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Den Beginn der Automobilität markiert ein vulkanischer Super-Gau, der 1816/17 in Europa das Klima veränderte. Das fahrphysikalisch so einfache wie geniale Prinzip des Karl Drais - zwei Räder in einer Spur - war eine Antwort auf die Not der Menschen, die ihre Pferde schlachten und vor Hunger essen mussten.Die Erfindung der Draisschen Laufmaschine gilt als Urknall der Mobilitätsgeschichte, denn der Mensch setzte sich erstmals auf Maschinen statt auf Pferde. Eine mobile Avantgarde machte das muskelkraftbetriebene Zweirad populär und ebnete so den Weg für die weitere Entwicklung zu Fahrrad,…mehr

Produktbeschreibung
Den Beginn der Automobilität markiert ein vulkanischer Super-Gau, der 1816/17 in Europa das Klima veränderte. Das fahrphysikalisch so einfache wie geniale Prinzip des Karl Drais - zwei Räder in einer Spur - war eine Antwort auf die Not der Menschen, die ihre Pferde schlachten und vor Hunger essen mussten.Die Erfindung der Draisschen Laufmaschine gilt als Urknall der Mobilitätsgeschichte, denn der Mensch setzte sich erstmals auf Maschinen statt auf Pferde. Eine mobile Avantgarde machte das muskelkraftbetriebene Zweirad populär und ebnete so den Weg für die weitere Entwicklung zu Fahrrad, Motorrad, Automobil, Aeroplan.Was als biographisches Lesebuch über den Erfinder und 1849er-Demokraten Karl Drais beginnt, entwickelt sich nach seinem Bekenntnis zum imperativen Mandat zu einem unglaublichen Politkrimi.Diese Biographie bereitet nicht zuletzt wegen der bisher unveröffentlichten Bilddokumente und erstmals erschlossenen Quellen ein opulentes Lesevergnügen.Leseprobe: Wer immer nur mit den Scheuklappen der Gegenwart auf die Vergangenheit blickt, wird dort entscheidende Zusammenhänge verpassen. Dies ist der Hauptvorwurf gegen die "internalistische" Technikgeschichtsschreibung, die sich von Konstruktionszeichnung zu Blaupause zurückhangelt, ohne je einen Blick auf die Zeitumstände zu werfen. Ein Auto hat vier Räder? Ja dann sondern wir doch alles aus, was nicht vier Räder hat! Im Englischen werden solche Autoren, denen sich die Technikgeschichte als eine ständige Aufwärtsbewegung auf ein gegenwärtiges Ziel darstellt, treffend als "whig historians" bezeichnet, als Perücken-Historiker also und auch hierzulande ist solch verzopfte Technikgeschichte immer noch hoch im Schwange. Doch wer gewohnt ist, unter die Oberfläche zu schauen, erkennt in jedem frühen Automobil das Fahrrad wieder.
Autorenporträt
Lessing, Hans-ErhardProf. Dr. Hans-Erhard Lessing, Jahrgang 1938, habilitierte an der Universität Ulm und ist dort apl. Professor. Nach Laser-Grundlagenforschung u.a. im kalifornischen IBM-Labor San José wandte er sich der Technikgeschichte zu und wirkte als Hauptkonservator an Museen in Karlsruhe und zuvor Mannheim. Seither publizierte er zur Mobiltitätsgeschichte und deckte u.a. den Leonardo-Schwindel auf.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.2003

Die Erfindung von allem
Eine "ultimative Drais-Biographie" / Am Anfang war die Laufmaschine

Ein wenig erschöpft langt der Rezensent auf Seite 525 an. Da erblickt er auf der vorvorletzten von 527 Seiten ein Zitat von Arno Schmidt. Und mit einem Schlag wird ihm klar, warum ihn bereits einige hundert Seiten lang das merkwürdige Gefühl begleitet hat, dieses Buch schon einmal gelesen zu haben. Das ist tatsächlich nicht der Fall, und damit kein Irrtum aufkommt: Es soll hier nicht im geringsten angedeutet sein, die Monumentalbiographie, die Hans-Erhard Lessing über den Erfinder Freiherr Karl Friedrich Ludwig Christian Drais von Sauerbronn verfaßt hat, sei irgendwo abgeschrieben. Aber eine Maxime von Arno Schmidt zu einer Reihe von "Richtigstellungen" der gängigsten Fehlurteile über von Drais - die man alle längst auf den 500 Seiten zuvor zur Kenntnis genommen hat - läßt sogleich an Schmidts Fouqué-Biographie denken: enorme Materialfülle, ein Verfasser, der seinem Heros alles verzeiht und gegen alle polemisiert, die ihm das Leben schwer gemacht haben, kurzum eine Rehabilitation, nicht nur ein Lebensbericht.

