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Freud invented a psychological treatment that involved the telling and revising of life stories, but he was himself sceptical of the writing of such stories. This book tells the story of the young Freud - Freud up until the age of fifty - that incorporates all of Freud's many misgivings about the art of biography.

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Produktbeschreibung
Freud invented a psychological treatment that involved the telling and revising of life stories, but he was himself sceptical of the writing of such stories. This book tells the story of the young Freud - Freud up until the age of fifty - that incorporates all of Freud's many misgivings about the art of biography.
Autorenporträt
Adam Phillips is former Principal Child Psychotherapist at Charing Cross Hospital, London, and is now a psychoanalyst in private practice. His most recent book is One Way and Another: New and Selected Essays.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.10.2014

Für Theorien über Sex muss man keinen haben
Zwei neue und denkbar unterschiedliche Versuche, sich dem Leben des Begründers der Psychoanalyse zu nähern

Es ist kein Geheimnis, dass Sigmund Freud es seinen künftigen Biographen nicht leichtmachen wollte. Zum einen hatte er wiederholt wichtige Korrespondenzen und Manuskripte vernichtet (etwa die Briefe seines Freundes Wilhelm Fließ oder das Autograph der "Traumdeutung"), zum anderen das Genre der Biographik insgesamt verworfen: "Wer Biograph wird, verpflichtet sich zur Lüge, zur Verheimlichung, Heuchelei, Schönfärberei und selbst zur Verhehlung seines Unverständnisses, denn die biographische Wahrheit ist nicht zu haben, und wenn man sie hätte, wäre sie nicht zu brauchen."

Freuds kurz vor seinem Tod gesprochenes Urteil hat zahlreiche Autoren freilich nicht abschrecken können, sich dennoch an diesem schwierigen Gegenstand abzuarbeiten. Nach der ersten, einem hagiographischen Stil verpflichteten Biographie des Schülers Ernest Jones aus den fünfziger Jahren folgten in den Achtzigern die Bücher von Ronald Clark und Peter Gay, die sich um ein ausgewogeneres Porträt des Erfinders der Psychoanalyse bemühten. Dass seitdem keine weiteren seriösen Anstrengungen mehr in diese Richtung unternommen worden sind, ist wohl vor allem der schieren Menge an Quellen geschuldet, die in den letzten drei Jahrzehnten zugänglich gemacht worden sind. So umfasst Freuds Korrespondenz mit Familienmitgliedern, Freunden, Kollegen und Patienten allein geschätzt 20 000 Briefe; die Hälfte davon ist erhalten und das Wichtigste mittlerweile publiziert.

Nun haben sich zwei Autoren im Genre der Freud-Biographik versucht, mit Resultaten, wie sie konträrer nicht sein könnten. Während der bekannte britische Psychoanalytiker und Essayist Adam Phillips in seinem Buch "Becoming Freud. The Making of a Psychoanalyst" Reflexionen über das Thema der Unmöglichkeit einer Freud-Biographie bietet, stürzt sich die in den französischen Medien stark präsente Elisabeth Roudinesco mit blindem Furor in dieses Projekt. Unter dem ehrgeizigen Titel "Sigmund Freud in seiner und unserer Zeit" erzählt sie nochmals Freuds Leben in einem Stil nach, wie man ihn sonst nur aus schlechten historischen Romanen kennt. Ihr Held "wagt sich in die Welt des Irrationalen und des Traums vor" und identifiziert sich dabei "mit dem Kampf von Faust mit Mephisto, von Jakob mit dem Engel, von Hamlet mit dem Geist des Vaters". Freud wird kurzerhand zum Vertreter einer "Dunklen Aufklärung" (Lumières Sombres) erklärt, eine kuriose Wortschöpfung, die die Autorin von Adorno zu beziehen meint.

