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Manfred Krug schreibt über seine Jugend - pointiert, amüsant, nachdenklich. Er selbst sagt dazu: "Alles aus der Zeit habe ich mir gemerkt, und was ich mir nicht genau gemerkt habe, das habe ich mir ungenau gemerkt."
Mein schönes Leben heißt das neue, lang erwartete Buch von Manfred Krug - ein Titel, der einfach klingt und Brechungen verspricht.
1937 in bescheidenen Verhältnissen und wirren Zeiten geboren, war "das schöne Leben" ein eiziges Hin und Her zwischen Henningsdorf und Duisburg, bis ihn der Vater nach der Scheidung der Eltern nach Leipzig holte. Da war er 13. Eine Kriegs- und
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Produktbeschreibung
Manfred Krug schreibt über seine Jugend - pointiert, amüsant, nachdenklich. Er selbst sagt dazu: "Alles aus der Zeit habe ich mir gemerkt, und was ich mir nicht genau gemerkt habe, das habe ich mir ungenau gemerkt."
Mein schönes Leben heißt das neue, lang erwartete Buch von Manfred Krug - ein Titel, der einfach klingt und Brechungen verspricht.

1937 in bescheidenen Verhältnissen und wirren Zeiten geboren, war "das schöne Leben" ein eiziges Hin und Her zwischen Henningsdorf und Duisburg, bis ihn der Vater nach der Scheidung der Eltern nach Leipzig holte. Da war er 13. Eine Kriegs- und Nachkriegskindheit, ein Aufwachsen zwischen West und Ost voller Abenteuerromantik und Tollkühnheit, die in dem Entschluss, nicht als Stahlwerker wie sein Vater zu bleiben, sondern Schauspieler zu werden, sein vorläufiges Ende in diesem Buch findet.

Wichtigster Halt in all den Jahren war Oma Lisa, "der einzige Mensch, der mich liebte", die Mutter seines Vaters, der aussah wie Rudolf Valentino und es mit der Treue nicht ernst nahm.
Was ihm in den wild bewegten Jahren bis zur Aufnahme an der Schauspielschule alles mit seinen Freunden und mit der Familie passierte, steht in diesem autobiographischen Geschichtenbuch, bestechend und einzigartig erzählt, voller Komik und liebenswürdiger, praller Gestalten bis hin zur Urmutter Johanna Krug, einer taubstummen Wäscherin aus Katowice.

Ihre Lebensgeschichte wird als Kontrapunkt und in einem anderen Sprachstil zwischen das "wirkliche Erleben" geschnitten. Ein Buch im Buch sozusagen, das, für sich genommen, schon eine Kostbarkeit ist.
Manfred Krug hat sich zum Ziel gesetzt, den Leser nie zu langweilen. Er will unterhalten. Das ist ihm auf eine Weise gelungen, die man einmalig nennen kann.

Autorenporträt
Manfred Krug, geb. 1937, ist einer der bekanntesten Schauspieler Deutschlands. Als Zwölfjähriger Umsiedlung nach Leipzig. Ab 1956 Fernsehrollen, zahlreiche Nationalpreise der DDR. 1976, mit der Unterzeichnung der Protesterklärung gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns, endete Krugs Karriere in der DDR, 1977 Übersiedlung nach West-Berlin. Ab 1978 große Fernseherfolge mit "Auf Achse", "Sesamstraße", "Tatort" und "Liebling Kreuzberg". 1988 Grimme-Preis für "Liebling Kreuzberg". Zahlreiche CD- und Buchveröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.07.2004

Das Leben, ein Schauspiel
Mario Adorf, Uschi Glas und Manfred Krug erinnern sich

Der Seufzer, gleich im Prolog von Mario Adorfs jüngstem Buch, kommt aus tiefstem Herzen: Wie leicht haben es doch die Franzosen, weil sie zwischen se rappeler, dem gezielten Eintauchen in den Gedächtnisspeicher, und se souvenir, dem plötzlichen Auftauchen von vermeintlich Vergessenem, zu unterscheiden wissen. Für Adorf, den es aus einem kleinen Eifelstädtchen hinaus in die weite Filmwelt von Italien und Sibirien, Hollywood und Mexiko trieb, gibt es nur Bruchstücke des Erinnerns, unbehauen und unbezeichnet. "Unordentliche Erinnerungen" beschwört deshalb sein Buch "Himmel und Erde" im Untertitel, weil der Autor ihnen das Nebensächliche, Zufällige und auch Lückenhafte bewußt erhalten wollte, weil sie eben nicht den wesentlichen Daten und Linien seines Lebens folgen sollen.

