederlage und Sieg: Auf die binnen Monatsfrist erlebte Niederlage im französisch-preußischen Krieg von 1870 folgte unmittelbar ein innerfranzösischer Bürgerkrieg, der wesentlich länger dauerte und tiefe Wunden schlug, die lange nicht vernarben sollten.
Ein weiterer Aspekt waren die großen gesellschaftlichen Veränderungen im Zuge der stürmisch fortschreitenden Industrialisierung, die damals Hand in Hand gingen mit einer ersten Phase der Globalisierung der Finanz- und Industriewirtschaft, die alle überkommenen Gewissheiten infrage stellte.
Eine charakteristische Reaktion darauf war ein damals vor allem in Frankreich mächtig aufschäumender Antisemitismus, der die Juden als die Agenten dieses für die meisten bedrohlichen Wandels identifizierte.
Ein dritter Gesichtspunkt war schließlich, dass die wegen dieser beiden Erfahrungen ständig vom Zerreißen bedrohte innere Einheit des Landes durch die unablässige Beschwörung eines Themas, der Revanche gegen Preußen-Deutschland, das Frankreich zwei Provinzen, das Elsass und Lothringen, entrissen hatte, überwunden werden sollte. Der Verlust dieser beiden Provinzen war aber nur das eine; entscheidender war die Demütigung des nationalen Selbstbewusstseins, das sich auf das Erlebnis der eingelebten Stellung Frankreichs gründete, spätestens seit Ludwig XIV. die unangefochtene kulturelle, wirtschaftliche und politische Führungsmacht in Kontinentaleuropa zu sein. Diese Rolle war jetzt aber dem von Bismarck geschaffenen Deutschen Reich zugefallen.
Alle diese Verlusterfahrungen, Verunsicherungen und Demütigungen finden sich in der „Affäre Dreyfus” fokussiert und verschafften ihr von Anfang an eine Bedeutung, die ihren Anlass in einer nicht erst aus heutiger Sicht grotesk anmutenden Weise überstieg. Was daran besonders erschüttert, ist, dass nicht eigenes Zutun, sondern allein die Macht jener Umstände, die sich zu einer kollektiven Hysterie verdichteten, den jüdischen Hauptmann Alfred Dreyfus zum unschuldigen Opfer einer Tragödie machten, deren emblematischer Charakter angesichts der Begleitumstände, die den „Krieg gegen den Terror” kennzeichnen, hochaktuell anmutet.
Eben diese Anmutung hat Louis Begley dazu veranlasst, die längst erschöpfend dokumentierte „Affäre Dreyfus” vor allem in ihrem juristisch-prozessualen Verlauf erneut minutiös zu schildern. Die Absicht, die er damit verfolgt, ist aber weniger Aufklärung einer Vergangenheit, als vielmehr eine auf deren Befund gegründete kritische Durchleuchtung und Infragestellung höchst gegenwärtiger Praktiken. Diese werden, wie bekannt, nicht nur mit derselben unerschütterlichen Selbstgerechtigkeit und politisch-moralischen Überzeugtheit angewandt, sondern dienen heute wie damals dazu, die eklatante Verletzung fundamentaler Regeln und Verbote der Menschenrechte namens ihrer vermeintlichen Verteidigung zu legitimieren.
In Abwandlung der bekannten Maxime Saint-Justs, des Chefanklägers der Französischen Revolution, „keine Freiheit für die Feinde der Freiheit”, lautet die Rechtfertigung dieser Praxis: „Keine Menschenrechte für die Feinde der westlichen Zivilisation.”
Dass sich Begley in seiner Darstellung vor allem auf den höchst fragwürdigen juristisch-prozessualen Verlauf der „Dreyfus-Affäre” beschränkt, ist die Stärke dieses Buchs. Schritt für Schritt deckt Begley auf, wie eine von der Politik und der Mehrheitsmeinung gedeckte, voreingenommene Militärführung und Militärgerichtsbarkeit, die sich auf fragwürdige und vor allem auch gefälschte Indizienbeweise beruft, eine auf den Vorwurf der Spionage für das Deutsche Reich gestützte Anklage konstruiert, die eine Verurteilung des unschuldig Beschuldigten Dreyfus förmlich erzwingt. Damit nicht genug, wurde dieses krasse Fehlurteil mittels einer aufgeputschten und entsprechend instrumentalisierten Öffentlichkeit jahrelang gegen alle immer lauter und plausibler werdenden Einwände erfolgreich verteidigt.
