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In einer Hütte in Anatolien wartet 1924 der von einem tollwütigen Hund gebissene Nazim Hikmet die Inkubationszeit ab. Treten die im Lehrbuch beschriebenen Symptome auf? Zu den Ärzten will er nicht. Sie könnten ihn, den kommunistischen Aktivisten, verraten. In diesen vier Wochen erinnert sich der erst Zweiundzwanzigjährige an das, was er während seiner politischen Arbeit in Rußland und in der Türkei erlebt hat und besonders an die geliebte Anuschka. Da Hikmet Die Romantiker aber erst 1962, ein Jahr vor seinem Tod, zu Ende geschrieben hat, wird mit der Geschichte des jungen auch die des alten…mehr

Produktbeschreibung
In einer Hütte in Anatolien wartet 1924 der von einem tollwütigen Hund gebissene Nazim Hikmet die Inkubationszeit ab. Treten die im Lehrbuch beschriebenen Symptome auf? Zu den Ärzten will er nicht. Sie könnten ihn, den kommunistischen Aktivisten, verraten. In diesen vier Wochen erinnert sich der erst Zweiundzwanzigjährige an das, was er während seiner politischen Arbeit in Rußland und in der Türkei erlebt hat und besonders an die geliebte Anuschka.
Da Hikmet Die Romantiker aber erst 1962, ein Jahr vor seinem Tod, zu Ende geschrieben hat, wird mit der Geschichte des jungen auch die des alten Hikmet sichtbar, der weiterführt, ergänzt und korrigiert, was 1924 von seinem Leben zu erzählen war.
Was kompliziert klingt, gestaltet sich in der Lektüre sehr einfach, denn mit welcher Freiheit Nazim Hikmet (1902-1963) der größte türkische Dichter des 20. Jahrhunderts - über seinen Lebensstoff verfügt, wie lebendig und selbstironisch er mit der eigenen Figur umgeht, das verzaubert seineLeser von Anfang an.
Autorenporträt
Bichsel, Peter
Peter Bichsel wurde am 24. März 1935 in Luzern geboren und wuchs als Sohn eines Handwerkers ab 1941 in Olten auf. Am Lehrerseminar in Solothurn ließ er sich zum Primarlehrer ausbilden. 1956 heiratete er die Schauspielerin Therese Spörri (gest. 2005). Er ist Vater einer Tochter und eines Sohnes. Bis 1968 (und ein letztes Mal 1973) arbeitete er als Primarlehrer. 1964 wurde er mit seinen Kurzgeschichten in Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen auf einen Schlag bekannt; die Gruppe 47 nahm ihn begeistert auf und verlieh ihm 1965 ihren Literaturpreis. Zwischen 1974 und 1981 war er als persönlicher Berater für Bundesrat Willi Ritschard tätig, mit dem er befreundet war. Mit dem Schriftsteller Max Frisch war er bis zu dessen Tod 1991 eng befreundet. Er ist seit 1985 Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Bichsel lebt in Bellach bei Solothurn.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.06.2009

