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nicole carina

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Insgesamt 49 Bewertungen
Bewertung vom 28.07.2014
Der arme Konrad
Seibold, Jürgen

Der arme Konrad


ausgezeichnet

"Der Arme Konrad" war im Mittelalter sowas wie "Der Kleine Mann" heutzutage: jemand der sein Leben lang buckelt und doch nie auf den sprichwörtlichen grünen Zweig kommt. Im neuen Roman "Der Arme Konrad" von Jürgen Seibold wird auch schnell klar, woran das lag: Herzog Ulrich von Württemberg und sein Gefolge leben in Stuttgart ein aufwändiges Leben, das sich aus steigenden Abgaben der Landbevölkerung finanziert. Auch im Remstal kommt es deswegen zu Unruhen und schließlich formiert sich "Der Arme Konrad" zu einem landesweiten Aufstand gegen eine nimmersatte, arrogante Obrigkeit.

Was so plakativ in einigen Sätzen auf den Punkt kommt, ist Jürgen Seibold mehr als 500 Seiten wert: der Autor lebt im Rems-Murr-Kreis und setzte seiner Heimat mit den "Dorfgeschichten" ein kleines literarisches Denkmal. Tatsächlich wachsen einem die teils fiktiven, teils authentischen Bewohner des historischen Beutelsbach, Winterbach, Heppach und Schorndorf schnell ans Herz.

Der bauernschlaue und zuweilen doch sehr diplomatische Schultes und Gastwirt Heinrich Huetlin, die heilkundige Dora, die Bauern Hans und Vincenz Vollmar, vor allem aber der moralische Held der Geschichte Hannes Gais und seine Familie: Peter Gais, Vater und Tagelöhner sowie seine Frau Anna Gais sowie die Geschwister von Hannes. Klar, dass er das schönste Mädle aus Beutelsbach zur Frau nimmt, Katharina Schreiner, Tochter des wohlhabenden Wengerters Eberlin Schreiner. Viele der Figuren sind historisch überliefert, was den Geschichten einen herrlich wahrhaftigen Anstrich gibt.

Wie es vor der Industrialisierung nun mal so war, entwickelt sich das Leben langsam. Die Arbeit auf dem Feld und im Handwerk ist hart und alle sind froh, wenn sie abends mit vollem Bauch im Bett liegen. Die Mägde flirten mit den Gästen und ihren Chefs, Kinder werden geboren und viele sterben bald nach der Geburt, harte Winter raffen Alte und Kranke dahin, jeder Tag ist eine spannungsreiche Herausforderung. Doch es gibt auch schöne Momente: Hannes Liebe zu Katharina wird erwiedert, es gibt Dorffeste und gute Ernten und als die Dorfbewohner erfahren, dass die Kirche renoviert werden soll, rechnet sich jeder seine eigenen gewinnbringenden Perspektiven aus.

Als der Herzog die Daumenschrauben immer weiter dreht, bald Abgaben auf Metzgerei-Produkte fordert, neue Gewichte einführt und seine Jagdgesellschaften den Dorfbewohnern ständig neuen Schaden zufügen, gerät das bisherige Gleichgewicht aus dem Ruder: es kommt zu offenen Aufständen, bei denen sich plötzlich auch frühere Freunde feindselig gegenüber stehen.

Mit viel Liebe zum Detail und fundierten Kenntnissen blättert Jürgen Seibold ein Stück Zeitgeschichte auf, an das selbst im Remstal nicht viel mehr als der Jazzclub "Armer Konrad" erinnert. Um so schöner, dass sich hier ein Autor ausgiebig alten Schriften gewidmet und einem historischen Roman viel Herz und Lokalkolorit verliehen hat.

"Der Arme Konrad" verflicht eigentlich trocken datiertes Geschichtswissen mit persönlichen Schicksalen und offenbart die meist dialektischen Entwicklungen von Landespolitik und Bewegungen an der "Basis". Außerdem beweist Jürgen Seibold, dass gesellschaftlicher und politischer Wandel seinen Ursprung nicht nur in großen Metropolen hat. So gesehen ein Plot, der von seiner Grundstruktur ohne weiteres ins 21. Jahrhundert verlegt werden kann. Falls man das möchte. Schließlich hat die gute alte Zeit als Schauplatz von großen und kleinen Dramen ihren ganz eigenen Charme. Grade in Baden-Württemberg, gell?

