22,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Das in Geheimschrift abgefaßte Tagebuch ist in seiner Ungeschminktheit und Genauigkeit ein einzigartiges kulturgeschichtliches Dokument aus dem England des 17. Jahrhunderts. Pepys war ein überragender Chronist seiner Zeit, und er verstand es zu schreiben.

Produktbeschreibung
Das in Geheimschrift abgefaßte Tagebuch ist in seiner Ungeschminktheit und Genauigkeit ein einzigartiges kulturgeschichtliches Dokument aus dem England des 17. Jahrhunderts. Pepys war ein überragender Chronist seiner Zeit, und er verstand es zu schreiben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.2003

Jeder Tag ein Fest des Geistes und der Sinne
Abenteuerliches Herz in Kurzschrift: Vor dreihundert Jahren starb der englische Tagebuchschreiber Samuel Pepys / Von Felicitas von Lovenberg

Egoisten seien die besten Tagebuchschreiber, bemerkte Tony Benn einmal, gäbe ihnen das Genre doch Gelegenheit, alles dreifach zu erleben - zunächst in der Realität, dann beim Aufschreiben und schließlich beim Wiederlesen. Eitelkeit ist dabei kein Hindernis, jedenfalls nicht, wenn sie mit einer geistreichen Beobachtungsgabe gepaart ist und von Fabulierlust begleitet wird. Wenn solche Menschen regelmäßig zur Feder greifen, um sich ihrer selbst zu vergewissern, lassen sie im günstigsten Fall nicht nur die eigene Biographie, sondern eine ganze Epoche lebendig werden. England ist reich an solchen Schreibern, die einige der brillantesten und unterhaltsamsten Bücher zum Nationalkanon beigetragen haben - man denke nur an James Boswell, Henry "Chips" Channon, Harold Nicholson, Tony Benn und Alan Clark, oder aber an fiktive Tagebuchhelden wie Charles Pooter, Adrian Mole und Bridget Jones.

In den soeben erschienenen Tagebüchern des Oxforder Gelehrten A. L. Rowse erweist der Verfasser einem ganz besonderen englischen Tagebuchgiganten seine Reverenz. Am 29. Juni 1938, nach einer Operation im University College Hospital, sah Rowse vom Dach des Krankenhauses hinüber zu St. Paul's Cathedral und notierte in ungewöhnlich elegischer Laune: "Wie oft Wren seine Pläne überarbeitet haben muß, bevor dieses Gebilde gelang - ich nahm das als Moral, über deren genauere Betrachtung ich mir nicht allzu viele Gedanken machen mochte, obschon vielleicht eine Ermunterung darin liegt. Ich erinnerte mich des vertrauten Gefühls für Geschichte, daß auch Pepys jenen Dom sah, der Tag für Tag und Stein für Stein vor ihm aufragte, und den ich ebenfalls betrachtete."

Es ist wohl kein Zufall, daß der Herausgeber der frühen Rowse-Tagebücher sich zuvor bereits einen Namen als Biograph jenes anderen Tagebuchschreibers machte, dem Rowse hier Tribut zollt: Samuel Pepys, der gestern vor dreihundert Jahren, am 26. Mai 1703, starb. Geboren wurde er gut siebzig Jahre zuvor, am 23. Februar 1633, als Sohn eines Schneiders und einer Wäscherin im Westen Londons, jener Stadt, der er über neuneinhalb Jahre und 3100 Seiten ein Denkmal setze. Von der nahen St. Bride's Church konnte der kleine Sam den Blick über die labyrinthisch verwinkelten Gassen und Dächer schweifen lassen bis hinüber zu St. Paul's, deren Dom auf einem Hügel die Stadt überragt, damals wie heute. Zu Pepys' Kindheit lebten etwa 130 000 Menschen in der Londoner City, die nicht nur Wirtschafts- und Finanzzentrum Englands war, sondern auch politischer Mittelpunkt des Landes, das zu jener Zeit gerade mal fünf Millionen Einwohner zählte. Auf den Gassen herrschte reger Betrieb, und der beste Weg, dem Gedränge zu entgehen und rasch von einem Ort zum anderen zu gelangen, war mit dem Boot.

