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Die Wissenschaft vom Untergang Len Fisher über die Frühwarnsignale der Natur, um Katastrophen vorherzusehen - und wie die Wissenschaft sich diese für uns Menschen nutzbar macht. Ob Weltuntergangsszenarien, biblische Strafen oder Naturkatastrophen: Schon immer hatte der Mensch Angst vor schrecklichen Ereignissen und den Wunsch, sie vorherzusehen. Und während wir früher den Rat von Schamanen und Propheten suchten, vertrauen wir heute auf die moderne Wissenschaft. Nur: Gibt es wirklich Frühwarnsignale für Veränderungen in ökologischen, geologischen und anderen Systemen, die wir erkennen und durch…mehr

Produktbeschreibung
Die Wissenschaft vom Untergang Len Fisher über die Frühwarnsignale der Natur, um Katastrophen vorherzusehen - und wie die Wissenschaft sich diese für uns Menschen nutzbar macht. Ob Weltuntergangsszenarien, biblische Strafen oder Naturkatastrophen: Schon immer hatte der Mensch Angst vor schrecklichen Ereignissen und den Wunsch, sie vorherzusehen. Und während wir früher den Rat von Schamanen und Propheten suchten, vertrauen wir heute auf die moderne Wissenschaft. Nur: Gibt es wirklich Frühwarnsignale für Veränderungen in ökologischen, geologischen und anderen Systemen, die wir erkennen und durch die wir die Katastrophe eventuell verhindern können? Fundiert und anschaulich geht der Wissenschaftler Len Fisher der Frage nach, inwieweit man Katastrophen vorhersagen kann. Das Orakel von Delphi oder Sonnenfinsternisse im Mittelalter dienten ebenso zur Vorhersage wie die Naturwissenschaft, die mit verschiedenen ...
Autorenporträt
Len Fisher ist ein erfolgreicher Wissenschaftspublizist und Autor zahlreicher Bücher, von denen einige auch ins Deutsche übersetzt sind, etwa Reise zum Mittelpunkt des Frühstückseis (dessen Original vom American Institute of Physics zum Best Popular Science Book gekürt wurde) und Der Versuch die Seele zu wiegen. Der ausgebildete Physikochemiker hat an der CSIRO Division of Food Research in Australien, am Physiologischen Labor der Cambridge University, an der Anatomieabteilung des University College London sowie an der University of South Australia geforscht und ist gegenwärtig Gastforscher an der University of Bristol in England. Er lebt in Wiltshire in England and Blackheath in Australien.
"Meine Bücher", so schreibt er, "sollen den Menschen helfen, die Welt durch die Augen des Wissenschaftlers zu sehen und zu verstehen. Dazu verwende ich gerne eine gute Prise Humor, Anekdotisches und persönliche Geschichten der Forscher. Die Grundauffassung aller Wissenschaftler ist, dass die Welt nicht nach dem gesunden Menschenverstand funktioniert. Sobald man dies einmal verstanden hat, kann man die Erkenntnisse der Wissenschaft mit Freude verfolgen, ohne selbst Wissenschaftler sein zu müssen. Ich sähe die Wissenschaft gerne als selbstverständlichen Teil unserer Kultur, auf einer Ebene mit Religion, Literatur, Philosophie und Kunst eben als eine Möglichkeit, die Welt zu betrachten und zu erkennen."
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2011

Die interessanten Systeme sind leider selten stabil
Katastrophen im Blick: Len Fisher versucht die Theorie komplexer Systeme für den Alltag in Anschlag zu bringen

Viele Katastrophen kündigen sich durch Warnsignale an, doch das wird uns leider oft erst im Rückblick klar. Jahrtausendelang haben Menschen nach verlässlichen Hinweisen auf bevorstehende Großereignisse gesucht, doch weder Orakel noch Sonnenfinsternisse erwiesen sich als hilfreich. Selbst mit dem seit langem beobachteten merkwürdigen Verhalten von Tieren ist es so eine Sache: Wer würde die Evakuierung einer Stadt anordnen, nur weil sich ein paar Kröten davonmachen? Den Opfern des Erdbebens im italienischen L'Aquila hätte es freilich das Leben gerettet.

Doch jetzt, verspricht der Wissenschaftsautor und Ig-Nobelpreisträger Len Fisher, wird alles besser. Nicht etwa wegen der Kröten: Um eine Beziehung zwischen deren Verhalten und Veränderungen in der Umwelt feststellen zu können, müssten wir diese Veränderungen messen können. Und könnten wir sie messen, brauchten wir die Tiere nicht mehr, um sie anzuzeigen. Und auch ohne Kröten könnten wir uns dank universeller Frühwarnsignale und leistungsfähigerer Computer "am Samstagmorgen auf Probleme vorbereiten, die erst am Montagmorgen anstehen", egal, ob sie die Klimaerwärmung betreffen, den Finanzmarkt oder persönliche Beziehungen.

