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Nach Kriegsende heuert die einstige Jungmädelführerin Erika Assmus in einem Raketeninstitut der Russen im Harz als Bibliothekarin an. Sie träumt vom kleinen beschaulichen Glück und lässt sich zur Lehrerin ausbilden. Doch dann taucht ein 'Mr. Becker' vom amerikanischen Geheimdienst auf, und ihr Leben nimmt einen ganz anderen Verlauf: 'Eka' tritt in die SED ein, damit ihre kranke Mutter medizinisch versorgt wird. 1950 wird sie auf die Parteihochschule geschickt. Sie lernt die kommunistischen Phrasen und Parolen, aber nicht den Glauben an die Partei. Eines Tages wird sie denunziert. Eka flieht…mehr

Produktbeschreibung
Nach Kriegsende heuert die einstige Jungmädelführerin Erika Assmus in einem Raketeninstitut der Russen im Harz als Bibliothekarin an. Sie träumt vom kleinen beschaulichen Glück und lässt sich zur Lehrerin ausbilden. Doch dann taucht ein 'Mr. Becker' vom amerikanischen Geheimdienst auf, und ihr Leben nimmt einen ganz anderen Verlauf: 'Eka' tritt in die SED ein, damit ihre kranke Mutter medizinisch versorgt wird. 1950 wird sie auf die Parteihochschule geschickt. Sie lernt die kommunistischen Phrasen und Parolen, aber nicht den Glauben an die Partei. Eines Tages wird sie denunziert. Eka flieht nach Westberlin, wird Assistentin am Institut für Politische Wissenschaft und beginnt unter dem Pseudonym Carola Stern zu schreiben. Doch mit dem Leben in der freien Welt kommt sie nicht zurecht. Aus einer tiefen Lebenskrise taucht sie mit der Erkenntnis auf, dass sie lernen muss, mit der Angst zu leben. Ihr 'drittes Leben ' beginnt...
Autorenporträt
Stern, CarolaCarola Stern lebte bis 1951 als Lehrerin in der DDR. In den fünfziger Jahren studierte sie an der Freien Universität und arbeitete als wissenschaftliche Assistentin am Institut für politische Wissenschaft in West-Berlin. 1960 bis 1970 Leiterin des Politischen Lektorats im Verlag Kiepenheuer & Witsch. Daneben journalistische Tätigkeit für Zeitungen und Rundfunkanstalten. 1970 bis 1985 Redakteurin und Kommentatorin in der Hauptabteilung Politik des Westdeutschen Rundfunks. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. 1970 Jacob-Kaiser-Preis, 1972 Carl-von-Ossietzky-Medaille für ihre Tätigkeit bei amnesty international, 1988 Wilhelm-Heinse-Medaille. Ab 1987 Vizepräsidentin, ab 1995 Ehrenpräsidentin des deutschen P.E.N.-Zentrums. Carola Stern starb 2006 in Berlin.Zahlreiche Buchveröffentlichungen, darunter eine Ulbricht-Biographie, ein Essayband über Menschenrechte und die Autobiographien «In den Netzen der Erinnerung» und «Doppelleben». Bei Rowohlt erschienen die Biographien über Do

rothea Schlegel, «Ich möchte mir Flügel wünschen» (1991), und über Rahel Varnhagen, «Der Text meines Herzens» (1994); bei Rowohlt Berlin «Isadora Duncan und Sergej Jessenin. Der Dichter und die Tänzerin» (1996), «Die Sache, die man Liebe nennt. Das Leben der Fritzi Massary» (1998) und «Männer lieben anders. Helene Weigel und Bertolt Brecht» (2000).Im Jahr 2004 wurde Thomas Schadts Film «Carola Stern - Doppelleben» ausgestrahlt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2001

Gemischtes Doppelleben
Carola Stern entkorkt ihre Erinnerungen / Von Regina Mönch

Die erste Zeit in Köln sei schwer gewesen, schreibt Carola Stern in ihrem zweiten autobiographischen Buch "Doppelleben". Im Februar 1960 zieht sie in die Domstadt, in der sie fast vierzig Jahre leben wird, meist glücklich, sehr beliebt, aber auch heftig angefeindet, immer erfolgreich und alsbald schon berühmt: die Publizistin Carola Stern, als Linke eine moralische Instanz, erste weibliche Kommentatorin des WDR, die politische Ereignisse nicht nur klug zu bewerten weiß, sondern auch mitten ins Herz ihrer großen Hörergemeinde zielt, wenn ihr das geboten scheint. Mitbegründerin von amnesty international in Deutschland, Mitherausgeberin einer politisch-literarischen Zeitschrift - eine kluge Frau, die den politischen Journalismus bis in die achtziger Jahre mitprägt.

