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Annemarie Schwarzenbach, die in ihren Reisereportagen aus den Jahren 1933 bis 1940 die Reize orientalischer Landschaften und die Attraktivität unbekannter Städte und Orte, aber auch das Fremde und Bedrohliche beschreibt, fasziniert durch ihre authentische und bildliche Sprache.

Produktbeschreibung
Annemarie Schwarzenbach, die in ihren Reisereportagen aus den Jahren 1933 bis 1940 die Reize orientalischer Landschaften und die Attraktivität unbekannter Städte und Orte, aber auch das Fremde und Bedrohliche beschreibt, fasziniert durch ihre authentische und bildliche Sprache.
Autorenporträt
Walter Fähnders, geb. 1944, apl. Professor für Neuere Germanistik an der Universität Osnabrück, veröffentlichte zahlreiche Publikationen und Editionen zur Literatur der Avantgarde und der Weimarer Republik.

Annemarie Schwarzenbach wurde 1908 in Zürich geboren. Studium der Geschichte in Zürich und Paris. Ab 1930 enge Freundschaft mit Erika und Klaus Mann. 1931 Promotion. 1931 bis 1933 als freie Schriftstellerin zeitweise in Berlin. 1933 bis 1934 Vorderasienreise. 1935 kurze Ehe mit dem französischen Diplomaten Claude Clarac in Persien. 1936 bis 1938 (Foto-) Reportagen im Zusammenhang mit Reisen nach USA, Danzig, Moskau, Wien, Prag. 1939 Reise mit Ella Maillart nach Afghanistan. 1940 Aufenthalt in den USA. 1941 bis 1942 in Belgisch-Kongo. Die Journalistin, Schriftstellerin und Fotoreporterin starb am 15.11.1942 in Sils.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.03.2010