Bewertung vom 06.05.2014
Deutschlands wilder Süden
Hutter, Claus-Peter;Braun, Andreas

Deutschlands wilder Süden


ausgezeichnet

Luchse, Wildschweine, Waldkäuze, Schluchten, Seen, Höhlen und dichte Wälder: der Süden Deutschlands hat mehr zu bieten als schnelle Autos mit Stern und Pferdchen. Andreas Braun und Claus-Peter Hutter sehen Baden-Württmeberg sogar als “Europa im Kleinformat. Außer Hochgebirge und Meeresküste gibt es hier alle Landschaftsformen”, so die Autoren des Buches “Deutschlands wilder Süden. Naturerlebnisland Baden-Württemberg”.

Tatsächlich entfaltet sich zwischen Jagst und Bodensee ein topografisch reizvoller Erlebnisraum, der als Ausflugs- und Urlaubsgebiet immer mehr begeisterte Anhänger findet. Los geht die bebilderte Rundreise mit spannenden Natur- und Kulturgeschichten aus Hohenlohe und dem Schwäbisch-Fränkischen Wald, einem vielfältigen Landschaftsmosaik mit wildromantischen Burgen und Schlössern, Weinbergen, dem lieblichen Taubertal und einem Tier, das sich in den vergangenen Jahren fast zum Wahrzeichen der Region entwickelt hat: dem “Mohrenköpfle”, das Landschwein der Schwäbisch-Hällischen Erzeugergemeinschaft.

Weiter geht die idyllische NaTour auf der Schwäbischen Alb: hier treffen Wandervögel auf Wunderhöhlen, weiden Schafe auf Heidelandschaften, erheben sich Burgruinen und imposante Felsen über grüne Täler und Höhlen locken zu spannenden Entdeckungen. Dass die schwäbische Alb einer der größten “Jurassic Parks” der Erde war, belegen zahlreiche Steinzeugnisse, die vom früheren Urmeer und von einer uralten Vulkanlandschaft erzählen. Willkommen zur geologischen Zeitreise durch Jahrmillionen.

Apropos Geologie: sie ist das Kriterium, nach denen sich Baden-Württemberg in sieben Naturräume einteilen lässt, deshalb gehts im Uhrzeigersinnn weiter an den Bodensee und nach Oberschwaben, einer Landschaft, die von der Eiszeit geformt wurde. Nirgendwo sonst im Ländle finden sich so viele “Wasser-Schilf- und Röhricht-Paradiese”. Unschätzbares Naturerbe, sehr zur Freude von Schilfrohrsänger, Moorfrosch und Klapperstorch. Auch der Biberacher Namenspatron – der Biber – fühlt sich im Biber-Süden wieder wohl, nachdem er so gut wie ausgestorben war.

Der fischreiche Bodeensee gilt als größter Trinkwasserspeicher Europas, ist Ankerplatz für zahlreiche Zugvögel und in weiten Teilen sogar UNESCO-Welterbe, nicht zuletzt der prähistorischen Pfahlbauten wegen, die sich gürtelförmig im ganzen Alpenraum finden lassen.

Der Schwarzwald mit seinen Gipfeln und Tälern ist dagegen Sinnbild für den deutschen Wald schlechthin, obwohl er größtenteils aus vergleichsweise jungen Fichtenmonokulturen besteht. Nachdem sich die Befürworter des Nationalparks Schwarzwald vor einigen Tagen endgültig durchgesetzt haben, werden sich einige Bannwaldgebiete in den nächsten Jahrzehnten wieder in echt wilde Natur verwandeln und noch mehr Pflanzen und Tieren einen geschützen Raum zum Leben bieten, darunter Auerhahn, Marder, Specht und Rothirsch.

Lust auf mehr? Dann nichts wie ab zum Oberrhein. Vor allem der Kaiserstuhl ist als mediterranster Fleck Deutschlands bekannt, kein Wunder gedeihen hier oechslereiche Spitzenweine. Vorletzte Station im Buch ist der Odenwald, wo Feuersalamander, Wasseramsel und der selten gewordene Distelfink durch romantische Bachtäler begleiten. An den Felsgengärten des Neckartals und den weiten Feldern der schwäbischen Gäulandschaften endet die Reise, im Anhang stellen die Autoren besonders reizvolle Rad- und Wanderwege vor, listen Internetseiten mit Infos zu den beschriebenen Naturparks und Landschaften, empfehlen Tourismus-Organisationen, Heimat- und Wanderverbände und portraitieren die Stiftung NatureLife-International.

