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Warum existieren wir? - Neue Antworten auf die letzten fragen des Seins
«Um das Universum auf fundamentalster Ebene zu verstehen, müssen wir nicht nur wissen, wie sich das Universum verhält, sondern auch, warum. Warum gibt es etwas und nicht einfach nichts? Warum existieren wir? Warum dieses besondere System von Gesetzen und nicht irgendein anderes? Das ist die letztgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest. Wir werden versuchen, sie in diesem Buch zu beantworten.» Stephen Hawking
«Anregender und kühner hat man kaum je vom Universum und von seiner Entstehung lesen dürfen.» SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
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Produktbeschreibung
Warum existieren wir? - Neue Antworten auf die letzten fragen des Seins

«Um das Universum auf fundamentalster Ebene zu verstehen, müssen wir nicht nur wissen, wie sich das Universum verhält, sondern auch, warum. Warum gibt es etwas und nicht einfach nichts? Warum existieren wir? Warum dieses besondere System von Gesetzen und nicht irgendein anderes?
Das ist die letztgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest. Wir werden versuchen, sie in diesem Buch zu beantworten.» Stephen Hawking

«Anregender und kühner hat man kaum je vom Universum und von seiner Entstehung lesen dürfen.»
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
Autorenporträt
Stephen Hawking wurde am 8. Januar 1942 in Oxford geboren und ist am 14. März 2018 in Cambridge gestorben. Der Astrophysiker ist der berühmteste Wissenschaftler seiner Zeit. 1962 erfuhr der junge Student, dass er an einer unheilbaren Motoneuronen-Erkrankung litt und nur noch wenige Monate zu leben habe. Trotz dieser schrecklichen Diagnose setzte er seine Studien fort und ging an die Universität Cambridge, wo ihm freie Hand für seine einflussreichen Arbeiten insbesondere über Schwarze Löcher gegeben wurde. Dreißig Jahre lang, von 1979 bis 2009, war er "Lucasischer Professor für Mathematik" im Fachbereich für angewandte Mathematik und theoretische Physik, ein Lehrstuhl, den in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Isaac Newton innehatte. Für seine Beiträge zur modernen Kosmologie hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter 2009 die US Presidential Medal of Freedom und 2013 den Special Fundamental Physics Prize. Hawking war Mitglied der Royal Society und der US National Academy of Sciences.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.08.2010

Kein Schöpfer fühlt sich im Universum zu Hause

Warum gibt es etwas und nicht etwa nichts? Warum existieren wir? Warum gelten die uns bekannten Naturgesetze und nicht andere? In seinem diese Woche erscheinenden Buch "Der große Entwurf" wird der prominente Astrophysiker Stephen Hawking zum Philosophen.

Auf einer von den Jesuiten 1981 im Vatikan ausgerichteten Konferenz hielt auch der an den Rollstuhl gefesselte Kosmologe Stephen Hawking einen Vortrag. Er sprach unter anderem über die Möglichkeit, dass die Raumzeit endlich sei, aber keine Grenze habe, was bedeuten würde, dass es keinen Anfang, keinen Augenblick der Schöpfung gibt. Heute stellt sich für Hawking mehr denn je die Frage, ob das Universum eines Schöpfers bedarf, ob es sich denn nicht selbst geschaffen habe.

Die Antwort auf die Frage nach Gott sucht er in der Vereinigung von zwei voneinander unabhängigen Theorien, von denen eine - Einsteins allgemeine Relativitätstheorie - hauptsächlich die Makrowelt beschreibt, in der die von großen Massen bewirkte Krümmung des Raums tonangebend ist. Die andere - die Quantentheorie - beschäftigt sich dagegen mit der Welt des Allerkleinsten. Dort, wo eine riesige Masse auf engstem Raum vereint ist, also zum Beispiel kurz nach dem Urknall, reicht eine der beiden Theorien allein zur Beschreibung der Verhältnisse nicht aus.

