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Körper, Seele und Geist. Aus welchen Teilen besteht der Mensch? Mit dieser Fragestellung hat sich die Anthropologie schon seit Jahrhunderten beschäftigt. Vorliegendes Buch arbeitet diese Frage anhand der Epoche der Romantik und des damaligen wissenschaftlichen Diskurses der Anthropologie auf. Zwischen den Anthropologen gab es große Meinungsunterschiede. Die Schule der Dualisten behauptete, dass der Mensch aus einer Seele und einem Körper bestehe. Die genuin christlich inspirierten Trinitarier gingen hingegen von einem Gott analogen Menschenbild mit den Merkmalen Geist, Seele und Körper aus.…mehr

Produktbeschreibung
Körper, Seele und Geist. Aus welchen Teilen besteht der Mensch? Mit dieser Fragestellung hat sich die Anthropologie schon seit Jahrhunderten beschäftigt. Vorliegendes Buch arbeitet diese Frage anhand der Epoche der Romantik und des damaligen wissenschaftlichen Diskurses der Anthropologie auf. Zwischen den Anthropologen gab es große Meinungsunterschiede. Die Schule der Dualisten behauptete, dass der Mensch aus einer Seele und einem Körper bestehe. Die genuin christlich inspirierten Trinitarier gingen hingegen von einem Gott analogen Menschenbild mit den Merkmalen Geist, Seele und Körper aus. Das Buch verspricht zudem neue Einsichten über die Romantik. War sie eine eher progressive oder doch restaurativ-reaktionäre Epoche?
Autorenporträt
Dr. Stefan Schweizer: Studium der Politikwissenschaft und Germanistik von 1994 bis 2001 an den Universitäten Tübingen und Stuttgart. Von 2001 bis 2002 Erstellung der Dissertation Politische Steuerung selbstorganisierter Netzwerke. Autor zahlreicher Publikationen in den Bereichen Wissenschaftstheorie, Wissenschaftsgeschichte, Literatur- und Kulturwissenschaften. Tätigkeit als Studienrat und Lehrbeauftragter am Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung Stuttgart (BS) im Fach Geschichte/Gemeinschaftskunde und Koordinierungstätigkeiten im Bereich Wissensmanagement (Praxissemester). Lehrbeauftragter am Institut für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft der Universität Stuttgart.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.09.2009

Lehrer, lasst den Geist aus der Flasche!
Stefan Schweizer möchte die Romantik ergründen - und erzählt allerlei Spuk- und Gespenstergeschichten

Poesie, nicht zuletzt die romantische, ist nach einer Hauptthese Friedrich Schlegels nicht etwa als das Gegenteil objektiver Erkenntnis, sondern als "Wissenschaft im vollsten Sinne" zu nehmen. Poesie weiß und erkennt - sie fühlt und meint nicht nur, wie die Menge wohl denkt; sie schließt auf, nicht ein, geht auf das Ganze, nicht etwa nur ein Segment unseres inneren Haushalts. Dass sich in einer entsprechend entschränkten Poetologie Wechselbeziehungen insbesondere zwischen Literatur und Anthropologie melden könnten, ist zuletzt vor allem von Manfred Engel behauptet worden.

An ihn anschließend, verspricht uns Stefan Schweizer, Lehrerausbilder (!) in Stuttgart, das gesamte "Gottes-, Welt- und Menschenbild" der romantischen Literatur anthropologisch zu entschlüsseln - wobei mit dem Titel "Anthropologie" nicht zuletzt an den medizinisch-psychiatrischen, ja auch den parawissenschaftlichen Zweig der Lehre vom Menschen gedacht ist, wie er in der "Spuk- und Gespensterromantik" in der Tat nicht ohne greifbare Wirkung geblieben ist.

Freilich geht es bei Schweizer schon beim zweiten Blick gar nicht so sehr um konkrete Wechselverweisungen zwischen - wie er sich ausdrückt - "Textkunst" und "vertexteten wissenschaftlichen Kontexten". Es werden vielmehr sechs Theorien als Hauptzeugen in Augenschein genommen, die schlicht im Allgemeinen den Horizont romantischen Dichtens bestimmt haben sollen. Die Auswahl beginnt bei Jakob Friedrich (nicht: Johann Jakob!) Fries, dem eine "Hybridstellung" zwischen Aufklärung und Romantik bescheinigt wird, um dann über Johann Christian August Heinroth und Carl Gustav Carus, deren Ansätze als "dualistisch" qualifiziert werden, schließlich zu Gotthilf Heinrich von Schubert (dem Kleistfreund), Johann Michael Leupoldt und Joseph Ennemoser zu führen, deren Anthropologie als "triadisch" gekennzeichnet wird (wobei Schweizer selber irreführend zumeist von einer "trinitarischen" Struktur, gar von einer "trinitarischen Veranlagung des Menschen" aus Geist, Seele und Leib spricht).

