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Die Wiederentdeckung: Schlump ist ein vergessener Klassiker, ein grandioser Antikriegsroman aus dem Jahr 1928
»Antinationalistisch, unheroisch, menschenfreundlich, pazifistisch, franzosenfreundlich, humanistisch, europäisch, ziemlich gut gelaunt und ziemlich gut geschrieben. Ein helles Buch aus dunkler Zeit.« So beschrieb Volker Weidermann diesen Roman in seinem FAS-Artikel im April 2013.Hans Herbert Grimm bekannte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg dazu, einen Roman über den Ersten Weltkrieg geschrieben zu haben, der sich immer noch ganz frisch, ganz gegenwärtig liest und sich damit…mehr

Produktbeschreibung
Die Wiederentdeckung: Schlump ist ein vergessener Klassiker, ein grandioser Antikriegsroman aus dem Jahr 1928

»Antinationalistisch, unheroisch, menschenfreundlich, pazifistisch, franzosenfreundlich, humanistisch, europäisch, ziemlich gut gelaunt und ziemlich gut geschrieben. Ein helles Buch aus dunkler Zeit.« So beschrieb Volker Weidermann diesen Roman in seinem FAS-Artikel im April 2013.Hans Herbert Grimm bekannte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg dazu, einen Roman über den Ersten Weltkrieg geschrieben zu haben, der sich immer noch ganz frisch, ganz gegenwärtig liest und sich damit abhebt von vielen heute nur noch literaturgeschichtlich kanonisierten Romanen. Die »Geschichten und Abenteuer aus dem Leben des unbekannten Musketiers Emil Schulz, genannt 'Schlump', von ihm selbst erzählt« - so der Untertitel - zeigen den Weg eines unbedarften jungen Helden von der Etappe aufs Schlachtfeld, ins Lazarett und zurück. Und sie erzählen die Geschichte eines modernen Hans im Glück, der nach Romanzen Ausschau hält und am Ende die große Liebe trifft, die immer schon auf ihn wartete.

»Ein französisch anmutendes Weisheitsbuch von lateinischer Heiterkeit«, so Volker Weidermann, der in seinem Nachwort Informationen zu Autor und Werk liefert.
Autorenporträt
Grimm, Hans HerbertHans Herbert Grimm, geboren 1896, gestorben 1950, nahm an beiden Weltkriegen teil und arbeitete danach als Lehrer für Deutsch und Französisch, in Altenburg. Um seine Anstellung nicht zu verlieren, veröffentlichte er seinen Roman unter dem Pseudonym »Schlump«.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Schon die ersten Seiten dieses 1928 bei der Erstveröffentlichung wenig beachteten, nun wiederaufgelegten Weltkriegs-Romans drängen Jens Uthoff dazu, unbedingt weiterzulesen, gesteht er. Dies liegt vor allem am irritierend märchenhaften Stil, in dem das zumal in der ersten Hälfte von Kriegsschrecken auffällig freie, "Kriegstagebuch, Liebes- und Schelmenroman" verortete und schon im Untertitel auf den Simplicissimus anspielende Buch verfasst ist. Erst in der zweiten Hälfte, als die Titelfigur Schlump an die Front kommt, reihen sich die Gräuel, die sich an der märchenhaft bleibenden Sprache enorm reiben, führt der Kritiker weiter aus. Überhaupt arbeitet Grimm sehr sorgfältig mit der Sprache, meint Uthoff: Der Zeitgeist wird gut darin erfahrbar und die vielfältigen Lautmalereien wiederum holen das Kriegsgeschehen ans Ohr des Lesers. Mit den großen, klassischen Weltkriegsromanen von Remarque und Edlef Köppen ist dieses Buch zwar schon wegen seiner besonderen literarischen Ästhetik nicht zu vergleichen, meint der Rezensent abschließend. Doch offenbaren sich ihm einige Nähen zu Haseks "Der brave Soldat Schweijk" - nicht die schlechteste literarische Nachbarschaft, meint der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.04.2014