Warum also in die Ferne schweifen, wenn es vor der Haustür soviel Beeindruckendes zu Entdecken gibt?

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Bewertung vom 06.05.2014
Das Riesling-Ritual
Ramge, Sigrid

Das Riesling-Ritual


ausgezeichnet

Selten hat mich eine Krimiautorin schon auf der ersten Seite so abgeholt wie Sigrid Ramge mit “Das Riesling-Ritual”: gute Recherche in lebendige Bilder verpackt, so entwickelt die Wahl-Stuttgarterin zwei stringente Handlungsstränge mit höchst vergnüglichen Querverbindungen!

Auf der “einen” Seite ermittelt Irma Eichhorn in Sachen Mord. Obwohl sie mit Hauptkommissar Peter Schmoll einen leitenden Vorgesetzten hat, spielt die radfahrende Kommissarin mit Herz die heimliche Hauptolle im Ermittlerteam. Nicht zuletzt weil auf der “anderen” Seite ihre Mutter in zig Taschendiebstählereien, einen Unfall mit Todesfolge sowie eine anfänglich recht fatale Liebesgeschichte verwickelt ist. Ihr Liebhaber streift nämlich nicht nur als geschickter Langfinger auf diversen Stuttgarter Festen rum, sondern wacht eines Morgens blöderweise neben einer weiblichen Leiche auf.

Und obwohl recht bald ein Geständiger im Gefängnis sitzt, ist der Fall noch lange nicht gelöst: durch einige rasante Kurven führen die Ermittlungsspuren direkt nach Bella Italia.

“Das Riesling-Ritual” lebt weniger von klassisch-authoritären Kommissars-Figuren und ausgetüftelten Strategien als von sympathischen Kommissaren im Dilemma von Schuld und Sühne, die zu äußerst differenzierten Ermessensspielräumen fähig sind. Auch die große Gesellschaftskritik sucht der begeisterte Leser beim Riesling-Ritual vergebens, trotzdem zeichnet Sigrid Ramge berührende Täter- und Sozialstudien. Als eventuelles Fazit bleibt die Erkenntnis, dass aus Porschefahrern arme Würstchen werden können, während auf Kleinkriminelle das ganz große Happy End warten kann.

So schmeckt fein ausgebauter, erfrischender Lese-Genuss!

Bewertung vom 27.04.2014
Zeuglesweber
Ebert, Ines

Zeuglesweber


ausgezeichnet

Beengte Wohnverhältnisse, Nahrungsknappheit, hohe Kindersterblichkeit, Arbeitstage mit 12 Stunden und mehr – auch in der “guten alten Zeit” war natürlich vieles gar nicht gut: Ines Eberts neuer Roman “Zeuglesweber” spielt um 1850, als der junge Bernhardt Schroth seine Lehrzeit als Weber an- und damit in die Fußstapfen seines Vaters und Großvaters tritt. Bei seinem Lehrherr in Lauterbach trifft ers gut: er bekommt genug zu essen, lernt sein Handwerk von der Pike auf und sein Lehrherr gibt ihm sehr umsichtig ein paar Lebensweisheiten mit auf den weiteren Lebensweg, der den Gesellen nach Stuttgart führt.

In der d’Amblyschen Korsettfabrik sattelt Bernhardt eine Ausbildung zum Korsettweber drauf und wohnt mit zwei weiteren Webern in einer Kammer bei einer geldgierigen Pensionswirtin. Als das Heimweh nach Heubach allzu groß wird, kehrt Bernhardt zum verwitweten Vater zurück. In der neu gegründeten Korsettfabrik findet Bernhardt eine Anstellung, auch der Vater blüht wieder auf und einige Jahre lang scheint das Glück vollkommen. Zwar erlebt die Korsettindustrie in diesen Jahren ein ständiges Auf- und Ab. Als Webstühle schließlich immer öfter durch Nähmaschinen ersetzt werden, ändert sich die Situation grundlegend.