Mit seinem Buch "Eine kurze Geschichte der Zeit" hat sich Hawking 1988 durch klare Worte weltweit eine große Fangemeinde geschaffen, der er - nach mehreren anderen Büchern - mit "Der große Entwurf" eine würdige Fortsetzung vorlegt. Zusammen mit dem Physiker Leonard Mlodinow führt Hawking mit einem genialen Gedanken in die Schwierigkeiten der Astrophysiker ein: Die modernen physikalischen Theorien lassen sich nicht mehr wie bei Newton auf das reduzieren, was man sieht. In der Quantenphysik trifft man auf Heisenbergs Unschärferelation, die besagt, dass man den Ort eines Teilchens, dessen Geschwindigkeit man genau gemessen habe - oder umgekehrt -, nur noch "unscharf" ermitteln kann. Und ein Teilchen, das sich eigentlich nicht von A nach B bewegen kann, tut es doch, indem es die trennende Barriere einfach "durchtunnelt".

Der klügste Schachzug Hawkings besteht darin, die Aussage des Welle-Teilchen-Dualismus zu verallgemeinern. Bekanntlich ist ein Photon, ein Lichtteilchen, mal tatsächlich ein Teilchen und dann wiederum nur eine Welle. Es gibt zwei unterschiedliche Beschreibungen, die nie gleichzeitig zutreffen und doch beide "richtig" sind. So müsse man sich das auch mit der sogenannten Theorie von Allem vorstellen, der die Physiker hinterherjagten. Der Physik sei es mit den Feldtheorien - der Quantenelektrodynamik etwa und der Quantenchromodynamik - gelungen, mehrere im heutigen Universum voneinander unabhängige Kräfte zu vereinen, die Gravitationskraft aber bleibe immer noch außen vor.

Mit einer Erweiterung des Standardmodells der Physik sei diese Vereinigung nicht möglich. Deshalb seien die Stringtheorien entwickelt worden, in denen Teilchen durch Strings (Saiten) abgelöst worden seien. Zwar könne keine der Stringtheorien alles erklären, aber mit der Vereinigung dieser Theorien in der sogenannten Superstringtheorie oder auch M-Theorie stünde wahrscheinlich schon die Theorie von Allem parat.

Ein Staubsaugervertreter hätte nicht besser argumentieren können. Denn der Hinweis auf den Welle-Teilchen-Dualismus klingt so überzeugend, dass alles Störende dabei leicht übersehen wird. Zum Beispiel, dass die M-Theorie in den vergangenen Jahren viele Anhänger unter den Physikern verloren hat. Solange die Theorie noch nicht weit genug untermauert ist, lässt sich über ihre tatsächliche Anwendbarkeit noch nichts Abschließendes sagen. Hawking hat sich auf ihre Seite geschlagen, aber das letzte Wort ist noch längst nicht gesprochen.

Ein anderer von Hawking genial in den Blickpunkt gerückter Aspekt betrifft den Weg, den ein Teilchen zurücklegt, das sich von A nach B bewegt. Aus quantenphysikalischer Sicht begibt sich ein und dasselbe Teilchen auf alle Wege gleichzeitig, aber mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten. Richard Feynman hat ein Verfahren entwickelt, diese zu ermitteln. Das Prinzip des Verfahrens muss Hawking und anderen Physikern zufolge in der Theorie von Allem auf das gesamte Universum übertragen werden. Es gebe wegen der vielen möglichen Pfade nicht nur eine einzige Zukunft für das Universum, aber mit jeder nur denkbaren Zukunft sei nicht mehr als eine Wahrscheinlichkeit verbunden. Ebenso wenig definiert ist, wenngleich aus etwas anderen Gründen, die Vergangenheit.

Mit einem Rückblick in die Geschichte der Astrophysik geht Hawking an die Frage nach dem Urknall heran. Die "Flucht" der Galaxien von der Milchstraße fort, die Edwin Hubble 1929 entdeckt hat, und die 1965 erstmals beobachtete Mikrowellen-Hintergrundstrahlung als Zeugin eines jungen Universums sind nur so zu verstehen, dass der Kosmos aus einer Singularität, dem sogenannten Urknall, hervorgegangen ist: Vor 13,7 Milliarden Jahren war das gesamte All gleichsam in einem Punkt mit unendlicher Masse vereint, und in dieser Singularität verlieren die heute bekannten physikalischen Gesetze ihre Gültigkeit.