Im Getümmel wie auf dem Wasser war Samuel Pepys in seinem Element. Seinen Zeitgenossen wurde er ein Begriff als rhetorisch versierter, einflußreicher Flottenadministrator; sie hätten nicht schlecht gestaunt, wenn sie gewußt hätten, daß er viele von ihnen klammheimlich beschimpfte. Gerade seiner unverklemmten Offenheit ist es zu verdanken, daß der Privatmann Pepys seit der ersten Veröffentlichung des Tagebuchs 1825 eine literarische Ikone ist. Vom 1. Januar 1660 bis zum 31. Mai 1669 schildert er England in einer Zeit des Umbruchs, die das Land bis heute prägt. Samuel Pepys liebte das Gewusel auf Londons Straßen, die Gegensätze, die sich dort beobachten ließen, die unmittelbare Nachbarschaft von Gosse und Macht, Volk und Regierung. Ob auf der Straße, im Büro oder in den eigenen vier Wänden (und dort am liebsten im Bett): Für ihn spielte sich das ganze Leben auf einer Bühne ab, und genauso dynamisch beschrieb er es auch.

Schon der Knabe Samuel glaubte daran, etwas Besonderes zu sein, ohne daß seine Kindheit dazu irgendeinen Anlaß gegeben hätte - außer vielleicht die Tatsache, daß nur wenige seiner Geschwister die Pubertät überlebten. In Anlehnung an einen Buchtitel des von ihm bewunderten Francis Bacon begriff er sich auch später als Faber fortunae, als seines Glückes Schmied - und hämmerte drauflos. Mit Talent, Fleiß und unbändiger Lebenslust verschaffte er sich Zugang zu den einflußreichen Kreisen. Doch er wollte mehr als Ansehen und Wohlstand. Ohne daß es ihm zunächst recht bewußt war, suchte Pepys dem Renaissanceideal des Virtuoso zu entsprechen, wollte zu einem umfassend gebildeten Mann von Welt werden - und vor allem ihre Freuden nicht vernachlässigen. Er liebte Musik und beherrschte mehrere Instrumente, radebrechte fließend Französisch und Italienisch, kaufte Bücher, wann immer er es sich leisten konnte, interessierte sich, man schrieb das anatomische Zeitalter, für die Funktionen seines Körpers und darüber hinaus für wissenschaftliche Entdeckungen.

Als Samuel Pepys seine Aufzeichnungen begann, war er siebenundzwanzig Jahre alt und hatte es bereits weiter gebracht, als er sich von Standes wegen je hätte erträumen können. Die Familie stammte aus Cambridgeshire und gehörte, wenngleich nicht vornehm, keineswegs zum Proletariat. Zu Pepys' Zeit zählten Landadelige, Rechtsanwälte und Geschäftsleute zur Sippe; wer will, mag hier die genetische Prägung einer Neigung für Verwaltungsaufgaben sehen. Die Eltern hatten Samuel bei Ausbruch des Bürgerkriegs 1642 nach Brampton bei Huntingdon geschickt, wo er bei seinem Onkel lebte, der im Dienst der Montagus stand, mit denen sich die Familie dank einer Liebesheirat assoziieren durfte. Dort besuchte Samuel die Schule, eine Institution, die schon Oliver Cromwell zu ihren Schülern gezählt hatte. Auch der sechs Jahre ältere Cousin Edward Montagu, der spätere Earl of Sandwich, drückte hier die Schulbank; als sein Sekretär begann Samuel später seine Karriere. Zurück in London, besuchte Samuel die St. Paul's School und bekam ein Stipendium für Cambridge, wo er am Magdalene College klassische Sprachen und Mathematik studierte.

Doch so wichtig die äußeren Umstände für seinen späteren Erfolg waren, so bedeutsam war eine einzige Person für seine Herzensbildung: seine Frau. Mit zweiundzwanzig war Sam alt genug zu wissen, daß eine Heirat gerade für einen ehrgeizigen, aber perspektivelosen Angestellten wie ihn zum sozialen Aufstieg genutzt werden sollte. Doch als er sich verliebte, waren ihm solche Erwägungen gleichgültig. Elisabeth war noch keine fünfzehn Jahre alt, als sie am 1. Dezember 1655 heirateten, wobei die Jugend der Braut damals nichts Ungewöhnliches war. Die Ehe war so stürmisch wie beider Temperament. Das Tagebuch bewahrt jeden ehelichen Krach (und die Versöhnungen danach), ohne daß Pepys die Fakten je zu schönen scheint: "Wütend auf meine Frau, weil sie ihre Dienerinnen nicht ordentlich anstellt. Als sie mir eine freche Antwort gab, schlug ich ihr ins Gesicht; sie hatte über dem linken Auge eine große Beule und schrie fürchterlich. Trotzdem hatte sie noch die Kraft, mich zu beißen und zu kratzen." Das Tagebuch lebt von den Reibereien zwischen Elisabeth und Samuel; auch wenn er immer wieder damit prahlt, anderen Frauen nachzustellen, kann es doch keinen Zweifel an Pepys' Liebe zu seiner Frau geben, deren Anmut, Wißbegier und Geschick er stets stolz betont.

