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Escribiente
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Lübeck

Bewertungen

Insgesamt 5 Bewertungen
Bewertung vom 13.06.2010
Schneewittchen muss sterben / Oliver von Bodenstein Bd.4
Neuhaus, Nele

Schneewittchen muss sterben / Oliver von Bodenstein Bd.4


ausgezeichnet

Der Roman ist aufgemacht wie ein Bericht: Tag für Tag ist niedergeschrieben worden, was sich ereignet hat. Doch dies stets aus einer anderen Sicht heraus. Szenen werden kurz beleuchtet. Zu kurz, um sich ein exaktes Bild machen zu können. Es bleibt schemenhaft. Sachverhalte und Personen wechseln. Die miteinander verwobenen Geschichten müssen vom Leser schrittweise entwirrt werden. Dennoch ist das keine Last beim Lesen.
Nach und nach kommen aus dem Knäuel, zu dem die Autorin die Geschichte verquickt hat, einzelne Stränge zum Vorschein. Namen werden genannt, die sich aber auch verändern. Mögliche Verdächtige werden angedeutet. Die Fäden, die man entnehmen kann, werden länger. Die anfangs verworrene Geschichte nimmt aber immer wieder ungeahnte Wendungen. Es gibt einen „neuen“ Mordanschlag! Oder ist es nur ein Unglück, dass die Mutter des zweifachen Mörders von einer Brücke stürzt?
Diese Frage bleibt zunächst unbeantwortet. Der Faden bleibt im Knäuel. Trotzdem, die Geschichte nimmt Konturen an. Aber dennoch bleibt immer noch Einiges nebulös. Wie die Rolle von Thies, der autistische Sohn von Claudius Terlinden, der sein Anwesen auf dem Millionenhügel oberhalb des Dorfes Altenhain hat. Aber Thies spricht kaum. Scheint aber etwas zu wissen. Vertrauen hat er nur zu Amelie. Sie nennt Thies ihren Freund. Amelie ist siebzehn, ein wenig ausgeflippt. Um Geld zu verdienen arbeitet sie in der Dorfgaststätte „Schwarzes Ross“.
Weitere Namen tauchen wie aus dem Nichts auf. Weitere Tatmotive zum längst abgegoltenen Doppelmord werden angeführt.
Pia Kirchhoff, Kriminaloberkommissarin, recherchiert, wenngleich zunächst in einer anderen Sache, weil auf einem stillgelegten Militärflugplatz in der Nähe von Frankfurt eine weibliche, skelettierte Leiche gefunden wird. Oliver Bodenstein, ihr Chef, selbst voller persönlicher Probleme, steht ihr zur Seite.
Dann verschwindet Amelie. Alles deutet wieder auf Tobias. Er war bereits des Mordes an zwei Mädchen bezichtigt, hat dafür zehn Jahre abgesessen. Sein Vater betrieb die Gaststätte „Goldener Hahn“, die nun brach liegt und vernachlässig wirkt.
Brillant versteht es die Autorin überraschend immer neue Fäden aus dem Knäuel zu ziehen.
So nimmt der Zwillingsbruder von Thies, Lars, erfolgreicher Bankmanager, sich auf einem Waldparkplatz das Leben.
Der nächste Faden: Nadja, die Frau, zu der sich Tobias geflüchtet hat, und die er vertraut, lässt Beweismaterial verschwinden.
Claudius Terlinden sitzt derweil in Untersuchungshaft, genauso wie Manfred Wagner, der Vater eines der ermordeten Mädchen, deren sterblichen Überreste man gefunden hat, und die nun beigesetzt werden. Beide werden verdächtigt, mit dem Verschwinden von Amelie zu tun zu haben.
Welcher Faden wird als nächster aus dem Knäuel gezogen? Und wird es der sein, der zum Kern der Geschichte führt?
Überraschend dann, dass Lars in einem Abschiedsbrief schreibt, dass er Laura getötet habe – es wäre ein Unfall gewesen, teilt er Tobias mit. Doch gleichzeitig gestehen die ehemaligen Freunde von Lars, an dieser Sache beteiligt gewesen zu sein, sie berichten, das Mädchen vergewaltigt zu haben.
Das Knäuel ist fast abgewickelt. Es bleiben nur noch ein paar wenige Fäden übrig. Aber auch sie miteinander verwoben.
Die Ärztin, ebenfalls im Dorf wohnend, die sich bisher um Lars gekümmert hat, versucht ihren Mann, der der Unzucht mit Abhängigen bezichtigt wird, gar nicht erst zu decken.
Ein Testament taucht auf. Ist das des Rätsels Lösung?
Ein wunderbar verwobenen Krimi, der es wert ist, gelesen zu werden.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.01.2010
In weißer Stille / Kommissar Dühnfort Bd.2
Löhnig, Inge