Hier schlägt Hawkings große Stunde, denn die Urknall-Singularität ist von der physikalischen Beschreibung her den Schwarzen Löchern verwandt, mit denen sich der Kosmologe hauptsächlich beschäftigt hat. In der allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins, so Hawking, sei die Zeit trotz einer gewissen Vermischung immer noch vom Raum verschieden. Doch wenn man die Effekte der Quantentheorie in die Relativitätstheorie einbeziehe, könne die Krümmung des Raums in Extremfällen so stark sein, dass sich die Zeit wie eine andere Raumdimension verhalte. Wenn wir vom Anfang des Universums sprächen, müssten wir akzeptieren, dass es im sehr frühen Universum Zeit, wie wir sie kennen, noch nicht gab. Wenn in diesem Sinne kein Anfang existiert hätte, sei das Universum von den Gesetzen der Wissenschaft bestimmt und nicht von irgendeinem Gott angestoßen worden.

Und warum existiert das Universum, warum existieren auch wir? Hier greift Hawking letztlich auf die quantenmechanische Vorstellung vom wabernden Vakuum zurück, das anders als das "Nichts" des täglichen Lebens immerhin mit Energie geladen ist. Weil laut Einstein Energie gleich Masse mal Beschleunigung zum Quadrat ist, können Teilchen und Antiteilchen im Vakuum spontan entstehen und auch spontan wieder zerfallen. Spontane Erzeugung sei letztlich der Grund, weshalb etwas sei und nicht einfach nichts. Daher sei es nicht nötig, Gott als den ersten Beweger zu bemühen, der das Licht entzündet und das Universum in Gang gesetzt habe.

Am Schluss kommt Hawking noch einmal auf die M-Theorie zurück, die der einzige Kandidat für eine vollständige Theorie des Universums sei. Wenn sie endlich sei - und das gelte es noch zu beweisen -, dann sei sie das Modell eines Universums, das sich selbst erschaffe. Bei allem Optimismus in der sonstigen Darstellung sieht der Kosmologe, der für sich selbst interessante Antworten gefunden hat und sie auch überzeugend vorträgt, also recht deutlich seine Grenzen, weshalb es nicht überrascht, dass andere Astrophysiker ganz andere Modelle vom Universum entwickelt haben - einschließlich der Frage, was vor dem Urknall war.

Dahingestellt sei im Übrigen, ob die göttliche Schöpfung von der spontanen Entstehung unseres Universums tatsächlich ausgehebelt wird. Hawking gibt zu, dass er Fragen zu beantworten versucht hat, die traditionell für die Philosophie seien. Doch die Philosophie sei tot, sie habe mit den neueren Entwicklungen in der Naturwissenschaft, vor allem in der Physik, nicht Schritt gehalten. Jetzt seien es die Naturwissenschaftler, die mit ihren Entdeckungen die Suche nach Erkenntnis voranbrächten.

GÜNTER PAUL

Stephen Hawking und Leonard Mlodinow: "Der große Entwurf". Eine neue Erklärung des Universums. Aus dem Englischen von Hainer Kober. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010. 288 S., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.09.2010