Die Neugier ist auf der Stelle geweckt. "In der Eifel und im rheinischen Raum", erklärt Adorf den Buchtitel, "war ,Himmel und Äd' ein einfacher Eintopf der eher mageren Jahre, aus Äpfeln und Kartoffeln zusammengekocht. Die Äpfel wachsen auf den Bäumen, daher: Himmel, die Kartoffeln im Ackerboden, darum: Erde. Und so gemischt wie ,Himmel und Äd' stellen sich meine Erinnerungen ein ..."

Solange Mario Adorf aus den Kinderjahren erzählt, vom unehelichen Buben zwischen katholischen Nonnen im Waisenhaus, in das ihn die Mutter zu stecken sich genötigt sah, und den Verführungen der Hitlerjugend, vom illegalen Schweineschlachten in den Kriegsnächten oder von der ersten unheimlichen Begegnung mit der amerikanischen Besatzungsmacht, ist seine Prosa rühmenswert dicht und stets gewitzt, ohne auf Pointen zu lauern. Die Ambivalenz eines solchen Aufwachsens voller Verwirrungen schwingt ununterbrochen mit, wenn Adorf von Mario erzählt: "Auf der einen Seite der stramme Hitlerjunge, auf der anderen der Zweifler, der Hitler nicht liebte, wie man es von ihm verlangte, der begeistert Nazilieder sang und doch heimlich mit der Decke über dem Kopf Radio London hörte - und das ohne Gewissensbisse."

Der neunjährige Ministrant glaubt an Gott, aber die Existenz eines gütigen Gottvaters oder später die jungfräuliche Empfängnis Marias leugnet er entschieden. Und wenn Adorf vom Hiobschicksal der Familie Engels aus dem Eifeldorf Reudelsterz berichtet, wo im Laufe des Krieges Jahr um Jahr der Vater, sein unverheirateter Bruder und alle fünf Kinder ums Leben kommen und am Ende nur die Mutter zurückbleibt, "Niobe ohne Tränen", dann findet der sich Erinnernde einen Ton der Anteilnahme, der eindringlich ist, ohne sich mit dramatischer Rührung aufzudrängen.

Die ersten achtzig Seiten von Adorfs "Himmel und Erde" sind schlicht großartig. Doch es folgen noch weitere hundertachtzig, und es vollzieht sich ein unerklärlicher Bruch. Unversehens ist aus dem heranwachsenden Mario der Schauspieler Adorf geworden, der zwinkernd Blicke hinter die Kulissen seiner Profession wirft, als gälte es, einen Preis für die pfiffigste Theater- oder Filmanekdote zu gewinnen. Gewiß werden die Hunderte von Fährnissen bei Dreharbeiten und Bühnenauftritten nie ohne das notwendige Quentchen Selbstironie beobachtet, gewiß läßt das spöttische Paradieren sich wunderlich aufführender Kollegen den Respekt des gewissen "Dennoch" nie missen, aber wo Adorfs Sprache zuvor punktgenau war, wird sie nun plaudrig. Das ermüdet doch zusehends.

Eitel aber wenigstens gibt sich dieser Schauspieler als Autor nie. Das bleibt einem anderen aus der Zunft der populären deutschen Mimen vorbehalten, Manfred Krug, dessen Erinnerungsband "Mein schönes Leben" schon eine Weile länger auf dem Memoirenmarkt ist als der Adorfs. Der knurrige Kauz und Kraftbolzen, den Krug in seinen Rollen mit Vorliebe vorstellt, wird auch in seinem Erzählton unmittelbar präsent, wobei der literarische Ehrgeiz des Schreibenden dem Leser zu Anfang einiges an Beherrschung abverlangt. Krug, ganz dem se rappeler verpflichtet, sucht nämlich die Zeit, von der er berichtet, jeweils aus der Perspektive des Alters zu fixieren, in dem er in den entsprechenden Jahren war, und das führt in den ersten Kapiteln zu einer nur schwer erträglichen Mischung gesuchter Naivität mit altkluger Pointensucht.