Aber nicht nur diese nur locker an ein literaturwissenschaftliches Interesse anknüpfende Verfahrensweise überrascht, anderes tut es noch mehr. In der Einleitung etwa listet der Verfasser elf nach seinen Begriffen romantische Literaten auf, die als Exempel für den Einfluss der romantischen Anthropologie dienen sollen. In dieser Corona findet man ausgerechnet einen Hölderlin, und zwar mit der Begründung, dass bei ihm die Begriffe "Seele" und "Geist" "immer wieder" zu finden seien, während man sonst so nahe liegende Namen wie Lenau und Mörike, Jean Paul und Kleist, Uhland oder die Droste gänzlich vermisst.

Nur: wer immer sich hier die Augen reibt, wird dies in der Folge stets aufs Neue tun - dann etwa, wenn er Kant ohne Grund englisch zitiert findet oder erfährt, dass Kants Philosophie als "Transzendentalphysik", ja als "Metaphysik der Metaphysik" angesprochen werden könne, aber auch dann, wenn er hört, dass die romantische Anthropologie (die der Verfasser zwischen 1800 und 1840 plaziert) auf den Deutschen Idealismus (der mit Fichtes erster "Wissenschaftslehre" von 1794 begann und mit Schellings Tod 1854 an sein Ende kam) gefolgt sei.

Das vor Reiben bald tränende Auge des Lesers macht demselben bei der raschen Häufung solcher Unfälle bald klar, dass er sich hier leider gänzlich auf den Boden des Dilettantismus verirrt hat. Dafür nur wenige inhaltliche Hinweise: In geistesgeschichtlicher Perspektive entgeht es Schweizer, dass die Etablierung der neueren Anthropologien zu Beginn des 19. Jahrhunderts an wohl niemandem so sehr wie an Leibniz und dessen Rezeption in der Schulphilosophie hing. Ernst Platners mehrfach aufgelegte "Anthropologie für Ärzte und Weltweise", die Schweizer nicht zu kennen scheint, ist nicht nur das Buch eines Mannes, bei dem Fries oder auch Heinroth studiert haben, sondern auch das Werk eines Leibniz-Epigonen, der Herder, Schiller und Fichte zu beeindrucken wusste; ähnlich ist Josef Hillebrands "Anthropologie", die 1822/23 herauskam, ohne Leibniz, dann auch ohne Jacobi nicht zu denken.

Sodann: dass der Verfasser nicht von den Anthropologien Gottlieb Ernst Schulzes, Ludwig Heinrich Jakobs oder auch Henrik Steffens' spricht, würde man gewiss nicht um jeden Preis fordern wollen - am wenigsten dann, wenn man durch Brillanz und neue Einsichten bei der Behandlung der tatsächlich vorgestellten Autoren entschädigt würde. Jedoch kann gerade davon die Rede nicht sein - man hat es vielmehr mit weithin banalen, wenn nicht irreführenden Lektürezusammenfassungen zu tun, die zu allem Überfluss mit Stilblüten wie auch groben Grammatik- und Ausdrucksfehlern auf fast jeder Seite gespickt sind.

Noch relativ harmlos sind hier Tautologien wie die, dass "im anthropologischen Diskurs" "Teildisziplinen" wie die "Anthropologie" "involviert" seien. Wir hören ebenso von "Faktoren, die sich verantwortlich gezeichnet haben", von "Erkenntnissen, die auf den Menschen verwendet werden", von der "philosophischen Unterfütterung der Dualisten", bei der sich "der Name Spinoza aufdrängen" soll - und werden mit einem Schlusssatz entlassen, der als Krone der Bemühungen unseres Autors die finale "Herstellung des Zusammenhangs von Literatur und Geschichte zu einer gehaltvollen explanativen Erzählung mittlerer Reichweite" in Aussicht stellt. Was immer das nun meinen und sein mag: nicht zwar mit Schlegels poetologischen Hoffnungen, wohl aber mit der Euthanasie von Sprachkunst und Wissenschaft dürfte dergleichen sehr viel zu tun haben.

Bücher kann man, statt sie zu verbrennen, auch in Parodien auf Bücher ertränken. Es stimmt sehr grundsätzlich nicht, wenn dazu auch die "Wissenschaft" noch die Eimer trägt. Was sollen die Lehrer tun, die Stefan Schweizer ausbildet? Den romantischen Geist aus der Flasche lassen, in die ihn ihr Ausbilder eingesperrt hat.

THOMAS SÖREN HOFFMANN

Stefan Schweizer: "Anthropologie der Romantik". Körper, Seele und Geist. Anthropologische Gottes-, Welt- und Menschenbilder der wissenschaftlichen Romantik. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2008. 788 S., geb., 99,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Thomas Sören Hoffmann hält Stefan Schweizers Buch über die "Anthropologie der Romantik" für völlig verunglückt. Dessen Autorenauswahl wie auch dessen Thesen generell scheinen ihm immer wieder verwunderlich, im negativen Sinn überraschend und nirgendwo überzeugend. Hoffmann registriert einen literaturwissenschaftlichen Fauxpas nach dem anderen, bis er schließlich zu dem traurigen Urteil gelangt, hier befinde sich ein Autor ganz und gar "auf dem Boden des Dilettantismus". Doch nicht nur inhaltliche Fehler und Unfälle verunzieren in seinen Augen das Buch, sondern auch jede Menge Stilblüten sowie "grobe" Grammatik- und Ausdrucksfehler "auf fast jeder Seite", die er auch ausgiebig zitiert.

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