Eine kurze Geschichte der Weltformel
Es gibt keinen Gott und die Philosophie ist tot – der Physiker Stephen Hawking schreibt über die Entstehung des Universums / Von Ralf Bönt
Stephen Hawking hat in seinem neuen Buch „Der große Entwurf“ gemeinsam mit seinem Koautor Leonard Mlodinow die Existenz Gottes widerlegt. Zu Hilfe nehmen sich die beiden Wissenschaftler die als „theory of everything“ schon länger bekannte Stringtheorie, die sich nun zur „M-Theorie“ gemausert hat, die gleich noch erklärt werden soll. Sie dürfte uns, so die beiden Autoren, bald die Weltformel liefern und braucht keinen Schöpfer mehr.
Stephen Hawking war Inhaber des Lucasischen Lehrstuhls in Cambridge. Sein Erfolg auf dem Buchmarkt kann mit Respekt allein aber nicht erklärt werden. Zu Hilfe kam dem Engländer neben der Thematik und der Qualität seiner Prosa, dass er gerade nicht dem Bild vom Genie entspricht, das Nietzsche einst entwarf. Das Verhältnis vom Autor zu seinen Zeitgenossen ist nicht das von stark zu schwach. Denn beeindruckend an Hawking ist sein freier Umgang mit seinem eigenen Bild in den Medien: Rollstuhl und elektronisches Sprechgerät nimmt er souverän für selbstverständlich. So einem Mann hört man gern zu. Dass Hirnphysiologen annehmen, Genie brauche prinzipiell zunächst eine Hirnleistungsstörung, die das ungewöhnliche Denken erzwinge, sei nur am Rande bemerkt.
Wo in seinem ersten Bestseller von der „kurzen Geschichte der Zeit“ gebändigte Eloquenz war, findet man in „Der große Entwurf“ schiere Brillanz. Mit traumwandlerischer Sicherheit umreißen Hawking und Mlodinow schon in wenigen ersten Sätzen die letzten Fragen. Die Philosophie erklären sie für tot, damit die Physik die Macht übernehme. Man kennt solchen Atem sonst nur aus Bekehrungstexten, deren sprachliche Ökonomie sich dem Mangel an Zweifeln verdankt. Das sieht aus wie Erhabenheit. Hawking und Mlodinow exekutieren ihr Programm denn auch mit ebenso viel Liebe und Wissen wie ohne Pardon. Zügig und von ihrer eigenen Brillanz auf dem Weg zur Erlösung getrieben, wird beweisen, dass quantisierte Uni- und Multiversen aus dem Nichts fluktuieren, ganz wie man es von virtuellen Teilchen kennt. Das Ganze, das Nichts und wir: ein Traum, der übrigens auch keinen Gott nötig hat, weil er ja aus dem Nichts kommt. Vielmehr gilt das anthropische Prinzip: Alles ist so, weil wir Zerbrechlichen hier sind. Vergessen sind die Kränkungen die Kopernikus, Darwin und Freud uns zugefügt haben. Das ist augenzwinkernd zu nehmen.
Hawking erzählt perfekt sortierte Anekdoten, wie jene von Johannes Kepler, der annahm, Planeten verfügten über Sinne, welche die Naturgesetze spürten. Sicher weiß auch er, was schon der Naturforscher Michael Faraday wusste: Dass Religion das Unkritisierbare ist. Das Geheimnis des Seins bewegt die Menschen. Deshalb schreibt Hawking ja darüber. Und er tut gut daran: Anregender und kühner hat man kaum je vom Universum und seiner Entstehung lesen dürfen.
Die Suche nach der Weltformel begann übrigens 1820 in Kopenhagen. Damals entdeckte der dänische Naturforscher Hans Christian Oersted während eines Versuches mit der von Alessandro Volta erfundenen Batterie zufällig, dass eine Kompassnadel reagiert, wenn man in ihrer Nähe einen elektrischen Strom anschaltet: Sie stellt sich senkrecht zum Stromkabel. Oersted schrieb sofort einen Bericht, der in Europa schnell bekannt wurde, obwohl er in Latein abgefasst war und öfters erst übersetzt werden musste. Überraschend war, dass hier zwei Erscheinungen der Natur – Magnetismus und Elektrizität – offensichtlich miteinander verschränkt waren. Nicht nur der große Charles Augustin de Coulomb war überzeugt gewesen, dass Magnetismus und Elektrizität zwei Flüssigkeiten seien, die einander nicht durchdrangen.