Gleichwohl ist die Fülle von Beobachtungen, die Krug jeweils zum kleinen Exempel verdichtet, durchaus respektheischend. Die Kinderzeit, die "ein einziges Sich-auf-und-davon-Machen" gewesen ist, die häusliche Not rund um den Krieg, die Trümmerlandschaft als Abenteuerspielplatz, Schwarzhandel und der aufhaltsame Aufbauwillen in den östlichen Regionen werden evoziert, als sausten ungezählte Bilder durch den Projektor, die kaum je schärfer gestellt werden müssen. Und wenn Krug, den es seine jungen Jahre lang im Dreieck Berlin-Duisburg-Leipzig umherbeutelt, sich nicht selber auf die Schulter schlägt, dann singt er, ganz unironisch auf einmal, das Loblied der Mütter und Großmütter, der Herzlichkeit und Treue.

Wieviel er literarisch tatsächlich vermag, verraten die kontinuierlichen Zwischenschübe, im Buch größer gedruckt und in einer Tonlage frei von jeglicher Anspielung gehalten, in denen Krug seiner Urgroßmutter ein Denkmal der Bewunderung setzt für ihren aufrechten Gang in ärmlichsten Verhältnissen. Da werden private Umstände, nicht nur der anderen Art, zu einem exemplarischen Lebenslauf komprimiert. Aus dem stolzen Manfred, der eigentlich fürs Stahlwerk bestimmt war, ist unterdessen ein Schauspieler geworden, doch das Licht des Projektors erlischt. "Und so weiter" - so wird der Leser lakonisch im letzten Satz beschieden.

Verglichen mit den beiden Kollegen, gibt sich Uschi Glas, die dritte im jüngsten Memoirenbunde, wesentlich bescheidener und in der Sprache schlichter, obwohl ihr Erinnerungsband "Mit einem Lächeln" die schreiberfahrene Koautorin Renate von Matuschka ausdrücklich nennt. Aber wenn es um Aufrichtigkeit, das unverstellte So-bin-ich-und-nicht-anders geht, ist sie den Herren auf Anhieb überlegen. Ihre Naivität erscheint nicht als kunstvoll erzwungen, sondern wie ihre erste Natur; die Einblicke in Filmgeschäft und Startum liefern dem Leser Erkenntnisse zuhauf, ohne daß anekdotischer Lust Tribut gezollt werden müßte.

Streng chronologisch fächert Uschi Glas ihr Leben auf. Am Anfang stehen Spott auf das "Negerlein", der dunklen Hautfarbe des Kindes wegen, und typischer Argwohn gegenüber Fremden: "Wir waren alle Außenseiter, die ganze Familie, denn meine Eltern waren keine Einheimischen aus Landau, sondern mein Vater war aus Franken und meine Mutter aus Schwaben zugezogen. Meine Eltern sahen zwar nicht anders aus, aber daß sie nicht so recht in den kleinen niederbayerischen Ort gehörten, das spürte ich auch als kleines Kind. Zum Beispiel waren in Landau alle Menschen, außer den Flüchtlingen, katholisch. Nur wir nicht, obwohl wir Bayern waren." Am Ende steht das äußerst unschöne Finale einer Ehe, das Schlagzeilen machte. Aber daß Uschi Glas sich von Wut und Schmerz nicht, so berechtigt das gewesen wäre, zur bloß zornigen Abrechnung mit dem Mann verleiten ließ, von dem sie sich ihre Ehe lang über Gebühr abhängig gemacht hatte, ist bemerkenswert. Ein einziges Mal nur das Wort "Stinkstiefel", das beweist ein gehöriges Maß Selbstbeherrschung.

Ohne je zu eifern, ficht Uschi Glas, als Mädchen, das arg- und ahnungslos zum Film drängt, und als Schauspielerin, die zu ihrer Art der Unterhaltung unbedingt steht, für ihre Linie: "Ich bin für mich verantwortlich, wenn ich es nicht mache, ist keiner da, der mir hilft." Und wenn sie das Sterben ihres Vaters beschreibt, der auch im Widerständigen als Bezugsperson zeitlebens wichtig blieb, stößt ihre Offenheit so zum Wesentlichen vor, daß darüber das gelegentliche Ausgleiten ins Unbedarfte gerne zu verzeihen ist.

Auch Mario Adorf übrigens wollte solchen Tod in seinem Buch nicht aussparen und widmete, am Ende aller Anekdoten, das letzte Kapitel dem Ableben seiner Mutter. Dem Verleger war das zu intim, zweifellos zum Schaden der unordentlichen Erinnerungen hat er dieses Kapitel entfernen lassen. Auch Verleger sind gegen Irrtum halt nicht gefeit.