Der Kuss
des Kriegers
Hans Herbert Grimms Roman „Schlump“
ist eine beglückende Wiederentdeckung
VON CHRISTOPHER SCHMIDT
Die Einzigen, die ihn nicht vergessen hatten, waren die Nazis. „Schlump“ gehörte nach der Machtergreifung zu den verbotenen Büchern. So wurde ein Roman aus der Literaturgeschichte gelöscht, an den sich schon damals kaum jemand erinnerte. Sein Autor, der Altenburger Lehrer Hans Herbert Grimm, der das Buch 1928 aus Angst um seine bürgerliche Stellung unter Pseudonym veröffentlicht hatte, mauerte das Original zu Hause ein, um sich und seine Familie zu schützen. Trotz des Werbeaufwands, den Grimms Verleger Kurt Wolff bei Erscheinen betrieben hatte, war das Werk weitgehend unbeachtet geblieben. Ein anderer Roman, Remarques „Im Westen nichts Neues“, absorbierte die öffentliche Aufmerksamkeit. Zehn Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs war das Publikum noch nicht reif für Grimms Schelmenstück über „Geschichten und Abenteuer aus dem Leben des unbekannten Musketiers Emil Schulz, genannt Schlump. Von ihm selbst erzählt“, wie das Buch in Anspielung auf Grimmelshausen im Untertitel heißt.
  Erst der FAS-Literaturkritiker Volker Weidermann hat „Schlump“ wiederentdeckt, einen Roman, der zu den interessantesten Büchern über den Ersten Weltkrieg gehört – gerade weil er den Blick nicht auf die Feldstecher-Perspektive des einfachen Schützen im Stellungskrieg an der Westfront verengt, sondern die zivilen Aspekte jener Jahre ausleuchtet. Damit liefert Grimms Picaro ein umfassendes deutsch-französisches Stimmungsbild, wie man es sonst noch nirgendwo gelesen hat.
  Als Freiwilliger zieht der 17-jährige Emil Schulz im August 1915 in einen Krieg, der zu diesem Zeitpunkt längst hätte vorbei sein sollen. Doch Schlump hat Glück. Weil er etwas Französisch kann, landet er zunächst als Kommandant eines besetzten Dorfes in der Etappe. Dort hat er es eher mit Problemen wie aus Louis Pergauds „Krieg der Knöpfe“ (1912) zu tun. Ein Junge steckt mit dem Kopf in einem Nachttopf fest, den er sich beim Ritterspiel als Helm aufgesetzt hat. Das gesamte Dorf zieht wie eine Prozession, angeführt von Schlump, zum Klempner, der das Kind mit einer Blechschere von dem befreit, was Grimm als „eiserne Maske“ bezeichnet – eine Verneigung vor Alexandre Dumas. Ein ganzes Bataillon deutscher Soldaten ist mittlerweile ausgerückt, angeführt von einem Leutnant mit gezücktem Degen. Das Ganze endet friedlich, und Schlump, „zog im Triumph mit seinen Untertanen wieder nach Loffrande zurück“.
  Als der freundliche Besatzer Schlump schließlich doch an die Front abkommandiert wird, trennen sich die Dörfler unter Tränen von ihrem geliebten Boche. Er selbst empfindet seine Versetzung als Schmach, schließlich heißt es unter den Soldaten, dass nur die Dummen zur Infanterie kommen. Man sehnt sich nach einem „Heimatschuss“, „Parole Massengrab“ sagt man im Jargon der Truppe, und Kriegsfreiwillige werden „Kriegsmutwillige“ genannt. Als Schlump zum ersten Mal Posten steht, vollbringt er gleich eine antikriegerische Heldentat. Da er seinen Posten nicht verlassen darf, erleichtert er sich im Schützengraben. Am Morgen tritt ein Leutnant mitten hinein in das „Denkmal“, das Schlump hinterlassen hat. Es ist Grimms ganz persönliches Kriegerdenkmal, sein Statement zu falschem Heldenpathos und Militarismus. Und auch wenn er das Inferno zuweilen mit allzu treuherzigen Vokabeln beschreibt – die splitternden Granaten wie tausend Katzen „fauchen“ oder die frierenden Troupiers traulich Brennholz „mausen“ lässt, so unterschlägt er die Gräuel keineswegs.
  Nahezu alle ikonisch gewordenen Irrsinns-Szenen der Literatur über den Ersten Weltkrieg tauchen auch hier auf: die Bauchschüsse und zerfetzten Gesichter, eine Leiche, auf deren abgerissene Schädeldecke „der Tod das Gehirn fein sauber draufgelegt“ hat wie auf einen Teller. Da gibt es den Soldaten, der zwischen den Linien im Stacheldraht hängt, während die Kameraden seine „Mutter“-Rufe hören und ihn doch nur tot bergen können. Den Deutschen, der einen volltrunkenen Engländer mit in den Tod reißt, indem er ihn umklammert und eine Handgranate mit den Zähnen zündet, eine fast sexuelle Vereinigung. Oder die Leuchtrakete, die im Bauch eines anderen explodiert und einfach nicht aufhört zu brennen. Und die junge Schwangere, die durch eine Granate tödlich entbunden wird. „Schlump war schrecklich enttäuscht von diesem Krieg“, heißt es mit ätzender Ironie.