Die Kernsubstanz der "ultimativen Drais-Biographie" des Mannheimer Technik-Historikers läßt sich auf etwa einer Seite unterbringen: Die Erfindung der Laufmaschine durch von Drais war der "Urknall der Automobilität", sprich der menschlichen Bewegung ohne Pferd. Ob Fahrrad, Motorrad, Auto, Eisenbahn oder Flugzeug, alle diese sind quasi Enkel des einspurigen Zweirads, das aus der Not geboren wurde: 1815 bricht auf den Sunda-Inseln der Vulkan Tambora aus, tötet 50 000 Inselbewohner und spuckt so viel Staub in den Himmel, daß auf der Nordhalbkugel im folgenden Jahr der Sommer ausfällt. Die Folge: Mißernten, Hungersnot, Pferde werden verspeist. Diese preisgünstig zu ersetzen ist die Idee der Laufmaschine.

Warum weiß man das nicht? Nun, von Drais, der nicht nur bei der Selbstbewegung ein erfinderischer Kopf war, genießt in Deutschland kein sonderliches Ansehen, weil er von monarchistischen Kreisen zu Lebzeiten und über den Tod hinaus gezielt lächerlich gemacht wurde. Der Grund dafür war seine politische Position im Vormärz und in der Badischen Revolution von 1849, als "Drais, Professor, Bürger und Mitglied des souveränen deutschen Volkes", seine Adelstitel ablegte. Daß aber die Entwicklungslinie von der Laufmaschine zum Automobil nicht längst so deutlich gesehen wird, wie sie Lessing uns skizziert, führt der Autor auf das etwa 50 Jahre währende Fahrverbot für Zweiräder zurück, das bereits 1817 einsetzte. Zu diesen Thesen kommen noch allerlei Trouvaillen wie der meist falsch angegebene Tag des ersten Ritts auf zwei Rädern, das Porträt, das den Erfinder und nicht, wie bis dato angenommen, seinen Vater zeigt, oder das gefälschte Fahrrad zwischen Zeichnungen von Leonardo da Vinci. Daß die mehr als 500 Seiten dennoch überquellen, daß keine ohne Illustration ist, daß vieles, was zitiert wird, auch in seiner originalen Gestalt abgebildet wird, hängt damit zusammen, daß der Autor eher ein Sammler zu sein scheint. So kann sich Lessing, wenn er etwa zwei offensichtlich gleiche, nur Varianten darstellende Flugblätter findet, die den Erfinder karikieren, keinesfalls mit einem begnügen: Beide müssen ins Buch, und beide erhalten den Eindruck "Nicht authentisch" wie mit dem Kinderstempel, damit nicht mal ein gewöhnlicher Bücherkopierer sie noch verwenden kann zur Herabsetzung des Freiherrn.

Diese von Wiederholungen nicht freie Fülle geht manches Mal auf Kosten der Struktur und der Übersichtlichkeit, die überdies konsequent der typographischen Schönheit geopfert wurde. Der gewichtige Band mit dem nach den Freunden der Automobilliteratur schielenden Titel - wobei die Einbandillustrationen sekundieren - ist nämlich ein ausgesprochen reizvoll aufgemachtes Technikbuch. Das "opulente Lesevergnügen", das der Leipziger Maxime Verlag verheißt, bekommt durch alle diese Eigenheiten streckenweise die Schwerverdaulichkeit von Gänsebraten: nicht, daß es einem nicht schmecken würde, aber das Gericht ist halt doch arg fett.

HANS-HEINRICH PARDEY

Automobilität. Karl Drais und die unglaublichen Anfänge. Von Hans-Erhard Lessing. Maxime Verlag, Leipzig, 528 Seiten, 32 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.06.2004