In weißer Stille / Kommissar Dühnfort Bd.2


ausgezeichnet

Ziemlich harmlos beginnt die Geschichte. Mit einem Prolog wird sie eingeleitet. Die Bedeutung erschließt sich dem Leser erst ziemlich spät. Sie stellt gleichzeitig die Lösung dar, das Motiv. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg.
Zu Anfang könnte der Leser glauben, in einem falschen Film gelandet zu sein. Eine harmlose Familiengeschichte. Hochzeitstag. Gelöste Stimmung.
Doch dann schlägt das Schicksal zu – in diesem Fall die Autorin. Ein Toter wird entdeckt. In einem Wochenendhaus in der Nähe von München. Der Mann, ein pensionierter Kinderarzt, Dr. Heckeroth, wird mit Gürteln an einen Heizkörper gefesselt gefunden. Der Mann ist verdurstet. Raubmord, denkt die Polizei. Es fehlt allerdings ein Schlüssel zu diesem Wochenendhaus. Der Schlüssel, besitzt er eine Symbolkraft? Und der ermittelnde Kommissar, ein gewisser Dühnfort, fragt sich, warum dieser Mann so qualvoll und entsetzlich langsam sterben musste.
Die erwachsenen Kinder des Toten – zwei Söhne und eine Tochter – sind bestürzt über den Mord an ihrem Vaters, der seiner Frau ein paar Wochen nach ihrem Tod nun folgt.
Sehr detailliert beschreibt die Autorin die Romanfiguren, die vor den Augen des Lesers in ihrer gesamten Tiefe lebendig werden.
Da ist zum einen Sohn Albert, der wie sein Vater Kinderarzt wurde. Er ist der ganze Stolz des sehr gebieterisch herrschenden Vaters, der seinen zweiten Sohn, Bertram, nicht besonders anerkannte. Bertram, ein verhinderte Architekt, ist vorbestraft – Steuerhinterziehung. Seine Firma ging pleite.
Caroline, die Tochter, strebt einen Sitz im Vorstand ihrer Firma an. Doch auch sie wird von ihrem Vater nicht so anerkannt wie Sohn Albert, der Liebling des Vaters. Dafür kommt sie jedoch dem letzten Wunsch ihrer verstorbenen Mutter nach, das von der Mutter geschriebene Tagebuch zu vernichten – das heißt, es zumindest erst einmal zu finden. Abgründe tun sich auf, als sie beginnt, darin zu lesen. Sie erfährt Dinge, die sie besser nicht hätte erfahren sollen. Die Familie erscheint plötzlich in einem ganz anderen Licht. Auch der Vater steht nicht mehr so strahlend dar.
Immer mehr seltsame Dinge kommen ans Tageslicht. Sie geben aber gleichzeitig Rätsel auf. Auch, wer der Mörder des Vaters sein könnte. Bertram gerät ins Visier der Ermittlung, die Kommissar Dühnfort leitet.
Doch dann ist auch er tot. Erschossen. Was zunächst nach Selbstmord aussieht, stellt sich alsdann als Mord heraus. Allerdings fehlen Motiv und Täter. Doch Dühnfort glaubt, dass etwas an die Oberfläche drängt. Doch dieses Etwas bleibt schemenhaft.
Die Spannung bleibt lange erhalten, auch wenn der Leser (schon lange) glaubt, den Täter zu kennen. Die Autorin schafft es, stets neue Zweifel aufkommen zu lassen. Und sie kann glaubhaft darstellen, dass der Triumph der Macht, die der tote Heckeroth für sich reklamieren konnte, sich ins Gegenteil verkehrte.

