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Vorzeige-Politiker mit Charakter Heiner Geißler nannte ihn den »Weizsäcker der Kommunalpolitik«. Als Präsident des Städtetags und Integrationsfigur wirkte Manfred Rommel, der von 1974 bis 1996 als Stuttgarter Oberbürgermeister regierte, weit über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus. Sein radikaler Sparkurs stellte Stuttgarts Finanzen auf eine solide Basis für die Zukunft. Er setzte sich für Integration, Toleranz und Offenheit ein und initiierte damit eine beispielhafte Ausländerpolitik. Aber er polarisierte auch, etwa als er 1977 Baader, Ensslin und Raspe gegen vehemente Proteste aus der…mehr

Produktbeschreibung
Vorzeige-Politiker mit Charakter Heiner Geißler nannte ihn den »Weizsäcker der Kommunalpolitik«. Als Präsident des Städtetags und Integrationsfigur wirkte Manfred Rommel, der von 1974 bis 1996 als Stuttgarter Oberbürgermeister regierte, weit über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus. Sein radikaler Sparkurs stellte Stuttgarts Finanzen auf eine solide Basis für die Zukunft. Er setzte sich für Integration, Toleranz und Offenheit ein und initiierte damit eine beispielhafte Ausländerpolitik. Aber er polarisierte auch, etwa als er 1977 Baader, Ensslin und Raspe gegen vehemente Proteste aus der ganzen Bundesrepublik in einem Gemeinschaftsgrab bestatten ließ. Zeitlebens kämpfte er mit dem Image des berühmten Vaters, dem Berufssoldaten und späteren Generalfeldmarschall Erwin Rommel. In Baden-Württemberg ist Manfred Rommel wegen seiner unbestechlichen und liberalen Art so populär wie kaum ein Politiker sonst. Mit einem Vorwort von Christian Ude.
Autorenporträt
Josef Schunder studierte Politik. Er ist stellvertretender Leiter der Lokalredaktion bei den "Stuttgarter Nachrichten" und zuständig für die Berichterstattung der Kommunalpolitik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.01.2013

„Des Bürgermeisters
Pflicht und Not. . .“
Was sich politisch reimt oder: Was Manfred Rommel
und Winfried Kretschmann gemeinsam haben
VON ROMAN DEININGER
Wenn jemand mal mitzählen würde, welche großen Denker Winfried Kretschmann wie oft zitiert, dann hätte Erwin Teufel beste Chancen auf einen Spitzenplatz. Hinter Hannah Arendt, klar, aber mit Abstand vor Perikles. Das ist natürlich kein Zufall. Seit Teufel 2005 vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktrat, haben die Baden-Württemberger einen wie ihn vermisst: einen weisen und gütigen Landesvater, der dem Schwabenleben zwischen Wirtshaus und Weltmarktführer Richtung und Ruhe stiftet. In Kretschmann haben die Menschen ihren neuen Teufel gefunden.
  Es gibt aber noch einen anderen Vergleich des Grünen Kretschmann mit einem Schwarzen, der weit führt – zunächst einmal etwas weiter zurück, ins Jahr 1974, als Manfred Rommel, der einzige Sohn des Generalfeldmarschalls Erwin Rommel, zum Oberbürgermeister von Stuttgart gewählt wurde. Am Anfang war er für die Leute noch „dem Wüstenfuchs sein Kloiner“. Als Rommel 22 Jahre später das Rathaus verließ, hatte er das Ansehen des umstrittenen Vaters durch seine eigene überwältigende Beliebtheit bewahrt. Wer einen solchen Sohn hat, so hört man das in Baden-Württemberg, kann so schlecht nicht gewesen sein.
  Bis heute gilt Rommel, der mit 83 Jahren tapfer mit Parkinson ringt, als moralische Instanz, als Wächter des Liberalismus in einer Gegend, die dem Klischee nach eher auf Spießigkeit spezialisiert ist. Auch gegen diesen Vergleich würde sich Kretschmann wohl kaum ernsthaft wehren.