Wem Gott will rechte Gunst erweisen, dem schickt er einen Vulkanausbruch
Von der schweren Geburt des leichten Reitens auf zwei Rädern: Hans-Erhard Lessing beschreibt Leben und Werk von Karl Drais
Zweifellos war Karl Drais ein findiger Kopf, der sich an Schreib- und Stenografiermaschine, Geheimschrift, Büchern zur Volkserziehung und über binäres Rechnen sowie an einem Laufrad, seiner bekanntesten Erfindung, versuchte. Seinem Biografen Hans-Erhard Lessing reicht das nicht: Ihm gilt Drais als „größter Erfinder der Goethe-Zeit”, politisch verfolgter Demokrat, Begründer des individuellen Landverkehrs. Kurz: Drais war einer der Größten des Landes, das ihn, davon ist sein Biograf überzeugt, bis heute verkennt. Auf 528 reich bebilderten Seiten schreibt der Technikhistoriker gegen diesen Missstand an.
Lessings Arbeit ist Biografie, Technik-, Landes- und Mobilitätsgeschichte zugleich. So wenig der Struktur des Buches diese Vielschichtigkeit bekommt, so zwingend ist sie für den Autor, weil sie sein Werk legitimiert: Die Bedeutung, die Lessing Drais zuweist, erlangte der Forstmeister aus Karlsruhe als Techniker, der das Laufrad erfand. Der Einfluss, den das Laufrad als Vorläufer von Fahrrad und Automobil auf die Entstehung individueller Mobilität besaß, zeugt von der Wichtigkeit der Erfindung, mit der für Lessing erstmals das Umsteigen des Menschen vom Pferd auf ein mechanisches Fahrzeug gelang. Die Notwendigkeit einer neuen Drais-Biografie schließlich ergibt sich aus dem Befund, dass Drais nicht, wie bisher angenommen, Monarchist, sondern Demokrat war, dessen Lebenswerk die Badischen Monarchisten systematisch zerfledderten. Drais, so Lessings These, war bislang Opfer politischer Diffamierung, weshalb sein Platz in der Geschichte neu zu bestimmen sei.
Lessing verfolgt die Revision des Drais-Bildes mit Leidenschaft, die sich in seinem Buch in drei Besonderheiten niederschlägt: in der Aufmachung, im Duktus und in der Akribie der Recherche. Grafisch anspruchsvoll gestaltet, besteht es zu mehr als der Hälfte aus Bildern, Fotografien, technischen Skizzen oder nachgedruckten Dokumenten. Ob Briefe, Zeitungsartikel, Patentschriften, Bilder von Drais und seinen Gegnern: Lessing druckt sie alle, und was er nicht abbildet, zitiert er im Text. So ähnelt das Buch mitunter mehr einer Quellenedition als einer Monografie. - In flammender Polemik, die nichts gelten lässt, was dem Protagonisten des Buches schadet, richtet der Autor über Drais‘ Zeitgenossen und Biografen. „Gutachter überfordert”, schimpft er über Johann Gottfried Tulla, der Drais für seine Laufmaschine kein Monopol gewähren wollte, was selbstredend nicht an der Erfindung liegt, sondern „natürlich unausgesprochen zum Hintergrund hat, dass ein Staatsdiener gar kein Monopol bekommen soll”. „Märchenhafte Dummschwätzerei”, „groteske Philippika”, „ideale Gelegenheit für die futterneidischen badischen Beamtenadeligen, an dem Außenseiter ihr Mütchen zu kühlen”: nach Zitaten wie diesen und einigen gewagten Thesen schwindet das Vertrauen des Lesers in die Objektivität des Autors.
Dabei hätte Lessing derlei Rhetorik gar nicht nötig. Sein Buch besticht durch die fundierte Kenntnis technischer Zusammenhänge, die fleißige Recherchearbeit und das kombinatorische Geschick des Autors, dem es immer wieder gelingt, plausibel Kausalketten zu rekonstruieren, wie folgendes Beispiel belegt: Der Vulkanausbruch des Tambora auf den indonesischen Sunda-Inseln im Jahr 1815 bescherte der nördlichen Hemisphäre ein Jahr später einen Schneewinter, der die Ernten verhagelte. Getreide wurde knapp und teuer, Hunger herrschte, Pferde wurden verzehrt statt gefüttert. Jetzt reüssierte Drais nach zwei vergeblichen Anläufen mit seiner Laufmaschine, die schnelles Fortbewegen ohne Pferde ermöglichte. Die Obrigkeit indes verbot das neue Gefährt alsbald, und mit seinem Verschwinden verblasste der Name seines Erfinders.
Bei aller Kritik ist Lessing die bislang wohl umfassendste und fundierteste Drais-Biografie gelungen, die populäre Klischees entkräftet und weltweit den Voraussetzungen wie Folgen der Erfindung des Laufrads nachspürt. Sein Buch wird für die weitere Erforschung der Genese individueller Mobilität unverzichtbar sein.
THOMAS THIEMEYER
HANS-ERHARD LESSING: Automobilität. Karl Drais und die unglaublichen Anfänge. Maxime Verlag, Leipzig 2003. 528 Seiten, 32 Euro.
Karl Drais oder Das kentaurische Lebensgefühl der Moderne
Abb. aus d. bespr. Bd.
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn ist, so könne man wohl sagen, meint Rezensent Ernst Horst, Opfer eines Rufmordes geworden. Und Hans-Gerhard Lessing, berichtet Horst, unternehme hier nun die Rehabilitation dieses Erfinders und Pioniers des Automobils - in einem "schönen, reich bebilderten" Buch, an dem den Rezensenten außerdem "die Fülle des liebevoll aufbereiteten Materials" beeindruckt hat. So könne man hier nun erfahren, bereichtet Horst, dass Drais "sein Zeitfenster genutzt" hat, nämlich die Jahre 1815/16, als man wegen schlechter Ernten und Getreidemangel viele Pferde geschlachtet hatte - und in diesen Jahren Fahrzeuge erfunden hat, die nicht von Tieren, sondern von Menschen angetrieben wurden. Doch man stellte ihn als Versager und Spinner dar, berichtet Horst weiter, weil er sowohl bei den Monarchisten wie bei den Demokraten, obwohl selbst Demokrat, nicht gut gelitten war.

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