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Sommerfrische am Meer, Ende des 19. Jahrhunderts: Mit 28 Jahren ist Edna Pontellier längst Ehefrau und Mutter. Ihre Ehe scheint harmonisch, das Leben geordnet. Doch dann leistet ihr der aufmerksame Robert Gesellschaft, und Edna verliebt sich. Als die beiden ihre Gefühle füreinander entdecken, flieht der junge Mann erschrocken auf eine Geschäftsreise. Edna wartet vergeblich auf Post. Alleingelassen kehrt sie in die Stadt zurück und lässt alle gesellschaftlichen Konventionen hinter sich - mit fatalen Folgen.

Produktbeschreibung
Sommerfrische am Meer, Ende des 19. Jahrhunderts: Mit 28 Jahren ist Edna Pontellier längst Ehefrau und Mutter. Ihre Ehe scheint harmonisch, das Leben geordnet. Doch dann leistet ihr der aufmerksame Robert Gesellschaft, und Edna verliebt sich. Als die beiden ihre Gefühle füreinander entdecken, flieht der junge Mann erschrocken auf eine Geschäftsreise. Edna wartet vergeblich auf Post. Alleingelassen kehrt sie in die Stadt zurück und lässt alle gesellschaftlichen Konventionen hinter sich - mit fatalen Folgen.
Autorenporträt
KATE CHOPIN (1850¿1904) wuchs in St. Louis, Missouri auf. Sie begann erst nach dem Tod ihres Mannes Erzählungen zu schreiben und feierte große Erfolge, bis 1899 'Das Erwachen' erschien und für einen Skandal sorgte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.05.1996

Frei im Nirgendwo
Kate Chopins Roman "Das Erwachen" Von Paul Ingendaay

Alle Ehebruchromane ähneln einander, aber jede Ehebrecherin in der Literatur ist auf ihre eigene Weise unglücklich. Niemand käme auf die Idee, Emma Bovary und Effi Briest könnten gute Freundinnen werden, nur weil beide sich von fremden Männern süße Sachen ins Ohr flüstern lassen. Jetzt ist in einer Neuübersetzung "Das Erwachen" (The Awakening) erschienen, ein etwas vergessener Roman der Amerikanerin Kate Chopin aus dem Jahre 1899. Seine Heldin heißt Edna Pontellier, und abgesehen davon, daß dies schon die dritte Ehebrecherin der Literatur des neunzehnten Jahrhunderts ist, deren Vorname mit "E" beginnt, fallen vor allem die Unterschiede ins Auge.

Auch Edna Pontellier läßt sich etwas ins Ohr flüstern, aber nicht lange; denn anders, als die sentimentale Liebestheorie es will, "vergißt" sie sich nicht, und davon, daß sie mit einem Mann "eins würde", kann erst recht keine Rede sein. Es kommt eben doch nicht auf die süßen Sachen an. Auch die Konventionen der besseren Gesellschaft von New Orleans, gegen die sie sich auflehnt - die Pflichten als Hausfrau und Mutter, das dekorative Herumsitzen beim Damenkränzchen und so weiter -, sind nicht das eigentliche Problem, denn anders als in Fontanes "Effi Briest" schlägt das Imperium nicht zurück. Im Gegenteil. Die Autorin tut alles, damit die Heldin ihre Emanzipation ohne Aufsehen ins Werk setzen kann, zumal der kreolische, französisch sprechende Bevölkerungsteil Louisianas, in den Edna Pontellier eingeheiratet hat, als tolerant und lebensfroh gilt. Am Ende hat sie den Ehemann und die beiden Kinder verlassen, bewohnt ihr eigenes Häuschen und malt Bilder. Und dann, damit schließt das Buch, schwimmt sie eines Morgens hinaus und läßt sich vom Meer verschlucken, weil wohl doch noch etwas fehlt.

In Schauplatz und Atmosphäre des Romans ist der Selbstmord nicht unbedingt angelegt; zumindest sind die wesentlichen Symbole doppeldeutig, und das Meer ist nicht nur der Ort, an dem die junge Frau den Tod findet, sondern auch ein unablässig hörbares Freiheitsversprechen. Die Handlung beginnt im Sommer auf Grand Isle, einem Badeort, an dem mehrere wohlhabende Familien aus New Orleans die Ferien verbringen. Es ist warm, eine gewisse angenehme Trägheit regelt alle menschlichen Beziehungen, und auch der Spott der Autorin ist leicht und ein wenig flirrend, so als wollte sie sich hüten, für den einsamen Weg ihrer Heldin Gründe zu liefern, die man tragisch nennen dürfte.

