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Manfred Krugs Kindheitserinnerungen - witzig und warmherzig, plastisch und schnörkellos. Ein einzigartiges Lesevergnügen - und »ein beachtliches Zeugnis über das Nachkriegsdeutschland« (Berliner Morgenpost).

Produktbeschreibung
Manfred Krugs Kindheitserinnerungen - witzig und warmherzig, plastisch und schnörkellos. Ein einzigartiges Lesevergnügen - und »ein beachtliches Zeugnis über das Nachkriegsdeutschland« (Berliner Morgenpost).
Autorenporträt
Manfred Krug, geboren 1937, war in der DDR und später in der Bundesrepublik ein gefeierter Schauspieler. Er schrieb mehrere Bücher, darunter den Bestseller Abgehauen. Manfred Krug starb am 21. Oktober 2016 im Alter von 79 Jahren.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.07.2004

Das Leben, ein Schauspiel
Mario Adorf, Uschi Glas und Manfred Krug erinnern sich

Der Seufzer, gleich im Prolog von Mario Adorfs jüngstem Buch, kommt aus tiefstem Herzen: Wie leicht haben es doch die Franzosen, weil sie zwischen se rappeler, dem gezielten Eintauchen in den Gedächtnisspeicher, und se souvenir, dem plötzlichen Auftauchen von vermeintlich Vergessenem, zu unterscheiden wissen. Für Adorf, den es aus einem kleinen Eifelstädtchen hinaus in die weite Filmwelt von Italien und Sibirien, Hollywood und Mexiko trieb, gibt es nur Bruchstücke des Erinnerns, unbehauen und unbezeichnet. "Unordentliche Erinnerungen" beschwört deshalb sein Buch "Himmel und Erde" im Untertitel, weil der Autor ihnen das Nebensächliche, Zufällige und auch Lückenhafte bewußt erhalten wollte, weil sie eben nicht den wesentlichen Daten und Linien seines Lebens folgen sollen.

Die Neugier ist auf der Stelle geweckt. "In der Eifel und im rheinischen Raum", erklärt Adorf den Buchtitel, "war ,Himmel und Äd' ein einfacher Eintopf der eher mageren Jahre, aus Äpfeln und Kartoffeln zusammengekocht. Die Äpfel wachsen auf den Bäumen, daher: Himmel, die Kartoffeln im Ackerboden, darum: Erde. Und so gemischt wie ,Himmel und Äd' stellen sich meine Erinnerungen ein ..."

Solange Mario Adorf aus den Kinderjahren erzählt, vom unehelichen Buben zwischen katholischen Nonnen im Waisenhaus, in das ihn die Mutter zu stecken sich genötigt sah, und den Verführungen der Hitlerjugend, vom illegalen Schweineschlachten in den Kriegsnächten oder von der ersten unheimlichen Begegnung mit der amerikanischen Besatzungsmacht, ist seine Prosa rühmenswert dicht und stets gewitzt, ohne auf Pointen zu lauern. Die Ambivalenz eines solchen Aufwachsens voller Verwirrungen schwingt ununterbrochen mit, wenn Adorf von Mario erzählt: "Auf der einen Seite der stramme Hitlerjunge, auf der anderen der Zweifler, der Hitler nicht liebte, wie man es von ihm verlangte, der begeistert Nazilieder sang und doch heimlich mit der Decke über dem Kopf Radio London hörte - und das ohne Gewissensbisse."

Der neunjährige Ministrant glaubt an Gott, aber die Existenz eines gütigen Gottvaters oder später die jungfräuliche Empfängnis Marias leugnet er entschieden. Und wenn Adorf vom Hiobschicksal der Familie Engels aus dem Eifeldorf Reudelsterz berichtet, wo im Laufe des Krieges Jahr um Jahr der Vater, sein unverheirateter Bruder und alle fünf Kinder ums Leben kommen und am Ende nur die Mutter zurückbleibt, "Niobe ohne Tränen", dann findet der sich Erinnernde einen Ton der Anteilnahme, der eindringlich ist, ohne sich mit dramatischer Rührung aufzudrängen.

Die ersten achtzig Seiten von Adorfs "Himmel und Erde" sind schlicht großartig. Doch es folgen noch weitere hundertachtzig, und es vollzieht sich ein unerklärlicher Bruch. Unversehens ist aus dem heranwachsenden Mario der Schauspieler Adorf geworden, der zwinkernd Blicke hinter die Kulissen seiner Profession wirft, als gälte es, einen Preis für die pfiffigste Theater- oder Filmanekdote zu gewinnen. Gewiß werden die Hunderte von Fährnissen bei Dreharbeiten und Bühnenauftritten nie ohne das notwendige Quentchen Selbstironie beobachtet, gewiß läßt das spöttische Paradieren sich wunderlich aufführender Kollegen den Respekt des gewissen "Dennoch" nie missen, aber wo Adorfs Sprache zuvor punktgenau war, wird sie nun plaudrig. Das ermüdet doch zusehends.

Eitel aber wenigstens gibt sich dieser Schauspieler als Autor nie. Das bleibt einem anderen aus der Zunft der populären deutschen Mimen vorbehalten, Manfred Krug, dessen Erinnerungsband "Mein schönes Leben" schon eine Weile länger auf dem Memoirenmarkt ist als der Adorfs. Der knurrige Kauz und Kraftbolzen, den Krug in seinen Rollen mit Vorliebe vorstellt, wird auch in seinem Erzählton unmittelbar präsent, wobei der literarische Ehrgeiz des Schreibenden dem Leser zu Anfang einiges an Beherrschung abverlangt. Krug, ganz dem se rappeler verpflichtet, sucht nämlich die Zeit, von der er berichtet, jeweils aus der Perspektive des Alters zu fixieren, in dem er in den entsprechenden Jahren war, und das führt in den ersten Kapiteln zu einer nur schwer erträglichen Mischung gesuchter Naivität mit altkluger Pointensucht.

