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Behiye ist rebellisch, wütend, intelligent und unglücklich - auch wenn sie letzteres niemandem anvertrauen würde, ihrer überängstlichen Mutter nicht und schon gar nicht dem herrischen Bruder, der sie am liebsten in einer untergeordneten Frauenrolle sähe. Bis die 16jährige auf Handan trifft, die Schöne, die Strahlende, die Süße, der man alles verzeiht. Die Teenager sind voneinander fasziniert, es entspinnt sich eine ungestüme, intensive Freundschaft, mitten in der Metropole Istanbul. Jetzt scheint alles möglich. Sie wollen ein anderes Leben, als ihre Mütter es führen, und sie wollen weg aus…mehr

Produktbeschreibung
Behiye ist rebellisch, wütend, intelligent und unglücklich - auch wenn sie letzteres niemandem anvertrauen würde, ihrer überängstlichen Mutter nicht und schon gar nicht dem herrischen Bruder, der sie am liebsten in einer untergeordneten Frauenrolle sähe. Bis die 16jährige auf Handan trifft, die Schöne, die Strahlende, die Süße, der man alles verzeiht. Die Teenager sind voneinander fasziniert, es entspinnt sich eine ungestüme, intensive Freundschaft, mitten in der Metropole Istanbul. Jetzt scheint alles möglich. Sie wollen ein anderes Leben, als ihre Mütter es führen, und sie wollen weg aus diesem Land.Aber ihre Beziehung ist gefährdet. Handans Mutter, dem Wesen nach selbst noch ein Kind, wird eifersüchtig. Der junge Erim, stolzer Besitzer eines Mitsubishi Lancer, interessiert sich mehr für Handan, als Behiye es für richtig hält. Und schließlich wird ein gefährliches Spiel in Gang gesetzt, das zunehmend außer Kontrolle gerät.Eine rasante, wilde Geschichte von Freundschaft und Rebellion in Istanbul, vom Leben Jugendlicher in der modernen Türkei. Perihan Magdens Kultroman, von Kutlug Ataman verfilmt, ist in ihrer Heimat ein Bestseller.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.06.2008

Ich bin der getretene Hund, der nichts kapiert
Die türkische Bestsellerautorin Perihan Magden wird endlich auch für das deutsche Publikum entdeckt
Eine Leiche im Schilf. Eine im Bosporus. Eine im Belgradwald. Die Kehlen aufgeschlitzt. So beginnt Perihan Magden einen Roman über die Liebe. „Nein, über den Tod”, sagt sie. Über so verlogene und öde Dinge wie die Liebe schreibe sie nicht mehr. Tut sie natürlich doch. In „Zwei Mädchen”, ihrem Roman über Teenager in Istanbul, schreibt sie über die junge Studentin Behiye, die in Wut, Verzweiflung und Trauer zu ertrinken droht, bis ihr Rettung zuteil wird. Und Schönheit. Und Liebe. Das Skalpell in ihrer Tasche aber hält Behiye stets fest umklammert: ihr Schutz gegen die Welt. Gegen die Männer. Wer Macht hat, ist schlecht.
Perihan Magden lässt gerne Menschen sterben. Das ist so seit den „Botenkindermorden”, ihrem ersten Roman, in dem es über die Istanbuler heißt: „Diese stumme Zuversicht, man könne alles Böse durch hartnäckiges Schweigen vorüberziehen lassen, habe ich nie verstanden.” Perihan Magden ist eine zornige Frau. Es ist kein blinder, es ist ein  gerechter Zorn. Auf die Macht und ihre Diener. Auf die Gehirnwäscher. Die Vergewaltiger des gesunden Menschenverstandes. „Soll ich etwa nicht zornig sein an diesem Ort, wo alle so höflich, so milde, so liebenswürdig tun?” Nein, dies ist ein Ort, und dies sind die Zeiten, da eine zum Himmel schreien muss. Schon um selbst nicht durchzudrehen.
