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In diesem Buch geht Umberto Eco der Frage nach, aufgrund welcher Kriterien wir die Dinge, die wir sehen, unterscheiden. Wovon genau hängt unsere Wahrnehmung der alltäglichen Dinge und Gegenstände ab? Dieses philosophische Problem beschäftigte die Wissenschaft bereits zu Platons Zeiten - und auch Kant konnte diese Frage nicht beantworten. Zwanzig Jahre nach den großen Studien zur Semiotik versucht Eco, die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Forschungen zusammenzufassen. Er macht schwierige Probleme begreifbar und anschaulich.

Produktbeschreibung
In diesem Buch geht Umberto Eco der Frage nach, aufgrund welcher Kriterien wir die Dinge, die wir sehen, unterscheiden. Wovon genau hängt unsere Wahrnehmung der alltäglichen Dinge und Gegenstände ab? Dieses philosophische Problem beschäftigte die Wissenschaft bereits zu Platons Zeiten - und auch Kant konnte diese Frage nicht beantworten. Zwanzig Jahre nach den großen Studien zur Semiotik versucht Eco, die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Forschungen zusammenzufassen. Er macht schwierige Probleme begreifbar und anschaulich.
Autorenporträt
Eco, Umberto
Umberto Eco wurde am 5. Januar 1932 in Alessandria (Piemont) geboren und starb am 19. Februar 2016 in Mailand. Er zählte zu den bedeutendsten Schriftstellern und Wissenschaftlern der Gegenwart. Sein Werk erscheint im Hanser Verlag, zuletzt u.a. Die Fabrikation des Feindes und andere Gelegenheitsschriften (2014), Nullnummer (Roman, 2015), Pape Satàn. Chroniken einer flüssigen Gesellschaft oder Die Kunst, die Welt zu verstehen (2017) und Auf den Schultern von Riesen. Das Schöne, die Lüge und das Geheimnis (2019).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.03.2000

Im Schlammgebiet
Die Semiose kennt kein Ende – Eco und das Schnabeltier
Von Albert von Schirnding
Nein, das Schnabeltier ist keine Erfindung des von Erfindungsreichtum strotzenden Romanautors Umberto Eco – Leute, die der Zoologie unkundig sind, müssen nur einen Blick ins Lexikon werfen, um aus ihrem dogmatischen Schlummer geweckt zu werden: „Eierlegendes Säugetier (Kloakentier) mit Grabkrallen u. Schwimmhäuten; in Australien u. Tasmanien. ” Das Schnabeltier ist so wirklich wie der im Namen der Rose immer wieder zitierte Roger Bacon, der „Doctor mirabilis” des 13. Jahrhunderts, oder der bei der Entdeckung des so schwer rubrizierbaren – und deshalb zum Titeltier erhobenen – Schnabeltiers (1798) schon nicht mehr auf seiner geistigen Höhe weilende, nicht lange danach (1804) verstorbene Immanuel Kant.
Der Unterschied ist nur, dass wir mit den Eigennamen einmalige Individuen meinen, während wir bei der Benennung des einzelnen Schnabeltiers auf den Allgemeinbegriff angewiesen sind; das Mittelalter sah darin eine Folge der „penuria nominum”, eines Mangels an sprachlichen Zeichen. Zum Ausgleich ist von Kant und Bacon nur noch der Name übrig, während das Schnabeltier noch nicht ausgestorben ist – so wenig wie die Rose. Freilich, auch sie werden einmal vergangen sein, womit wir beim lateinischen Schlusssatz des immer noch berühmtesten Buches von Eco sind, dem der Roman seinen Titel verdankt: „Stat rosa pristina nomine, nomina nuda tenemus” – „Die Rose von ehemals existiert nur noch in ihrem Namen, nackte Namen sind alles, was uns bleibt. ”
Bacon war Empirist wie sein um ein dreiviertel Jahrhundert jüngerer Mönchsbruder Occam. In dieser Eigenschaft sind beide in den mittelalterlichen Universalistenstreit verstrickt, der sich darum drehte, ob den Allgemeinbegriffen eine eigene, den Einzeldingen voraus liegende Wirklichkeit entspreche oder ob es sich nur um nachträgliche, schall- und rauchartige Gespinste des menschlichen Verstandes handle. Da heute niemand mehr an die in einem platonischen Ideenhimmel wohnhafte Essenz eines Schnabeltiers oder einer Rose glaubt, hat sich der Nominalismus eines William von Baskerville, des (fiktiven) Erzählers von Ecos Roman, im Großen und Ganzen als siegreich erwiesen. Unter der Zirkuskuppel dieses Pauschalurteils blieb und bleibt Raum genug für geschäftige erkenntnistheoretische Bewegung, die sich heute Kognitionswissenschaft nennt.