Gleichwohl ist die Fülle von Beobachtungen, die Krug jeweils zum kleinen Exempel verdichtet, durchaus respektheischend. Die Kinderzeit, die "ein einziges Sich-auf-und-davon-Machen" gewesen ist, die häusliche Not rund um den Krieg, die Trümmerlandschaft als Abenteuerspielplatz, Schwarzhandel und der aufhaltsame Aufbauwillen in den östlichen Regionen werden evoziert, als sausten ungezählte Bilder durch den Projektor, die kaum je schärfer gestellt werden müssen. Und wenn Krug, den es seine jungen Jahre lang im Dreieck Berlin-Duisburg-Leipzig umherbeutelt, sich nicht selber auf die Schulter schlägt, dann singt er, ganz unironisch auf einmal, das Loblied der Mütter und Großmütter, der Herzlichkeit und Treue.

Wieviel er literarisch tatsächlich vermag, verraten die kontinuierlichen Zwischenschübe, im Buch größer gedruckt und in einer Tonlage frei von jeglicher Anspielung gehalten, in denen Krug seiner Urgroßmutter ein Denkmal der Bewunderung setzt für ihren aufrechten Gang in ärmlichsten Verhältnissen. Da werden private Umstände, nicht nur der anderen Art, zu einem exemplarischen Lebenslauf komprimiert. Aus dem stolzen Manfred, der eigentlich fürs Stahlwerk bestimmt war, ist unterdessen ein Schauspieler geworden, doch das Licht des Projektors erlischt. "Und so weiter" - so wird der Leser lakonisch im letzten Satz beschieden.

Verglichen mit den beiden Kollegen, gibt sich Uschi Glas, die dritte im jüngsten Memoirenbunde, wesentlich bescheidener und in der Sprache schlichter, obwohl ihr Erinnerungsband "Mit einem Lächeln" die schreiberfahrene Koautorin Renate von Matuschka ausdrücklich nennt. Aber wenn es um Aufrichtigkeit, das unverstellte So-bin-ich-und-nicht-anders geht, ist sie den Herren auf Anhieb überlegen. Ihre Naivität erscheint nicht als kunstvoll erzwungen, sondern wie ihre erste Natur; die Einblicke in Filmgeschäft und Startum liefern dem Leser Erkenntnisse zuhauf, ohne daß anekdotischer Lust Tribut gezollt werden müßte.

Streng chronologisch fächert Uschi Glas ihr Leben auf. Am Anfang stehen Spott auf das "Negerlein", der dunklen Hautfarbe des Kindes wegen, und typischer Argwohn gegenüber Fremden: "Wir waren alle Außenseiter, die ganze Familie, denn meine Eltern waren keine Einheimischen aus Landau, sondern mein Vater war aus Franken und meine Mutter aus Schwaben zugezogen. Meine Eltern sahen zwar nicht anders aus, aber daß sie nicht so recht in den kleinen niederbayerischen Ort gehörten, das spürte ich auch als kleines Kind. Zum Beispiel waren in Landau alle Menschen, außer den Flüchtlingen, katholisch. Nur wir nicht, obwohl wir Bayern waren." Am Ende steht das äußerst unschöne Finale einer Ehe, das Schlagzeilen machte. Aber daß Uschi Glas sich von Wut und Schmerz nicht, so berechtigt das gewesen wäre, zur bloß zornigen Abrechnung mit dem Mann verleiten ließ, von dem sie sich ihre Ehe lang über Gebühr abhängig gemacht hatte, ist bemerkenswert. Ein einziges Mal nur das Wort "Stinkstiefel", das beweist ein gehöriges Maß Selbstbeherrschung.

Ohne je zu eifern, ficht Uschi Glas, als Mädchen, das arg- und ahnungslos zum Film drängt, und als Schauspielerin, die zu ihrer Art der Unterhaltung unbedingt steht, für ihre Linie: "Ich bin für mich verantwortlich, wenn ich es nicht mache, ist keiner da, der mir hilft." Und wenn sie das Sterben ihres Vaters beschreibt, der auch im Widerständigen als Bezugsperson zeitlebens wichtig blieb, stößt ihre Offenheit so zum Wesentlichen vor, daß darüber das gelegentliche Ausgleiten ins Unbedarfte gerne zu verzeihen ist.

Auch Mario Adorf übrigens wollte solchen Tod in seinem Buch nicht aussparen und widmete, am Ende aller Anekdoten, das letzte Kapitel dem Ableben seiner Mutter. Dem Verleger war das zu intim, zweifellos zum Schaden der unordentlichen Erinnerungen hat er dieses Kapitel entfernen lassen. Auch Verleger sind gegen Irrtum halt nicht gefeit.

HANS-DIETER SEIDEL

Mario Adorf: "Himmel und Erde". Unordentliche Erinnerungen. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004. 262 S., geb., 18,90 [Euro].

Uschi Glas (mit Renate von Matuschka): "Mit einem Lächeln". Mein Leben. Droemer Verlag, München 2004. 352 S., geb., 19,90 [Euro].

Manfred Krug: "Mein schönes Leben". Econ Verlag, München 2003. 452 S., geb., 24,- [Euro].

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