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Max Webers berühmte Studie zur Protestantischen Ethik hat bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Ausgehend von der Frage, worin die Besonderheit der abendländischen Moderne besteht, beginnt Max Weber mit der Suche nach den Grundlagen und Voraussetzungen des modernen Kapitalismus. Er stößt auf eine spezifische, protestantische Ethik als eine der entscheidenden Wurzeln der typisch abendländischen Form des Wirtschaftens, die dem Kapitalismus eine ideelle Grundlage bot und am weitesten entgegenkam. In der vorliegenden vollständigen Ausgabe sind - neben den Originaltexten von 1920 - auch…mehr

Produktbeschreibung
Max Webers berühmte Studie zur Protestantischen Ethik hat bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Ausgehend von der Frage, worin die Besonderheit der abendländischen Moderne besteht, beginnt Max Weber mit der Suche nach den Grundlagen und Voraussetzungen des modernen Kapitalismus. Er stößt auf eine spezifische, protestantische Ethik als eine der entscheidenden Wurzeln der typisch abendländischen Form des Wirtschaftens, die dem Kapitalismus eine ideelle Grundlage bot und am weitesten entgegenkam. In der vorliegenden vollständigen Ausgabe sind - neben den Originaltexten von 1920 - auch Webers leidenschaftliche Reaktionen auf die Kritiker seiner Schrift nachzulesen. Es ist die erste vollständige Sammlung aller Schriften Max Webers zur Rolle des Protestantismus bei der Herausbildung des modernen Kapitalismus.
Autorenporträt
Dirk Kaesler ist seit 1995 Professor für Allgemeine Soziologie an der Philipps-Universität Marburg.

Max Weber (1864-1920), Volkswirtschaftler und Soziologe, schuf die methodologischen Grundlagen für eine historisch orientierte Kultur- und Sozialwissenschaft.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2004

Weber zwischen Theorie und Hautöl

Vor einhundert Jahren, im November 1904, erschien im "Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik" Max Webers Studie "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus". Die Wirkung, die ihre These ausübt, das moderne Wirtschaftsleben sei durch eine besondere Art religiöser Weltablehnung, Heilungewißheit und christlicher Askese angeschoben worden, ist nach wie vor groß. Sie gibt noch immer den Hintergrund dafür ab, die Modernitätsfähigkeit von Weltreligionen abzuschätzen. Und sie ist eines der wenigen umfassend ausgearbeiteten Beispiele für den versuchten Nachweis, wie überhaupt Ideen historische Schlüsselwirkung zu entfalten vermögen.

Einem solchen Text läßt sich auf verschiedene Weise die intellektuelle Ehre erweisen. Man kann versuchen, ihn so zu lesen, wie es seine Zeit getan haben mag. Also gerade nicht soziologisch und nicht als Klassiker, sondern mit ideengeschichtlichem Sinn für die theologischen, fachhistorischen, religions- und staatswissenschaftlichen Debatten um 1900, in denen der zivilisationsgeschichtliche Beitrag des Christentums kontrovers wurde. Das hieße, beispielsweise in der Art, in der es Wilhelm Hennis oder Hubert Treiber getan haben, den Stand der damaligen Erkenntnis und die polemischen Energien zu ermitteln, die Weber in kulturhistorische Form brachte. "Bismarck ölt sich mit dem Christentum ein wie ein Boxer vor dem Kampf", hatte damals Franz Overbeck sinngemäß notiert und damit die Paradoxie festgehalten, daß etwas ganz Weltablehnendes zum Schmiermittel von etwas ganz Weltmächtigem werden konnte. Eine Paradoxie, die Max Weber an dem untersuchte, was er für die eigentliche Schicksalsmacht hielt, den industriellen Kapitalismus.

Eine andere Möglichkeit, Weber zu ehren, besteht darin, ihn als Vorläufer gegenwärtiger Theoriebildung aufzufassen. Talcott Parsons, Wolfgang Schluchter und Stefan Breuer haben ihn so gelesen, indem sie ihm auf jeweils eigene Weise den Aufriß einer Evolutionsgeschichte des okzidentalen Rationalismus und einer Theorie der Modernisierung entnahmen. Und schließlich gibt es noch die Möglichkeit, Webers Studie am erreichten Wissen über ihren Gegenstand zu messen, ihr also nur die Probleme, aber nicht die Lösungen zu entnehmen.