Tiefer ins Dickicht
Ist sie auch nicht mehr zu akrobatischen Höchstleistungen wie denen von Kant oder Peirce (1839 bis 1914), dem von Eco als erstrangige Autorität behandelten Begründer des amerikanischen Pragmatismus, fähig, so wartet sie doch immer noch mit eindrucksvollen artistischen Nummern auf, unter denen die der Semiotik einen hervorragenden Platz einnehmen – nicht zuletzt dank der Publikationen des in Bologna lehrenden Professors Eco, der mit seinem 1975 veröffentlichten Trattato di semiotica generale ein Standardwerk geliefert hat.
Ecos jüngstes Buch versteht sich als Fortsetzung jener Abhandlung, aber nicht, wie es die Verlagswerbung suggeriert, im Sinn einer Summe, was ja so etwas wie Ganzheit und Abschluss bedeuten würde. Der Leser wird sogleich darüber belehrt, dass die Kapitel des Buchs mit ihren peinlich genau nummerierten Paragraphen auf keine Architektur eines Denkgebäudes verweisen, sondern lediglich der Orientierung in einer ziemlich losen Sammlung von Aufsätzen dienen, die einige ergänzungs- und korrekturbedürftige Punkte der Semiotik wieder aufgreifen. Manches, was dort im Ton der Überzeugung vorgetragen wurde, wird jetzt in Frage gestellt. Das Werk sei geschrieben „im Zeichen der Unsicherheit und vieler ungelöster Fragen”.
Der Verzicht auf systematischen Anspruch kommt der Lektüre zugute, die immer noch mühsam genug ist. Der Versuch, in den terminologischen Begriffswirrwarr der Semiotik die eine oder andere Schneise zu schlagen, führt eher noch tiefer ins Dickicht. Man schleppt sich durch Sätze wie den folgenden: „Betrachtet man die Denotation unter dem Gesichtspunkt der Extension, so wird die Konnotation zum Äquivalent der Intension, also des Signifikats als einem Gegensatz zur Bezugnahme. ” Der falsche Dativ geht auf das Konto des Übersetzers, der auch sonst dem Deutschen einiges zumutet. Im ersten Kapitel begegnen uns merkwürdige Wesen mit Namen „die Seienden”. Gemeint ist „das Seiende” oder „die seienden Dinge” (die „entia” der Scholastik).
Der Fall ist interessant, weil er die Abhängigkeit des Denkens von der Sprache illustriert. Was hätte Heidegger, schreibt Eco, „in seinem Stolz auf die philosophische Natur der deutschen Sprache, gemacht, wenn er . . . nur ein völlig vages ,to be‘ und ein einziges ,Being‘ für ,Sein‘ und ,Seiendes‘ zur Verfügung gehabt hätte?” Eco reduziert denn auch die berühmte ontologische Differenz von Seiendem und Sein auf ein bloßes Etwas, das der Freiheit unseres Sprechens Grenzen setzt. Dieses Etwas nennt er auch „dynamisches Objekt”. Es erregt und fixiert unsere Aufmerksamkeit und leitet so den Prozess der Semiose ein, dessen fürchterliche Kompliziertheit in auffallendem Gegensatz steht zur Einfachheit eines Seins, das sich uns als reine Negativität zeigt.
Der Rest – und das ist fast alles – ist Interpretation und Vereinbarung; er füllt die sich an das Seins-Kapitel anschließenden fünfhundert Seiten. Sie wären noch schwerer verdaulich, wenn der Autor seine theoretischen Erörterungen nicht mit Geschichten durchwirkt hätte, „mentalen Experimenten in narrativer Form”. Nicht weil er Philosophie durch schöne Literatur ersetzen, sondern den gesunden Menschenverstand auftreten lassen wollte. Da gibt es die Erzählung von Marco Polo, dem in Java die bis dato völlig unbekannten Nashörner begegneten; von den Azteken, die ihrem Häuptling Montezuma die Ankunft von auf – nie zuvor gesehenen – Pferden reitenden Konquistadoren melden; vom Autofahrer, der uns in der Winternacht auf einer vereisten Landstraße entgegen kommt, und natürlich, aber erst auf Seite 277, die „wahre Geschichte vom Schnabeltier”.
Die so genannte Unmittelbarkeit
Es geht jedesmal um den Erkenntnisprozess – jenes „Schlammgebiet zwischen ,sinnlicher Anschauung‘ und gesetzgeberischem Eingreifen des Verstandes”. Eco weigert sich ausdrücklich, seine Nase in die „black box” des mentalen oder zerebralen Geschehens zu stecken. Der Semiotiker beschränkt sich auf die Deutung der Zeichen. Nun hatten bereits die mittelalterlichen Empiristen das semiotische Dreieck zwischen Begriff, Wort und Sache zu Gunsten einer unmittelbaren Beziehung der Wörter zu den Dingen und realen Sachverhalten aufgelöst. Aber nichts ist, wie sich im Lauf der Jahrhunderte langen Diskussion herausstellte, problematischer als die so genannte Unmittelbarkeit.