1960 aber ist sie 34 Jahre alt, hat einen schweren Zusammenbruch kaum überstanden und steht wieder einmal an einem Anfang für ein neues Leben. Die Redakteursstelle beim SBZ-Archiv, dem heutigen Deutschland Archiv, ist ein Rettungsanker. Leicht findet sie in der kollegialen Atmosphäre ihr Selbstvertrauen wieder: "Danach ging es ziemlich schnell bergauf." Nicht einmal ein Jahr, nachdem Carola Stern sich in Köln ein karg möbliertes Zimmer gemietet hatte, arbeitet sie in einer feinen Vorortvilla als Lektorin für politische Bücher im Verlag Kiepenheuer & Witsch. Kurz darauf sitzt sie am gerade verwaisten Schreibtisch ihres Chefs. "Ich war entschlossen, von diesem Platz nicht mehr zu weichen . . ." Auch das gelang.

Carola Stern beschreibt sich als einen widersprüchlichen Menschen, der seine frühen Irrtümer bewältigt, indem er gegen sie mit unerhörter Willenskraft anlebt. Noch einmal nimmt sie ihre Leser mit in die Kindheit der Nazizeit, als Carola Stern noch Erika Assmus hieß und auf der Insel Usedom davon träumte, Tänzerin zu werden. Wer ihre 1985 erschienene Doppelbiographie "In den Netzen der Erinnerung" kennt, kennt auch Eka, die Jungmädelführerin aus Ahlbeck. Unbekannt ist dem Leser jene Erika Assmus, die man als Carola Stern fünf Jahrzehnte lang für eine kurzzeitig überzeugte Kommunistin hielt, die aber in Wirklichkeit eine ganz andere war. In "Doppelleben" bekennt Carola Stern, daß sie Kommunistin nur im Auftrag eines amerikanischen Geheimdienstes wurde. "Ich hatte die Erinnerung an diese Zeit versiegelt, und es ist mir schwergefallen, das Siegel wieder aufzubrechen." Warum sie es erst jetzt oder gerade jetzt tut, bleibt ein Rätsel. Vielleicht hat sie das Unbehagen gescheut, von dem nun ehemalige Journalistenkollegen sprechen, weil sich Spionieren im Zwielicht nicht mit dem Ethos dieses Berufes vertrage.

Doch als Erika Assmus den netten Herrn Becker vom US-Geheimdienst kennenlernt, war sie keine Journalistin, war nicht einmal daran zu denken, daß sie einst eine wird. Der verheerende Krieg war gerade erst vorüber, nach einer Odyssee durch das verwüstete Land strandet die junge Frau in Thüringen als Landarbeiterin, findet dort schließlich durch Zufall Arbeit in einem Raketenforschungsinstitut, das die Russen betreiben, aber sehr bald in die Sowjetunion auslagern. Wieder muß sie einen Neuanfang wagen, wird Lehrerin, nicht aus Überzeugung, sondern aus Gelegenheit.

Als sie Becker kennenlernt beziehungsweise er sie, ist die Mutter todkrank. Die medizinische Hilfe für ihre Mutter - und es muß betont werden, eine andere gab es nicht - ist die Gegenleistung, für die Erika Assmus in die SED eintritt und verspricht, dort Karriere zu machen, um den Amerikanern über Parteiinterna berichten zu können. Sie sei naiv gewesen und auch verwundert, schreibt Carola Stern, weil sich Herr Becker zuerst für das Raketeninstitut interessierte. Wieso erkundigte sich ein Amerikaner bei einer Deutschen danach, "was Ihre Alliierten treiben"?

Die Schilderung ihrer Zeit an der stalinistischen SED-Parteihochschule in Klein-Machnow, auf die entsandt zu werden der zielstrebigen Frau sehr schnell gelingt, ist eines der packendsten Kapitel dieses Buches. Es gestattet einen Blick in eine absurde Wirklichkeit, in der Geistfeindlichkeit, Gehorsam und Intoleranz herrschten. Wofür sie diese Tortur auf sich nahm - die Mutter war 1948 gestorben -, erschließt sich nicht. Allzu großartig können ihre Informationen für die Amerikaner nicht gewesen sein, auch wenn man darüber wenig erfährt.

