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Kann die Evolutionstheorie die menschliche Natur erklären? Kann sie uns etwas über uns und unseren Platz im Universum sagen? Wie wirkt sich die Evolutionstheorie auf unsere Begriffe von "Rasse" und "Gender" aus? Wie steht es heute, nach Darwin, um die Existenz Gottes? Fast 150 Jahre nach dem Erscheinen von Darwins Die Entstehung der Arten und ausgehend von der Frage nach den Folgen der Darwinschen Theorie für das Selbstverständnis des Menschen und insbesondere für das Verständnis der menschlichen Kultur, entfaltet der angesehene Wissenschaftstheoretiker John Dupre in Darwins Vermächtnis ein…mehr

Produktbeschreibung
Kann die Evolutionstheorie die menschliche Natur erklären? Kann sie uns etwas über uns und unseren Platz im Universum sagen? Wie wirkt sich die Evolutionstheorie auf unsere Begriffe von "Rasse" und "Gender" aus? Wie steht es heute, nach Darwin, um die Existenz Gottes?
Fast 150 Jahre nach dem Erscheinen von Darwins Die Entstehung der Arten und ausgehend von der Frage nach den Folgen der Darwinschen Theorie für das Selbstverständnis des Menschen und insbesondere für das Verständnis der menschlichen Kultur, entfaltet der angesehene Wissenschaftstheoretiker John Dupre in Darwins Vermächtnis ein Bild der Evolution aus philosophischer Sicht. In scharfsinniger und provokanter Verteidigung der Evolutionstheorie gegen ihre Liebhaber und Verächter weist er zum einen den hochfliegenden Anspruch insbesondere der evolutionären Psychologie zurück, die vielfältigen Aspekte der menschlichen Kultur, wie sie in Sprache und Moral, Sexualität und Kunst zum Ausdruck kommen, mit Hilfe der Evolution erklären zu können. Zum anderen wendet er sich gegen neuerdings wieder populäre Ansichten, wonach sich Evolution und religiöser Glaube miteinander versöhnen lassen. Auch wenn die Evolutionstheorie längst nicht in der Lage ist, alle Facetten des menschlichen Lebens zu erklären, ist sie doch der entscheidende Schritt hin zu einer vollständig naturalistischen Erklärung der Ursprünge des Menschen - zu einem Weltbild, in dem kein Platz mehr ist für einen göttlichen Schöpfer oder andere übernatürliche Kräfte. Das, so Dupre, ist Darwins Vermächtnis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.2005

Darwin bitte weiterdenken!
John Dupré setzt sich zwischen die Stühle von Biologie und Kultur

Zum menschlichen Selbstverständnis gehört offenbar auch eine Vorstellung davon, was den Menschen "eigentlich" ausmacht und wie unser Verhältnis zum Universum und zum Rest der Natur ist. Der Mensch als beseeltes Abbild Gottes oder als von egoistischen Genen gesteuerter Roboter mit der Illusion eines freien Willens - das sind zwei durchaus verschiedene Begriffe unseres Selbstverständnisses. Die Frage ist freilich, ob die Alternative so richtig gestellt ist. Der britische Wissenschaftsphilosoph John Dupré versucht, in beiden Sphären des Wissens die Grenzüberschreitungen kenntlich zu machen.

Im Hintergrund dieses Buches steht also die altehrwürdige Debatte zwischen Religion und Naturwissenschaften, die geschichtlich schon weitgehend entschärft schien, als in Amerika die sogenannten "Kreationisten" noch einmal eine wortwörtliche Auslegung des biblischen Schöpfungsberichts forderten und damit einen kulturkämpferischen Ton anschlugen, der seine Entsprechung in den reduktionistischen Erklärungen der Evolutionsbiologie findet. In all diesen Erklärungen wird eine "Einheit des Wissens" vorausgesetzt und mit einem abschließenden Vokabular über die "Natur des Menschen" befunden.

Die Schärfe der Debatte in den Vereinigten Staaten hat dazu geführt, daß prominente Biologen Versuche der Versöhnung unternommen haben. Der verstorbene Stephen Jay Gould etwa glaubte, eine friedliche Koexistenz von Religion und Naturwissenschaft sei möglich, wenn beide "Magisteria" sich nur den ihren Zielen und Methoden angemessenen Fragen widmeten; die Methodik der Naturwissenschaften verpflichte dazu, so viele Phänomene wie möglich mit natürlichen Mechanismen zu erklären. Dies erlaube der Biologie oder Physik aber nicht, über die Existenz oder Nichtexistenz allmächtiger übernatürlicher Wesen zu Gericht zu sitzen, da dies mit den Methoden der Wissenschaften prinzipiell nicht möglich sei. Eine so glatte Aufgabenteilung ist freilich, wie auch Dupré bemerkt, in der biopolitischen Arena nicht durchzuhalten. Hier kommt man im Konfliktfall gar nicht darum herum, wertmäßig informierte "Setzungen" nach der einen oder anderen Seite zu machen. Ein Empirismus, in dem sich scheinbar alles von selbst versteht, erweist sich ebenso als Mythos des Gegebenen wie eine Metaphysik, die jede Sachfrage bereits für beantwortet hält.