Wie harmlos klingt der Satz „Die Sonne erwärmt den Stein”. Seine Analyse fördert aber den Verstandesbegriff der Ursache zu Tage, der zur bloßen Wahrnehmung („Wenn die Sonne den Stein bescheint, so wird er warm”) hinzu kommt. Kants berühmtes Beispiel dient der Unterscheidung von Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteilen. Aber schon ein Wahrnehmungsurteil ist von Verstandesbegriffen durchwirkt. Weshalb nehme ich die Sonne als Sonne, den Stein als Stein wahr? Kants Kategorien sind viel zu weitmaschig, um die Identifizierung des einzelnen Gegenstandes zu erfassen.
Ecos Zauberformel lautet „KT”. Das ist die Abkürzung für „Kognitiver Typus”. Auf ihn reduziert sich, was bei Kant Begriff und vermittelndes Schema heißt. Der KT wird von Gehirnen, die dazu fähig sind, schon in der Anfangsphase der Kenntnisnahme eines Objekts „erarbeitet”. Er hat ikonischen Charakter, was nicht ausschließt, dass zu ihm auch eine Abfolge von Handlungen gehört: So beschränkt sich der KT der Maus nicht auf morphologische Merkmale, sondern beinhaltet auch ihre aus einem Versteck ins nächste huschende Bewegung. Im Kopf dessen, der keine Sendung mit der Maus auslässt, erweitert sich dieses Repertoire an „frames” beträchtlich.
To schlumpf or not to schlumpf
Eco verfügt, wie er glaubhaft versichert, sogar über einen KT von Bachs Zweiter Suite für Violoncello. Und wer die Schlumpfsprache so gut beherrscht, dass er „to schlumpf or not to schlumpf” versteht, ist im glücklichen Besitz eines KT von Hamlet.
Eco legt größten Wert darauf, dass sein Kognitiver Typus nicht als Entität missverstanden wird. Er hängt von den Neigungen und Erfahrungen des Einzelnen ab. So bewegt er sich im Mittelfeld zwischen Rationalismus und Empirismus – mit starker Schlagseite zu Letzterem. Auch Bilderrätsel spielen in Ecos Denken über das Denken eine Rolle. CCC – was ist das? Nimmt man die Zeichen als Zeichen, nämlich als Buchstaben (Eco nennt das die Modalität Beta), kommt man auf keine Lösung. Erst wenn man sie als Halbkreise interpretiert (das heißt als das, was sie wirklich darstellen: Modalität Alpha), ergibt sich: „Semicerchi, non C, sono” – „Halbkreise, nicht C, sind es. ” Die Lösung: „Se mi cerchi non ci sono” – „Wenn du mich suchst, bin ich nicht da. ” Vielleicht ist das ein versteckter Hinweis darauf, dass der Verfasser auch nicht immer da ist, wo wir ihn suchen.
UMBERTO ECO: Kant und das Schnabeltier. Aus dem Italienischen von Günter Memmert. Hanser Verlag, München 2000. 580 Seiten, 58 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Als eine Revision seiner `Semiotik` von 1975 stellt Martin Seel dieses neue Buch des italienischen Zeichenforschers und Romanciers dar. Eco wolle in diesem Neuansatz den Eindruck ausräumen, dass in seiner Zeichenwissenschaft das Sein nicht vorgesehen ist - im Gegenteil, so stellt es sich nun nach Seel dar, biete das Sein die `Grenze`, auf die sich die Zeichen beziehen. Seel ist allerdings nicht ganz zufrieden mit Ecos Argumentation, weil er - wenn man Seels komplizierten Argumentationen auf knappem Raum richtig folgt - das Neue sagen will, ohne das Alte in Frage zu stellen. Nun sieht es bei Eco also so aus, dass das Sein den Zeichen Widerstände entgegensetzt, auch wenn es andererseits ohne die Zeichen gar nicht zu denken ist. Seel ist darüber enttäuscht, denn `wer die Bezeichnung in eine Konfrontation mit der rohen Wirklichkeit des Bezeichneten schickt, muss jeden plausiblen Begriff der Bezeichnung verlieren`. Mit anderen Worten: Wer eine schöne Theorie bauen will, der sollte sich nun wahrlich nicht von der `rohen Wirklichkeit` irritieren lassen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Der unendlich begabte Semiotiker und Philosoph, Journalist und Erzähler aus Bologna vollbringt das Kunstwerk, eine vertrackte und verhexte Materie gelockert und verschmitzt, voller Spaß und Tiefsinn zu erzählen." Reinhard Brandt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.03.00 "Keine Angst: wir lesen kein biologisches Fachbuch, sondern einen Text, der uns in eleganter Weise mit viel 'Brotlosigkeit' konfrontiert, ein Buch, das glänzend formuliert, vielleicht nur um seiner selbst willen geschrieben wurde. Eher Kunststück als Abhandlung." Harald Loch, Südkurier, 04.08.00