Einige halten Perihan Magden für die beste, auf jeden Fall aber die aufregendste Schriftstellerin der Türkei. Aber Magden schreibt nicht nur Romane, sie schreibt Kolumnen. Über die Sex Pistols. Über Vergewaltiger. Über die  türkischen Verfassungsrichter, die sie mit Nazijuristen vergleicht. Über Istanbuler Rapper. Über Schwule und Lesben. Über die Herren Kolumnistenkollegen („hirnlose Idioten”). Über die türkischen Männer („Muttersöhnchen”). Über die Armee: „Nein, meine Herren, nicht alle Türken werden als Soldaten geboren.”
Perihan Magden irritiert. Perihan Magden regt auf. Bewunderer wie Schmäher. Im „Sauren Wörterbuch” (Eksi Sözlük), der alternativen Kult-Enzyklopädie im türkischen Internet, sind ihr 31 Seiten gewidmet – Schriftstellerinnenrekord. „Egobombe”, schimpft sie einer. „Wäre sie jünger, ich würde ihr einen Antrag machen”, schwärmt ein anderer.
Perihan Magden schreibt in Radikal, der Frühstückslektüre der Istanbuler Intelligenzia. An guten Tagen haben ihre Kolumnen die gleiche Wirkung wie ein Glas Eiswasser, das einem ins Gesicht gekippt wird: Wacher geht nicht. Perihan Magden besitzt die Gabe, ihre Eruptionen in kurze, stählerne Sätze zu gießen, die herabsausen wie ein Fallbeil und ihre Muttersprache um geschliffene Gemeinheiten und geniale Sprachspielereien bereichern.
Spießrutenlaufen durch den Mob
Nicht nur Orhan Pamuk bewundert ihre scharfe Intelligenz, ihren Mut, ihren „dämonischen Witz”. Perihan Magden wird gefürchtet. Und geliebt. Und verfolgt. Im Moment hat sie ein knappes Dutzend Prozesse am Hals. Die eine Hälfte Beleidigungsklagen, die andere Hälfte politischer Natur. Sie stand vor Gericht wegen „Entfremdung des Volkes vom Militär”. Weil sie das Recht auf Kriegsdienstverweigerung eingefordert hatte. Jeder einzelne Verhandlungstag ist ein Spießrutenlauf durch einen hasserfüllten nationalistischen Mob. „Sie schreien, sie schimpfen mich Hure. Noch im Gericht. Und die Polizisten schauen zu”, sagt Perihan Magden. „Die vielen Prozesse sind wie unendliche Folter.”
Und trotzdem hält sie nicht still. Ist nach Morddrohungen nicht abgetaucht wie Orhan Pamuk, flüchtet nicht in harmlose Sufimystik wie Elif Safak. Gleich nachdem sie vom Vorwurf der Wehrkraftzersetzung freigesprochen wurde, schrieb sie eine neue Kolumne, Titel „Kriegsdienstverweigerung heute”. Prompt kassierte sie die nächste Klage. „Wäre ich eine Indianerin”, sagt sie, „mein Name wäre ,Der geprügelte Hund, der‘s nicht kapiert‘.” Perihan Magden ist aufgewachsen als Tochter einer alleinerziehenden Mutter. „Da war kein Patriarch in der Familie. Und mit elf Jahren dann besuchte ich das englischsprachige Robert‘s College. So entging ich der Militarisierung und der Gehirnwäsche des türkischen Systems.” Nach der Schule reiste sie fast drei Jahre durch Asien, studierte Psychologie, arbeitete in der Werbung und ging nach New York, bevor sie ihren ersten Roman schrieb. „Ich kann sonst nichts. Nicht mal Autofahren.”
Ihrem Spott entgeht keiner. Nicht die heilige Armee, nicht der Chefredakteur der mächtigen Hürriyet, nicht der berühmte Pianist, der wie so viele aus der Istanbuler Elite verkündet, er habe Angst vor der islamischen Regierungspartei AKP, sie treibe die Türkei zurück ins Mittelalter. „Diese sogenannten Säkularen. Die halten sich für die goldenen Herren des Landes. Die schauen auf die Anatolier in der AKP und sagen: ,WIR sind doch die schönen Türken. WIR gehen ins Ballett. WIR sollten regieren. Nicht diese Bauern. Wie können sie es wagen!‘ Also suchen sie Schutz bei der Armee.” Perihan Magden trägt kein Kopftuch. Sie glaubt nicht an Gott. Sie ist eine Linke. Eine Feministin. Und trotzdem stellt sie sich vor die Regierungspartei, die nun wegen angeblicher islamistischer Umtriebe verboten werden soll. „Weil ich Demokratin bin.” Wie viele Demokraten, Frau Magden, gibt es denn in der Türkei? Sie lächelt. „Vielleicht zwölf. So viele wie Jünger Jesu. Dann ziehen Sie noch Judas, den Verräter ab. Bleiben elf.”