Nicht nur wenn Ines Ebert die damaligen Szenarien an der Börse beschreibt, fühlt sich der Leser ganz nah am Protagonisten Bernhardt und seinen ständig lauernden Existenzängsten. Detailgetreu und sehr berührend beschreibt die Autorin das Leben einer Heubacher Weberfamilie, das Eng mit der Entwicklung der württembergischen Textilindustrie verknüpft ist. Hochzeiten, Sterbefälle, kleine und größere Familiendramen sowie der Bankrott der nahen Verwandschaft geraten dabei zu Nebenschauplätzen: das Leben im Sog der Industrialisierung duldet keine Rührseligkeiten, jeder muss schauen, wo er bleibt.

So leise der Historische Roman aus dem Silberburg-Verlag daher kommmt, so packend ist die Geschichte durch ihre fühlbare Authentizität: Vorbild für Bernhardt Schroth war der Ururgroßvater der Autorin und da Ines Ebert zudem in Heubach aufgewachsen ist, musste sie Straßen und Topografie der Umgebung nicht erfinden. Entsprechend realistisch zeichnet sie ein Bild zunehmender Verzweiflung, für die es scheinbar keine Alternative gibt. Dennoch hinterlässt einen “Zeuglesweber” nicht depremiert sondern eher bereichert.

Wer noch tiefer und hautnah in die Geschichte der Korsettweberei eintauchen mag, kann sich im Heubacher Miedermuseum umschauen: rund 150 Exponate dokumentieren 200 Jahre Mieder-Geschichte und Korsettweberei – nicht nur in Heubach.

Bewertung vom 20.04.2014
Stuttgart wimmelt
Krehan, Tina

Stuttgart wimmelt


ausgezeichnet

So um 1960 soll das erste Wimmelbilderbuch in Deutschland erschienen sein, dann wurden die gemalten, vor Details strotzenden Bilder eine Weile vergessen. Im digitalen Zeitalter erfreuen sich anklickbare Wimmmel-Suchbilder großer Beliebtheit. Jetzt bietet der Silberburg-Verlag mit “Stuttgart wimmelt” eine hübsche, gedruckte Alternative an, auf der es mit dem Zeigefinger viel zu entdeckten gibt!

Mama Nina, Papa Leo, Tom leben in Stuttgart und bekommen Besuch von Oma Paula und Opa Erich – gemeinsam mit Hund Theo und Ausreißer-Papagei Rufus gehts auf Besichtigungstour, quer durch die Stadt: Los gehts am umstrittenen Hauptbahnhof. Da steigen Leute in Züge ein und aus, ansonsten gehts hier vergleichsweise ruhig zu. Die “echten” Taxifahrer würden sich über so einen Tag sicher freuen. Dafür stellt Illustratorin Tina Krehan den Turm aus bunten Ritter-Sport-Schokotafeln in 3D an den Kiosk. Der ist normalerweise nur zweidimensional auf einem überlebensgroßem Stoffbanner in der Bahnhofshalle zu sehen und beschert der Waldenbucher Schoko-Manufaktur sicher eine Menge Umsätze.

Die nächste Szene spielt mitten im Herzen der Stadt, auf dem Schlossplatz: hier steigen Ballons in die Höhe, eine Stute grast im Schlossgarten, an der Siegessäule freut sich ein Hochzeitspaar, den Rasen bevölkern jede Menge Sonnenhungrige und Picknicker und Segway-Fahrer passieren den Brunnen, in dem ein paar Leutchen baden und prustend wieder auftauchen. Auch Hund Theo schüttelt sich das Brunnenwasser aus dem Fell.

Weiter gehts in die Markthalle: hier duftet es nach Delikatessen aus aller Welt und im Wimmelbuch rollen zudem jede Menge Äpfel durchs Bild. Theo flüchtet mit ein paar gemopsten Würsten im Maul und einer jungen Dame purzeln beim Zusammenstoß mit einem jungen Herrn vor Schreck die Kartoffeln aus der Tüte.

Ganz klar: die Wilhelma darf im Buch nicht fehlen! Als klassisches Wimmelbuch-Motiv macht sich einer der schönsten zoologisch-botanischen Gärten Deutschlands besonders gut. Affe, Tiger, Elefanten, Nashorn & Co. spielen, duschen oder beobachten die zahlreichen Besucher, die hier mit Kind und Kegel ein paar exotische Stunden erleben.