  Grüne der Gründerjahre berichten sogar, es sei die Courage Rommels gewesen, die die frühen Realos um Kretschmann in der Überzeugung bestärkte, dass so etwas wie gutes Regieren überhaupt möglich ist. 1977 war das, als Rommels vielleicht größte Stunde schlug und er zum bekanntesten OB in Deutschland wurde. In der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim hatten sich die RAF-Terroristen Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe das Leben genommen. Gegen wütende Proteste, auch aus seiner Partei, ließ Rommel ihre Leichen auf dem Stuttgarter Dornhaldenfriedhof bestatten. „Mit dem Tod“, sagte er, „muss die Feindschaft enden.“
  Kretschmann, 64, und Rommel entstammen unterschiedlichen Generationen und politischen Lagern, doch sie sind vom gleichen Schlag: aufgeklärte, schwäbisch erdverbundene Konservative, zu denen die Menschen im Südwesten damals wie heute eine Art Urvertrauen fassen konnten. „Dr Rommel werd’s scho macha“, pflegten die Stuttgarter zu sagen, und viele reden so jetzt auch über Kretschmann.
  Man kann diesen verwandten politischen Seelen nun in zwei Büchern nachspüren. In dem Gesprächsbuch „Reiner Wein“ schreiten die erfahrenen landespolitischen Korrespondenten Johanna Henkel-Waidhofer und Peter Henkel mit Kretschmann die wichtigsten Marksteine seines politischen Denkens ab, unterwegs begegnet man neben Arendt („Der Sinn von Politik ist Freiheit“) und Teufel auch Max Weber, Pussy Riot und Zachäus aus dem Lukas-Evangelium. Die Wanderung ist selten überraschend, aber immer interessant.
  Josef Schunder, Lokalredakteur der Stuttgarter Nachrichten , hat derweil eine Biografie Manfred Rommels vorgelegt, ein wohlwollendes, aber nie verklärendes Werk, das auch für Leser ohne Stuttgarter Hintergrund leicht zugänglich sein dürfte. Ein wenig handelt es sogar von zwei Rommels, denn der Vater ist für den Sohn zum Lebensthema geworden. Im Gegensatz dazu merkt man übrigens erst, wie wenig bisher über die prägenden Jugendjahre Kretschmanns bekannt ist, etwa seine Zeit im katholischen Klosterinternat. Wie schon in ihrem 2011 erschienenen Porträtband können die Henkels dieses Thema auch diesmal nur streifen.
  Wie ähnlich Kretschmann und Rommel einander sind: Das beginnt schon mit ihrer leisen, manchmal etwas langsamen Art, die Schunder im Falle des OBs als geradezu „fernöstlich“ beschreibt. Beide sind große Entschleuniger des politischen Alltags, und beide mussten ihre Zeitgenossen erst mal davon überzeugen, dass das eine Qualität ist und keine Schrulligkeit.
  Bei seinen ersten Wahlkampfauftritten 1974, schreibt Schunder, habe der junge, leicht lispelnde Finanzstaatssekretär Rommel vor allem die eigenen Leute „das Fürchten gelehrt“. Sie verordneten ihm erst mal eine schickere Brille. Ihrem neuen Fraktionschef Kretschmann legten ehedem selbst grüne Landtagskollegen nahe, doch mal ein zweites Sakko anzuschaffen oder gar ein drittes.
  Aber nicht nur in Modefragen haben Grüne und Schwarze einst mit ihren späteren Helden gehadert, und andersherum auch die Helden mit ihren Parteien. Die kultgleiche Verehrung, die Rommel heute in der CDU genießt, gab es nicht zu allen Zeiten. Seine Weltoffenheit war manchen schlicht nicht geheuer; in der CDU-Landtagsfraktion unterlag er 1978 mit 27 zu 42 Stimmen Lothar Späth im Duell um die Filbinger-Nachfolge als Ministerpräsident. Dem grünen Oberrealo Kretschmann wollten die Parteifundis noch vor der Landtagswahl 2011 unbedingt eine linke Frau als Ko-Spitzenkandidatin an die Seite stellen. Beinahe hätte Kretschmann hingeschmissen. Aber eben nur beinahe. Wie Rommel hat er es sich selten einfach gemacht. Fast schon legendär ist der grüne Parteitag, auf dem er sich gegen eine Resolution wandte, mit der seine Parteifreunde den CDU-Minister Gerhard Mayer-Vorfelder mal eben zum „Faschisten“ erklären wollten. Auch den Gegnern des Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 hat er ins Gesicht gesagt, dass er Pfiffe nicht für ein geeignetes Mittel der politischen Auseinandersetzung hält. Nicht mal für die Auseinandersetzung mit Stefan Mappus. Er hat selbst Pfiffe kassiert dafür.
