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Maurice Sendak war nicht nur der herausragende Illustrator, sondern zugleich ein einfühlsamer Kenner der Kinderbuchszene. "Caldecott & Co." versammelt seine wichtigsten Aufsätze und Interviews. Sendaks Gedanken zu Hans Christian Andersen, Adalbert Stifter, Beatrix Potter, Jean de Brunhoff, Walt Disney, Tomi Ungerer, um nur einige zu nennen, eröffnen neue Perspektiven auf die Geschichte der Kinderliteratur und auf sein eigenes Werk.

Produktbeschreibung
Maurice Sendak war nicht nur der herausragende Illustrator, sondern zugleich ein einfühlsamer Kenner der Kinderbuchszene. "Caldecott & Co." versammelt seine wichtigsten Aufsätze und Interviews. Sendaks Gedanken zu Hans Christian Andersen, Adalbert Stifter, Beatrix Potter, Jean de Brunhoff, Walt Disney, Tomi Ungerer, um nur einige zu nennen, eröffnen neue Perspektiven auf die Geschichte der Kinderliteratur und auf sein eigenes Werk.
Autorenporträt
Sendak, Maurice
Maurice Sendak (1928 - 2012) war der bedeutendste Kinderbuchillustrator des 20. Jahrhunderts. Er begann 1948 als Schaufensterdekorateur bei FAO Schwarz, dem größten Spielzeugladen New Yorks. 1950 wurde er von Ursula Nordstrom - der Kinderbuchlektorin bei Harper Collins - entdeckt und gefördert. Er ist vielfach preisgekrönt, unter anderem mit der Hans-Christian-Andersen-Medaille und dem Astrid Lindgren Memorial Award.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.12.2013

Die Erwachsenen hätten sich erschreckt

Maurice Sendak war einer der größten Bilderbuchkünstler. Nun wird sein Werk endlich wieder in ganzer Breite auf Deutsch zugänglich gemacht.

Es ist jetzt unglaubliche fünfzig Jahre her, dass ein Bilderbuch erschien, dem man ewige Jugend bescheinigen kann: "Wo die wilden Kerle wohnen" von Maurice Sendak. Dieses Werk, anfangs bisweilen gerügt, heute einhellig gerühmt, bedeutete den Durchbruch als Erzähler für den 1928 in Brooklyn geborenen Amerikaner - in seinem angestammten Fach, der Illustration, war er schon eine feste Größe. Als er 2012 starb, hinterließ er ein Werk von mehr als hundert Büchern. Doch auf Deutsch war bis vor kurzem kaum ein halbes Dutzend lieferbar.

Dann kam der neugegründete Kinderbuchverlag Aladin aus Hamburg und erwarb bei den Nachlassverwaltern die Rechte an einem gigantischen Buchpaket - sehr zum Missfallen der seit 1967 angestammten deutschsprachigen Heimat von Sendak, Diogenes in Zürich, bei dem aber weiterhin die "Wilden Kerle" im Programm bleiben. Aladin jedoch kündigte für die nächsten Jahre die Publikation von sage und schreibe fünfzig Sendak-Büchern an und hat in diesem Jahr bereits sieben Stück davon herausgebracht; drei weitere sind fürs Frühjahr angekündigt.

Was haben wir da schon bekommen? Zunächst einen wundervollen Rahmen fürs Werk, nämlich Sendaks erstes und sein letztes eigenes Bilderbuch. "Kennys Fenster" erschien 1956 und erzählt die Geschichte eines kleinen Träumers, der sieben Fragen beantworten muss, um in ein Phantasieland zu gelangen. Es ist ein textreicher Band mit hinreißenden Illustrationen, die noch ganz im Banne der großen europäischen Illustratoren, von Shepard, Beatrix Potter, Edward Ardizzone oder Jean de Brunhoff, stehen. Sendak selbst hat rückblickend erklärt, dass er bis zu "Wo die wilden Kerle wohnen" in Europa seine künstlerischen Vorbilder gesucht habe, erst danach sei die eigene amerikanische Kindheit als Bildquelle wichtig geworden. Doch das stimmt nicht, denn schon "Kennys Fenster" ist thematisch eine große Hommage an Winsor McCays Comicstrip "Little Nemo".