HANS-DIETER SEIDEL

Mario Adorf: "Himmel und Erde". Unordentliche Erinnerungen. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004. 262 S., geb., 18,90 [Euro].

Uschi Glas (mit Renate von Matuschka): "Mit einem Lächeln". Mein Leben. Droemer Verlag, München 2004. 352 S., geb., 19,90 [Euro].

Manfred Krug: "Mein schönes Leben". Econ Verlag, München 2003. 452 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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literaturtest.de
Liebeserklärung an Oma Lisa
Spielen ist sein Leben, über seinen Gesang lässt sich streiten, und schreiben kann er. Das jüngste 450-Seiten-Werk des Schauspielers Manfred Krug ist vor allem eine Liebeserklärung an die Großmutter, an "Oma Lisa, die schönste und zärtlichste Frau meines Lebens". Es ist die Erinnerung an eine spannende, harte, aber auch heitere Kindheit trotz Krieg, den Wirren danach und Familien-Zoff.
Hamsterfahrten
Krug schreibt geordnet, sortiert, diszipliniert. Die ersten 17 Lebensjahre sind eingebunden in Familiengeschichte, Erlebnisse zwischen Duisburg (West) und Brandenburg (Ost), die große Politik und die kleine Welt des Manfred K. Er schildert die Hamsterfahrten auf der Suche nach Essbarem ebenso anschaulich wie das bewegte Liebesleben seines Vaters, der bei Manfreds Geburt die beste Freundin der Mutter beglückt. Allein die Oma bleibt der ruhende Pol in einem prallen Leben - gut beobachtet, anschaulich und pointiert beschrieben.
Weg vom Stahlwerk
Krug will, zum Ärger des Vaters, der zugleich einer der Chefs im Stahlwerk ist, nicht Stahlkocher in Brandenburg bleiben, sondern Schauspieler werden. Bevor er sich auf den langen Weg macht, der mit der Bewerbung an der Schauspielschule beginnt, lässt er sich von einem Fotografen porträtieren. „Zu welchem Zweck?“ fragt der Meister. "Ich werde Schauspieler." "Wollen Sie den Romeo spielen?" "Bestimmt nicht", antwortet Krug. "Wen sonst?" "Mich". Was ihm in den folgenden 40 Jahren auch geglückt ist.
(Mathias Voigt)

