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"Eine Biographie? Von mir? Niemals! Wenn ich die Wahrheit über das, was ich alles erlebt habe,schreiben würde, müsste man zehn Bände machen - und ich müsste dann nach Australien auswandern." Seit am 14. März 2014 das Münchner Landgericht Uli Hoeneß zu dreieinhalb Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilte, steht nicht Australien, sondern Landsberg zur Debatte. Der Mann, der in vier Jahrzehnten aus dem FC Bayern München ein Milliardenunternehmen machte, muss in der Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech den Preis für gerichtsnotorische Wahrheiten bezahlen, für die Steuerhinterziehung in Höhe…mehr

Produktbeschreibung
"Eine Biographie? Von mir? Niemals! Wenn ich die Wahrheit über das, was ich alles erlebt habe,schreiben würde, müsste man zehn Bände machen - und ich müsste dann nach Australien auswandern." Seit am 14. März 2014 das Münchner Landgericht Uli Hoeneß zu dreieinhalb Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilte, steht nicht Australien, sondern Landsberg zur Debatte. Der Mann, der in vier Jahrzehnten aus dem FC Bayern München ein Milliardenunternehmen machte, muss in der Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech den Preis für gerichtsnotorische Wahrheiten bezahlen, für die Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro. Ein Schock, der tief sitzt, besonders bei den über 220.000 Mitgliedern des FC Bayern. Aber nicht nur die Fans des "Triple"-Gewinners 2013 sind nach wie vor ratlos: Wie konnte Uli Hoeneß dermaßen die Kontrolle über sein Leben verlieren?Der ehemalige Stern-Reporter Peter Bizer schrieb bereits 1974 ein Buch über den frisch gebackenen Weltmeister. Aus dem schon damals kritischen Blick auf dieses über alle Maßen ehrgeizige Fußballtalent und dessen Hang zum Geschäftemachen wurde eine distanzierte, aber kontinuierliche Beobachtung. Der Autor beschreibt die Karriere dieses omnipotenten Managers, Machers und Gutmenschen, der immer mehr dem Irrtum unterlag, dass gewisse Regeln selbstverständlich für die Mehrheit gelten, nicht aber für eine Ausnahmeerscheinung wie ihn.Die Ernüchterung kam in aller Herrgottsfrüh an einem Märztag 2013, als Steuerfahnder den Unantastbaren in dessen Villa am Tegernsee aus dem Schlaf klingelten und ihn wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung vorläufig festnahmen: Endpunkt einer beispiellosen Erfolgsgeschichte und der Beginn eines Lebensabschnittes, wie er bitterer nicht sein könnte."Uli Hoeneß - Nachspiel" ist nicht nur eine fesselnd geschriebene Lektüre über den zurückgetretenen Bayern-Präsidenten, sondern blickt auch auf die Entwicklung des Profifußballs in den letzten Jahrzehnten. Zudem entwickeln der Wissenschafts-Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, Jörg Albrecht, und der Psychiater und Psychoanalytiker Dr. Christian Kraus ein Psychogramm von Machtmenschen in Führungspositionen.
Autorenporträt
Peter Bizer begann in Ulm seine Berufskarriere als Journalist, zur gleichen Zeit wie Uli Hoeneß als Fußballer. Den betrachtete Bizer in seinem nach der WM 1974 erschienenen Buch "Der programmierte Weltmeister" damals schon ziemlich kritisch. Bizer, der nach langjährigen Berufsstationen beim Stern und in den USA sowie Australien heute in Hamburg lebt, verlor UliHoeneß auch aus der Distanz nie aus den Augen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2014

Mit aller Macht nach oben

Schon als Ulmer Junge war Uli Hoeneß ein ehrgeiziger Allesbesserkönner. Peter Bizer begleitete den Aufstieg des Bayern-Präsidenten, der ab Montag vor Gericht steht.

Die Frage, warum sich dieser Erfolgsverwöhnte, Moralapostel, Rechthaber, Freund-Feind-Denker und sentimentale Gutmensch über Nacht "in der Hölle" sah, ist die Frage nach dem Preis, den er für seinen prägnantesten Charakterzug bezahlen muss: seinen Ehrgeiz. Nach eigenen Worten ein "hoffnungsloser Ehrgeiz". Um ihn zu befriedigen, forderte Uli Hoeneß ein Leben lang das Recht auf Belohnung. Der Allesbesserkönner in der Zwangsjacke des Erfolgs, als Musterschüler, Fußballtalent, Profispieler, Manager - und Zocker. Der Glaube an die eigene Omnipotenz - ich bin der Mittelpunkt, ich kann alles - gehört bei Menschen wie Uli Hoeneß zur Grundausstattung ihres Lebensentwurfs. Wenn es schiefgehen sollte, dann sind sie Opfer und fordern Hilfe. 2013 war das Jahr des größtmöglichen sportlichen Erfolgs für den FC Bayern München. Und das Jahr der denkbar größten Niederlage für seinen Präsidenten. Supercup und Super-GAU innerhalb weniger Monate. An diesem Montag beginnt der Prozess gegen Hoeneß wegen Steuerhinterziehung.

