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Was niemand für möglich gehalten hat und nur wenige Ewiggestrige herbeisehnten, wurde Wirklichkeit. Adolf hat den von ihm angezettelten Weltkrieg überlebt und taucht nun unversehens aus dem Untergrund auf. Zurück an der Oberfläche schlägt er sich mit den Gegebenheiten unserer modernen Konsumgesellschaft herum: Er reist nach Japan und durch die Zeit, bringt sein Tamagotchi um, wird Zen-Buddhist, kauft den Eiffelturm und macht den Pepsi-Test. Er begegnet außerdem Mutter Teresa und ein paar außerirdischen Soziologiestudenten. Und am Schluß steht er vor der folgenschweren Entscheidung: Soll er die Menschheit retten oder umbringen?…mehr

Produktbeschreibung
Was niemand für möglich gehalten hat und nur wenige Ewiggestrige herbeisehnten, wurde Wirklichkeit. Adolf hat den von ihm angezettelten Weltkrieg überlebt und taucht nun unversehens aus dem Untergrund auf. Zurück an der Oberfläche schlägt er sich mit den Gegebenheiten unserer modernen Konsumgesellschaft herum: Er reist nach Japan und durch die Zeit, bringt sein Tamagotchi um, wird Zen-Buddhist, kauft den Eiffelturm und macht den Pepsi-Test. Er begegnet außerdem Mutter Teresa und ein paar außerirdischen Soziologiestudenten. Und am Schluß steht er vor der folgenschweren Entscheidung: Soll er die Menschheit retten oder umbringen?
Autorenporträt
Walter Moers, Jahrgang 1957, Comiczeichner und Drehbuchautor, lebt in Hamburg. Fotografieren läßt er sich nicht mehr, denn seit er seinen Comic-»Adolf« in die Welt setzte, ist er persona non grata für die rechte Szene. Und in Kirchenkreisen gilt er seit seinem »Kleinen Arschloch« als Abgesandter der Hölle. Walter Moers ist zusammen mit Professor Doktor Nachtigaller Begründer der Zamonischen Nachtschule, einer Akademie, die ausschließlich im Internet existiert und von jedermann besucht werden kann.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.1998

Am Bart sollt ihr ihn erkennen
Hitler als Witzfigur: Die Beschäftigung mit Nazis hat im Comic Tradition

Der Zeichner Walter Moers verdankt seine Berühmtheit vor allem dem Kinderfernsehen: Die Puppenserie um seinen "Käpt'n Blaubär" versammelt am Sonntagvormittag nicht nur junge Zuschauer vor der "Sendung mit der Maus". Außerdem verkauften sich seine Geschichten um "Das kleine Arschlosch" hunderttausendfach. Ein neuer Comic aus seiner Feder ist ein programmierter Bestseller. Moers' jüngste Arbeit, die jetzt bei Eichborn erschienen ist, hat jedoch nichts mit dem harmlosen Humor gemeinsam, der "Käpt'n Blaubär" auszeichnet. Der Comic heißt "Adolf", und auf dem Titelbild grüßt ein kleiner Mann mit Hitlerbart und -scheitel: "Äch bin wieder da!"

Der Umschlag zitiert die Ikonographie der Hakenkreuzfahne, denn der kleine Mann steht in einem weißen Kreis auf rotem Grund: Der Held des Buchs ist Adolf Hitler. Nicht mehr der Hitler, den man kennt, sondern einer, der den Zweiten Weltkrieg überlebt hat und untertauchen mußte. In der Kanalisation denkt er über seine Schuld nach: "Äch hätte Rußland besser öber die Flanke angreifen sollen . . ." Wer sich nicht mehr als so etwas hat zuschulden kommen lassen, wird natürlich irgendwann begnadigt. Hitler beginnt ein neues Leben. Doch er hat sich nicht geändert. Immer noch schimpft er auf die Juden, meuchelt mißliebige Zeitgenossen, will beim Monopoly Konzentrationslager bauen und steht vor schwierigen Entscheidungen: "Einerseits . . . ein neuer Wältkräg wäre eine neue Chance . . . Andererseits . . . Wältkräg hab' äch schon gemacht, das äst also keine echte Herausforderong . . ."

