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6 Kundenbewertungen

Dies ist die Geschichte von Lucinda. Lucinda ist schön, lebenshungrig und leuchtet wie ein Stern. So hell und so schön und gleichzeitig Lichtjahre entfernt. Lucinda scheint in einer anderen Welt zu leben, nach eigenen, erbarmungslosen Regeln. Wer Lucinda liebt, muss ertragen, ihr niemals richtig nah sein zu können. So sind Sterne eben. Und manchmal fallen sie vom Himmel und verglühen. Einfach so.

Produktbeschreibung
Dies ist die Geschichte von Lucinda. Lucinda ist schön, lebenshungrig und leuchtet wie ein Stern. So hell und so schön und gleichzeitig Lichtjahre entfernt. Lucinda scheint in einer anderen Welt zu leben, nach eigenen, erbarmungslosen Regeln. Wer Lucinda liebt, muss ertragen, ihr niemals richtig nah sein zu können. So sind Sterne eben. Und manchmal fallen sie vom Himmel und verglühen. Einfach so.
Autorenporträt
Lara Schützsack, geboren 1981 in Hamburg, studierte Germanistik, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften sowie Amerikanische Literatur und Kultur an der Universität Potsdam. Es folgte ein Drehbuchstudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Lara Schützsack lebt und arbeitet als Autorin und Musikberaterin in Berlin. Ihr erster Film 'Draußen ist Sommer' lief 2013 in den Kinos.

Literaturpreise:

'Und auch so bitterkalt'
- Ulla-Hahn-Autorenpreis 2014
- Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis 2014
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.04.2014

Wen die Götter lieben
Ein Mädchen in den Fängen der Magersucht
„Tenebrien ist das Land, in das alle gehen, die nicht für diese Welt geschaffen sind“, sagt Lucinda, und ihre kleine Schwester hängt an ihren Lippen. „Die Dünnhäutigen, die Gläsernen, diejenigen, die zu viel wünschen, diejenigen, die zu viel gewagt und zu viel verloren haben.“ Sie alle gehen in das Dunkelland, sagt Lucinda. Dort ist es immer Nacht, und am Himmel stehen unzählbar viele Sterne.
  Lucinda ist kein gewöhnliches Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Sie ist, wie ihre Schwester Malina bewundernd festhält, ein Mensch, nach dem sich andere auf der Straße umdrehen; nicht, weil sie nur schön ist, sondern „weil man spürt, dass etwas mit ihr passieren wird“. In der Schule hat sie nur „Feindinnen oder Bewunderer“; wenn sie mit ihrem kurzen Jeansrock und den Cowboystiefeln lässig auf der Schultreppe sitzt und sich von den Jungs eine Zigarette reichen lässt, zischen gehässige Mädchen schon mal: „Die Irre.“  Alles ist besonders intensiv: Jede Mutprobe auf einer morschen Brücke. Jede erotische Begegnung im heimischen Keller. Jede depressive Phase, denn „wenn Lucinda weint, weint das Haus mit“. Ganz langsam, immer aus der Perspektive der jüngeren Schwester geschildert, kreist die junge Berliner Autorin Lara Schützsack in ihrem Debüt Und auch so bitterkal t das Phänomen Lucinda ein. Sie ist nicht einfach nur eigenwillig. Lucinda hat ein massives Problem. Und das heißt Magersucht.
  Lara Schützsack hat ein beklemmendes, atmosphärisch ungeheuer dichtes Buch geschrieben. Auch wenn es manchmal mit ein bisschen viel Symbolik befrachtet ist, nähert es sich insgesamt so plastisch wie poetisch einem zwar längst nicht mehr tabuisierten, doch nach wie vor erschreckend aktuellen Thema an. Schützsack zeichnet in Lucinda eine in vielen Facetten schillernde Persönlichkeit, die tragischerweise niemand richtig versteht. Ein Mädchen mit übersteigerter Liebes- und Todessehnsucht, das als Lebensziel „Muse“ angibt und Sätze sagt wie: „Wen die Götter lieben, den lassen sie früh sterben.“ Sie hungert sich selbst einem solchen Tod entgegen und ihre Familie sieht ihr völlig überfordert dabei zu: die naive Schwester, die angesichts der zunehmenden Dramatik der Situation sehr schnell reifen muss, der nette, aber luschige Vater und die dominante Mutter.
  Das Beunruhigende an dieser Konstellation: Es gibt keine offensichtlichen Gründe für Lucindas Essstörung und Depressionen, mit denen man das Thema schnell einordnen und wegdrücken könnte. Auch wenn insbesondere die Mutter in ihrer Hilflosigkeit einige Fehler macht: Niemand meint es böse in dieser Familie, im Grunde sind sie alle ziemlich nett. Warum schaffen sie es trotzdem nicht, das unaufhaltsame Abmagern und Abdriften der Tochter aufzuhalten? Warum gelingt es auch einem zu Rate gezogenen Psychologen nicht?
  Das sind Fragen, die nach der Lektüre am Leser weiternagen. Nachdem Lucinda einem Jungen aus der Nachbarschaft in ihrem Musenwahn so den Kopf verdreht hat, dass er sich umgebracht hat. Nachdem sie so abgemagert ist, dass sie nur noch apathisch im Bett liegen kann. Nachdem die gesamte Familie fast durchgedreht ist und die Mutter schließlich den Krankenwagen gerufen hat. Zu spät, die Schwester ist schon aufgebrochen: nach Tenebrien, ins Dunkelland. (ab 13 Jahre)
ANTJE WEBER
Lara Schützsack : Und auch so bitterkalt. Fischer KJB 2014. 174 Seiten, 14,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Worum handelt es sich bei diesem Buch? Katharina Laszlo stellt zwar fest, dass die Autorin Lara Schützsack ihre magersüchtige Protagonistin in den Vordergrund der Handlung stellt, deren Gedanken jedoch ausspart, indem sie aus der Perspektive der kleinen Schwester erzählt. Laut Laszlo vermeidet sie so das Etikett "Magersuchtsbuch" und bietet vor allem eine Annäherung ans Erwachsenwerden, bei der die Krankheit nur als Metapher fungiert für die Verletzlichkeit und Besonderheit der Heldin. Zum Thema Magersucht hat das Buch denn laut Rezensentin nicht allzu viel Neues beizutragen. Allerdings gelingt ihr das Kunststück, die Umstände der Krankheit in die richtigen Worte zu fassen, meint Laszlo anerkennend.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.11.2014