Der Speichel des Hundes
Erkundung der Angst: Nazim Hikmets nachgelassener Roman „Die Romantiker”
„Ich trank das Wasser in vollen Zügen. Als ich mich aufrichtete und gerade mit dem Rücken der rechten Hand über meine Lippen wischte, fühlte ich plötzlich in der Wade meines linken Beines einen jähen Schmerz, als hätte mich jemand mit einer Eisenstange geschlagen. Ich fuhr herum und blickte um mich. Da stand ein gelber Hund, bleckte die Zähne und grinste hämisch. Kann auch sein, daß er nicht grinste und es mir später nur eingebildet habe. Aus dem Mund des Hundes troff Speichel oder auch nicht, kann sein, daß ich mir auch das später nur eingebildet habe. Der gelbe Hund zog seinen Schwanz ein und trollte sich lautlos, ohne zu knurren, davon. So, als hätte er Angst gekommen, wie ich ihm in die Augen sah”.
Die Szene eines Hundebisses wird in dem nachgelassenen Roman „Die Romantiker” des türkischen Schriftstellers Nazim Hikmet (1902 – 1963) zum Movens der Ereignisse. Und obgleich sie in einfachste Worte gefasst ist, zeigt sie sich näherem Blick als vielschichtig: Ihr zentrales Motiv ist die Angst. Sie überfällt aus einer Richtung, die der Aufmerksamkeit gerade entzogen ist. Das, was Angst macht, wird spontan missdeutet: den Hundebiss fühlt der Gebissene als Schlag mit einer Eisenstange. Zugleich verzerrt die Angst die Erinnerung. Und schließlich spiegeln der Geängstigte und der Ängstigende sich ineinander: der streunende Hund bekommt selber Angst.
„Die Romantiker”, Hikmets große Studie über Angst und den Umgang mit ihr, ist ein autobiographischer Roman. Da der Dichter die illegalen Taten seiner Genossen in der türkischen Kommunistischen Partei nicht publik machen konnte und wollte, schuf er ein nahezu unentwirrbares Knäuel von Dichtung und Wahrheit. In dies fesselnde Gespinst von Tatsächlichem und Erfundenem webte er Kampf und Gefangenschaft in der Türkei ebenso wie seine ersten Jahre im Moskauer Exil. Dabei erhebt sich Hikmet weit über den üblichen Revolutionärskitsch des Genres.
Der Held dieses Romans ist ja sogleich kein Held, sondern der verängstigte Mann, der sich in Izmir versteckt hält und fürchtet, mit jedem neuen Tag könne die Tollwut an ihm ausbrechen. Und der Autor hat der naheliegenden Versuchung widerstanden, die gefürchtete Tollwut herabzusetzen zu einer Metapher des Kapitalismus oder Imperalismus. Dass einem bange wird um den eigenen Leib, ist wohl das primäre Thema dieser späten Prosa Hikmets, kein sekundäres allegorisches Bildchen.
Die nun in der Bibliothek Suhrkamp erschienene Übersetzung von Hikmets Roman kam zuerst 1984 im Hamburger Buntbuch Verlag heraus, sodann 1988 bei Luchterhand in Darmstadt. Seit der Luchterhand-Ausgabe schleppt sie ein recht ahnungsloses Nachwort Peter Bichsels hinter sich her. Über das Manuskript seines Werkes schrieb Hikmet: „Yasamak güzel sey be kardesim”, „Mensch, das Leben ist schön”. Mit kritischem Blick in Richtung Ostblock bemerkt Bichsel über den Titel „Die Romantiker”, der sich dann durchsetzte: „Ich habe den Verdacht, daß es etablierte Sozialisten waren, die sich für diesen Titel entschieden”. Doch man braucht nicht zu verdächtigen. Man kann solche Dinge wissen. Der surrealistische Romancier und Lyriker Louis Aragon, der sich seit 1949 gemeinsam mit Tristan Tzara, Albert Camus, Pablo Picasso und Yves Montand per Petition für Hikmets Freilassung aus der türkischen Haft eingesetzt hatte, regte 1964 den Titel „Les Romantiques” für die französische Übersetzung des Buches an; die Übersetzerin Münnever Andac, Hikmets frühere Lebensgefährtin, folgte der Anregung.
Suhrkamp setzte einmal seine Ehre darein, älteren Texten durch neue Nachworte eine scharfe Aktualisierung angedeihen zu lassen. Hikmets kühner Versuch über Zeit, Erfahrung und Erinnerung hätte einen solchen neuen Blick verdient. Der Verlag indessen war zufrieden mit Bichsels zwei Jahrzehnte alter Belanglosigkeit. ANDREAS DORSCHEL
NAZIM HIKMET: Die Romantiker. Aus dem Türkischen von Hanne Egghardt. Mit einem Nachwort von Peter Bichsel. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 267 Seiten, 16,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Als Jahrhundertbuch feiert Rezensent Stefan Weidner diesen späten autobiografischen Roman von Nazim Hikmet, der jetzt wieder aufgelegt worden ist. Nicht nur, dass er der Lyrik dieses Autors an Dichte in Nichts nachsteht. Er führt den Rezensenten auch ins dunkle Herz des 20. Jahrhunderts, erzählt von Folter, politischer Verfolgung und Hunger und erinnert den Rezensenten manchmal an Walter Benjamins "Moskauer Tagebuch". Weidner zufolge spielt der Roman an drei Orten, Zeiten und Lebensphasen. Der Erzähler sitzt in einem Moskauer Gefängnis, weshalb die Kapitelzählung identisch mit den Strichen ist, die er an die Zellenwände malt. Es ist das Moskau nach Lenins Tod. Aber auch in die von Atatürk in die Moderne geschleuderte Türkei gelange der Protagonist, der Weidner zufolge ein nur sparsam verdeckt operierendes Alter Ego des Dichters ist.

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