  Auch Schlump wird zweimal verwundet. Im Hospital, wo sein verletzter Arm wieder beweglich gemacht wird von mechanischen Streckvorrichtungen, sieht er im Treppenhaus eine Pflegekraft, die sich ein abgesägtes Bein über die Schulter geworfen hat. Surrealismus des Alltags. Und doch handelt Grimm die Hölle, durch die sein moderner Simplicissimus geht, eher knapp ab, größeren Raum gibt er dem Fraternisieren. Der Männermangel lockert hüben wie drüben die Moral. Überall, in Frankreich ebenso wie beim Heimaturlaub kommt der erotische Kriegsgewinnler Schlump auf seine Kosten
  Grimms Roman, in den viele eigenständige Erzählungen eingeschaltet sind, ist auch ein neusachliches „Decamerone ’14/18“. Die anrührendste Episode handelt von einem französischen Mädchen, dem Schlump hilft, Briefe an den Liebsten zu formulieren, bis sich herausstellt, dass Schlump selbst der heimliche Adressat ist. Grimm erzählt die heitere Geschichte von der doppelten Buchführung einer handfesten Ehefrau, deren Mann sich wundert, dass sie schon viereinhalb Monate nach der Hochzeit ein Kind zur Welt bringt, worauf sie erwidert, er solle sich nichts einreden lassen. Sie seien doch Mann und Frau, also viereinhalb Monate für jeden. Und die traurige von dem Trompeter, dessen Braut genau dieselbe Geschichte wie mit ihm danach mit einem anderen wiederholt hat, so dass er daheim genauso austauschbar ist wie an der Front. Die Normalität unehelicher Kriegskinder bringt Grimm so auf den amüsanten Punkt: Als Schlump erfährt, dass die „süße, kleine Nelly“ einen kleinen Schlump erwartet, schreibt sie ihm, er solle sich keine Sorge machen. „Die Mutter sei nicht böse, sie erwarte selbst einen kleinen Zahlmeister. Und der Vater hätte in Metz auch einen kleinen Schleppsäbel bestellt (. . . ). Es würde also eine ordentliche Kindtaufe werden.“
  Grimm hat sich für seinen so unkriegerischen Doku-Roman den Märchenton seiner Namensvettern, der Brüder Grimm ausgeliehen, einfach und doch sehr kunstvoll. Bisweilen hört man auch ein Echo von Johann Peter Hebels Kalendergeschichten zwischen den Zeilen. Grimm schildert einen Krieg, in dem ebenso viel gelebt wie gestorben wird, in dem es Liebe gibt, aber niemals Hass. Einen Krieg ohne Feindschaft. Grausig-komisch mutet es an, wenn ein deutscher und ein kriegsgefangener französischer Soldat in anmutigen Tierfabeln über die Unterscheide ihrer beiden Länder philosophieren, während ihre Kameraden draußen sich gegenseitig aufs Grausamste abschlachten. Nicht zufällig heißt die Braut, die daheim auf Schlump wartet, Johanna. In seiner Phantasie verschmilzt sie mit der heiligen Johanna, deren Bild er in einer französischen Kirche gesehen hat. So verdichtet Grimm Völkerverständigung zum literarischen Motiv.
  Drôle de guerre – seltsamer Krieg nannten die Franzosen den Krieg gegen die Deutschen, der erst noch kommen sollte. Und auch diesen hat Hans Herbert Grimm als Soldat mitgemacht. Um sich zu tarnen, war er in die NSDAP eingetreten und wurde später in der DDR mit Berufsverbot belegt. 1950 hat er sich in seinem Haus das Leben genommen. Geblieben ist davon ein Riss in der Wand, wie Volker Weidermann im Nachwort schreibt. Der Riss in der Geschichte der Weltkriegsliteratur aber, er ist mit der Neuauflage dieses unendlich humanen Romans geschlossen.
Die Gräuel des Stellungskrieges
werden nicht unterschlagen,
aber tragikomisch konterkariert
Hans Herbert Grimm (1896-1950), war Lehrer für Deutsch und Französisch in Altenburg und nahm an beiden Weltkriegen teil. Sein Roman „Schlump“ erschien erstmals 1928 unter Pseudonym im Kurt Wolff Verlag. Foto: oh
„Weißt du noch, wie der Krieg ausgebrochen ist, da hast du mich geküsst unter den Kastanienbäumen.“ (aus: „Schlump“) Foto: Sueddeutsche Zeitung Photo
          