Der Klassensprecher.

Gemeinsam mit seiner damaligen Jugendfreundin und späteren Ehefrau Susi schaffte er nicht nur Geldgeber für die Schülerzeitung ran, "bis die saniert war". Mit Susi organisierte der umtriebige Klassensprecher, der ein wenig zum Jähzorn neigte, ein Schulfest fürs Ulmer Schubart-Gymnasium, an das sich die älteren Semester heute noch erinnern. Wie Uli damals bei der Bundeswehr ein Tarnnetz organisierte und damit den 600 Quadratmeter großen Schulhof überdachte, Biertische aufstellte, eine Band verpflichtete und nebenbei noch Würstchen aus der elterlichen Metzgerei unter die Leute brachte - das war, so wird Lehrer Steinle in Patrick Strassers Buch "Hier ist Hoeneß!" zitiert, "für damalige Verhältnisse wirklich der Wahnsinn". Eine glatte Eins. Hoeneß, setzen! Ein ungewöhnlicher Bursche also, der schon als Knabe kolossalen Ehrgeiz entwickelte. "Ich wollte schon immer vermeiden, ohne Ziel zu sein", wird er Jahre später rückblickend sich selbst charakterisieren.

Kino? Keine Zeit!

Als der Junge ein paar Jahre älter war und wegen der besseren sportlichen Perspektiven zu Ulm 1846 wechselte, erkannte Uli Hoeneß seine Potentiale: Kraft und Schnelligkeit. Und so bat er seinen Vater, der jeden Morgen ab drei Uhr in der Wurstküche seiner Metzgerei am Ulmer Eselsberg stand, ihn künftig um Punkt sechs Uhr zu wecken. Während seine Mitschüler noch schliefen, rannte der Frühaufsteher bereits zum nahen Bolzplatz und drehte allein oder mit ein paar Kumpels nach eigenem Trainingsprogramm seine Runden. "Der Uli ist vielleicht immer zu viel im Wald rumgelaufen", machte sich später Franz Beckenbauer über seinen Mitspieler lustig. Tatsächlich wurde aus Uli Hoeneß nie ein Vertreter höchster Fußballschule. Sein Talent hieß Wille, Ehrgeiz, Fleiß. Mit glatten 11 Sekunden über 100 Meter wurde er einer der schnellsten Flügelstürmer weltweit. Dieses Ziel hatte Uli Hoeneß bereits mit 15 Jahren gegenüber einem Freund im Blick: "Schau, die anderen gehen jetzt ein Bier trinken, wir spielen eines Tages mit Beckenbauer und Müller." So kam es, zumindest für ihn. No alcohol, no disco, no fun. "Mein ganzes Leben ist ein einziger Stundenplan: Training, Schule, Spiele, Training, Schule. Dazu kein Tropfen Alkohol, keine Zigaretten, keine verbummelte Nacht. Das ist mein Leben. Wenn meine Klassenkameraden mit ihren Freundinnen ins Kino oder zum Baden gingen und ich einsam meine Runden drehte - da habe ich oft gedacht: Wofür eigentlich . . .? Ich habe nie das unbeschwerte Leben meiner gleichaltrigen Freunde gehabt. Ich weiß gar nicht, wie das ist, zum Beispiel Zeit zum Tanzen zu haben, für eine Diskothek, für ein Wochenende im Gebirge oder an der See." .

Geschasste Edelfeder.

Am 4. November 1972, wenige Tage vor einem Länderspiel des frisch gekürten Europameisters gegen die Schweiz in Düsseldorf, lesen die Ulmer in ihrer Zeitung erstmals unter der Überschrift "Das meine ich", was Uli Hoeneß zu sagen hat. Der Autor ist auch abgebildet, hinter der Schreibmaschine sitzend, den Kopf gedankenschwer aufgestützt. "Aus erster Hand und exklusiv" wollte die "Donau-Zeitung" ab sofort den jungen Helden zu Wort kommen lassen, denn: "Er kann ja nicht nur mit dem Ball umgehen." Und so erfuhren die interessierten Leser einmal in der Woche, was in dem schon so Erfolgreichen vor sich geht, wie es sich so lebt in der großen Welt des Fußballs. Dafür gab's 150 Mark pro Kolumne. Das war nun wirklich keine gewaltige Summe für den cleveren Jungprofi, aber der hat auch Kleingeld nicht verachtet und niemals vergessen, wie auf dem Ladenboden der elterlichen Metzgerei selbst nach einem verlorenen Zehnerle gemeinsam gesucht wurde. Für jeden anderen freien Mitarbeiter jedoch, sagen wir im Ressort Kultur, wären viermal 150 Mark im Monat ein traumhafter Nebenverdienst gewesen. Ein Uli Hoeneß spielte in einer anderen Liga und sollte als Rose am Revers des Chefredakteurs das Blatt zieren. Da durfte sich auch ein sparsamer Schwabe wegen ein paar Mark mehr nicht lumpen lassen. Man hoffte schließlich als Gegenleistung auf heiße News aus dem Intimleben der großen Bayern. Unser Mann in München hatte aber genau an dieser Stelle Lieferschwierigkeiten. Die Welt erfuhr aus der Feder des prominenten Autors lediglich, dass die "Bayern in Bedrängnis kommen können, wenn unsere Abwehrspieler, vor allem Beckenbauer und Breitner, zu sehr nach vorne orientiert sind", und gab die Woche darauf tiefschürfend seiner festen Überzeugung Ausdruck, "dass wir am Ende deutscher Meister sind". Derartige Erkenntnisse rissen die Leser nun überhaupt nicht von den Sitzen. (. . .) Und so kündigte der Chefredakteur ohne besondere Vorwarnung die Zusammenarbeit mit seiner Edelfeder.