Weder mit Dialektik noch mit Aufklärung hat dieses Porträt aber viel zu tun. Roudinesco hat einiges stillschweigend aus ihren älteren Büchern und auch viel von anderen Autoren übernommen, wobei oft schwer auszumachen ist, auf welche Quellen sie sich eigentlich bezieht. Sichtlich um den Nimbus der seriösen Historikerin bemüht, meidet sie zwar psychoanalytische Interpretationen, die in Fachkreisen bekanntlich eher verpönt sind. Ihre Erklärungsmodelle sind jedoch durchweg psychologistisch und reich mit Gemeinplätzen aus der in Frankreich beliebten Fin-de-Siècle-Literatur garniert. So erfahren wir etwa, dass die ersten Schüler Freuds, die dank ihrer "tiefen Melancholie" als "repräsentativ für die Kultur von Mitteleuropa" gelten müssen, Trost für ihre Ängste in der Gründung der psychoanalytischen Bewegung suchten. Diese ist für die Autorin auch nichts anderes als eine "erweiterte Familie", die aus lauter pathologischen Einzelfällen zu bestehen scheint. Die Psychoanalyse erscheint so als eine gigantische buntscheckige Kompensationsleistung und kaum noch als ein ernstzunehmendes intellektuelles Projekt.

Dazu passt auch die Behauptung, Freuds theoretische Erkenntnisse zur Sexualität verdankten sich vor allem der Sublimierung seines eigenen Trieblebens. Denn, wie Roudinesco triumphierend verkündet, "das Sexualleben des größten modernen Theoretikers der Sexualität wird nicht länger als neun Jahre gedauert haben". Freud habe nach der Geburt seiner letzten Tochter strikt abstinent gelebt, ganz seiner libido sciendi geweiht, allein im Zigarrenrauch und umgeben von seinen Chow-Chows und Antiquitäten. Mit diesem Porträt hält Roudinesco Zwiegespräch mit ihren Lieblingsgegnern, den Anti-Freudianern, wie etwa Michel Onfray, die dem Meister eine Affäre mit seiner Schwägerin Minna Bernays andichten wollten (F.A.Z. vom 19. November 2011).

Als Antipharmakon zu Roudinescos "Familienroman" empfiehlt sich da das Buch von Adam Phillips, der elegant und verspielt die Scheingewissheiten solcher Biographistik zerstäubt und an deren Stelle eine genuin freudianische Form der Lebensbeschreibung skizziert. "Was wir nicht brauchen, sind die phantasievollen (d.h. vom Wunschdenken geschaffenen) abgedroschenen Szenerien und Charakterbilder in Form von Miniaturen, mit ihren Unterstellungen, was die Menschen dachten, fühlten und taten." Erscheint diese belletristische Form der Darstellung dem Psychoanalytiker als "hysterisches Symptom", so gehorchen die bemühten "Theoriezusammenfassungen" in seinen Augen eher der Logik der Zwangsneurose. Auch die Chronologie sei nicht vonnöten, da das Unbewusste keine Zeit kenne.

Phillips geht es allerdings nicht ernsthaft um die Realisierung eines derartigen biographischen Projekts, sondern vielmehr um den Entwurf von Fiktionen, mit denen Freuds Werk sich heute befragen lässt. So wirft er die Frage auf, wie die Geschichte der Psychoanalyse ausgesehen hätte, wenn Freud bereits 1906 im Alter von 49 Jahren gestorben wäre: zweifellos anders und vermutlich weniger dogmatisch. Damit reiht sich Phillips bei jenen Autoren ein, die in den späteren Theorien Freuds (wie der berüchtigten Hypothese vom Todestrieb) eine konservative und sogar rückschrittliche Tendenz gegenüber seinen ersten Formulierungen der Traumdeutung und der Sexualtheorie erkennen. Aufgeworfen ist damit auch eine Frage, die Biographen vom Schlage Roudinescos notgedrungen Unbehagen bereiten muss: Was trennt den "jungen" vom "alten" Freud, wie geht der eine aus dem anderen hervor? Aus der Perspektive des Psychoanalytikers mag dieser skeptische und spielerische Zugang zweifellos der klügere sein. Denn wer keine besseren Antworten hat, ist gut beraten, neue Fragen zu stellen.

ANDREAS MAYER

Adam Phillips: "Becoming Freud". The Making of a Psychoanalyst. Yale University Press, London, New Haven 2014. 192 S., geb., 21,- [Euro].

Elisabeth Roudinesco: "Sigmund Freud en son temps et dans le nôtre". Éditions du Seuil, Paris 2014. 592 S., geb., 25,- [Euro].

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