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Mürrische Wirte, falsche Wegbeschreibungen, unzugängliche Gaststätten mit großen bellenden Hunden, hintertriebene Schlachter, Autopannen oder eine Ehefrau mit schwachem Magen - nichts kann Steingarten aufhalten. Der Food-Kritiker der amerikanischen »Vogue« hat mit seinen Aufzeichnungen eines Gourmets einen Klassiker der humorvollen Literatur rund ums Essen geschaffen.

Produktbeschreibung
Mürrische Wirte, falsche Wegbeschreibungen, unzugängliche Gaststätten mit großen bellenden Hunden, hintertriebene Schlachter, Autopannen oder eine Ehefrau mit schwachem Magen - nichts kann Steingarten aufhalten. Der Food-Kritiker der amerikanischen »Vogue« hat mit seinen Aufzeichnungen eines Gourmets einen Klassiker der humorvollen Literatur rund ums Essen geschaffen.
Autorenporträt
Jeffrey Steingarten ist der gefeierte und gefürchtete Food-Kritiker der amerikanischen "Vogue". Seine Essays wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, sein erstes Buch "Der Mann, der alles isst " stand monatelang auf der "New York Times-Bestsellerliste". Wegen seiner Verdienste um die französische Gastronomie wurde Steingarten 1994 in Frankreich zum Chevalier ernannt. Er lebt in New York und brät dort mehrmals wöchentlich ein Hühnchen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.08.2006

Geschmacksunsicherheit vor dem Kaviar
In der Küche herrscht hier ein unersättlicher Drang nach Theorie: Jeffrey Steingarten verdrückt auch kulinarische Klischees

Jeffrey Steingarten ist ein Großmeister dessen, was man am besten mit "Kulinarische Kollisions-Literatur" bezeichnet. Während sich einerseits von Brillat-Savarin und anderen bis in die Gegenwart (zum Beispiel Franz Herre: "Der vollkommene Feinschmecker") eine Art gastrosophische Begleitung der Kochkunst erhalten hat, die gleichsam ausschließlich mit den sprachlichen Umrankungen der Kreationen besserer Köche befaßt ist, hat sich in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten eine deutliche Veränderung ergeben. Denker aller Art scheinen bemerkt zu haben, daß die intellektuelle Kapazität der Großmeister am Herd eher fachspezifisch im engeren Sinne ist und damit größere Betätigungsfelder brachliegen, die es mit der überlegenen Macht des Geistes zu beackern gilt. Zu den Protagonisten zählen Naturwissenschaftler wie Hervé This ("Rätsel der Kochkunst"), Harold McGee ("The curious cook"), Robert L. Wolke ("What Einstein told his cook") oder Thomas Vilgis ("Die Molekül-Küche"), auch Schriftsteller wie Julian Barnes ("Fein gehackt und grob gewürfelt").

Da die Meister des Geistes nicht unbedingt hervorragende Köche sind (wie das auch umgekehrt gilt), kollidiert Erklärungswut mit mangelnder Grundkenntnis der Materie, die bisweilen da gesucht wird, wo sie nicht ist (zum Beispiel bei diversen naturwissenschaftlichen Details), was beiden Seiten nichts ausmacht: Die Köche fühlen sich durch das hilflose Halbwissen nicht tangiert, und den Denkern bescheren sprachlich wunderschön ausgeschmückte Stolpergeschichten prächtige Umsätze.

Jeffrey Steingarten hat spätestens seit seinem Bestseller "Der Mann, der alles ißt" aus dem Jahre 2004 (ursprünglich 1997 unter dem Titel "The man who ate everything" erschienen) den Ruf, eine erfreuliche Ausnahme zu sein, bei der die von den Profis oft belächelte, verzweifelte Suche nach dem Stein der Weisen zu beachtlichen Ergebnissen führt. Der vorliegende Nachfolgeband kann das zum Teil bestätigen, zum Teil aber auch nicht.

Formal handelt es sich um eine Sammlung von Texten, die Steingarten in den Jahren 1988 bis 2004 in Zeitschriften veröffentlicht hat. Die Spannbreite reicht von der Suche nach dem besten Truthahn-Rezept ("Des Truthahns Kern") über einen Versuch zum endgültigen Pot-au-feu-Rezept ("Topfguckereien") bis zu Erlebnissen mit einem scharfen Spezialkraut ("Taro!Taro!Taro!") oder der Diskussion der besten Kaviar-Qualität ("Es muß auch manchmal Kaviar sein"). Wie üblich bei diesem Autor, ist das alles locker und amüsant geschrieben.

Es ist richtig, daß Steingarten "präzise beschreibt, was er sieht" (so Wolfram Siebeck auf dem Umschlagtext). Aber ist es wirklich von irgendeinem größeren Wert, wenn man in zermürbendem Umfang den sinnlosen Versuch erlebt, der Struktur eines guten Wassers auf die Spur zu kommen - inklusive hilfloser Experimente, Leitungswasser mit Hilfe von Chemikalien zu optimieren? Eine präzise Beschreibung kann nicht ohne Grundwissen existieren, weil ohne Ordnung zu viele Beobachtungen ohne Einordnung bleiben. Da läßt sich Steingarten über Kaviar aus und darüber, daß er nicht weiß, ob ihm der Sevruga oder der Beluga oder der Ossietra am besten schmeckt. Er schiebt es auf Tagesform und diverse Umstände jenseits des Objektes, die für die individuelle Einschätzung zuständig seien. Es ist falsch, diese Beobachtungen populistisch als etwas zu verkaufen, das alle Gourmets kennen. Tatsächlich ist der Vergleich zwischen Kaviarsorten so sinnvoll wie der zwischen Rotwein und Weißwein nach dem Motto "ich trinke lieber Weißwein", weil die Qualität wie bei einem Wein in entscheidendem Maße von individuellen Merkmalen in der Produktion abhängt, darunter vor allem die berühmten Selektionen der Kaviar-Häuser, die aus dem Grundangebot die unterschiedlichen Qualitäten bereitstellen.

Um im kulinarischen Sprachgebrauch zu bleiben: Steingarten hat Probleme, seine Gedanken "à point" zu bekommen. Sie sind zu weit durchgegart und treffen nur selten den Punkt zwischen zu wenig und zu viel. Überlegungen über die Reife von Obst in zwanzig Punkten mag man als Hardcore-Gourmet theoretisch sinnvoll finden. Bei Steingarten aber wird so etwas schnell zu einer geschwätzigen Demonstration.

Man braucht zum Genuß dieses Buches eine gute Portion Sprach-Masochismus. Steingarten bewegt sich oft in kulinarischen Klischees frankophiler Herkunft, die ihn zum Beispiel bei der Suche nach dem besten Pot-au-feu-Rezept zu einem völlig überdrehten Megarezept mit unendlich viel Arbeit bringen. Steingarten hat einen unstillbaren Drang zum Theoretisieren ohne Theorie. Das macht seine Texte für die Kenner der Materie schwierig, für die nur am Rande interessierten "Mitredner" unter Umständen attraktiv. Nicht, daß man bei ihm nichts lernen könnte. Die Fülle der Details ist überragend, und trotz einer gewissen Nähe zur amerikanischen Alltagskultur auch für Nicht-Amerikaner interessant.

Wer allerdings daraus lernen und sich nicht nur der unterhaltsamen Geschwätzigkeit ergeben will, sollte vorsichtig bleiben. Steingarten sieht die Kochwelt fast nie soziologisch oder psychologisch. Er bekommt auf diese Weise ein Problem mit Subjektivität und Objektivität. Das objektiv "Richtige" gibt es in diesem Fach nur in wenigen handwerklichen Aspekten - wenn überhaupt. Beiträge zur Objektivierung andererseits, also Versuche, in Kenntnis des weitgehenden Vereinbarungscharakters von kulinarischen Werten zu intersubjektiven Klarheiten zu kommen, sehen anders aus und sind viel bescheidener, als es die auf viele Europäer so gewinnend wirkende amerikanische Jovialität jemals sein wird.

JÜRGEN DOLLASE

Jeffrey Steingarten: "Der Mann, der alles ißt". Zweiter Gang. Rogner und Bernhard Verlag, Berlin 2006. 346 S., geb., 17,90 [Euro].

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