In den „Botenkindermorden”, einem Roman, der ebenso Anleihen bei Raymond Chandler nimmt wie bei Franz Kafka, sagt einer zum Protagonisten: „Sie sind intelligent, misstrauisch und menschenscheu. Ihr Einsiedlertum macht Sie frei.” Perihan Magden hält sich fern von der Kaste der Kolumnisten und Politiker. „Dieser Brutkasten der Macht. Hocken alle zusammen und stecken einander an mit ihren Ideen wie mit Krankheiten.” Sie wird auch nicht mehr eingeladen. Jetzt, in dem Café, von dem aus man in den Bosporus spucken könnte, ist sie eine freundliche, witzige Gesprächspartnerin – aber wenn ihr Dummheit begegnet, speit sie Feuer. Das hat ihr den Ruf eingebracht, ein Drache zu sein. Auch bei Fans. „Manche schleichen sich an, fragen nach einem Autogramm  – und laufen dann so schnell sie können davon.”
Perihan Magdens Bücher sind in der Türkei Bestseller. Dem Suhrkamp-Verlag kommt das Verdienst zu, sie nun für Deutschland zu entdecken. Er bringt in diesen Tagen „Zwei Mädchen” heraus (Perihan Magden: Zwei Mädchen. Istanbul-Story. Aus dem Türkischen von Johannes Neuner. 327 S., 9,90 Euro), jenes Buch über die Liebe, das sie selbst für eines über den Tod hält. Ein starkes, atemloses Buch. In einem besonders maliziösen Kapitel stolpern zwei Jogger im Wald über eine Leiche. Ein goldenes Istanbuler Paar mit einem Golden Retriever, jung, schön, reich, das sich allen „Verlierern gegenüber maßlos überlegen, fit und schön fühlte”. Bis ihr stolz hechelnder Golden Retriever sie zu der Leiche führt – in wenigen Momenten bricht ob dieses Erlebnisses ihr ganzes Leben zusammen: „Sie weint und übergibt sich: zweieinhalb Jahre Arbeit für die Katz! Für dieses Jahr waren Hochzeit und Baby geplant. Jetzt wird sie nicht einmal mehr seinen Kopf streicheln können. Nicht seine Hand halten.” Vielleicht, sagt Magden, denke sie sich all die Morde aus, weil sie selbst keine begehen dürfe.
Perihan Magdens Geschichten kreisen um Istanbul. „Wir sind ein unabhängiger Staat. Wie Singapur”, sagt sie. „Ich bin keine Türkin, ich bin Istanbulerin.” Anstrengend ist das manchmal. 13, 14, 15 Millionen – wer weiß schon, wie viele Istanbuler es heute gibt? Zu viele, meint Magden: „Das ist wie im Aquarium. Irgendwann fangen die Fische an, einander aufzufressen.” Ihr jüngstes Buch („Mutter, wovor laufen wir davon?”) erzählt die Geschichte einer liebenden, zerrissenen Mutter und ihrer Tochter. Erst am Ende wird dem Leser klar, dass die Frau die ganze Zeit über einen Mord nach dem anderen begeht. „Zuerst hatte ich Angst, die Leute würden nach Parallelen mit meinem Leben suchen”, sagt Perihan Magden. „Aber das taten sie nicht.” Sie grinst: „Wie gut, dass kein Mensch Bücher liest in diesem Land.”
KAI STRITTMATTER
„Sie schreien, sie schimpfen mich Hure”: Die türkische Schriftstellerin Perihan Magden. Foto: Basso Cannarsa/Opale
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»Jeder Satz von Perihan Magden ist scharf wie ein Fallbeil.«
Karen Krüger, Frankfurter Allgemeine Zeitung