Der neu gestaltete Marienplatz ist in “Stuttgart wimmelt” zwar genau so belebt wie sein Vorbild im Stuttgarter Süden, sieht in Thea Krehan’s Illustration aber um einiges heimeliger aus als die betonierte Wirklichkeit. Eine wimmlige Flughafen- und eine feucht-fröhliche Volksfest-Szene machen die Bilderbuch-Stadtführung komplett. Dieser “Ausflug” über 16 dicke Pappseiten macht Lesern von 1 bis 111 Jahren Spaß.

Bewertung vom 09.04.2014
Mordsbrand
Baecker, Sybille

Mordsbrand


ausgezeichnet

Es gibt Buchtitel, die zünden einfach nur zwischen Ostalb und Bodensee so richtig gut! “Mordsbrand” von Sybille Baecker ist so einer. Während die Schriftsprache lediglich den “Mordbrand” kennt und damit Brandstiftung mit Todesfolge benennt, versteht der Schwabe unter “Mordsbrand” zudem ein ziemlich gewaltiges Feuer in der Kehle, das vor allem nach übermäßigem Alkoholgenuss auftritt und wie knisternde Feuerszungen nur durch jede Menge kühles Wasser gelöscht werden kann.

Weil es im neuesten Krimi der Ammerbucher Autorin nicht nur um die Leiche in einer abgefackelten Scheune, sondern auch um jede Menge Hochprozentiges geht, passt der Titel eben perfekt zu Andreas Branders fünftem Fall.

“Mordsbrand” ist der erste Krimi von Sybille Baecker, der vom Silberburg-Verlag heraus gegeben wird. Damit reiht sich die vielschichtige Story in die Reihe der beliebten Baden-Württemberg-Krimis ein und bereichert die Serie mit einem Kommissar, der als Whisky-Liebhaber nicht nur bierernst ermittelt, sondern deutlich mehr Humor hat als viele seiner Kollegen.

Zuerst scheint es keinen einzigen Hinweis darauf zu geben, wer der Tote in der Scheune ist und wer die Tat begangen hat, doch nach und nach verdichtet sich der Dunstkreis des Täters, sehr zur Freude von Andreas Brander, der im Zuge seiner Ermittlungen die eine oder andere neue Whisky-Spezialität von der Schwäbischen Alb kennen lernt.

Genau so schnell, wie das Karussell der Verdächtigen an Fahrt aufnimmt, steigert auch Branders Pflegetochter Nathalie die Dramatik ihrer Alkoholexzesse und verbalen Ausfälle, die eines Tages sogar Brandes besten Freund Karsten treffen, der zu allem Überfluss noch über einen Umzug nach Erfurt nachdenkt. Insgesamt gibt es im aktuellen Fall also Gründe genug, die den Kommissar nicht nur eine Nacht lang wach bleiben lassen, doch der humorvolle Beamte ist integer und standhaft genug, um mit Scharfsinn und Ausdauer ein Mosaiksteinchen ans andere zu legen und damit den Täter zu überführen und um mit Konsequenz und Einfühlungsvermögen auch privat die Wogen zu glätten.

Ein toller Silberburg-Einstand für Sybille Baecker, der ganz klar Lust auf mehr macht!

Bewertung vom 05.04.2014
Kleeorg ond Kleeopatra
Holtzwarth, Werner

Kleeorg ond Kleeopatra


ausgezeichnet

Vierblättrige Kleeblätter sind selten und bringen Glück, das weiß doch jedes Kind! Deshalb sind der dreiblättrige Kleeorg und seine dreiblättrige Gattin Kleeopatra völlig aus dem Häuschen, als der Nachwuchs mit einem Zusatz-Blatt das Licht der Welt erblickt.

Auch der Rest der Verwandtschaft – insgesamt 450 Kleeblätter – freut sich grün. Bloß dr bruddlige Kleeberhard mault au en dem Fall amol wieder omanander. Und damit sind wir beim Clou der Geschichte: “Kleeorg und Kleeopatra. S’Glick isch a Rendvieh” ist die schwäbische Variante von insgesamt zwölf Dialektausgaben, die verschiedene deutsche Verlage herausgeben.