Was man aber nicht tun sollte, wenn man Weber ehren will, ist das, was Dirk Kaesler getan hat. Sein sechzigseitiges Vorwort zur ersten vollständigen und um weitere einschlägige Texte Webers vermehrten Jubelausgabe der "Protestantischen Ethik" (Verlag C.H. Beck, München 2004, kt., 432 S., 17,90 [Euro]) lädt zu einem "Leseabenteuer" ein. "Lesen Sie voller Vorfreude und ohne Scheu", Webers Texte seien "spannend", und mehr noch: Kaesler bezeichnet sie nachgerade als eine Lebenshilfe. "Sie wären nicht die ersten", redet er die Leser von der Seite an, "die sich durch deren Lektüre selbst begegnen, die sich selbst und ihre Mitmenschen dadurch besser verstehen." Wodurch? Weber antworte auf die Frage, "wieso Sie ihrem Beruf. . .eine so große Bedeutung zumessen. Wieso Sie so viel Ihrer Freizeit, Ihres Soziallebens, Ihrer nichtberuflich bestimmten Neigungen opfern, nur Ihrer Arbeit wegen." Einem Proseminaristen würde man das anstreichen, ist doch ein zentraler Befund Webers der, daß die protestantische Ethik nur das Zustandekommen des Kapitalismus, aber gerade nicht die Motivlagen seiner gegenwärtigen Insassen zu erklären vermag. Kaesler ficht das nicht an. Denn für ihn enthalten Webers Thesen ohnehin keine Argumente, die sich auf die Wirklichkeit beziehen: "Zum Kernbestand der Großen Erzählungen der Menschheit zählend, kann diese These, die üblicherweise als ,Protestantismus-Kapitalismus-These' bezeichnet wird, empirisch nicht widerlegt werden."

Früher hätte man eine große Erzählung, die sich angeblich nicht widerlegen läßt - Weber grauste es gerade davor -, als "Ideologie" bezeichnet. Heute geht man zum Schwärmen über. Mit einem Schnalzen läßt sich der Herausgeber seine Lieblingssätze und "legendären Stellen" auf der Zunge zergehen, etwa den von den "Fachmenschen ohne Geist" und "Genußmenschen ohne Herz", von denen Weber fürchtete, sie könnten am Ende einer Kulturentwicklung stehen, in der das Erwerbsstreben seinen einstigen religiös-ethischen Sinn eingebüßt hat. "Solche und ähnliche Sätze warten auf diejenigen, die sich diesem Leseabenteuer aussetzen." Verzweifelte Zeitdiagnosen am Vorabend des Untergangs als Konfekt für Genußmenschen ohne historischen Takt.

Der Grund für beides, die hedonistische Haltung wie die Behauptung, empirisch lasse sich bei Großen Erzählungen ohnehin nichts ausrichten, findet sich in intellektuellem Müßiggang. Daß die schon tausendmal wiederhererzählten Klassiker noch ein tausenderstesmal hererzählt werden, ist eine Funktion geistiger Faulheit, die sich nicht an der Sache abmüht, weil ihr der Sound genügt. Wie käme man sonst beispielsweise auf die Idee, es sei ein "groteskes Mißverständnis", Weber im Sinne einer Evolutionstheorie der Gesellschaft zu lesen, weil er ja das Unglaubliche und Zufällige und Nichtrationale der Zivilisationsgeschichte betone. Ja, eben genau das, Herr Professor, machen Evolutionstheorien: den Zufall und das Nichtrationale in Rechnung stellen. Als Preis der Weberei tritt an solchen Stellen ein Fachmenschentum ohne Fachkenntnis hervor, weil das Fach eben nur der bewirtschaftete Held ist. So verschleudert man Tradition, anstatt ihr durch Prüfung Respekt zu zollen. Und woran wird sie verschleudert? Fast möchte man sagen: Hier hat sich jemand mit Weber eingeölt, wie ein Mannequin für die Show. Es ist nicht ohne Ironie, daß etwas ganz und gar Gelehrtes, Diszipliniertes und intellektuell Zugeschärftes zum Schmiermittel für entgegengesetzte Darbietungen werden kann.

JÜRGEN KAUBE

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zur hundertjährigen Wiederkehr der Erstpublikation von Max Webers Studie "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" im November 1904 liegt nun eine "Jubelausgabe" mit der ungekürzten Fassung des Textes nebst weiteren einschlägigen Schriften Webers vor, berichtet Rezensent Jürgen Kaube. Er skizziert zunächst unterschiedliche Möglichkeiten, Webers Texte zu lesen, um sich dann ganz auf die Einleitung des Herausgebers Dirk Kaesler zur vorliegenden Ausgabe einzuschießen. Die missfällt ihm nämlich gewaltig. Kaeslers Deutung von Webers Studie als "Leseabenteuer" mit Lebenshilfecharakter etwa würde man einem Proseminaristen anstreichen. Kaeslers Behauptung, Webers Thesen enthielten keine Argumente, die sich auf die Wirklichkeit beziehen, kann Kaube nicht nachvollziehen. Er hält Kaesler "intellektuellen Müßiggang" vor: "Dass die schon tausendmal wiederhererzählten Klassiker noch ein tausenderstesmal hererzählt werden, ist eine Funktion geistiger Faulheit, die sich nicht an der Sache abmüht, weil ihr der Sound genügt."

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