Trotz solcher auch von Dupré gesehenen Vorbehalte ist sein Unterfangen, die Evolutionsbiologie in ihre Schranken zu weisen, alles in allem doch eher enttäuschend. Seine Argumente gegen die Soziobiologie und Evolutionspsychologie haben mit den disziplinären Debatten und besonders mit den Entwicklungen in der Biologie nicht Schritt gehalten. Die Botschaft Duprés ist vor allem negativ, und außer der Dauermahnung, immer schön skeptisch zu sein und sich im übrigen auf die Erfahrung (!) zu verlassen, taucht kein wirklicher Versuch auf, den anthropologischen Herausforderungen innerhalb der Evolutionsbiologie Wege zu weisen. Sollten solche Wege aus Sicht des Autors ein für allemal verbaut sein? Die Biologie ist trotz der reduktionistischen Exzesse der Soziobiologie und Evolutionspsychologie nicht dazu verurteilt, vereinfachende Antworten auf komplexe biologische und kulturelle Erscheinungen zu geben. Die publikumswirksame Pop-Biologie eines Steven Pinker oder Richard Dawkins geben keineswegs einen disziplinären Konsens wider.

Die Evolutionsbiologie befindet sich vielmehr schon seit längerem in einem dynamischen Dialog mit Disziplinen wie der Entwicklungspsychologie oder der Anthropologie und nimmt nach Jahrzehnten endlich die Erkenntnisse der Entwicklungsbiologie auf. Derartige, von Dupré vernachlässigte Entwicklungen lassen die Konturen einer Anthropologie aufscheinen, die Gene von ihrer privilegierten Position verdrängt und anderen Prozessen als der blinden natürlichen Auslese mehr Platz einräumt.

So kritisiert Dupré mit Recht die für die Soziobiologie und Evolutionspsychologie grundlegende Annahme, Organismen seien Ansammlungen von Merkmalen, die unabhängig voneinander von der natürlichen Auslese gestaltet werden. Dagegen setzt er die Vorstellung, Organismen seien vereinheitlichte Ganzheiten. Die Wahrheit liegt aber wahrscheinlich irgendwo in der Mitte; die evolutionäre Entwicklungsbiologie lehrt, daß Organismen aus Funktionsgruppen von im Verlauf der Individualentwicklung eng miteinander gekoppelten Merkmalen bestehen. Solche Merkmalsgruppen können sich wahrscheinlich relativ unabhängig voneinander evolutiv entwickeln. Eine rigorose Definition von evolutiv unabhängigen Merkmalen ist vermutlich schwierig, aber keineswegs aussichtslos. Und die Verbindung von Primatenforschung und Entwicklungspsychologie, wie sie beispielhaft in den Arbeiten Michael Tomasellos geschieht, läßt hoffen, daß Kultur und Biologie nicht zwangsläufig als Gegensatzpaar betrachtet werden müssen. Tomasello hat als Direktor des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig dazu bereits ein paar bahnbrechende Studien veröffentlicht, zuletzt das Buch "Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens" (F.A.Z. vom 8. Oktober 2002).

Solche neuen Sichtweisen sind weitaus belangvoller für das Selbstbild des Menschen, als es die radikale Humansoziobiologie und die Evolutionspsychologie je waren. Der britische Empirismus Duprés ist nicht nur ein kostbares Mittel der Kritik, er kann leider auch den Blick auf neue Perspektiven versperren. Duprés Empirismus kritisiert zwar die Scheinevidenzen mancher "empirischer" Beweise, er klärt jedoch nicht gründlich genug die nichtempirischen Annahmen, die vorschreiben, was als Beobachtung oder was als mögliche Erklärung gelten darf. So ist die Kritik Duprés immer noch in der Dichotomie von "Biologie" und "Kultur" gefangen. In diesem Sinne werden hier hochaktuelle Fragestellungen mit den Mitteln von vorgestern debattiert. Das fällt nicht nur auf den Autor zurück, sondern auch auf den Verlag. Kann Suhrkamp es sich leisten, ein wissenschaftspolitisch so zentrales Feld mit alten Hüten zu besetzen?

THOMAS WEBER

John Dupré: "Darwins Vermächtnis". Die Bedeutung der Evolution für die Gegenwart des Menschen. Aus dem Englischen von Eva Gilmer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005. 145 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Evolutionstheorie ist eine wichtige Erklärung der Stellung des Menschen im Universum - allerdings von begrenzter Reichweite. Auf diesen Nenner bringt Cord Riechelmann die zentrale These von John Dupres "kongenial übersetzten" Essay "Darwins Vermächtnis". Für religiöse Erfahrungen sehe der dem Empirismus und Skeptizismus sowie der stilistischen Klarheit David Humes verpflichtete britische Philosoph in der Evolutionstheorie keinen Platz. Er wende sich insbesondere der Frage zu, was natürliche Auslese bedeute und wie sie vonstatten gehe. Dabei referiere er konkurrierende Theorien und schließe sie kurz. Die Evolution, erklärt uns Riechelmann, ist nach Dupre ein Prozess, der gleichzeitig auf mehreren Ebenen stattfinde, die der Gene und des Individuum sowie der Gruppe und der gesamten Spezies eingeschlossen. Riechelmanns Zustimmung hat Dupre, wenn er die zu simplen Erklärungen mancher Evolutionspsychologen kritisiert, die die Diskontinuitäten zwischen Mensch und Tier sowie zwischen Tier und Tier ignorieren. Als "explosiv" empfindet Riechelmann insbesondere die Kapitel zum biologischen und sozialen Geschlecht, in denen Dupre die Grenzen der biologischen Interpretation der Wirklichkeit aufzeigt.

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