  Rommel stellte sich gegen den Zorn der Mehrheit, als der Stuttgarter Theaterintendant Claus Peymann mal wieder vor dem Rauswurf stand, weil er den RAF-Terroristen in Stammheim eine Zahnbehandlung spendieren wollte. Peymann durfte bleiben. Als ein schwarzer Asylbewerber im Stadtteil Gaisburg zwei Polizisten ermordete, sprach der OB in die dumpfe Empörung hinein auf der Trauerfeier die Sätze: „Es hätte auch ein Weißer sein können, es hätte auch ein Schwabe sein können. Wir sollten unserer Trauer dadurch Würde geben, dass wir nicht generalisieren.“ Eine britische Zeitung nannte Rommel überschwänglich „Deutschlands letzten Demokraten“.
  Zur guten Sitte in der Demokratie gehört es für Kretschmann wie für Rommel, den Bürger ernst zu nehmen, ihm auch „unangenehme Wahrheiten“ zuzumuten (Rommel) und „reinen Wein einzuschenken“ (Kretschmann). „Wer jedermanns Liebling sein will, wird zu jedermanns Dackel“, sagte der OB, und einmal plakatierte er: „Geld drucken kann ich auch nicht.“ Zur Wahrheit gehört natürlich, dass Rommel politisch wenn schon kein Dackel, dann doch oft ein Hund war. Und selbst Kretschmann gesteht, dass es „ohne ein gewisses Maß an Taktik“ nicht gehe.
  Überhaupt gar nicht geht es für beide ohne ihren philosophischen Zettelkasten. Wobei Rommel sich mehr bei Hegel bediente und zum Schaudern anderer Christdemokraten auch mal bei Lenin. Wie früher Rommel sticht heute Kretschmann mit Nachdenklichkeit heraus, mit dem bei ihm manchmal verbissenen Bemühen, „nicht mit Phrasen zu langweilen“. Rommel hatte dabei den Vorteil des offensiveren Witzes: Im Vorwort zu Schunders Buch belobigt ihn der Münchner OB Christian Ude dafür, die „feindlichen Welten“ von Politik und Humor versöhnt zu haben, etwa mit dem Motto: „Des Bürgermeisters täglich Brot, ist und bleibt der Hundekot.“
  Am Ende seiner Amtszeit, das ruft Schunder in Erinnerung, wurden allerdings manche Stuttgarter der schönen, schlauen Sprüche überdrüssig. Rommels Mangel an Leidenschaft für Ökologie und Denkmalschutz konnte für sie kein noch so herrlicher Reim verdecken.
  Könnte das also auch Kretschmann passieren? Dass der Zauber verfliegt, dass die Leute irgendwann genug haben von Hannah Arendt und Perikles, dass der Landesvater mit seiner Weisheit nur noch nervt? Selbst wenn das so wäre: Das Beispiel Manfred Rommel zeigt, dass von einem großen politischen Leben nicht das Kleine bleibt.
Winfried Kretschmann: Reiner Wein. Politische Wahrheiten in Zeiten knapper Ressourcen. Im Gespräch mit Johanna Henkel-Waidhofer und Peter Henkel. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2012. 160 Seiten, 14,99 Euro.  
Josef Schunder: Manfred Rommel. Die Biografie. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2012. 308 Seiten, 24,95 Euro.
„Dr Rommel werd’s scho macha“,
sagten die Stuttgarter. So denken
viele jetzt auch über Kretschmann
„Wer jedermanns Liebling
sein will“, sagte Rommel,
„wird zu jedermanns Dackel“
Der Grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann besuchte als Kind ein Klosterinternat. Heute lässt er sich von dem CDU-Politiker Erwin Teufel ideell gern einschenken. Davon sucht er sich die reinsten Tropfen aus, dies nach dem ihm hier unterstellten Motto: In Kretschmanns Worten liegt der Geist des Seins. (aug)
ZEICHNUNG: ERNST KAHL
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»... ein nützliches Buch über einen sympathischen Politiker.« Das Historisch-Politische Buch