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Diese Anthologie stellt unbekannte und bisher schwer zugängliche Texte vor, die sich mit der Entwicklung des Dandysmus beschäftigen und mit dem Vorurteil aufräumen, dass der Dandy ein originäres Produkt des 19. Jahrhunderts ist. Den Dandy gab es schon immer. Die Autorin sammelte und übersetzte Zeitdokumente des 19. Jahrhunderts - der Blütezeit des Dandysmus. Diese hier größtenteils erstmalig in deutscher Übersetzung erschienenen Texte bieten eine erfrischende Abwechslung zu den bekannten Texten der Dandyforschung, da sie sich mit den Ursprüngen des Dandysmus vor J.-A. Barbey d'Aurevilly,…mehr

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Produktbeschreibung
Diese Anthologie stellt unbekannte und bisher schwer zugängliche Texte vor, die sich mit der Entwicklung des Dandysmus beschäftigen und mit dem Vorurteil aufräumen, dass der Dandy ein originäres Produkt des 19. Jahrhunderts ist. Den Dandy gab es schon immer. Die Autorin sammelte und übersetzte Zeitdokumente des 19. Jahrhunderts - der Blütezeit des Dandysmus. Diese hier größtenteils erstmalig in deutscher Übersetzung erschienenen Texte bieten eine erfrischende Abwechslung zu den bekannten Texten der Dandyforschung, da sie sich mit den Ursprüngen des Dandysmus vor J.-A. Barbey d'Aurevilly, Charles Baudelaire und Oscar Wilde beschäftigen. Deutlich wird auch, dass der Dandy eben nicht nur ein bewegter Kleiderständer und auch keinesfalls ein naserümpfender Snob ist, sondern ein elitäres Wesen, das sich durch die intensive Ausgestaltung der eigenen Individualität von der grauen Masse absetzen und der profanen Wirklichkeit entfliehen will. Das Buch bietet dem Laien und Interessierten amüsante Anekdoten und interessante historische Einblicke, spricht aber auch den Forscher an, dem eine Erweiterung des Textkanons geboten wird, der die kulturhistorische Erforschung des Dandysmus bereichert.
Autorenporträt
Melanie Grundmann lebt als freischaffende Autorin und Kulturwissenschaftlerin in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2007

Verlockende Verweigerung
Die Wiederkehr von Snob und Dandy: Zwei Bücher beklatschen den Müßiggang / Von Felix Johannes Krömer

Vielleicht lebte es sich im Ständestaat zufriedener. Die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs brachte die Gefahr des Abstiegs. Die Durchlässigkeit der Klassenschranken schuf den Klassendünkel; die Käuflichkeit der Titel erzeugte die Vorfahrenmanie; die Kriecherei der Emporkömmlinge flößte dem alten Adel Hochmut ein. Der Snob wurde zur geheimen Symbolfigur der Moderne.

William Makepeace Thackeray (1811 bis 1863), der den Begriff prägte, verzichtete auf eine sozialgeschichtliche Herleitung des Snobismus. Ihm galt der Snob als Mensch an sich: "Zuerst wurde die Welt geschaffen, dann folgerichtig die Snobs!"

Nun können wir sein "Snobbuch" in der Übersetzung Heinrich Conrads von 1910 wieder lesen. Ursprünglich sorgte die Schrift von 1846 bis 1847 als Kolumne im Londoner Satiremagazin "Punch" für Furore, damals unter dem Titel: "The Snobs of England, by one of themselves". Fast zeitgleich veröffentlichte Thackeray zum gleichen Thema den berühmten Roman "Vanity Fair". Dass der Snobismus von einem Briten enthüllt wurde, ist kein Zufall. Das Empire war die größte Wirtschaftsmacht im 19. Jahrhundert. In kurzer Zeit angehäufte Vermögen erlaubten es immer mehr Händlern, Fabrikanten und Bankiers, die Prachtentfaltung der Aristokratie zu imitieren, ihnen fehlte jedoch die vornehme Abkunft, um ebenbürtig zu sein. Zahlreichen Adeligen wiederum schwanden die Mittel zum gentleman-gemäßen Müßiggang, sie waren gezwungen, mittelständisches Geld in die Familie einheiraten zu lassen. Der Snobismus ist Symptom dieser für beide Seiten schmerzhaften Verschmelzung.