Moers' Parodie auf Hitlers Duktus ist ein Genuß. In der eigentlichen Handlung aber wechseln Licht und Schatten, weil Moers sich an einer Geschichte versucht, die Lady Di und Mutter Teresa in eine Weltverschwörung verwickeln möchte und in Geschmacksverletzungen auch dann noch ein probates Mittel erkennt, wenn die Grenzen der Komik längst erreicht sind. Der Tabubruch wirkt erstaunlicherweise vor allem dann bemüht, wenn nicht mehr Hitler selbst Gegenstand der Satire ist. Gelächter über Mutter Teresa erscheint wesentlich unangebrachter als über Nazis.

Wenn der Verlag auf Werbeplakaten also fragt: "Darf man sich über Nazis lustig machen?" und sofort antwortet: "Nein. Man muß", ist das eine Binsenweisheit. Muß man aber um jeden Preis? Schon "Das kleine Arschloch" zieht seinen Reiz vorrangig aus den Provokationen, mit denen ein frühreifer Knabe seiner Umgebung das Leben zur Hölle macht. Hitler in "Adolf" aber stößt nicht mehr die anderen Figuren vor den Kopf, er soll den Leser provozieren. Der Umgang mit dem "Führer" ist dabei reichlich ungeniert.

Damit knüpft Moers allerdings an eine reiche Tradition des Comics an. Am Anfang kannte das Medium keine Feindschaft, die Handlungen beschränkten sich auf Mißgeschicke, Bosheiten und Schadenfreude. Lustige Erzählungen brauchen keine Feinde, sondern Gegenspieler. Das änderte sich mit den Abenteuerserien. 1929 erschienen fast gleichzeitig die ersten Folgen von "Buck Rogers", "Tarzan" und "Tim und Struppi". Um die Spannung dieser langen Fortsetzungsgeschichten zu bewahren, führten die jeweiligen Autoren das Böse in ihre Bildgeschichten ein: Dick Calkins ließ Buck Rogers auf den Mars-Tyrannen Killer Kane treffen, Hal Fosters Tarzan hatte sich mit Wilderern und böswilligen Eingeborenen herumzuschlagen, und Hergé schickte seinen Reporter Tim gar ins Land der Sowjets. Als sich Prinz Eisenherz 1940 in seiner Serie einer mittelalterlichen Hunneninvasion erwehren mußte, verboten die Nazis den Comic im von ihnen beherrschten Teil Europas. Sie sahen in der Handlung eine Allegorie auf die deutsche Kriegsführung.

Alsbald hätten sie für solch subtile Mittel dankbar sein können, denn die amerikanischen Superhelden eröffneten erst die große Zeit der Feindschaft. Noch heute ist der Erfolg einer solchen Figur vor allem von der Perfidie ihres Gegners abhängig, doch am Anfang aller Superschurken stand Adolf Hitler. 1941 entwarfen Jack Kirby und Joe Simon ihren Captain America, einen maskierten Helden, der sich in ein Trikot hüllt, das aus dem Sternenbanner geschneidert ist. Sein erstes Abenteuer wurde von einem Titelbild geschmückt, auf dem der Captain einem irritierten Hitler einen Kinnhaken verpaßt.

Bereits lange vor dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg hatten sich die Comics gegen Deutschland erklärt. Nazis als Gegner versprachen hohe Verkaufszahlen. Für den berühmten Umschlag der ersten Ausgabe von "Daredevil" bediente sich der Zeichner Charles Biro der Montagetechnik von John Heartfield und stellte die Fotografie eines ängstlichen Hitlers in den Hintergrund, während vorne der Titelheld mit diversen deutschen Generälen abrechnet. Die Sprache der Propaganda war in den Comic eingezogen; kein anderes Medium hat sich in den vierziger Jahren so bedingungslos auf psychologische Kriegsführung eingelassen.

Hatte Hollywood mit Chaplins "Großem Diktator" oder Lubitschs "Sein oder Nichtsein" Hitler noch als komische Figur porträtiert, so entlarvten die Comics den "Führer" als Feigling. Eine der Kriegsgeschichten erzählt, wie Superman von Hitler nach Berlin bestellt wird, wo der Held von der gesamten Nazispitze erwartet wird, die sich ihm zu Ehren in sein Kostüm gekleidet hat. Nachdem der Versuch, ihn auf die Seite der Deutschen zu ziehen, ebenso gescheitert ist wie ein Raketenangriff auf den nach Amerika zurückkehrenden Superman, zittern Hitler, Göring und Goebbels in ihren zu groß geratenen Trikots dem Tag der Niederlage entgegen.