Ein großer Anspruch. Leider lässt der Autor die etablierte Katastrophenforschung größtenteils außen vor und konzentriert sich stattdessen auf die mathematische Theorie der komplexen Systeme. Auf der richtigen Abstraktionsebene betrachtet, sind auch Ökosysteme, Finanzmärkte, das Immunsystem, Eisenbahnbrücken und zwischenmenschliche Beziehungen komplexe Systeme. Sie teilen eine Reihe von Eigenschaften, die es schwermachen, ihr Verhalten vorherzusagen. Vor allem, betont Fisher, können komplexe Systeme plötzlich von einem Zustand in einen anderen umschlagen, und dieser Übergang erfolgt nicht linear. Will sagen: Man kann eine ganze Weile auf seinem Stuhl herumkippeln, wenn man es übertreibt, findet man sich ganz schnell auf dem Boden wieder. Solche kritischen Übergänge seien typisch für Katastrophen: Ein Teich wird plötzlich trüb, eine Population bricht zusammen, ein Stahlträger reißt, ein Stuhl kippt.

Ein natürliches Gleichgewicht, das Ökosysteme, Aktienmärkte oder demokratische Systeme stabil hielte, ist nur ein Wunschtraum: Das ist die wichtigste Aussage in Fishers Buch. In jedem komplexen System kann es durch Beschleunigung, Dominoeffekte, Kettenreaktionen oder Rückkopplung zu einem instabilen Zustand kommen, in dem der berühmte Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt.

Mit der Theorie der komplexen Systeme glaubt Fisher Katastrophen aller Art im Griff zu haben. Er unterscheidet mit dem Mathematiker René Thom sieben mathematische Grundtypen von Katastrophen, deren "direkte Beziehung zu unserem Alltag" er aus dem Vorkommen ähnlicher Muster ableitet. Spitzen-, Faltungs-, Schmetterlingskatastrophen und ihre Verwandten zeigen nach Fisher, was genau passiert, wenn ein System von einem Zustand in einen anderen umschlägt. Genau das aber demonstriert sein Buch leider nicht. Es handelt von den Eigenschaften mathematischer Modelle statt von der Struktur konkreter Katastrophen. Da gibt es keinen Unterschied zwischen dem Sturz eines Skifahrers, dem Erdbeben von L'Aquila und dem Börsencrash. Alles landet in einem Topf - als hätte die Katastrophenforschung solche Ereignisse niemals mühsam auseinandersortiert.

Statt seine abstrakten Überlegungen zu konkretisieren, erzählt Fisher eine Reihe netter Geschichten. Er weist nach, dass Menschen nicht hellsehen können - wer hätte das gedacht? -, und beglückt den Leser mit bahnbrechenden Einsichten: Wer auf der Autobahn genug Abstand hält, verringert das Risiko von Massenkarambolagen.

Nützlicher, aber auch nicht gerade spektakulär sind seine Hinweise, wie man als Laie komplexe Modellrechnungen, die etwa die Stärke der Klimaerwärmung prognostizieren, kritisch beurteilen kann. Sind die Daten verlässlich? Kommen andere zum selben Ergebnis? Sind die Autoren renommiert? Wurde die Studie von Fachleuten begutachtet?

Als gäbe es keine Risikoforschung, erklärt Fisher, es gehe darum, Signale zu erkennen, die in ihrer kumulativen Wirkung zu Katastrophen führen könnten, für sich genommen aber leicht zu übersehen seien. Es gelte zu überlegen, welche Situationen Unternehmen, Beziehungen oder Gesellschaften insgesamt gefährlich werden könnten, gezielt nach Hinweisen auf solche Situationen zu suchen, über die Ergebnisse zu kommunizieren und Pläne zu entwickeln, wie man ihnen begegnen könne.

Am Schluss identifiziert der Autor die wichtigsten Warnsignale für plötzliche Veränderungen: Anstieg von Belastung, Konzentration der Belastung auf Schwachstellen, Verlust von Elastizität, zunehmende Schwankungen und Extremzustände und die Entstehung ungewöhnlicher räumlicher Muster.

Bis zuletzt hofft der Leser noch auf konkretere Einsichten. Doch er muss sich selbst klarmachen, was etwa der unerträgliche Anstieg von Belastung in persönlichen Beziehungen bedeuten mag, um den behaupteten Nutzen der Theorie der komplexen Systeme für den Alltag unmittelbar einzusehen. So wirkt das Buch wie sein eigenes Vorwort, auf den Hauptteil wartet der Leser vergeblich.

MANUELA LENZEN.

Len Fisher: "Katastrophen". Wie die Wissenschaft hilft, sie vorherzusagen.

Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2011. 272 S., Abb., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dumm ist dieses Buch sicher nicht, aber zufrieden ist Rezensentin Manuela Lenzen damit auch nicht.  Sie wirft ihm Abstraktheit vor. Mag ja alles sein, was Fisher über komplexe Systeme oder die sieben mathematischen Grundtypen von Katastrophen zu sagen hat, aber am Ende spreche er doch eher über die Eigenheiten eben dieser mathematischen Muster und nicht mehr über die "Struktur konkreter Katastrophen". Zumal Fisher bisherige Ergebnisse der Katastrophen- und Risikoforschung  ignoriere. Das ganze Buch lang wartet Lenzen, dass der Autor endlich zum Eigentlichen kommt - aber es kommt nicht. Eine ausbleibendes Ereignis kann auch eine Katastrophe sein.

© Perlentaucher Medien GmbH