  
  
  
  
Hans Herbert Grimm: Schlump. Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014. 352 Seiten, 19,99 Euro. E-Book 17,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.04.2014

Nicht nur Dumme kommen in die Schützengräben

Der Schelm wandelt sich im Gemetzel zum Revoluzzer: "Schlump" von Hans Herbert Grimm ist ein großer Weltkriegsroman.

Das Erste, was an diesem Roman auffällt, ist sein enorm hohes Tempo. Nach sechs Seiten sind die Vorgeschichte der Eltern (der Vater ist Schneider) und die Herkunft des Namens geklärt (denn Schlump heißt natürlich nicht so, sondern verdankt seinen Namen einem Schutzmann, also einem Autoritätssymbol des Wilhelminismus), und nach gleicher Distanz ist Schlump, gerade siebzehnjährig, schon Soldat. Wenige Seiten später ist der Rekrut Ortskommandant im französischen Loffrande, weil er etwas Französisch kann, und für die Verwaltung dreier benachbarter Dörfer zuständig. Die Kommandantur ist in einer Wirtschaft untergebracht, und der junge Mann lebt da nicht nur wie die Made im Speck, sondern genießt auch die Gunst der Mädchen im Ort, die allesamt hübsch sind und vor allem willig. Ein Mädchen hat er zu Hause zurückgelassen, die Johanna, die anders als die anderen ist: eine heilige Johanna nämlich, wie sich am Ende herausstellen wird, wenn alles überstanden ist.

Obwohl Hans Herbert Grimm, der seinerzeit anonyme Verfasser des 1928 bei Kurt Wolff publizierten Romans "Schlump", in seinem Mädchen- und Frauenbild dem Klischee nicht ganz entkommen ist, ist dies doch ein lesenswertes Buch. Die Klischees sind im Übrigen den geschilderten Zeitläuften zu einem gewissen Grad angemessen, weil sich im Krieg die Sitten schnell lockern, was am Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland zu dem Slogan geführt hat: "Genießt den Krieg, der Frieden wird fürchterlich."

Hier aber ist natürlich vom Ersten Weltkrieg die Rede. Den Verlag Kiepenheuer & Witsch hat der hundertste Jahrestag seines Ausbruchs bewogen, das lange Zeit verschollene Buch (das gleichwohl nicht völlig vergessen und etwa unter Germanisten durchaus bekannt war) neu herauszubringen, mit dem eindrucksvollen Originalumschlag von Emil Preetorius und den Zeichnungen von Otto Guth. Grimms Roman steht in der Tradition des Schelmenromans. Schon der Untertitel deutet darauf hin: "Geschichten und Abenteuer aus dem Leben des unbekannten Musketiers Emil Schulz, genannt ,Schlump'. Von ihm selbst erzählt". Hans Herbert Grimm, Lehrer für Englisch, Französisch und Spanisch im thüringischen Altenburg, war schließlich ein literarisch gebildeter Mann.

Man darf also an Simplicissimus denken und ebenso auch an den braven Soldaten Schweijk, der schon 1926 in erster deutscher Übersetzung vorlag. Dennoch ist es etwas zu kurz gegriffen, Schlump nur als einen Helden des Überlebens zu charakterisieren, wie es Volker Weidermann in seinem Nachwort tut. Dass am Ende "die Schlump-Idylle ... von all dem unberührt (liegt) wie einst", trifft nicht zu. Zwar zieht dieser Held anfangs wie viele seiner Generation fröhlich in einen Krieg, von dem er keine andere Vorstellung hat als diese: "Siegreich zog man zu Hause ein. Die Mädchen warfen Blumen aus den Fenstern, und es wurden Feste gefeiert ohne Ende." Und wie man oben gesehen hat, beginnt dieser Krieg für Schlump zunächst tatsächlich mit einem schönen Leben in der Etappe: "Er hätte den Krieg vergessen, wenn nicht oft die Fenster so laut geklirrt hätten von den Kasernen, dass sie alle zusammenfuhren."