Bewertung vom 04.11.2009
Kalter Süden
Marklund, Liza

Kalter Süden


ausgezeichnet

Ein Mord, journalistisch betrachtet
"Kalter Süden", der Titel fesselt. Spanien, "Nueva Andalucia", ein Stadtteil von Marbella, dem mondänen Ort an der Costa del Sol, das macht neugierig. Der Anfang, "Die Nacht war pechschwarz", scheint verlockend, motiviert zum Weiterlesen. Allerdings bricht dann das Geschehen nach drei Seiten urplötzlich ab. Und als nächstes kann man ein als Märchen getarntes Kapitel lesen. "Führer durfte nicht gestört werden", steht dort. Adolf Hitler in einem Krimi? Seltsam. Von einem schlossähnlichen Gebäude ist die Rede. Mystisches steht im Vordergrund. "Friedrichstraße" liest man weiter - Berlin? Natürlich Berlin! Aber warum? Dann ohne Vorankündigung eine "Eilmeldung" einer Presseagentur. Eine Generalstaatsanwältin beantragt ein Wiederaufnahmeverfahren in einem Dreifachmord. Eine Generalstaatsanwältin will dieses Verfahren, weil sie den Verurteilten für unschuldig hält? Seltsam.
Worum geht es nun tatsächlich, könnte die erste Frage lauten. Der unvoreingenommene Leser ist zunächst einmal irritiert. Vielleicht blättert er um, liest weiter, vielleicht eher pflichtbewusst als interessiert, schließlich hat er sich das Buch mit den fünfhundert Seiten ja gekauft. Aber nach wenigen Seiten – unbestreitbar, ein gewisses Interesse ist nun vorhanden – wird eine Kontur sichtbar, die Geschichte erhält eine Struktur. Die Story beginnt zu fesseln. Man glaubt, dass sich Fragezeichen aufzulösen beginnen. Nicht alle, nein, aber Vermutungen regen sich. Die anfängliche Kollage aus einem Einbruch im fernen Spanien, einem Märchen, einer Presseagenturmeldung und den beginnenden Recherchen durch Annika Bengtzon, der journalistisch „ermittelnden“ schwedischen Zeitungsreporterin, bekommt eine Bedeutung. Auch die Randereignisse fügen sich in das Geschehen ein. Es wird spannender. Auftauchende Figuren bekommen eine Bedeutung - zumindest glaubt man das zu ahnen. Spanien taucht also wieder auf. Annika Bengtzon wird nach Marbella geschickt, um im Mord gegen die Familie eines bekannten Eishockey-Stars zu recherchieren. Ja, recherchieren, ausdrücklich nicht ermitteln. Mit Gas ist die gesamte Familie umgebracht worden. Bis auf eine Tochter. Sie weilte zur Zeit des Anschlags nicht im Haus. Gilt nun aber als vermisst. Der Tatort: Eine Villa in „Nueva Andalucia“. Dieser Tatort und die Vialla, alles spielt eine Rolle. Welche? Annika Bengtzon beginnt zu recherchieren. Anders als es professionelle Ermittler tun geht sie vor. Aber beileibe nicht dilettantisch, oh nein, eben journalistisch professionell. Man könnte auch sagen, erfrischend anders, erfrischend professionell anders. Und da wir nun schon beim Klima sind, man spürt förmlich die spanische Wärme auf der Haut, das Salz des Mittelmeers auf den Lippen und den Wind aus der nahen Sierra Nevada kommend in den Haaren. Wunderbar. Eigentlich fehlt nur noch Churros, chocolate con churros. Und man muss bereit sein, sich in die Geschichte hineinfallen zu lassen, so wie man Churros in die dicke Schokolade tunkt. Man muss bereit sein, sich von der Erzählung tragen zu lassen. Schwer ist es nicht. Nun nicht mehr.

1 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.