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Etwa drei Monate lang lebte Roger Willemsen in Bangkok, verließ sein Zimmer allabendlich um 18 Uhr und kehrte im Morgengrauen zurück. In den Nächten durchstreifte er mit dem in Bangkok lebenden Fotografen Ralf Tooten die Stadt: die Nachtclubs, Karaoke-Bars und Massage-Salons, die Kickbox-Studios, Nachtmärkte, Tempel und Baustellen. Er besuchte Wahrsager, Tätowierer und Aura-Fotografen, den Amulett-Markt, den Jahrmarkt der Gastarbeiter, das Straßenkino. Er aß bei den Insektenverkäufern, fand die geheimen Schlafplätze der Arbeitselefanten und campierte unter den Demonstranten. Er fand Zugang zu…mehr

Produktbeschreibung
Etwa drei Monate lang lebte Roger Willemsen in Bangkok, verließ sein Zimmer allabendlich um 18 Uhr und kehrte im Morgengrauen zurück. In den Nächten durchstreifte er mit dem in Bangkok lebenden Fotografen Ralf Tooten die Stadt: die Nachtclubs, Karaoke-Bars und Massage-Salons, die Kickbox-Studios, Nachtmärkte, Tempel und Baustellen. Er besuchte Wahrsager, Tätowierer und Aura-Fotografen, den Amulett-Markt, den Jahrmarkt der Gastarbeiter, das Straßenkino. Er aß bei den Insektenverkäufern, fand die geheimen Schlafplätze der Arbeitselefanten und campierte unter den Demonstranten. Er fand Zugang zu Nobel-Clubs, aber ebenso zu den Glücksspielern aus den Armen-Wohnblocks.
Autorenporträt
Roger Willemsen, geboren 1955 in Bonn, gestorben 2016 in Wentorf bei Hamburg, arbeitete zunächst als Dozent, Übersetzer und Korrespondent aus London, ab 1991 auch als Moderator, Regisseur und Produzent fürs Fernsehen. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Bayerischen Fernsehpreis und den Adolf-Grimme-Preis in Gold, den Rinke- und den Julius-Campe-Preis, den Prix Pantheon-Sonderpreis, den Deutschen Hörbuchpreis und die Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft. Willemsen war Honorarprofessor für Literaturwissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin, Schirmherr des Afghanischen Frauenvereins und stand mit zahlreichen Soloprogrammen auf der Bühne. Zuletzt erschienen im S. Fischer Verlag seine Bestseller »Der Knacks«, »Die Enden der Welt«, »Momentum«, »Das Hohe Haus« und »Wer wir waren«. Über Roger Willemsens umfangreiches Werk informiert der Band »Der leidenschaftliche Zeitgenosse«, herausgegeben von Insa Wilke. Willemsens künstlerischer Nachlass befindet sich im Archiv der Akademie der Künste, Berlin. Literaturpreise:Rinke-Preis 2009Julius-Campe-Preis 2011Prix Pantheon-Sonderpreis 2012
Rezensionen
Roger Willemsens »Bangkok noir« ist auch Jahre nach Erscheinen ein wunderbarer Begleiter durch die Stadt nachts. Stefan Nink Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20220807