Samuel hatte sich gründlich auf sein Chronistendasein vorbereitet. Zunächst besorgte er sich ein dickes Notizbuch. Sodann zeichnete er mit roter Tinte Seitenränder ein. Am 1. Januar 1660 legte er los - mit einer kurzen Bestandsaufnahme seiner Lebensverhältnisse, gefolgt von den Eindrücken des Tages. Aber wie kam ein Mann wie er überhaupt auf die Idee, Tagebuch zu führen? Claire Tomalin weist in ihrer großen, würdigen Biographie "The Unequalled Self" darauf hin, daß Pepys, im Gegensatz zu höhergestellten Staatsdienern, die Reisen unternahmen und Begegnungen aufzuzeichnen hatten, in keiner Position war, die dies erfordert hätte. Er war arm und hatte außer seinem Cambridge-Studium nichts vorzuweisen, was sein Auserwähltsein in irgendeiner Weise bestätigt hätte.

Die Tatsache, daß er kein wichtiges Amt versah, läßt sich aber auch anders deuten. Das Tagebuch gab ihm eine Aufgabe, und er nahm sie ernst. Außerdem hatte er erst vor kurzem sein Leben zum zweiten Mal begonnen: Am 26. März 1658 hatte man ihm in einer abenteuerlichen Operation einen riesigen Nierenstein entfernt. Als er sich erholt hatte, erlebte er zum ersten Mal, was es bedeutet, keine Schmerzen zu haben. Und daß er die Prozedur überlebt hatte, ermunterte ihn in seiner Überzeugung, etwas Besonderes zu sein. Seine Haltung war von Zuversicht und Enthusiasmus geprägt, vor allem, was ihn selbst betraf.

So setzte er zum Schreiben an, ohne zunächst wohl recht zu wissen, was und worüber er berichten wollte. Die Dramen seiner Zeit, der Konflikt zwischen Republik und Monarchie, die Persönlichkeiten, die einander auf dieser Bühne gegenüberstanden, mögen ihn an die großen Szenen der Antike erinnert haben. Und auch die eigene physische und mentale Natur erschien ihm wert, im Detail erkundet zu werden: "Früh am Morgen wirkten die Abführmittel, ich hatte einen prächtigen Stuhlgang. Dann stand ich auf und hatte noch drei- oder viermal Stuhlgang."

Was das Tagebuch selbst anging, so gab er sich Mühe mit seiner Erscheinung. Er schrieb mit schwarzer oder brauner Tinte und schrieb in Kurzschrift, zwanzig bis dreißig Zeilen pro Seite. Diese - 1626 von Thomas Shelton entwickelte - Stenographie hatte Pepys vermutlich in Cambridge kennengelernt. Und wenn die Schrift Abbild der Seele ist, so war Pepys' Fischnatur von bemerkenswerter Ausgeglichenheit, denn er hatte eine schöne, gleichmäßige kalligraphische Handschrift. Wenn es um erotische Themen ging, benutzte er eine Spezialsprache, eine schnell durchschaubare Kombination aus lateinischen, französischen, italienischen und holländischen Vokabeln.

Sein Temperament sorgte dafür, daß ihm jeder Tag zu einem Abenteuer der Sinne und des Geistes geriet. Die Passagen des Tagebuchs, in denen er nationale Katastrophen beschreibt, haben ihn berühmt gemacht - jedes Kind kennt in Großbritannien seine Beschreibung der Pest und des großen Feuers von London. Obwohl im Tagebuch lediglich aufregende Zwischenspiele, sind seine Berichte dieser Ereignisse insofern besonders bedeutsam, da die Zensur unter Karl II. fast alle Zeitungen verboten hatte. Pepys nahm also eine einzigartige Aufgabe wahr. Er mag sich dessen durchaus bewußt gewesen sein. Schon als Kind konnte er die Macht des Wortes beobachten. Als er klein war, erschienen bis zu drei Zeitungen am Tag; später verfaßte er selbst Depeschen für Edward Montagu, um ihn über die Londoner Ereignisse auf dem laufenden zu halten. Ohne nachträgliche Zusätze oder Streichungen berichtet Pepys über Ereignisse, seine Arbeit, seine Laune und die Stimmung in der Bevölkerung.