Thackeray karikiert sowohl den "snobhaft unterwürfigen" Bürger als auch den "snobhaft anmaßenden" Edelmann, wie überhaupt die Statusbesessenheit in allen Schichten. Eine klare Definition oder Systematik des Snobtums liefert der Kolumnist allerdings nicht. Er fächert anekdotenweise das Panorama einer von Renommiersucht und Heuchelei geprägten Gesellschaft auf. Wir erfahren von Lebemännern, Wüstlingen, eitlen Pfaffen oder pseudo-pompösen Mittelstands-Dinners, bei denen livrierte Stallknechte statt Sherry Marsala einschenken.

Der Reiz liegt in Thackerays ironischen Perspektivbrechungen. Der Erzähler tritt zugleich als sachlicher "Snobograph", viktorianischer Moralapostel und prahlerischer Mit-Snob auf. Typisch ist folgendes Plädoyer gegen die Protzerei bei Tisch: "Stets, wenn ich Herzöge und Marquis zum Mittagessen zu mir einlade, setze ich ihnen ein Stück Rindfleisch oder eine Hammelkeule mit Gemüse vor. Die hohen Herren sind für eine derartige Einfachheit dankbar und wissen sie zu schätzen."

Politisch wird Thackeray nicht greifbar. Der Schriftsteller war Mitglied im Reform Club, im "Snobbuch" fordert er Chancengleichheit, verspottet jedoch vor allem seine bürgerlichen Standesgenossen. Ernst und Satire sind aus heutiger Sicht schwer zu unterscheiden, gerne wüsste man auch, welche Anspielungen in Thackerays Schilderungen stecken, deren Helden so vortrefflich-alberne Namen tragen wie: Wilhelmina Wagglewiggle, Bischof von Bullocksmithy, Herzogin von Monte Fiasco, Thumpenstrumpff oder Oberst Fitzstultz.

Wie steht es wohl heute um das Snobtum? Wer meint, es habe sich im Zuge der Demokratisierung Europas nur in den Monarchien erhalten, irrt. Der 13. Herzog von Bedford wies 1965 auf das Phänomen des "invertierten Snobs" hin: "Der Mensch, der einem Adeligen nicht nachläuft, sondern ihm möglichst aus dem Weg geht. Der Mensch, der auf seine niedere Herkunft stolz ist und fortgesetzt damit renommiert. Der Mensch, der nicht die Universität besucht hat und das als Hauptleistung seines Lebens betrachtet." Hierzulande ist dieser invertierte Snobismus out. Die ausgerufene neue Bürgerlichkeit kehrt zum klassischen Snobismus zurück. Ihren Verfechtern sei anempfohlen, ihr Spiegelbild in Thackerays Buch zu prüfen. Es kommt zur rechten Zeit.

Eine dem Snob verwandte Erscheinung des anbrechenden Massenzeitalters ist der Dandy. Dazu sei angemerkt, dass beide Begriffe meist Zuschreibungen, nicht Selbstbezeichnungen waren und sind. Im 19. Jahrhundert wurden Modehelden verschiedenster Art als dandyhaft charakterisiert, heute wird Dandytum in der Regel mit "Camp" oder dem Tragen von Einstecktüchern verwechselt.

Die Kultursoziologie allerdings leitet den Typus vom Vorbild Beau Brummells ab. George Bryan "Beau" Brummell (1778 bis 1840) avancierte am Hof des britischen Prinzregenten George IV., doch ordnete er sich nicht im snobistischen System unter. Brummell wollte sich nicht im Glanz des Regenten sonnen, sondern ihn überstrahlen. Spott, Ungerührtheit und Distinktion, insbesondere der Kleidung, sicherten seinen informellen Einfluss. Das brummellsche Dandytum ist ein ästhetizistischer Ich-Kult, der auf Macht, noch mehr aber auf Unabhängigkeit zielt. Die Einhaltung des eigenen Stilgesetzes ist ihm wichtiger als seine gesellschaftliche Stellung - Brummell fiel in Ungnade, weil er sich nicht mit George IV. versöhnen wollte, nachdem er ihn gekränkt hatte.