Sendaks letztes Buch erschien in Amerika im Jahr vor seinem Tod. "Wurstl-Wutz" ist ein großes Fest der Zeichnerei, ein jahrmarktartiges Spektakel um den neunten Geburtstag eines kleinen Schweins, zu dem es ohne Wissen seiner Tante eine riesige Gesellschaft einlädt. Im Zentrum des Ganzen steht eine aus drei aufeinanderfolgenden Doppelseiten bestehende Sequenz, die ohne Begleitworte das wilde Treiben zeigt.

Der eigentliche Text der Geschichte ist gereimt, und er hat es in sich. Gleich zu Beginn erfährt man, dass die Tante ihren damals achtjährigen Ferkelneffen adoptiert hat, weil dessen Eltern geschlachtet wurden. Sendak macht daraus kein großes Drama, einfach vier knappe Verse: "Und was war mit acht? / (Oh, Schicksal voll Macht!) / Da wurden die Seinen zum Schlachthof gebracht. / Und Wurst draus gemacht." Danach folgt bruchlos die pure Lebensfreude. Doch unausgesprochen steht sie unter der steten Bedrohung einer Schweineexistenz.

Solche Zwiespältigkeit ist typisch für Sendaks Werk, und sie war es, die ihn oft zur Zielscheibe wohlmeinender Pädagogen gemacht hat, während die Kinder seine Bücher liebten. Die dunkle Grundierung seiner Geschichten machte er an seinen eigenen Erfahrungen fest, obwohl er eine glückliche Kindheit erlebte. Aber im Gespräch mit Art Spiegelman sagte Sendak 1993: "Ich wusste schreckliche Dinge. Die Erwachsenenwelt durfte nicht ahnen, dass ich sie wusste. Es hätte sie erschreckt." In einem der zahlreichen Aufsätze zu Vorbildern und Einflüssen seines Schaffens, die in dem reinen Textband "Caldecott & Co." versammelt sind, der 1999 erstmals auf Deutsch erschien und nun von Aladin neu herausgegeben wurde (leider in unverändert ungelenken Übersetzungen), erinnert sich Sendak etwa an die Entführung des Lindbergh-Babys im Jahr 1932, die den damals noch nicht Vierjährigen nachhaltig verunsicherte.

Aber es ist just diese hinter dem reinen Bilderspaß aufscheinende Ernsthaftigkeit, die Sendaks Erfolg bei Kindern ausmacht. Der leichte Schauer des Unheimlichen reizt mehr als Friede, Freude, Eierkuchen, und das ist schon spürbar in einer fünfteiligen Buchserie, die er von 1957 an illustrierte: den "Kleiner Bär"-Geschichten der 1920 geborenen und zwei Monate nach Sendak gestorbenen amerikanischen Autorin Else Holmelund Minarik. Diese sehr kindlichen Erzählungen wurden von ihm ergänzt durch Bilder, die kein Plüschtier à la Pu der Bär (der für Minarik eindeutig Anregung war) bieten, sondern ein naturalistisches zotteliges Wesen, dem die Wildheit auch in den niedlichsten Szenen noch anzumerken ist. Zwei Bücher dieser Reihe sind bereits erhältlich, ein weiteres folgt 2014. So wird Stück für Stück ein Maurice Sendak erkennbar, dessen Maxime angesichts der Ungefügtheit des Lebens war: "Man muss Kindern eine Antwort geben." Die seine bestand in prachtvollen Büchern.

ANDREAS PLATTHAUS

Maurice Sendak: "Kennys Fenster".

Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Aladin Verlag, Hamburg 2013. 63 S., Abb., geb., 14,90 [Euro]. Ab 8 J.

Else Holmelund Minarik: "Der kleine Bär und seine Freundin". Bilder: Maurice Sendak.

Aus dem Englischen von Erdmut Gross. Aladin Verlag, Hamburg 2013. 63 S., Abb., geb., 9,95 [Euro]. Ab 6 J.

Maurice Sendak: "Wurstl-Wutz".

Aus dem Englischen von Ebi Naumann. Aladin Verlag, Hamburg 2013. 31 S., Abb., geb., 17,90 [Euro]. Ab 4 J.

Maurice Sendak: "Caldecott & Co.". Gedanken zu Büchern und Bildern.

Aus dem Englischen von Anne Hamilton, Hildegard Krahé und Renate Racker. Aladin Verlag, Hamburg 2013. 264 S., 11 Abb., geb., 22,90 [Euro]. Ab 14 J.

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