Bereits von der ersten Eintragung an ist klar, daß er die politischen und gesellschaftlichen Zeitläufte zu Papier bringen will, aber daß es ihm vor allem um eine intime Chronik eigener Erlebnisse geht. Wie sehr er damit Teil eines neuen Trends war, konnte er nicht wissen. Mit dem siebzehnten Jahrhundert setzt die Ära der Tagebuchautoren ein; dennoch hat Pepys für sein Projekt kein Vorbild, da die verschiedenen Verfasser kaum voneinander wußten. Während sein Freund John Evelyn langweilig-korrekt Ereignisse in Stichpunkten vermerkt, erzählt Pepys ausführlich, was er gegessen hat und wie es ihm bekommen ist, was er an jenem Tag anhatte, Einzelheiten des Gegenübers, bevor Anlaß und Verlauf des Gesprächs überhaupt erwähnt werden. Seine Themen waren nicht philosophischer oder religiös-introspektiver Natur, sondern ganz und gar weltlich. Bei seinem Streben nach Höherem kam Pepys sich nämlich immer wieder selbst in die Quere, sehr zu seinem Verdruß, wie das Tagebuch bezeugt. Zwar gelobte er sich immer wieder, das Theater zu meiden, aber das war schnell vergessen: "Ganz gegen meine Natur und alle Vorsätze (so stark ist die Macht des Teufels über mich) ins Theater, wo ich die ,Lustigen Weiber von Windsor' sah, schlecht gespielt." Zu seiner großen Verwunderung stellt Pepys aber auch fest, daß Arbeit, die man gern verrichtet, zu den größten Vergnügen im Leben zählen kann; die Seiten vibrieren von sinnlichen Eindrücken. Geld ist eines der häufigsten Themen; wie man es verdient, vermehrt, verleiht und vor allem: wie man es ausgibt. Als er sein Tagebuch beginnt, besitzt Pepys kaum 25 Pfund; als er weniger als zehn Jahre später seine Eintragungen aufgibt, hat er ein Vermögen von zehntausend Pfund aufgehäuft.

Getragen wird die Lektüre von der überraschten, hochbeglückten Feststellung des Autors, daß es aufwärts geht mit ihm. Zu Beginn sind die Pepyses zu arm, um ihr Haus den Winter über zu heizen; gegen Ende desselben Jahres wehrt Samuel sogar das Ansinnen des Vaters ab, seine Schulden beim Sohn zu begleichen ("obwohl es mich später doch reute"). Pepys, der als Kind immerzu Schmerzen hatte und dem Tod häufig begegnet war, lebte für den Moment. Und er verstand es, dieses Lebensgefühl auszudrücken - als Glücksgefühl, wenn er früh am Morgen durch die stillen Straßen geht, als Ergriffenheit im Konzert oder als Begeisterung über eine gute Theateraufführung, als regelmäßige Vernarrtheit in neue Dienstmädchen. Ohne jede bescheidene Zurückhaltung erzählt Pepys auch vom Glück des Erfolgs, preist die eigene Kondition und Gesundheit, lästert über Bekannte und notiert Kurzurteile der Bücher, die er liest: "Dr. Fullers ,Würdige Männer Englands' gelesen. Sehr beunruhigt, daß er nichts über uns sagt."

