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Für viele ist Carlos Kleiber der bedeutendste Dirigent des ausgehenden 20. Jahrhunderts - mit Sicherheit ist er der problematischste. Aufgewachsen mit der Bürde des "Übervaters" Erich Kleiber, rang er sein Leben lang mit seinem Anspruch auf Perfektion. Obwohl einer der meistgefragten Dirigenten, war die Zahl seiner Auftritte gering, seine offizielle Diskografie kurz. Der charismatische Garant musikalischer Sternstunden blieb dem klassischen Musikbetrieb ein Rätsel.Alexander Werner nähert sich dem "Geheimnis Kleiber" über Gespräche mit Weggefährten, zahlreiche Original-Interviews und bislang…mehr

Produktbeschreibung
Für viele ist Carlos Kleiber der bedeutendste Dirigent des ausgehenden 20. Jahrhunderts - mit Sicherheit ist er der problematischste. Aufgewachsen mit der Bürde des "Übervaters" Erich Kleiber, rang er sein Leben lang mit seinem Anspruch auf Perfektion. Obwohl einer der meistgefragten Dirigenten, war die Zahl seiner Auftritte gering, seine offizielle Diskografie kurz. Der charismatische Garant musikalischer Sternstunden blieb dem klassischen Musikbetrieb ein Rätsel.Alexander Werner nähert sich dem "Geheimnis Kleiber" über Gespräche mit Weggefährten, zahlreiche Original-Interviews und bislang unveröffentlichte Dokumente. Im Juli wäre der große Skeptiker 80 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass erscheint diese erste, viel beachtete Biografie in überarbeiteter, broschierter Neuausgabe.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.03.2008