Oersteds Beobachtung firmierte fortan denn auch nicht als neue Harmonie, sondern als „Konflikt der Elektrizität mit dem Magnetismus“, bevor sie auf dem Gebiet der Naturkräfte den größten Paradigmenwechsel triggerte. Statt Beobachtungen in isolierte Vorgänge zu trennen, suchten André-Marie Ampère, Alexander von Humboldt und andere nun hektisch nach dem Gesetz, dass die gesamte Wechselwirkung als eine einzige erklärte. Es ging um die Formel, die alles beschreibt. Erfolgreich war der junge Laborhelfer Michael Faraday, der das Rätsel in den Sommerferien im Keller der Londoner Royal Institution löste und damit jene Theorie auf dem Weg brachte, die später als Feldtheorie des Elektromagnetismus triumphierte. Ausformuliert hatten sie Lord Kelvin und vor allem eine skurrile Figur namens James Clerk Maxwell aus Schottland. Die Theorie stützte sich auf Faradays Annahme, die Linien, die die Eisenspäne am Magneten bilden, markierten Kraftfelder und die Kräfte benötigen Zeit, um sich im Raum auszubreiten. Das Verhalten der Linien bei bewegten Ladungen hieß nun Elektrodynamik, und ihr sensationelles Nebenprodukt war das Verständnis des Lichts als Welle in diesen Linienfeldern. Sie löste die bis dahin sakrosankte Ansicht Isaac Newtons ab, Licht sei ein Teilchen.
Die Elektrodynamik war von nie gesehener Schönheit. Um 1890 herum galt diese erste Weltformel als „Ende der Physik“. Der Münchner Professor Philip von Jolly riet Heinrich Hertz, Max Planck und Albert Einstein gar vom Studium der Physik ab, da es nichts mehr zu entdecken gebe.
Aber kaum so gesagt kamen Zweifel auf. Der fehlende Nachweis des Äthers als Träger der Welle, der von Heinrich Hertz beobachtete und mit Wellen nicht zu erklärende foto-elektrische Effekt, und die Lichtgeschwindigkeit, die, egal wie man sich zur Lichtquelle bewegt, immer dieselbe ist, führten innerhalb von wenigen Jahrzehnten zu den Theorien der relativistischen Quantenfelder mit ihrer friedlichen Koexistenz von Welle und Teilchen. Zu ihnen gehört auch das heute gültige Standardmodell aller beobachteten Kräfte. Nach der Weltformel aber sucht man noch immer, was mit der Bühne der Welt zu tun hat: der Raumzeit.
Auch die Raumzeit hatte still und leise den Paradigmenwechsel vom Konstrukt aus starr getrennten Elementen zu größerer Lebendigkeit hinter sich. Betonte Gotthold Ephraim Lessing in „Laokoon oder die Grenzen der Mahlerey und Poesie“ Mitte des 18. Jahrhunderts noch, der Maler habe das räumliche gleichzeitiger Ereignisse festzuhalten und der Dichter die Bewegung der Körper im zeitlichen, so schrieb der Computerpionier Charles Babbage 1837 über den Schall, dieser treffe auf Atome, speichere dort seine Energie und erstelle dadurch ein Archiv alles jemals Gesagten. Lügen natürlich inklusive. Nun kommt endlich Gott ins Spiel: Der Allmächtige kann dieses Archiv immer lesen und wird jeden Mörder ausfindig machen, vom Ungläubigen ganz zu schweigen. Beinahe unbemerkt ist hier erstmals die Zeit zum Raum geworden, der Raum zum Speicher und Überwinder der Zeit.