Bei diesem Geräusch bleibt es jedoch nicht. Irgendwann muss Schlump packen, und es geht in mehreren Schritten an die Front. Unterwegs kommt man "an verrosteten Drahtverhauen vorbei, an einem großen Soldatenfriedhof, wo sie zu Hunderten schliefen, die 1914 ausgerückt waren". Der Stellungskrieg an der Westfront hat seitdem schon auf beiden Seiten Zehntausende das Leben gekostet. In den Schützengräben landet dann auch Schlump, obwohl er doch gehört hat, dass dorthin nur die Dummen kommen und er sich für schlau hält. Als er noch einmal in die Nähe von Loffrande kommt, fühlt er sich wie "ein abgesetzter König." Nach seiner ersten Verwundung kommt der abgesetzte König zurück nach Deutschland ins Lazarett.

Zurück im Schützengraben, erlebt Schlump das wirkliche Inferno. Auf der anderen Seite liegen jetzt nicht mehr "die Franzeks", sondern die "Tommies". Das Schlachtfeld ist übersät mit Toten; auf einer abgeschnittenen Schädeldecke wird das zugehörige Hirn präsentiert wie eine Delikatesse. Die Apokalypse kulminiert, als ein Kamerad Schlumps einen betrunkenen Engländer im gemeinsamen Todestanz umarmt, bis die Handgranate zwischen ihren Körpern zündet.

Schlump hat das Glück, noch einmal schwer verwundet zu werden und abermals ins Lazarett und vorübergehend sogar nach Hause zu kommen, wo sein Vater an Hungertyphus stirbt. Schlumps Krieg endet wieder in der Etappe, als Mitarbeiter einer Wechselstube in Maubeuge. Er macht hier Geschäfte wie die anderen, obwohl er "kein geborener Schieber" ist. Zugleich wird der Schelm im Einzelfall aber auch zum Aufrührer und Rebellen, der seine Kameraden gegenüber einem widerwärtigen Major auffordert: "Schlagt das fette Schwein tot!" Die Ablehnung jeglicher Autorität ist ein Zug dieses Überlebenshelden, die in der bisherigen Rezeption zu wenig beachtet wurde. Am Ende liefert Grimm eindrucksvolle Bilder des Rückzugs und der allgemeinen Auflösung, wie sie uns gerade fürs Ende des Zweiten Weltkriegs Alexander Kluge vorgelegt hat (F.A.Z. vom 12. April).

Dem Autor selbst ist es im Leben weniger glücklich ergangen als seinem Helden. "Schlump" wurde in der Wahrnehmung durch den gleichzeitigen Erfolg von Remarques "Im Westen nichts Neues" überschattet, zumal Grimm seine Autorschaft geheim hielt. Da er im Gegensatz zu Remarque in der Nazizeit nicht emigrierte und aus Opportunitätsgründen sogar in die NSDAP eintrat, wurde er nach dem Krieg mit einem Berufsverbot als Lehrer belegt. Er durfte ein Jahr als Dramaturg am Theater arbeiten, bevor man ihn zur Arbeit in eine Sandgrube schickte. 1950 luden ihn die DDR-Behörden zu einem Gespräch nach Weimar. Über den Inhalt ist nichts bekannt. Zwei Tage später nahm er sich in seiner Heimatstadt Altenburg das Leben.

Der Roman hat seine Frische behalten, was nicht zuletzt am erwähnten Erzähltempo liegt. Er ist eine präzise Darstellung des Krieges in allen Facetten, auch und gerade in einer Zeit, in der Deutschlands Sicherheit nun am Hindukusch verteidigt wird.

JOCHEN SCHIMMANG

Hans Herbert Grimm: "Schlump". Roman.

Verlag Kiepenheuer & Witsch , Köln 2014. 348 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Das Schelmenstück aus dem Jahr 1928 hat die lange Zeit der Versenkung glänzend überstanden. Farbfrisch und unverbraucht meldet es sich zurück [...].« WDR 3 20140730