Das Grauen lauert überall. Schriftsteller haben ein besonderes Gespür für die Schattenseiten der menschlichen Existenz. Ihnen verdanken wir unheimliche Begegnungen, die uns kalte Schauer über den Rücken jagen. Sie sind fasziniert von Gespenstern, dunklen Gestalten und unerklärlichen Phänomenen - da sind Realität und Fiktion kaum noch zu trennen.Und gerade das macht die Lektüre ihrer Geschichten so aufregend.Mit Texten von E. A. Poe, Mary Shelley, Bram Stoker, Celia Fremlin, Stephen King u. v. a.
Spukgeschichten handeln gern von Schuld und Sühne, von Rächern aus dem Jenseits, die sich umständlich ankündigen - hier ein Lufthauch, dort ein Rasseln, dann lassen sie sich kurz blicken, und am Ende nehmen sie ihren Mörder mit ins Grab. Das sind die langweiligsten Beispiele für eine Gattung, die sich andernorts zu vertracktesten Höhen aufschwingen kann, wenn man sie nur lässt. Die schöne Anthologie mit dem blöden Titel "Akte Mystery", die jetzt als Insel-Taschenbuch erschienen ist, enthält mit "Eine Schulgeschichte" von Montague Rhodes James auch einen solchen eher schlichten Beitrag - ein Lehrer wird vor den Augen seiner Schüler von einem Geist entführt -, aber auch einen solchen ("Die Tote" von Maupassant), der die Sache aufs schönste umdreht: Ein Liebender betrauert seine jüngst verstorbene Freundin und besucht ihr Grab. Dort wird er Zeuge einer gespenstischen Szene: Die Toten haben ihre Gräber verlassen und ritzen an den Inschriften herum, um aus den verlogenen Sätzen wahre zu machen. Schließlich entdeckt der Liebhaber auch seine tote Freundin. Auf ihrem Grab steht jetzt nicht mehr "Sie liebte, wurde geliebt und starb", sondern: "Als sie eines Tages ausgegangen war, um ihren Geliebten zu betrügen, erkältete sie sich im Regen." Geblieben ist aus der ursprünglichen Inschrift nur der Nachsatz "und starb", doch was vorher als Wüten eines blinden, den Liebenden missgünstigen Schicksals erschien, ist nun als gerechte Strafe für den Verrat markiert. ("Akte Mystery". Unheimliche Geschichten. Ausgewählt von Carolin Bunk und Hans Sarkowicz. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2008. 182 S., br., 7,50 [Euro]). spre
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