Der zweifelnde Glücksbringer
Der Dirigent Carlos Kleiber
Er ist der Unberechenbare, Rätselhafte unter den Dirigenten der zweiten Jahrhunderthälfte. Niemand bezweifelte es: Carlos Kleiber (1930-2004) war der genialische Solitär unter den lebenden Kapellmeistern. Wenn er am Pult die Affekte der „Traviata” oder der „Fledermaus” lodern ließ, wie selbstberauscht, Brahms’ Zweite und die Vierte Beethovens mit elementarer Lebenskraft auflud, konnte er die Zuhörer in Ekstase versetzen. Ein Glücksbringer. Doch Kleiber tat sich zunehmend schwer, trat nur noch sporadisch auf, verweigerte sich – und verschwand. Eine Biographie versucht nun auf fast 600 Seiten, Licht in Leben und Schaffen des Mannes zu bringen.
„Wenn er musiziert, dann rührt er an den Himmel – so gut wie immer.” Richard von Weizsäckers Vorwort zeigt das Dilemma des Redens über Musik. Konkrete Beschreibung des Musizierens ist heikel, wenn nicht unmöglich, vieles, was zu Kleibers Kunst gesagt wird, gilt auch für andere Musiker. Doch der Autor übt nur das Metier des Biographen aus und hat akkurat eingesammelt, was er über das „Objekt” seiner Darstellungsbegierde finden konnte – in zahllosen Gesprächen, Telefon-Interviews mit Zeitzeugen, Publizisten, Künstlern, zumal Orchestermusikern, den engsten Partnern Kleibers. Minutiös fügt er die Steinchen der Erinnerungen, Berichte, Kritiken, der Namen, Daten, Orte zum möglichst lückenlosen Lebensmosaik zusammen: emotional zwar beteiligt, doch „ohne verklärenden Blick”, wie er meint. Das Familienarchiv freilich versagte sich ihm.  
Kleiber, der in Berlin geborene Sohn eines berühmten Dirigenten, findet sich als Kind im südamerikanischen Exil wieder, wo der Vater, früherer Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper, konzentriert und hektisch seiner Arbeit nachgeht. Sohn Carlos erlebt viele Ortswechsel und führt ein unstetes Leben, aber lernt die Musik kennen.
Der Weg in die Musikerkarriere sieht „normal” aus, ist aber früh mit Zweifeln, Hemmungen, Anschubproblemen befrachtet – von La Plata, wo Kleiber Korrepetitor am Theater wird, über Montevideo und das Pultdebüt dort bis zur Rückkehr 1953 nach Europa. Engagements am Münchner Gärtnerplatztheater, der Wiener Volksoper und Anfang der sechziger Jahre an der Rhein-Oper in Düsseldorf folgen. Stuttgart und München sind seine Zentren in den siebziger Jahren – Wien, London, Mailand und Bayreuth kommen hinzu. Aus Ruhm wird Legende. Einzelproduktionen sind im Buch Kristallisationspunkte: „Tristan” in Stuttgart, „Rosenkavalier”, „Wozzeck”, „Otello”, „Traviata” und „Fledermaus” in München.
Kleibers Probleme mit Theatern und Orchestern häufen sich, man erfährt viel über die Hintergründe all der Missverständnisse, Verstimmungen zwischen Musikern oder Veranstaltern auf der einen und dem stetig empfindlicher werdenden Dirigenten auf der anderen Seite. Licht fällt etwa auf die Noblesse des Münchner GMD Wolfgang Sawallisch, der die Eifersucht auf Kleibers Triumphe bezähmen kann. Das Problem: Politik und die „Geschäfte” mit Musik waren Kleiber fremd, ja verhasst. Funktionalisierung künstlerischer Arbeit lehnte er ab, kompromissunfähig. Kleibers Glückswirkung nach außen bildet dazu den schärfsten Kontrast – seine beispiellose Resonanz bei Musikern wie bei Publikum und Presse. Aussagen, Zeugnisse dazu werden reichlich, bis nahe an die Erschöpfung des Lesers, ausgebreitet.
Der Rätsel- und Problemkern des Kleiber-Mythos ist die unverrückbar enge Beziehung zur Überfigur des Vaters. Der Autor hütet sich vor Tatsachenbehauptungen (inneres „Berufsverbot”), häuft durch Aussagen von Zeitzeugen aber Indizien für die traumatische Belastung der Karriere des Sohns durch den Vater. Selbstkritik, geschärft durch hohe Intelligenz, nahm verheerende Formen an.
In seinem „freien” Dirigentenleben gab es für Kleiber mehrmals Angebote, große „feste” Aufgaben zu übernehmen. So buhlten die Berliner Philharmoniker nach Karajans Tod 1989 heftig um ihn. Musiker des Orchesters bezeugen seine mündliche Radikalskepsis: „Tun Sie sich das nicht an. Das wäre der Untergang des Orchesters. Ich habe ja kein Repertoire.” WOLFGANG SCHREIBER
Alexander Werner
Carlos Kleiber
Eine Biographie. Schott Music,
Mainz 2008. 590 Seiten, 29,95 Euro.
Ein Künstler verachtet die Geschäfte mit der Musik
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ein großes Rätsel, ja sogar das Klischee eines solchen, war zeitlebens der Dirigent Carlos Kleiber womöglich auch sich, vor allem aber der Welt. Den Zugang zum engeren Familienkreis hat sich Kleiber für zukünftige Biografen verbeten, deshalb musste Alexander Werner unter Mitarbeitern und anderen Weggefährten recherchieren. Das Material, das er gesammelt hat, ist sehr umfangreich ausgefallen, ohne dass sich, stellt der Rezensent Daniel Ender fest, nun ein eindeutiges oder einheitliches Bild ergäbe. Was nicht zuletzt daran liege, dass manche der Äußerungen auf ihre Verlässlichkeit kaum zu prüfen sind. Ohne Zweifel steht fest, dass viele der von Kleiber gepflegten "Idiosynkrasien" mit dem schwierigen Verhältnis zum Vater, dem ebenfalls gefeierten Dirigenten Erich Kleiber, zu tun haben, in das die Biografie sich Licht zu bringen bemüht. Heraus kommt insgesamt, so Ender, ein "Mosaik unzähliger Fragmente", das zwar ganz gewiss nicht "die eine Wahrheit", aber doch Aufschluss über viele Züge des Carlos Kleiber bringt.

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