Nicht zuletzt werden diese Zusammenhänge, mit denen es den Hauptverantwortlichen gelang, alle nur zu begründeten Zweifel, die selbst ihnen kommen mussten, abzublocken und so eine Revision des Urteils aus Gründen einer immer fadenscheinigeren politischen Opportunität zu vereiteln, von Begley sehr anschaulich geschildert. Diesen Bericht kontrastiert er auch dramaturgisch wirkungsvoll mit der erschütternden Darstellung der Leidens des Hauptmanns Dreyfus, der fünf Jahre lang in strikter Isolation und Schweigehaft auf der Teufelsinsel vor der Küste von Französisch Guayana in einem mörderischen Tropenklima wie ein Hannibal Lecter gefangen gehalten wurde.
Die ins Auge fallenden Parallelen zwischen der „Dreyfus-Affäre” und den zahlreichen gravierenden Rechtsverletzungen, die bei der Verfolgung und Inhaftierung von Verdächtigen im Zuge des „Kriegs gegen den Terror”, den die Vereinigten Staaten seit dem 11. September 2001 führen, mit ausdrücklicher Billigung durch den amerikanischen Präsidenten, dessen Vizepräsidenten, Außen- und Verteidigungsminister, um nur die Wichtigsten zu nennen, in Übereinstimmung mit einer Mehrheit der amerikanischen Wählerschaft jahrelang selbstverständlich waren, drängen sich auf. Um diese beschämenden Übereinstimmungen herauszuarbeiten, ihnen ein verstörendes historisches Relief zu verschaffen, hat Louis Begley dieses Buch geschrieben.
Umso mehr muss man jedoch bedauern, dass es sich Louis Begley versagt hat, die zahlreichen Rechtsbeugungen ausführlicher darzustellen und anzuprangern, die sich die USA in ihrem „Krieg gegen den Terror” willentlich und wissentlich haben zuschulden kommen lassen. Dass er überdies völlig darauf verzichtet, diesen weltanschaulich-kulturell überformten Krieg insgesamt kritisch zu beleuchten, obwohl in dessen Charakter der genetische Schlüssel zu vermuten ist für die seitens der US-Regierung des George W. Bush ausdrücklich tolerierte systematische Folter und Misshandlung von Gefangenen, ist im Licht des intellektuellen Anspruchs, den Begley ansonsten bei seiner Darstellung des Falls Dreyfus beweist, schlicht unverständlich.
Dass er stattdessen vergleichsweise ausführlich die wiederholt öffentlich von Journalisten, Anwälten und Richtern geäußerte Kritik an diesen der Zivilisation, die verteidigt werden soll, Hohn sprechenden Praktiken dokumentiert, ist zwar aller Anerkennung wert, reicht für sich genommen aber nicht aus, um Begleys Folgerung zu rechtfertigen, die Ehre der Nation sei allein schon damit gerettet worden. So einfach ist es nicht, wie man hierzulande weiß, den eigenen Beitrag zum Albtraum der Geschichte auszulöschen. JOHANNES WILLMS
LOUIS BEGLEY: Der Fall Dreyfus: Teufelsinsel, Guantánamo, Alptraum der Geschichte. Aus dem Englischen übersetzt von Christa Krüger. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 248 Seiten, 19,80 Euro.
Die Begleitumstände der Dreyfus-Affäre erinnern allzu sehr an den Krieg gegen den Terror
So einfach ist es nach solchen verruchten Praktiken nicht, die Ehre der Nation zu retten
Januar 1895: Das Schwert des Alfred Dreyfus wird zerbrochen (oben). – Louis Begley, Juni 2009 Fotos: Hulton Archive/Getty Images, ddp
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Enttäuscht hat Rezensentin Katharina Granzin Louis Begleys jüngstes Buch wieder zugeklappt, dem es aus ihrer Sicht sowohl an einer ernsthafte These als auch an Schwung und Gestaltungswillen fehlt. Dabei hätte sie vom ehemaligen Anwalt Begley gerade bei diesem Thema einiges erwartet. Das Buch behandelt den Informationen der Rezensentin zufolge nämlich den Justizskandal um den französischen Artillerieoffizier Alfred Dreyfus, der als elsässischer Jude doppelt diskriminiert, Ende des 19. Jahrhunderts wider besseres Wissen der Spionage angeklagt und auf eine Insel verbannt wurde, die hier mit der Gefangeninsel Quantanamo verglichen werden solle. Doch befasse sich Begley auf ganzen 18 der 213 Seiten mit Guantanamo, eher "pflichtschuldig" wie Granzin scheint. Die Dreyfus-Affäre findet sie dann mit uninspirierter Detailgenauigkeit, aber ohne literarisch packenden, womöglich polemischen Zugriff auf das Thema präsentiert. Auch der sperrige Titel der deutschen Ausgabe dieser Auftragsarbeit schneidet schlecht bei der Rezensentin ab.

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