Gesang und Sensenklang
Die Reisen der Annemarie Schwarzenbach in den Nahen und Mittleren Osten während der dreißiger Jahre waren auch Fluchten aus Europa Von Stefan Fischer
Die Fremde, das war für Annemarie Schwarzenbach stets der Orient. Eine Fremde, die ihr allmählich vertraut wurde, ohne dass sie sie ganz durchdrungen hätte, wie sie selbst mehrfach angemerkt hat. Es waren vor allem die politischen Umwälzungen in Europa in den 1930er Jahren, die die Reiseschriftstellerin immer wieder von dort fort und in den Orient geführt haben. Ein Übriges tat der Streit mit der Familie, die die Lebensweise und die linke politische Gesinnung der jungen Frau mehrheitlich nicht goutiert hat. Schwarzenbach hat Distanz geschaffen zu ihrer Herkunft; ein „friedlich-abseitiges Leben” hat sie ihre umtriebige Existenz in jenen Jahren trotz all der Turbulenzen selbst geheißen.
Und doch hat sie sich nie losgesagt von der Heimat, von der Familie. Es gibt eine kleine Erzählung von ihr – Schwarzenbach hat Reiseliteratur geschrieben, also journalistische genauso wie literarische Texte –, darin treffen in Beirut Europäer aufeinander. Die Neuankömmlinge wissen über Europa nichts Gutes zu berichten: „Man hat es zu leicht dort. Alles ist zu gut organisiert, und man lebt nur halb.” Dennoch stellt sich bei denjenigen Abenteurern, die bereits seit ein paar Wochen oder Monaten in der Stadt sind, ein sehnsüchtiges Verlangen ein nach den kulturellen und zivilisatorischen Reizen von Salzburg, St. Moritz und Venedig.
Drei Mal hat Annemarie Schwarzenbach den Orient für jeweils mehrere Monate bereist, ehe der Zweite Weltkrieg solchen Unternehmungen vorübergehend ein Ende setzte – sie fürchtete sogar: für immer. Tatsächlich sollte sie den Orient nicht wiedersehen: Annemarie Schwarzenbach ist 1942, im Alter von 36 Jahren, an den Folgen eines Sturzes vom Fahrrad gestorben.
Sie war eine manische Schreiberin, allein rund 100 ihrer Zeitungs- und Zeitschriftenartikel sind dem Orient gewidmet. Eine Auswahl davon hat Walter Fähnders nun unter dem Titel „Orientreisen” neu herausgegeben. Er hat die Texte geographisch geordnet, anfangs ist Schwarzenbach mit dem Orientexpress auf dem Balkan unterwegs in Richtung Istanbul. Das Abgeschottetsein in dem Zug gefällt ihr nicht: „Man schmeckte das Brot nicht, hörte keinen Gesang und Sensenklang.” Wie viel lieber ist ihr da der Besuch eines anatolischen Dorfes, wo sie den Wind spürt, den Kaffee riecht, mit den Bewohnern spricht. Auch wenn natürlich Barrieren bleiben. Zumal für sie, die emanzipierte Frau, die so gar nicht in das öffentliche gesellschaftliche Gefüge der islamischen Länder passt. „Wir schienen in einem Land ohne Frauen zu sein!”, schreibt Schwarzenbach über ihren Besuch Afghanistans.
Aus einem zweiten Grund hebt sie dort zu einem Klagegesang an: „Wir aber sind zu spät eingetroffen”, bedauert sie, weil vor mehr als tausend Jahren „die Araber mit Brandfackeln und Bogenpfeilen gewütet, erschlagen, ausgerottet, in Asche gelegt” haben, was sie zu fassen kriegten, und so dem „unschuldigen Leben von Bamiyan”, wie sie es nennt, ein Ende bereitet haben. So können sich die Erwartungen verändern: Heutzutage wäre man schon dankbar, wenn man wenigstens die Buddhastatuen von Bamiyan noch sehen könnte als Relikte dieser vorislamischen Periode.
Ohnehin standen Annemarie Schwarzenbach manche Städte und Regionen offen, die für europäische Reisende derzeit unerreichbar sind: Masar-i-Sharif zum Beispiel oder Bagdad. Die Metropole des Irak erlebt sie als „stillstehende Stadt”. Wo man Hektik erwartet, bemerkt sie Ruhe: „Im großen Bazar war es still. Die Leute priesen ihre Waren kaum zweimal an.” Wo man Einkehr vermutet, fällt ihr die Hysterie auf, so im Kreis der Pilger in Meshed.
Viele der Geschichten zeugen von der Egozentrik Schwarzenbachs, sie wollte den Orient vor allem für sich entdecken. Jedoch blendet die Autorin die historischen und sozialen Umstände nie aus. Sie gleicht, was sie erlebt, mit ihrem Wertesystem ab; verhehlt nicht, wenn sie fassungslos ist oder ratlos, enttäuscht oder enthusiastisch. Es geht also selten nur um Befindlichkeiten und beinahe immer um eine Lebenshaltung. Von kolonialer Hochnäsigkeit ist bei ihr keine Spur. Vielmehr zeugen die Texte mitunter auch von Krisenerfahrungen, von einer Verunsicherung, die die lange Zeit selbstherrliche abendländische Kultur in jenem Jahrzehnt ergriffen hatte.
Annemarie Schwarzenbach
Orientreisen
Reportagen aus der Fremde. Edition Ebersbach, Berlin 2010. 192 Seiten, 19,80 Euro.
„Im großen Bazar war es still. Die Leute priesen ihre Waren kaum zweimal an.”
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Stefan Fischer begrüßt diese von Walter Fähnders herausgegebene Auswahl von Reportagen der Journalistin Annemarie Schwarzenbach, die in den 1930er Jahren den Nahen und Mittleren Orient bereiste. Der Orient, lesen wir, sei für Schwarzenbach stets die Fremde gewesen, die ihr zwar mehr und mehr vertraut wurde, die sie aber niemals ganz durchdrungen hätte. Fischer merkt an, dass die Autorin noch Städte und Regionen bereisen konnte, die dem europäischen Reisenden derzeit verschlossen sind, wie etwa Masar-i-Sharif oder Bagdad. Aus vielen der Reportagen spricht für Fischer die Egozentrik der Autorin, die die historischen und sozialen Umstände gleichwohl nie ignoriert und ohne jede "kolonialer Hochnäsigkeit" ist. Die Texte dokumentieren seines Erachtens nicht zuletzt die Verunsicherung, die die abendländische Kultur in diesen Jahren ergriffen hatte.

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