Vielleicht verwandelt sie sich ja in eine Libelle
Auf der Reise nach Tenebrien: Lara Schützsacks virtuoses Debüt feiert eine Magersüchtige, aber nicht die Magersucht

Auf den ersten Blick ist Ana eine wirklich gute Freundin. Jederzeit und überall erreichbar, verständnisvoll selbst dann, wenn andere nicht mehr zuhören oder hinsehen wollen. Selbst die abseitigsten Mädchenwünsche respektiert sie. Ana ist eine Gedankenkonstruktion, ein krudes poetisches Hilfsmittel der sogenannten Pro-Anorexie-Bewegung, die Personifikation der Magersucht. Eine Identifikationsfigur, die Dinge sagt wie "Du wirst kein Problem damit haben, dich an Regeln zu halten, weil du stark bist!" und Mädchen dazu bringen will, das Nichtessen mit dem Starksein zu verwechseln. In den Köpfen junger Frauen und den Seiten im Internet, wo sie lebt, inszeniert sie die Magersucht als Entscheidung, einen Lebensstil, eine Manifestation der Selbstdisziplin.

Ob Lucinda, die siebzehnjährige Protagonistin in Lara Schützsacks soeben mit dem Ulla-Hahn-Autorenpreis ausgezeichneten Debütroman "Und auch so bitterkalt", mit Ana befreundet ist, wissen wir nicht. Keinen Zugang haben wir zu ihren Gedanken, den strikten Regeln, die sie sich auferlegen muss, um am Ende des Textes so fragil zu sein, dass der Vater das Haus mit Teppichen polstert und die Mutter sie nicht mehr zur Schule gehen lässt. Die Geschichte von Lucindas Selbstauszehrung erzählt Schützsack in spärlichen, bildstarken Randbemerkungen, zoomt auf Streichholzbeine, Wespentaille oder den Apfel, dem das Mädchen nur den Saft aussaugt. Als sich im fortgeschrittenen Stadium ihr Rücken mit einem Haarflaum überzieht, um sich warm zu halten, fragt Lucinda: "Schön, oder?" Ihre jüngere Schwester Malina nickt.

Gefiltert durch die Wahrnehmung der dreizehnjährigen Malina, aus deren Perspektive der Roman erzählt wird, ist Lucinda keinen Augenblick weniger als anbetungswürdig. So erblasst die Magersucht, eine Krankheit des Mangels, neben Lucindas überwältigender Präsenz: "Lucinda ist so ein Mädchen, nach dem sich die Menschen auf der Straße umdrehen", überlegt Malina, "nicht weil sie einfach nur schön ist, sondern weil man spürt, dass etwas mit ihr passieren wird. Etwas, das nicht jedem passiert. Man spürt es an der Art, wie sie sich bewegt, an dem Luftzug, der einen streift, wenn sie an einem vorüber geht."

Nichts, was Lucinda tut, entgeht Malina, die ihre Schwester nicht versteht, diese aber zu entschlüsseln versucht wie das komplexeste, atemberaubendste Gedicht. Vor Sorge paranoid wie die Blicke der Eltern, oder gar abwertend wie die der Klassenkameraden, wird ihre aufmerksame Beobachtung an keiner Stelle.