Carola Stern bietet appellatorisch viele Erklärungen an: Geltungssucht, die Sehnsucht der früh Verwaisten nach einer Ersatzfamilie, ihre Orientierungslosigkeit nach dem Zusammenbruch aller Gewißheiten bei Kriegsende. Sie sei wichtig gewesen in Klein-Machnow, sagt sie. Als Vertraute der Amerikaner, die zur großen Welt da draußen gehörten, als Vertraute ihrer Mitstudenten, von denen durchaus nicht alle vernagelte Stalinisten waren. Und wichtig zu sein, das gesteht Carola Stern immerzu in diesem Lebensbericht, war neben vielen Träumen eine starke Triebkraft auf ihrem Weg vom willfährigen Objekt der Verhältnisse zur selbstbewußten Bürgerin, die sich einmischt und gestaltet.

Carola Sterns Ich-Suche durch ihr lange unbehaustes Doppelleben ist auch ein spannender journalistischer Exkurs durch fast sieben Jahrzehnte deutscher Geschichte. Sie hält sich dabei wenig an die Chronologie der Ereignisse, was das Verständnis oft erschwert, wenn man zum Vergleich nicht die Folie eigener Erinnerung darüberlegen kann. Häufig fällt sie aus dem streng berichtenden und kommentierenden Stil in einen fast sentimentalen, der sicher die Herzen vieler Leser erwärmt, aber mehr als einen Blick auf die private Oberfläche doch nicht gestattet. Wer sich in der Personage ihres Lebens nicht ohnehin auskennt, wird Mühe haben, alle ihre wichtigen Lebensgefährten, Begleiter, Kollegen, Politiker und Künstler einzuordnen. Immer wieder tauchen neue Menschen auf, manchmal haben sie nur einen Vornamen, andere wiederum werden abrupt eingeführt, und erst viele Seiten später erfährt man ungefähr, wer sie sind. Manchmal auch nie.

"Doppelleben" endet, wo es angefangen hat: auf der Insel Usedom, deren Wandel nach der Zeitenwende von 1989 Carola Stern anrührend und verständnisvoll beschreibt. Doch dann übermannte sie wohl noch einmal die Wichtigkeit. Und damit niemand mißversteht, was Erika Assmus und Carola Stern waren und sind, beschließt sie ihren Lebensbericht mit einem Abschnitt, der sich fast wie ein Nachruf in eigener Sache liest. Nicht, daß wir glauben sollen, sie hätte keine Pläne mehr. Aber im Frage-Antwort-Spiel der letzten Seiten wird dem Leser die Chance, sich selbst ein Urteil zu bilden, genommen. Sie sind das Resümee, die Richtschnur, an die wir uns zu halten haben, wollen wir Carola Stern verstehen.

Carola Stern: "Doppelleben". Eine Autobiographie. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001. 320 S., geb., 39,90 DM.

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Das ist die ungeheuer sympathische Erkenntnis dieses Buchs: Carola Stern konnte den eigenen Schwächen nicht entkommen - aber weil sie um sie wusste, hat sie versucht, etwas Anständiges daraus zu machen. Der Spiegel

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Jürgen Verdofsky folgt den Spuren der Carola Stern bis zu dem Moment, da jenes Doppelleben in der DDR beginnt, das dieser Autobiografie den Titel gab. Allerdings hält er die Offenbarung der US-Agentin Stern dann nicht für allzu spektakulär: "Um das eigentliche Doppelleben wird ein großer Bogen geschlagen". Dabei traut Verdofsky der Autorin durchaus zu, "aufdecken zu können, was auch westliche Geheimdienst-Maschinen in Menschen verwüsten", und hat es sogar schon von ihr gelesen, in dem vor 15 Jahren erschienenen Buch "In den Netzen der Erinnerung". Für diesmal aber bleibt dem Rezensenten nur der "unerbittliche Blick" Sterns auf die eigene Nazi- Jugend, die Krisen nach dem Neubeginn im Westen, sowie auf ihre facettenreiche Erfolgsgeschichte ebenda. Garniert mit einem Strauß von Anekdoten über "Gastmahle und Urlaube" mit Zeitgenossen und serviert in einem Plauderton, "der die Geschichte von dem Doppelleben einer unerkannten Agentin so unwirklich aus der Zeit hebt".

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