Den nächsten Schritt machte der preußische Jurist Felix Eberty, indem er Babbages Überlegung auf das Licht übertrug. Der Mann im Mond sieht nämlich, dass Sie, verehrter Leser, sich vor einer Sekunde an der Stirn gekratzt haben, denn solange braucht das Licht bis zu ihm. Und jener Kollege auf der fernen Galaxie, beobachtet Sie bei dem, was Sie im letzten Jahr oder Jahrzehnt unternahmen. Schlimmer noch: Unterwegs ist jede Einzelheit gespeichert. Gottes Auge kann an diesen Lichtbildarchiven entlang fahren und jeden vergangenen Zeitpunkt aufsuchen. Eberty publizierte „Die Gestirne und die Weltgeschichte“ 1846 noch anonym, die kurze Abhandlung hat mit Hawkings neuem Buch seine begnadete Eleganz und den raschen Welterfolg gemein.
1923 erschien eine Auflage mit einem Vorwort von Albert Einstein, die den kritischen Geist lobt und die glückliche Beziehung zur Relativitätstheorie anmerkt. Höchst wahrscheinlich hatte er das Buch schon 1889 in Händen, als die Familie Einstein Schwabing zur ersten elektrischen beleuchteten Stadt der Welt machte, in der man vor lauter Licht jenen Nachthimmel nicht mehr sehen konnte, der den Menschen die Gottesfurcht einflößte. Später fiel es Einstein leicht, Raum und Zeit mit der kuriosen Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zusammen zu bringen: Er bog die Koordinaten einfach entsprechend hin.
Edwin Hubbles Beobachtungen der kosmischen Hintergrundstrahlung führten dann auf das heutige Modell des expandierenden Universums, das einmal sehr klein und heiß gewesen muss. Im Urknall freilich, bei unendlicher Dichte hört der Geltungsbereich der aktuellen Theorien auf. Das ist unbefriedigend. Und damit nicht genug: Wenn man sich über die mittlerweile noch schöneren Formeln beugt, um physikalische Aussagen über Teilchen auch lange nach dem Urknall zu machen, fühlt man sich, als stünde man in Unterhose mit rohen Eiern in der Hand auf der Kegelbahn. Viele Tricks sind nötig, um überhaupt etwas näherungsweise ausrechnen zu können, wenn ein Teilchen eine Masse hat. Die Masse ist seit Einstein die Ladung der Gravitation: An allen Ecken fehlt die Quantengravitation.
Hier kommt die neue M-Theorie zum Einsatz. Dabei steht M für Mutter oder für Mysterium oder für was-du-willst: So cool sind sie in Cambridge. Zufrieden stellt man fest, dass es in der M-Theorie nicht mehr nur Saiten und Membranen sind, mit denen man die einst problematisch punktförmigen und dennoch schweren, also mit Grundenergie ausgestatteten Elementarteilchen ersetzt hat. Dieses Konzept überzeugte viele Physiker ästhetisch nicht, obwohl es ein Graviton – das hypothetische Quantenteilchen der Gravitation – aus dem Hut zauberte. Aber nun ist die Einfachheit, die die Fans gerade so sexy fanden, dahin.
Früher waren auch schon zehn, heute sind elf Dimensionen der Raumzeit zur Konsistenz nötig. Das macht einem Physiker zwar keine Angst, denn beim Fernsehen haben wir ja auch nur drei: Höhe und Breite des Bildschirms und die Zeit, die wir beim Zuschauen gern vergessen. Man hätte aber irgendwann gerne mal einen Anhaltspunkt dafür, dass es diese weiteren Dimensionen auch wirklich gibt. Und dass man die bislang konkurrierenden fünf Stringtheorien als Teilmengen dabei hat, spricht weder zwingend für noch gegen die M-Theorie. Man weiß halt nicht, bis wann man sie so vereinfacht hat, dass man mit nur einer zu messenden Zahl alle anderen Phänomene der Natur ableiten kann. Vor der Entdeckung der Trägheit durch Newton oder Einsteins Äquivalenzprinzip, auch vor Faradays Einsicht in die Kraftentfaltung in der Raumzeit wirkt die M-Theorie im Moment aber wie Technophilie.