Pepys berichtet, aber er erklärt nicht, weil ihn die Hintergründe der Ereignisse selbst nicht sonderlich beschäftigten. Er setzte seine Erfahrung in Beschreibung um, nicht in Analyse. Er nimmt es hin, daß seine Frau manchmal schlecht gelaunt ist, daß der König ermordet wird oder daß Bekannte an der Pest sterben. Ihn interessiert nur, was mit ihm zu tun hat; im wunderbar unwidersprochenen Selbstgespräch des Tagebuchs dreht sich die Welt nur um ihn. Seine Biographen haben immer wieder bemerkt, er habe mit dem Tagebuch Resümee ziehen, seine eigene Existenz wie auch die des Landes bilanzierend betrachten wollen. Selbst wenn dem so war, so hat doch die Gesamtheit des Werks dieses Unterfangen zunichte gemacht; bunter, ausschweifender und wechselvoller als das Leben von Samuel Pepys läßt sich keine Biographie denken. Gleichwohl war Pepys - und darin tatsächlich von einer gewissen Buchhalternatur - äußerst akkurat; seine Liebe zur Symmetrie zeigte sich unter anderem darin, daß er seine Bibliothek, die bei seinem Tod exakt dreitausend Bände umfaßte, der Größe nach ordnete. Ein ordentlich und sauber geführtes Tagebuch mochte ihm denn auch das Gefühl geben, ein ordentliches und sauberes Leben zu führen. Im Augenblick der Niederschrift muß Pepys eine Intensivierung seiner Gedanken, Gefühle und Erlebnisse empfunden haben. Daß ihm diese Selbstvergewisserung zur lieben Gewohnheit wurde, beweist auch, daß er sich nie über die Last beschwert, Tagebuch führen zu müssen.

Zu Beginn dankt Pepys Gott für seine Gesundheit, die ihm die gefährliche Nierensteinoperation wiedergegeben hatte - für ihn offenbar das bisher wichtigste Ereignis seines Lebens, das denn auch fortan jährlich mit einem Festessen begangen wurde. Bei erfreulichen Nachrichten wird ein beiläufiges "Gott sei's gedankt" eingeflochten, häufiger jedoch zeigt sich das schlechte Gewissen in einem floskelhaften "Gott verzeih's". Ansonsten verteidigte er seine "angeborene" anglikanische Kirche ohne Leidenschaft, war dem Puritanismus vom Temperament eher abhold, hörte aber gern Predigten, ging sogar, wenn er Zeit hatte, in mehrere Kirchen an einem Tag.

Am Ende seiner Tagebuchzeit war Pepys ein respektierter Schiffahrtsexperte mit einem aufwendigen Hausstand, eigener Kutsche und einem kleinen Heer von Bediensteten. Darin lag auch ein Problem, als Elisabeth nämlich im Herbst 1668 entdeckte, daß er ein Verhältnis mit der Hausgehilfin Deborah hatte. Pepys, die - oft begründete - Eifersucht seiner Frau gewöhnt, bedrückte derweil vor allem die Verschlechterung seines Augenlichts. Weil er fürchtete, zu erblinden, stellte er im Mai 1669 das Tagebuch ein - ein Gefühl, so schrieb er, als ginge er in sein Grab. Im selben Jahr machte das Paar eine Reise nach Holland, Flandern und Frankreich, wo sich Elisabeth ein Fieber holte, an dem sie bald nach der Rückkehr starb, neunundzwanzig Jahre alt.

Als wir ihn aus den Augen verlieren, beginnt für Samuel der erfolgreichste Teil seiner Laufbahn. 1673 wurde er ins Marineministerium versetzt und ins Parlament gewählt. Nach dem Ende des dritten holländischen Krieges setzte er sich für die Aufrüstung der Flotte ein. Doch just als er am höchsten Punkt seiner Karriere angekommen schien, holte ihn das Pech ein: Weil man ihn verdächtigte, Akten nach Frankreich geschmuggelt zu haben, saß er sechs Wochen lang im Tower. Erst 1684 wurde er rehabilitiert, als der König ihn zum Staatssekretär ernannte. Doch mit der Glorreichen Revolution und dem Sturz Jakobs II. war auch Pepys' Karriere vorbei. Während seine späteren Schriften - Aufzeichnungen über eine Reise nach Spanien und der Band "Memoirs Relating to the State of the Royal Navy" - nie wieder an die Brillanz seines Tagebuchs heranreichten, wuchs seine Bibliothek.

Claire Tomalin hält es für Pepys größte Leistung nach dem Verfassen des Tagebuchs, daß er sich dafür entschied, es zu erhalten. Nicht nur hat er seine sechs Tagebuchbände nicht zerstört, sondern sogar dafür gesorgt, daß sie eines Tages von der Nachwelt gefunden werden mußten. "Die Größe seines Lebens war bekannt, aber er sehnte sich danach, auch seine Kleinheit zu kommunizieren."

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr