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Er diente dem deutschen Kaiser Wilhelm II. genauso wie den Reichspräsidenten Ebert und Hindenburg, er diente dem nationalsozialistischen Führer Hitler ebenso wie dem Kommunisten Ulbricht. Vincenz Müller brachte es vom Fahnenjunker im Ersten Weltkrieg zum Chef des Generalstabes einer Armee im Zweiten Weltkrieg und schließlich zum Chef des Hauptstabes im Range eines Generalleutnant in der NVA. Wer war dieser Vincenz Müller, der für die Verbrechen der Wehrmacht an der Ostfront mitverantwortlich war und sich dann zum Marxismus-Leninismus bekannte? Was bezweckte er mit seinen Geheimkontakten in den…mehr

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Produktbeschreibung
Er diente dem deutschen Kaiser Wilhelm II. genauso wie den Reichspräsidenten Ebert und Hindenburg, er diente dem nationalsozialistischen Führer Hitler ebenso wie dem Kommunisten Ulbricht. Vincenz Müller brachte es vom Fahnenjunker im Ersten Weltkrieg zum Chef des Generalstabes einer Armee im Zweiten Weltkrieg und schließlich zum Chef des Hauptstabes im Range eines Generalleutnant in der NVA. Wer war dieser Vincenz Müller, der für die Verbrechen der Wehrmacht an der Ostfront mitverantwortlich war und sich dann zum Marxismus-Leninismus bekannte? Was bezweckte er mit seinen Geheimkontakten in den Westen? Warum nahm er sich kurz vor dem Mauerbau das Leben? Peter-Joachim Lapp zeichnet die einzigartige deutsche Karriere nach und legt die erste umfassende Biographie über diesen Offizier in vier Armeen vor. Er hat dazu das gesamte verfügbare Archivmaterial ausgewertet und zahlreiche Zeitzeugen befragt, darunter mehrere, die erstmalig über ihre Erlebnisse mit Vincenz Müller berichten.
Autorenporträt
Lapp, Peter Joachim§Jahrgang 1941, aufgewachsen in Ost- und Westdeutschland, 1960-64 politischer Häftling in der DDR, Entlassung in die Bundesrepublik, Studium der Politikwissenschaften, des öffentlichen Rechts und der Soziologie in Hamburg, Dr.rer.pol., arbeitete 20 Jahre als Redakteur im Deutschlandfunk Köln.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.01.2004

Nazi und Kommunist
Die Karriere Vincenz Müllers: General bei Hitler und Ulbricht
JOACHIM PETER LAPP: General bei Hitler und Ulbricht. Vincenz Müller – eine deutsche Karriere. Ch. Links, Berlin 2003. 286 Seiten, 24,90 Euro.
„Bei diesem jungen Mann hatte alles bereits einen militärischen Charakter” – ein Satz aus dem Abiturzeugnis von Vincenz Müller aus dem Jahr 1913, der den Lebensweg des damals 19-Jährigen weitsichtig vorwegnimmt. Das Zeugnis ist eines von zahlreichen Dokumenten, das Joachim Peter Lapp für sein Buch „General bei Hitler und Ulbricht. Vincenz Müller – eine deutsche Karriere” akribisch zusammengetragen hat, um die vielleicht schillerndste Figur der deutschen Militärgeschichte möglichst genau nachzuzeichnen. Es ist das Leben eines Mannes, der nur eines wollte: die Offizierslaufbahn einschlagen und beim Militär Karriere machen. Das ist Müller gelungen – pikanterweise in zwei Diktaturen mit völlig konträren Ideologien. Müller war einer der ranghöchsten Generäle Hitlers und diente später – im „neuen Deutschland” – Ulbricht als General.
Wer war dieser rastlose, aufbrausende Bayer aus christlich-konservativem Elternhaus, der in jungen Jahren alles tat, „um den Krieg nicht zu verpassen”? Wer war dieser Mensch, der offenbar seine militärische Karriere mit menschenverachtender Politik verband und 1961 einen traurigen Tod starb? Der Journalist und DDR-Experte Peter Joachim Lapp beleuchtet die vielen Facetten von Müller. In jahrelanger Kleinarbeit durchforstete er Archive in Ost und West, befragte Militärhistoriker und Zeitzeugen, nahm Kontakt zu Familienangehörigen und Vertrauten Müllers auf.
Ein effektiver Soldat
Der General war, wie er schreibt, beides: „Täter und Opfer”. Täter wurde der Sohn eines Rotgerbermeisters aus Aichach ohne Zweifel – als äußerst effektiver Soldat des Nazi-Regimes. Für den Führer kämpfte er an der Ostfront und stellte Massaker, Vertreibung und Elend als notwendiges Übel dar – etwa 1941, als er bereits Stabschef der 17. Armee war. Sie sollte das „Unternehmen Barbarossa”, den Überfall Hitlers auf Russland vorbereiten. In ihrem Aufmarschgebiet erlebten, so Autor Lapp, Soldaten und Armeeführung „die menschenverachtende Rassenpolitik der Nazis aus nächster Nähe”; die Zwangsumsiedlung von Juden und Polen etwa aus Danzig-Westpreußen und Wartheland. Auch die Massaker an der jüdischen Bevölkerung von Lemberg im Juni 1941 sind ein düsterer Fleck in Müllers Leben. Zwar seien sie, so Lapp, erwiesener Maßen von den Sowjets verübt worden, die Wehrmacht habe aber den Pogromen Vorschub geleistet: „Wahllos wurden Frauen und Kinder zusammengetrieben und erschlagen. Der von der 17. Armee eingesetzte Stadtkommandant machte zunächst keinerlei Anstalten, diesem Treiben Einhalt zu gebieten”, schreibt Lapp.
Auch in der „Partisanenfrage” verhielt sich Müller absolut „führertreu”. Anhand von Dokumenten belegt Lapp, dass Müller einem Befehl Hitlers folgend, die Losung ausgibt, die „Banditen” sofort zu „vernichten”. Damit, so der Autor, habe Müller die Grenzen des Kriegsvölkerrechts wider besseres Wissen eindeutig überschritten.
In Lapps Buch kommt aber auch die „andere Seite” des Generals zum Tragen. Er beschreibt, wie Müller unermüdlich versucht, Zivilbevölkerung und Truppe zu schonen, sich um Untergebene kümmert, mit Vorgesetzten anlegt und als Militärpersönlichkeit eher im Kreise der späteren Widerständler des „20. Juli” anzusiedeln ist als in den Reihen der Nazi-Fanatiker, die ihre Kriegsführung ohne Rücksicht auf Verluste betrieben. Ob die Kapitulation Müllers im Juli 1944 Heldentat oder Opportunismus war, bleibt offen. Tatsache sei jedoch, so Lapp, dass die Lage der 17. Armee aussichtslos geworden war. Mit seinem Befehl, sich zu ergeben, habe Müller bis zu 50000 Menschen das Leben gerettet.
Allerdings rettete er – seit 1943 im Rang eines Generalleutnants und von den Nazis mit dem „Ritterkreuz” hochdekoriert – damit auch sein eigenes Leben. Schließlich musste dem „brillanten Denker und Strategen” klar sein, was ihn als General an Hitlers Seite nach dem Krieg erwarten würde. Die „Fahnenflucht” Müllers ist gleichzeitig der Beginn einer neuen Karriere – auf kommunistischer Seite. Unmittelbar nach seiner Gefangennahme bemühte er sich um Kontakte zum „Nationalkomitee Freies Deutschland” und zu einflussreichen Sowjetgenerälen. Sie waren interessiert an dem begabten Militärfachmann aus dem Westen, und so stellte Generalleutnant Lew S. Mechlis General Müller eine Erfolg versprechende Zukunft in Aussicht. Innerhalb nur weniger Tage vollzog er den Seitenwechsel zum früheren Todfeind. Noch im August 1944 trat Müller dem Bund Deutscher Offiziere und dem „Nationalkomitee Freies Deutschland” bei. Er „opferte” sogar seine christlichen Überzeugungen, indem er sich – passend zum neuen Regime – als „glaubenslos” bezeichnete. Dass Müller jemals überzeugter Kommunist war, bezweifelt der Autor. Vielmehr habe er einen „dritten Weg” verfolgt. Die Wiederherstellung Deutschlands sei ihm das wichtigste Anliegen gewesen.
Eine zweite Karriere gelang dem General jenseits des „Eisernen Vorhanges” jedoch nicht wirklich: Als hoher Funktionär bei der National-Demokratischen Partei Deutschlands (NDPD), als Generalleutnant der Kasernierten Volkspolizei ab 1952 oder zuletzt als Chef des Hauptstabes der Nationalen Volksarmee (NVA) und stellvertretender Verteidigungsminister der DDR war er zwar anfangs geachtet, wurde aber ab Mitte der 50er Jahre immer mehr in die Bedeutungslosigkeit gedrängt. In Ost und West bespitzelt, selbst MfS-Informant, gesundheitlich zermürbt und wegen seiner zahlreichen Affären und einer Langzeit-Geliebten verstrickt in den Selbstmord seiner Ehefrau, stürzte sich Vincenz Müller am 12. Mai 1961 schließlich selbst vom Balkon seines Hauses in Berlin-Schmöckwitz in den Tod.
Peter Joachim Lapp hat es geschafft, aus diesem schwierigen Stoff ein äußerst lesenswertes Buch machen. Es ist ihm – manchmal vielleicht zu detailbesessen – gelungen, die Lebensgeschichte Müllers abgewogen darzustellen und dem Leser nebenbei deutsche (Militär)-Geschichte zu vermitteln.
AGNES STEINBAUER
Der Russland-Feldzug: Vincenz Müller hat ihn als General der Wehrmacht mit vorbereitet. Später wechselte er die Seiten und wurde Vize-Verteidigungs-minister der DDR. Fotos: SZ-Archiv
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Agnes Steinbauer hat über dieses Buch, in dem der Journalist Joachim Peter Lapp den Wehrmachtsgeneral Vincenz Müller porträtiert, der nach einer steilen Karriere bei den Nazis, auch in der DDR als General weiterwirkte, nur Gutes zu sagen. Die Rezensentin hebt die "akribische" Quellensuche des Autors hervor und findet, dass es Lapp gelungen ist, das Leben der "vielleicht schillerndsten Figur der deutschen Militärgeschichte" überzeugend vor Augen zu führen. Dabei gelinge es ihm, ausgewogen und vorurteilsfrei über den General zu informieren ohne seine Mittäterschaft unter den Nationalsozialisten zu beschönigen, so die Rezensentin angetan. Steinbauer sieht beim Autor einen gewissen Hang zur Detailbesessenheit, doch kann das ihrer Bewunderung, aus diesem "schwierigen Stoff ein äußerst lesenswertes Buch" gemacht zu haben, keinen Abbruch tun.

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