Tatsächlich unterscheidet sich der Roman von anderen Ehebruchgeschichten darin, daß die sexuelle Übertretung nur eine Station auf dem Weg zur Selbstbestimmung ist. Wo diese wiederum hinführt, nämlich in die Isolation, da spielen auch verführerische Männer keine große Rolle mehr. "Irgendwann dieser Tage", sagt Edna, nachdem sie sich aus ihren Bindungen hinausmanövriert hat, "werde ich mich eine Weile lang zusammennehmen und nachdenken; ich will versuchen herauszufinden, was für eine Art von Frau ich bin, denn, offen gesagt, ich weiß es nicht. Nach all den Normen und Regeln, die ich kenne, bin ich ein verteufelt übles Exemplar meines Geschlechts. Aber irgendwie vermag ich nicht einzusehen, daß ich das wirklich bin. Ich muß darüber nachdenken."

Ob der Bruch eher der Heldin oder ihrer gesellschaftlichen Umgebung anzulasten sei, ist eine müßige Frage. Man kann ja als Leser, wenn die Zimmerschlacht vorbei ist, nicht gut das Mobiliar der Fiktion geraderücken. Doch erstaunlicherweise haben die unterschiedlichen Leserfraktionen genau das probiert; das heißt, sie haben heftig Partei ergriffen. Als der Roman der knapp fünfzigjährigen Autorin am Ende des letzten Jahrhunderts erschien, stieß er auf einmütige, teils hysterische Ablehnung. "Das Erwachen" sei ein ungesundes, ja ein morbides Buch, das der Jugend nicht in die Hände fallen dürfe, und seine ehebrecherische Heldin gehöre derselben Sorte Frauen an wie Madame Bovary - "jener Sorte, die vom Leben mehr Romantik fordert, als Gott dafür vorgesehen hat".

Erst in den siebziger Jahren - Kate Chopin starb 1904 - wurde "Das Erwachen" in Amerika wiederentdeckt. Die feministische Literaturwissenschaft verankerte Kate Chopins Meisterwerk im Kanon der Universitäten, mit durchaus propagandistischer Absicht: Im Anhang der nun folgenden Ausgaben wurde das Versagen der (männlichen) Literaturkritik getreulich festgehalten, und manchem Gelegenheitsrezensenten wurde durch die "Norton Critical Edition" soviel Unsterblichkeit zuteil, wie die Literaturwissenschaft geben kann. Die erste deutsche Ausgabe (1978 im Verlag Roter Stern, heute Stroemfeld) atmet denselben aggressiv aufklärerischen Geist. Nicht weniger als neun Übersetzerinnen, die auch den umfangreichen Anhang besorgten, machten sich damals an die Arbeit, um den Roman ins Deutsche zu bringen. Daß es im Text etwas holpert und rumpelt, wundert also nicht.

Ingrid Rein hat "Das Erwachen" jetzt abermals übersetzt und herausgegeben. Das Nachwort wirkt ein bißchen, als müßten die alten Kämpfe alle noch einmal gekämpft werden. Die Anmerkungen dagegen sind sehr vernünftig; sie erklären zum Beispiel, welchen gesellschaftlichen Affront es bedeutete, wenn eine Dame, wie Edna es im Roman tut, an ihrem Empfangstag einfach ausging, ohne an die Gäste zu denken. Die ebenso mutige wie stilsichere Übersetzung schließlich beweist, daß Kate Chopins Roman in die Klasse von Edith Wharton und Henry James gehört.

Beim Wiederlesen hat den Rezensenten übrigens weniger das beeindruckt, wovon alle Nachworte voll sind, nämlich die Auflehnung gegen die patriarchalischen Voraussetzungen der amerikanischen Gesellschaft. Zwar war das für die Autorin (die glücklich verheiratet war und sechs Kinder hatte) zeitlebens ein Thema, und in manchen ihrer Erzählungen tritt derselbe ruhig-aufsässige Typus auf: Frauen, die es wagen, ihren Mann zu verlassen, sich für Kunst zu interessieren oder eine andere Frau zu küssen. Doch das Bestrickende des Romans liegt in seinem schwebend ironischen Stil; es widerspräche dieser Grundhaltung, wenn es für Ednas Schicksal, das vermutlich weder Triumph noch Scheitern ist, einen dunklen Urheber gäbe, der in Literaturseminaren zu entlarven wäre.

In Hebbels Tagebüchern steht der Satz: "Nicht, was der Mensch soll: was und wie ers vermag, zeige die Kunst." Das ist es. Kate Chopin begleitet ihre Figur mit Sympathie, aber auch mit Distanz. Sie entschuldigt sie nicht, aber sie denkt auch nicht daran, sich Ednas Illusionen zu eigen zu machen. Und was die Sprache der Liebe betrifft, die gemurmelten Schwüre und geseufzten Geständnisse, so weht bei Kate Chopin schon das zwanzigste Jahrhundert frostig durch den Roman.

Kate Chopin: "Das Erwachen". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Ingrid Rein. ars vivendi verlag, Cadolzburg 1996. 200 S., geb., 34,- DM.

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