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.09.2009

Reisebuch
Gewächse der Nacht
Roger Willemsen hat sich im Schatten Bangkoks umgesehen
In Bangkok besucht der Schriftsteller Roger Willemsen nur selten Orte wie die Sirocco-Bar. Dort treffen sich die Vermögenden und die Neureichen, bei ihnen findet Willemsen bloß weltläufig Stereotypes: So ist auch in diesem Upper-Class-Lokal die Sängerin schwarz und interpretiert Cole-
Porter-Nummern. „Eine Stadt wird wirklich durch Unordnung und Willkür. Das Unpraktische, Nichteffiziente, das Verschwenderische oder Übriggebliebene, alles, was ihren Rückzug aus der Arbeitswelt beschreibt, das charakterisiert sie”, schreibt Willemsen.
Ein Vierteljahr hat der Autor in der thailändischen Hauptstadt gelebt, ohne dafür seinen Biorhythmus umzustellen. In der Abenddämmerung also haben seine Tage begonnen, und bis in die Morgenstunden ist er gemeinsam mit dem Fotografen Ralf Tooten, der sich dauerhaft hier niedergelassen hat, durch die Stadt gezogen. Ihr gemeinsames Buch „Bangkok Noir” ist ein selten präzises, intimes, lebenssattes Porträt der Stadt – zumindest ihrer Nachtseiten.
„Die Dämmerung ist der Zustand, in dem man der Ausbreitung der Geheimnisse zusehen kann.” Von dieser Stunde an würden die Räume von Schatten definiert, selbst über die Hitze des Tages lege die Nacht Schatten – „und darin blühen sie alle”, die Bewohner und die Besucher. Es ist die Zeit, in der das Licht zerstäubt, man kann das sehr genau beobachten auf den Fotografien Ralf Tootens. Erst in der Kühle entsteht also die hitzige, sexuelle Aufgeladenheit Bangkoks. „Die einen sind Teil der Versprechen dieser Nacht, die Zweiten sind die, die sie suchen, die Dritten sind Gaffer, die Vierten Profiteure, die Nächsten Parasiten, Nutznießer, Mitschwimmer. Sie treiben als Plankton durch die Stadt, und alle ernähren sich voneinander.”
Immer wieder sind Willemsen und Tooten in den Bars und Clubs, bei den Tänzerinnen, den Animiermädchen, den Huren. Bangkok hat einen eindeutigen Ruf. „Dabei ist in vielen anderen Ländern der Pro-Kopf-Anteil der Bevölkerung an der Sex-Industrie weit höher, als es in Thailand der Fall ist.” Die beiden beobachten die Frauen, und sie beobachten die Männer, die ihre Gesellschaft suchen. Sie beschreiben, in Worten und in Bildern, die Müdigkeit, die Missverständnisse, die enttäuschten Hoffnungen auf beiden Seiten. Mal verharrt Willemsen an einem Ort, taucht in ihn ein. Dann wieder nimmt er im Vorbeigehen wahr und beschreibt den raschen Wechsel der Szenerien und Stimmungen. Ralf Tooten erzählt die gleichen Geschichten, nur aus einem anderen Blickwinkel und in einer anderen Reihenfolge. Die Frau und ihre Enkelin, von denen sich der Autor den Hafen hat zeigen lassen, man entdeckt sie weiter hinten in dem Buch auf einem der Fotos, erkennt sie wieder anhand der Beschreibung Willemsens. Mitunter entspricht der Text den Bildern, oft präzisieren sie einander, selten stehen sie im Widerspruch zueinander.
Immer wieder geht es um den Glauben der Thailänder, weil er den Umgang miteinander prägt und weil er drollige Auswüchse zeigt, wenn Busfahrer sich ihr Sichtfeld einschränken, indem sie die Windschutzscheibe mit Gebetsketten, Siegeln und Plastikgötzen zuhängen, -stellen und -kleben, um den besonderen Schutz der Gottheiten zu erlangen, die sie vor den Gefahren des Straßenverkehrs bewahren sollen. Wie übel es zugeht auf den Straßen Bangkoks, vor allem nachts, wird klar, als Willemsen und Tooten sich einem der Rettungskommandos anschließen. Diese haben keine
Lizenz, ihre Reviere stecken sie mit Mafiamethoden ab.
Kläglich sind auch die Lebensbedingungen für die rund 200 Elefanten auf Bangkoks Straßen. „Doch bringen diese Tiere ein Staunen vor dem Erhabenen in die urbane Welt.” Willemsen und Tooten machen sich auf die Suche nach den Schlafplätzen dieser Tiere und ihrer drogenkranken Treiber. Kein Ort in der Stadt ist schwieriger zu finden. Bus- und Taxifahrer haben sie gefragt, Schiffer und Polizisten: „Aber die meisten wissen nichts, die anderen wollen nichts wissen.” Dabei ist in dieser Stadt so vieles öffentlich, wohnen, essen, schlafen. „Die Stadt, die niemals schläft, ist eine Stadt, in der an allen Ecken und Enden immer und überall geschlafen wird.” STEFAN FISCHER
ROGER WILLEMSEN, RALF TOOTEN: Bangkok Noir. S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2009. 368 Seiten mit 263 Fotografien, 29,95 Euro.
Der Glaube treibt auch nach Sonnenuntergang seltsame Blüten: Busfahrer hängen Gebetsketten, Siegel und Plastikgötzen in ihr Sichtfeld – und hoffen so auf göttlichen Beistand für die Gefahren des Straßenverkehrs. Foto: Ralf Tooten
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