D-Mark statt Marx.

Uli Hoeneß kennt den Unterschied von Brutto und Netto. Bei seinem Freund Paul Breitner war er sich da nicht so sicher. Der las vor einem Länderspiel schon mal in Büchern das Neueste über antiautoritäre Erziehung, hatte was mit Mao und anderen Genossen am Hut, neigte dennoch mehr zur Mark als zu Marx. Also der ideale Businesspartner für einen wie Uli Hoeneß, somit bestand überhaupt keine Gefahr, dass ihm der Freund und Mannschaftskollege ins Geschäft redete. Breitners offenherziges Geständnis dazu: "Es ist erstaunlich, wie der Uli es versteht, aus allem ein Geschäft zu machen." .

Geldwerte Schnapsidee.

Doch zurück zur Hoch-Zeit des deutschen Fußballs, ins Jahr der Weltmeisterschaft 1974. Umtriebig prüfte Uli Hoeneß jedes Werbeangebot, das von Agenturen und Firmen im Vorfeld der WM an ihn herangetragen wurde. Allerdings gab es ihn als Werbe-Ikone meist nur im Doppelpack mit seinem Kumpel Paul, der es erstaunlicherweise trotz Revoluzzer- Image in die Anzeigen und Werbespots schaffte. "Aber ohne den Uli hätte ich außerhalb des Fußballs keine Mark verdient", gestand Breitner. "Dem Uli" gehörten mittlerweile ein BMW, ein Porsche Carrera und ein paar Eigentumswohnungen in Ulm. Kaufhof, Wienerwald, Bank, Margarine, Unterhosen - Hoeneß stand für jedes ordentliche Produkt zur Verfügung, wenn die Gegenleistung stimmte. Christoph Bausenwein deutet in seinem Buch "Das Prinzip Uli Hoeneß" diese "unersättliche Gier" so: "Man kann sein Verhalten auch als Versuch interpretieren, die von den Eltern vorgelebten Existenzängste zu besiegen. Die hatten bis zu ihrem Tod Geld für die Absicherung ihrer beiden Söhne zurückgelegt, trotz deren Millionenverdiensten." Einen echten Coup landen Hoeneß und Breitner in Kooperation mit ihrem Trainervater Udo Lattek mit einer Schnapsidee, die sie dem Sigloch-Verlag in der württembergischen Provinz mit Erfolg hatten schmackhaft machen können. Der Verlag hatte vor, zum Weltmeisterschaftsturnier 1974 ein WM-Buch zu produzieren, das in der geradezu gigantischen Auflage von 300 000 Exemplaren erscheinen sollte. Der Wert des Werkes sollte durch die Originalunterschriften von Hoeneß und Breitner entscheidend erhöht werden. 300 000 originale Unterschriften, ein gewaltiger Handstreich, den sich die beiden da vorgenommen haben. Mit Dollarzeichen in den Augen schleppen sie ab da monatelang immer neue Stapel von DIN-A4-Blättern quer durch Deutschland, wo immer sie ihr Hauptberuf im Dienste der Bayern hinführt. 300 000 Unterschriften, die dann bei der Druckverarbeitung in der verlagseigenen Buchbinderei Blatt für Blatt in die WM-Bücher eingeheftet werden müssen. Bei jedem Unterschriftsakt klingelt es in den Kassen dieser pfiffigen Bayern-Brothers. 250 000 DM als Schreibgebühr plus 100 000 DM Provisionen. Dagegen sehen die mit dem DFB ausgehandelten Prämien für die WM-Spieler wie besseres Trinkgeld aus: 15 000 DM für die Teilnahme, 60 000 DM für den Titel. Übrigens: Die 300 000 Bücher wurden alle verkauft. (Siehe Wirtschaft.)

"Uli Hoeneß. Mensch, Macher, Mythos. Nachspiel." Von Peter Bizer.

Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2014, 192 Seiten, geb., 16,95 Euro

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