Schon in den wissenschaftlichen Arbeiten war Stephen Hawkings Stärke einen einmal eingeschlagenen Weg mit äußerster Konsequenz zu verfolgen. Natürlich ist das auch seine Schwäche. Wer im neuen Buch Informationen über den aktuellen Stand der Physik sucht, ist falsch. Andere Ideen wie Quantengruppen mit ihrer eleganten Symmetriebrechung oder Martin Bojowalds vor dem Urknall auf links gedrehtes Universum, kennt Hawking nicht. Vielleicht wäre gar ein anderes Wort als Quantisierung nach all den Jahrzehnten und der totalen Verschiedenheit von Relativität und Quantenfeldern angebrachter als die direkte Übertragung Feynmanscher Techniken, wie sie Hawking hier vornimmt. Die Raumzeit verhält sich schließlich zu den Quanten wie die Intelligenz zur Genetik: Wir verstehen wirklich nicht viel davon. Vielleicht stellen wir nicht mal die richtigen Fragen.
Dieses Versäumnis einem Buch wie „Dem großen Entwurf“ vorzuhalten, hieße freilich, das Bier der Mönche aus dem Weinglas zu trinken, nachdem man es wie ein Sommelier ins Licht gehalten hat. Die Autoren wägen nicht ab. Sie fragen nicht, ob es zwischen ganz nah am Urknall und dem Urknall selbst nur endlich viele andere Naturgesetze geben kann. Hawking stellt das Konzept der Weltformel, wie es seit Oersteds Entdeckung Mode wurde, nicht in Frage.
Aber auch wenn man die M-Theorie nicht wirklich verstehen kann, wie einst noch Ebertys Lichtbildarchive, liest sich „Der große Entwurf“ unbedingt mit großen Gewinn. Das liegt an der ungeheuren Eleganz, mit der die einzelnen Themen zum Leben erweckt werden. Selbst als Vielleser bekommt man äußerst selten solch ein literarisches Juwel vor die Augen. Allein das letzte Kapitel, das vom freien Willen und dem Naturgesetz handelt, ist ein meisterhafter Text, der in jedes Regal gehört. Am besten gleich neben andere heilige Schriften.
STEPHEN HAWKING, LEONARD MLODINOW: Der große Entwurf. Eine neue Erklärung des Universums. Aus dem Englischen von Hainer Kober. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010. 288 Seiten, 24,95 Euro.
Der Rezensent ist Schriftsteller und Doktor der theoretischen Physik. Sein letzter Roman„Die Entdeckung des Lichts“ ist vergangenes Jahr im DuMont Buchverlag in Köln erschienen.
Das Geheimnis des Seins
interessiert die Menschen
Vielleicht stellen wir nicht
einmal die richtigen Fragen
Literarische Brillanz, auch wenn
man die M-Theorie nicht versteht
Stephen Hawkings Erfolg hat auch damit zu tun, dass er so gar nicht dem Heldenbild von Nietzsche entspricht. Er demontiert dieses Bild vom Starken unter den Schwachen mit dem souveränen Umgang mit seiner eigenen Person in den Medien. Rollstuhl und Sprechgerät sind Selbstverständlichkeit. Foto: Murdo Macleod/Polaris
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ziemlich verärgert legt Tobias Hürter dieses Buch aus den Händen. Dass es als Schaukampf "Hawking gegen Gott" angepriesen wird, kann er noch als PR-Gag verkraften, aber dass sich Stephen Hawking mit der M-Theorie zum legitimen Nachfolger Albert Einsteins stilisiert, verübelt er ihm doch nachhaltig. Hürter hält auch nicht viel von der M-Theorie, sie ist seiner Darstellung zufolge so abstrakt und komplex, dass sie nicht nur nicht bewiesen ist, sie ist auch nicht einmal fertig formuliert. Aber es kommen mindestens 11 Dimensionen vor. Für den Rezensenten lassen sich so keine gehaltvollen Aussagen über die Welt und ihre Entstehung machen, und so sieht er das Buch auch näher als an der alles erklärenden Weltformel an der SciFi-Komödie "Per Anhalter durch die Galaxis", deren Supercomputer 7,5 Millionen Jahre an der Antwort auf alle Frage rechnete und die "42" ausspuckte.

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