Weitere klassische Definitionen des Dandys stammen von Charles Baudelaire und Max Beerbohm. Begrüßenswerterweise hat die Berliner Kulturwissenschaftlerin Melanie Grundmann diesen Kanon ergänzt und eine Anthologie mit vorwiegend unbekannten Zeitschriftenartikeln und Buchauszügen über den Dandy und andere fashionable Sozialcharaktere des 16. bis 19. Jahrhunderts herausgegeben. Die zwischen 1818 und 1899 entstandenen, oft anonymen Quellen sind deutscher, französischer, britischer und amerikanischer Herkunft. Als prominenteste Autoren treten Fürst Pückler, Alfred de Musset und Edward Bulwer Lytton auf.

Leider ist die quellenkritische Erschließung der schwer zugänglichen Texte dürftig, und die Kommentierung fordert Widerspruch heraus. Grundmann unterscheidet ihre Figuren zwar vom brummellschen Dandy-Typus, vereinnahmt sie aber zu sorglos als dessen Vor- oder Nachfahren. Es fehlt an sozialhistorischer Differenzierung zwischen dandy-typischen Attributen und dem allgemeinen Lebensstil der gehobenen Kreise. Müßiggang, Eleganz, Schuldenmachen und Duelle fallen in die letztere Kategorie. Die Anthologie zeigt weniger den unabhängigen Dandy, mehr sein Gegenteil: das fashion victim, den ängstlichen Sklaven der Mode.

Zur Einkreisung des echten Dandytums ist die Textsammlung dennoch eine Fundgrube. Erwähnenswert in unserem Zusammenhang: Jules Lemaîtres Skizze "Die Snobs" von 1899. Der Franzose gebraucht den Begriff in einem "sehr erweiterten Sinn", der das Mode-Sklaventum einschließt. Speziell schreibt er über den "Snobismus der Literatur" und verteidigt die "Snobs des Neuen", ohne deren "eitle und lärmende Folgsamkeit" der Fortschritt der Literaturgeschichte nicht möglich sei. Ihre Gegenspieler wiederum, die "Snobs der Gewohnheit", zeigten sich "in der Unterwerfung unter das Vergangene, im Kult der Tradition und selbst der Routine genauso eitel und stolz".

Auf die Gefahr hin, als "Snob der Gewohnheit" angesehen zu werden, weist der Rezensent darauf hin, dass er sich für das neumodisch-betuliche Design des Dandy-Buches nicht erwärmt und im "Snobbuch" statt der Lithographien Hans Tichas lieber die Original-Illustrationen Thackerays gesehen hätte.

William Makepeace Thackeray: "Das Snobbuch". Aus dem Englischen von Heinrich Conrad. Gestaltet und mit 75 zweifarbigen Offsetlithografien versehen von Hans Ticha. Faber & Faber Verlag, Leipzig 2007. 288 S., geb., 24,90 [Euro]; Vorzugsausgabe als Halblederband 55,- [Euro].

Melanie Grundmann: "Der Dandy". Wie er wurde, was er war. Eine Anthologie. Böhlau Verlag, Köln 2007. 199 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Felix Johannes Krömer begrüßt Melanie Grundmanns Anthologie mit weitgehend unbekannten Texten über die Spielarten des Dandytum. Er schätzt das Werk als willkommene Ergänzung der bekannten Literatur über den Dandy. Neben prominenten Autoren wie Fürst Pückler und Alfred de Musset findet er hier auch zahlreiche anonyme Texte deutscher, französischer, britischer und amerikanischer Herkunft. Die quellenkritische Erschließung der Texte fällt zu seinem Bedauern allerdings mager aus. Zudem ist er mit ihrer Kommentierung nicht immer einverstanden. Er vermisst vor allem eine sozial-historische Differenzierung von Dandy-spezifischen Eigenschaften und solchen, die den gehobenen Lebenstil allgemein auszeichneten. Dennoch scheint ihm die Sammlung eine echte "Fundgrube" für die Annäherung an den echten Dandy zu sein. Lobend hebt er in diesem Zusammenhang besonders Jules Lemaitres Beitrag "Die Snobs" von 1899 hervor.

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