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.06.2004

Einmal ein einzelner Mensch sein
Manfred Krug erzählt sein schönes Leben mit Duisburger, Leipziger und Berliner Humor
Wer nicht ständig viele Stunden auf der Autobahn zubringen muss, wird nur selten eines der langen Hörbücher bis zum Schluss anhören. Dieses aber unbedingt, denn es ist richtig, richtig gut. Manfred Krug und Ursula Karusseit haben es gemacht. Darin erzählt Krug seine eigene Kindheit in Duisburg, Osnabrück, Henningsdorf, Brandenburg, Berlin, und seine Jugend in der DDR, als Stahlschmelzer und wie er an die Schauspielschule kam. Und Karusseit erzählt das Leben von Krugs Urgroßmutter.
Der Text ist sowohl interessant als auch spannend. Man will immer wissen, wie es weitergeht. Manfred Krug, 1937 geboren, ist soviel hin- und hergezogen und hatte so viele Erziehungspersonen, die sich abwechselnd um ihn kümmerten, dass der Bericht von seinen ersten siebzehn Jahren in die Hörbuchkategorie „schwere Kindheit” gehörte, wenn er nicht so lustig davon erzählen würde. Und wenn nicht doch durch all die Wirren von Krieg und Trennung der Eltern und Zerrissenheit der Familie in Ost und West die nicht immer gleichmäßige, aber beständige Fürsorge seiner Angehörigen sein Leben in Bahnen gelenkt hätte. Die sichersten Bahnen erreichte Krug in der sowjetischen Besatzungszone. Woher kommt eigentlich der trockene Witz, mit dem der junge Krug den Sozialismus auf Abstand zu sich hält? Es muss eine Mischung aus dem Duisburger, dem Leipziger und dem Berliner Humor sein, denn alle drei Landessprachen spricht schon der Knabe fließend wegen der ständigem Umzüge zwischen Mutter, Vater und Großmutter.
Anfangs, als Krug aus seinen Kleinkinderjahren erzählt, singt er manchmal ein Liedchen oder gibt einen Vers wie diesen: „Es geht alles vorüber, / es geht alles vorbei. / Im April stirbt der Führer / und im Mai die Partei.” Ebenso flapsig wird mit der DDR umgegangen. Krugs Vater steigt zwar zum führenden Stahlwerker mit Dienstwagen auf, kann sich die Partei aber vom Leibe halten. Manfred muss weder zu den Jungpionieren noch zur Freien Deutschen Jugend. Das sind Massenorganisationen, sagt er. Aber Manfred möchte lieber ein einzelner Mensch sein. Ihm missfällt schon der sozialistische Gruß der Jungpioniere: „Seid bereit! Imperativ Plural. Es lohnt sich nicht, einen einzelnen Jungpionier zu grüßen. Die anderen müssen antworten: Immer bereit! Manche halten die Hand mit gespreizten Fingern über den Kopf, so dass sie aussehen wie Hühner.”
Von Stalin mit den dunklen Augen und den ruhigen Gesten fühlt sich der junge Krug an Jesus mit Schnauzbart und Pfeife erinnert. Der Jugendliche mag Stalin, interessiert sich aber sonst nicht für Politik. Für einen spürbaren Vorzug des Sozialismus hält er, dass die Lehrer im Osten nicht prügeln dürfen. Die Langeweile ist ein Nachteil. Hörbar genüsslich zitiert der Krug von heute Ruhmgedichte auf Stalin von Stephan Hermlin und Erich Weinert.
Oft ist diese Lesung rührend, nämlich wenn von den vielen Trennungen die Rede ist, von der Mutter, vom jüngeren Bruder, von der mehr als alle anderen geliebten Großmutter. Von der Mutter dieser Großmutter handelt der Part, den Ursula Karusseit spricht. Die Geschichte von Johanna Krug wird immer mal in die des Kindes Manfred eingeschoben, und mit der Zeit nähern sich einander zwei Enden eines Kreises, nämlich das Ende der Urgroßmuttergeschichte mit dem Beginn der eigenen von Manfred. Das gibt dem Ganzen eine höhere Dimension. Man sieht ganz deutlich, wie langsam sich eine Familie sozial entwickelt und wie stark Armut an den Generationen klebt, bis mal jemand sich herausarbeitet.
Der Witz und das Rührende fallen oft zusammen, so dass der Hörer mit tränenfeuchten Augen in Gelächter ausbrechen muss. Manfred Krug klingt noch heute wie ein frecher und gutherziger Jüngling, vielleicht sogar jünglingshafter als damals.
Die ebenso großartig lesende Ursula Karusseit hat eine heisere Stimme. In ihrem Part wird die Einfachheit blanker dargeboten, nicht durch die Verschmitztheit der Krugschen Stimme verziert. Das passt wie angegossen, denn die gehörlose Frau hatte größere Existenzsorgen als ihre Enkel. Humor hatte Johanna Krug auch, aber den Witz ihrer Enkel und Urenkel konnte sie sich einfach nicht leisten.
MARTIN Z. SCHRÖDER
MANFRED KRUG: Mein schönes Leben. Gesprochen vom Autor und Ursula Karusseit. Der Hörverlag, München 2004. 8 CD, 518 Minuten, 39,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Manfred Krug gibt sich literarisch ambitioniert, staunt Hans-Dieter Seidel und kann dem Schauspieler trotz gewisser Eitelkeiten nicht seinen Respekt versagen. Der literarische Ehrgeiz des Verfassers macht die Lektüre anfangs etwas anstrengend, gesteht Seidel ein. Denn Krug habe es sich zum Ziel gesetzt, erzählerisch jeweils die entsprechende Altersklasse zu fixieren, von der er berichte. So sei gerade zu Anfang der Ton bewusst naiv und in der Mischung mit Krugs Pointensucht schwer erträglich, findet Seidel. Zugleich stelle sich Krug aber als kluger und aufmerksamer Beobachter heraus, der kleine Szenen oder Details gekonnt verdichten kann, hält der Rezensent lobend dagegen. Was der Autor tatsächlich literarisch vermag, sieht er in den dazwischen geschobenen Passagen bestätigt, in denen Krug - "frei von jeglicher Anspielung" - vom Leben seiner Urgroßmutter in armseligsten Verhältnissen berichtet und "ihren aufrechten Gang" zu einem exemplarischen Lebenslauf verarbeitet, der Seidel schlicht Bewunderung abverlangt. Da sei es nur konsequent, dass Krug seine Autobiografie in dem Moment abbreche, wo er eine gewisse Berühmtheit erlangt habe.

© Perlentaucher Medien GmbH