Die Degradierung der Nazigrößen zu lächerlichen Figuren mag aus heutiger Sicht zynisch erscheinen, und doch ist sie der einzige Weg, Hitler im Comic gerecht zu werden. Moers' Methode hat trotz des bisweilen banalen Niveaus also alle Berechtigung. Der Versuch einer ernsthaften "Historiografik", wie Peter Härtling Geschichtsschreibung in Bildern nennt, muß bei Hitler scheitern, wenn man ein realistisches Porträt zeichnen will. So ist es vor neun Jahren Friedemann Bedürftig und Dieter Kalenbach ergangen, als sie eine Comic-Biographie zu Hitler publizierten, die im Bemühen um historische Exaktheit so textlastig geriet, daß sie alle Vorzüge der Bildgeschichte einbüßte. Kurt Halbritters wunderbares Buch "Adolf Hitlers Mein Kampf" (gerade bei Hanser wiederaufgelegt), ein gezeichneter Einblick in den bürgerlichen Alltag des "Dritten Reichs", beschränkt sich klugerweise auf die kleinen Nazis, weil die großen in der Karikatur nur lächerlich sein können. Halbritter aber geht es um eine Demaskierung der Mechanismen des Nationalsozialismus, nicht um deren Kostümierung.

Dieser Absicht verdankt auch Art Spiegelmans Holocaust-Comic "Maus" seinen Rang - trotz der umstrittenen Darstellung von Juden als Mäusen und Deutschen als Katzen. Spiegelman hat Hitlers Verunglimpfung der Juden als "Ungeziefer" aufgegriffen und gegen ihren Urheber gewendet: Mäuse sind im Comic seit Micky Maus positiv besetzt. Seine Erzählung schließt aber auch an die literarischen Mittel der Fabel an und läßt die Frage, ob ein Comic sich an die Judenvernichtung wagen darf, vergessen. Natürlich darf er, zumal wenn er so akribisch recherchiert ist: Bei der "New York Times" setzte Spiegelman durch, daß "Maus" auf der Sachbuch- statt auf der Belletristik-Bestenliste geführt wurde. Die Handlung ist niemals witzig; die Gattungsbezeichnung "Comic" führt hier - wie so oft - in die Irre. Aber auch Spiegelman hat erkannt, daß Hitler sich nicht zum Gegenstand einer ernsthaften Bildgeschichte eignet. Der Diktator selbst ist nur außerhalb der Erzählung präsent, auf den Titel- und den Vorsatzzeichnungen. Auch er ist als Katze gezeichnet, die aber dank Bart und Scheitel eindeutig zu identifizieren ist.

Das ist die Stärke der Figur Hitler, sie ist einfach zu karikieren. Walter Moers leitet "Adolf" mit dem Satz ein: "In Wirklichkeit habe ich dieses Buch gemacht, weil Adolf Hitler so einfach zu zeichnen ist. Man braucht dazu nur sechs kleine Zutaten: Nase, Augen, Mund, Bart, Ohr, Frisur." Lediglich zwei davon, Bart und Frisur, lassen aus einer der typischen Moers-Physiognomien Hitler werden. Graphisch ist "Adolf" gerade in seiner Beschränkung wieder einmal ein Meisterstück von Moers. Hintergründe gibt es kaum, und die Protagonisten bringen meist nur ihre Köpfe ins Bild. Die Abstraktion der Figuren besitzt die Virtuosität großer Comiczeichner wie Charles Schulz ("Peanuts") oder Bill Watterson ("Calvin und Hobbes"). Wenige Striche genügen für ein Maximum an Aussagekraft. Daß diese verzerrende Technik hier aber nicht, wie bei Schulz und Watterson, auf Kinder Anwendung findet, sondern auf Hitler, wird die Kritik Moers nicht verzeihen. Einen komischen "Führer" scheinen viele nicht ertragen zu können.

Sie verkennen die subversive Kraft des Gelächters. ANDREAS PLATTHAUS

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