Als alles spürendes, unergründliches, überglückliches, tieftrauriges, ganz besonderes Wesen tritt Lucinda hier in Erscheinung. Man könnte auch sagen: als Teenager. Schützsacks Roman will kein Magersuchtsbuch sein, vielmehr eine einfühlsame, nachdenkliche Annäherung ans Erwachsenwerden. Krankheit dient Schützsack lediglich als Metapher, als Mittel zum Zweck in einem Buch, das große Probleme verhandelt, ohne zu urteilen, das Abstraktem Form gibt und gleichzeitig unendlich offen bleibt.

Dass dies gelingt, zeigt sich sehr rasch, wenn nicht schon nach dem allerersten Satz - "Am Himmel steht, rund und unglaublich gelb, der Mond" -, dann nach der allerersten Szene, in der sich die Schwestern in tiefster Nacht auf eine Brücke legen und sich von Tenebrien erzählen, jenem überirdischen Phantasie-Exil für alle "Dünnhäutigen, die Gläsernen, diejenigen, die zu viel wünschen."

Auch wenn es Schützsack also um viel mehr geht als ums Hungern - dafür, dass sie sich gerade die Anorexie ausgesucht hat, um das Seelenleben ihrer Protagonistin so qualvoll zu gestalten, dass diese später nach Tenebrien aufbricht, hat "Und auch so bitterkalt" nur wenig Überraschendes zum Thema beizutragen. Vielleicht verwandelt sich Lucinda, so spekuliert die Familie in ihrer Hilflosigkeit, ja in eine Libelle oder einen Vogel, "weil sie in diesem Körper nicht leben kann." Die ewigen Mythen vom leidenden weiblichen Körper als Objekt der Begutachtung, als Projektionsfläche und als Käfig, das Bild vom körperlichen Hungern als Sichtbarmachen eines seelischen Hungers - all dies neuerlich zu verwenden, macht die Beobachtungen, die dahinterstecken, zwar nicht weniger scharfsinnig. Für die Darstellung von Lucindas Leid auf dieser Welt hätte Schützsack jedoch, das bezeugen zahlreiche nuancierte Passagen im Buch, mühelos ohne Anleihen in der Kulturgeschichte auskommen können.

Uneingeschränkt glorifiziert Schützsack ihre selbstzerstörerische Heldin, niemals aber die Selbstzerstörung. Ihr Roman feiert eine Magersüchtige, niemals aber die Magersucht. Hätte es aber geschadet, sich dem konkreten Grund für Lucindas langsamen Verschwinden ausführlicher zu widmen?

Lucindas Gedanken auszusparen und sich nicht auf ihre Logik einzulassen, ist literarisch gesehen eine weise Entscheidung. Dass sich das Innenleben einer Anorektikerin, aus nichts als Vorschriften und Verboten bestehend, denkbar schwierig in Literatur verwandeln lässt, wird in jenen Internetforen allzu deutlich, in denen die Magersuchts-Ikone Ana im Befehlston ihre einfältigen Gebote verkündet. Der Weg von "Zähl genau nach, wie oft du abbeißt, wie oft du kaust!" und "Nimm einen Schluck Apfelessig vor jeder Mahlzeit!" zur Poesie ist beschwerlich. Allerdings muss man sich fragen, ob diese flüchtige Betrachtung der Krankheit primär auf ästhetischen oder auf moralischen Prinzipien beruht - auf der Sorge, durch die allzu anschauliche Schilderung der Magersucht anfällige Leserinnen näher an die Krankheit heranzuführen. Doch jedes Buch über die Magersucht ist ein Magersuchtsbuch. Es gibt Leselisten auf Amazon, auf denen Mädchen ihre inspirierendsten Magersuchtslektüren aufzählen, darunter auch von Kritikern gefeierte Jugendbücher, die diese Krankheit eigentlich deutlich problematisieren. Jeder Text kann zum Hungern animieren, wenn er von einem erkrankten Mädchen gelesen wird.

Mit der unmöglichen Aufgabe, das ästhetisch richtige Wort noch für die entsetzlichsten Umstände finden zu müssen, schlägt sich die Literatur seit jeher herum. Die Lösung, die Lara Schützsack dafür gefunden hat, beeindruckt jedenfalls mit einer hochmusikalischen Sprache und einem leisen Beben, hinter dem bei aller Bewunderung der kleinen Schwester für die große immer auch die Angst spürbar wird, einen geliebten Menschen zu verlieren.

KATHARINA LASZLO

Lara Schützsack: "Und auch so bitterkalt".

Fischer KJB, Frankfurt 2014. 176 S., geb., 14,99 [Euro]. Ab 14 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Lara Schützsack schafft es in ihrem sprachlich zarten Debüt, diese sehnsüchtige, auf Selbstoptimierung getrimmte, auf das Dünn-Sein fixierte Welt von Lucinda einzufangen. Jan Drees WDR Eins live 20140414