Die schwäbischen, alemannischen und badischen Versionen erscheinen – na klar – im Silberburg-Verlag Tübingen und Autor Werner Holzwarth hat den geschwätzigen Kleeblättern ganz genau aufs Plapper-Mäulchen gschaut.

So leichtfüßig die kleine Geschichte daher kommt, so groß sind die Fragen zwischen den Seiten: “Gibt es geborene Glückspilze? Ist, wer Glück hat, glücklich? Bringt ein Glücksbringer auch sich selber Glück? Was ist das für ein Glück, wenn man »noch einmal Glück gehabt« hat, also nochmal davongekommen ist? Was ist Glück überhaupt?”

Jetzt dacht ich mir: so unterschiedlich könned die drei schwäbische Dialekte jo ned sei. Aber wo der Schwabe “Pfeifedeckel” sagt, entfährt dem “Badenzer” ein “Ferz mit Krigge”. Und beim Befehl “Schluss mit denne Händel” reichen dem Schaben ganze vier Wörter, während der Oberschwabe drei mehr braucht und deutlich mehr “Ä’s” im Repertoire hat. Der Alemanne sagt in so einem Fall nämlich: “Häre sofort mit däre bleede Stritterei uff!”

Ob sich jemand für “‘s Glick isch a Rendvieh”, für “E Gschicht vom Glück” oder für “Ä Gschicht vom Glick” entscheidet bleibt der persönlichen Vorliebe und wahrscheinlich noch mehr der eigenen Mundart überlassen, fest steht: die dialektische Geschichte aus dem Leben der Kleeblatt-Familie hat eine umwerfend witzige und geistreiche Pointe!

Die liebevollen und originellen Illuschdraziona stammen von Henning Löhlein und machen das Buch zu einem Glücksfall für große und kleine Mundartliebhaber. Für 9 Euro 95 ist “Kleeorg und Kleeopatra” auch ein tolles Geschenk!

Bewertung vom 29.03.2014
Wilde Sträuße
Zeller, Sabine

Wilde Sträuße


ausgezeichnet

Auf Terrassen, Balkonen und in Vorgärten leuchten die Frühblüher in den Himmel – ein unbeschreibliches Gefühl! Fast über Nacht “explodieren” derzeit auch die Bäume in ihre volle Blütenpracht und erfreuen Herz und Auge. Wer jetzt über Felder und Wiesen streift, findet sogar schon die ersten Wildblumen und sind wir doch mal ehrlich: so ein selbst gepflückter Strauß passt fast immer und überall und hat vor allem einen ganz besonderen Charme.

Im Buch “Wilde Sträuße” stellt Sabine Zeller mit vielen Farbfotos von Jens Hasler besonders märchenhafte Kombinationen vor, gibt Tipps zum Sammeln, Binden und Dekorieren.

Bereits im Februar konnten die ersten Wildblüten gesammelt werden: die Zaubernuss gab ein blühendes Versprechen auf den Frühling und sah beispielsweise in einem alten Keramik-Krug tatsächlich ganz zauberhaft aus.

Auch Blaustern und Schneeball waren bei Spaziergängen schon früh zu entdecken und aus Weidenkätzchen ließ sich ein samtig-weicher Kranz flechten. Jetzt aber mitten rein in die blühenden Gegenwart: im März duftet das Veilchen an vielen Ecken, das Buschwindröschen leuchtet weiß und beide wirken solo in einem originellen Gefäß am allerschönsten.

Der April ist nicht mehr weit und erfreut uns mit noch größerer Blütenvielfalt: für einen Frühlingsstrauß in kräftigen Farben empfehlen sich beispielsweise Platterbse, Silberblatt, der variantenreiche Goldlack, Nelkenwurz und das himmelblaue Vergissmeinnicht. Doch auch die Akelei, die Sternmiere, Wiesen-Flockenblume, Wolfsmilch, echte und Garten-Nelkenwurz tummeln sich gern gemeinsam in der Vase und geben duftend-wildes Bouquet ab.

In den Sommermonaten bieten Walderdbeere, Malve, Kronwicke, Rainfarn, Seifenkraut, Kirschpflaume, Oregano, Disteln, Mädesüß und viele andere Blumen, Kräuter und Früchte eine große Auswahl für herrliche Strauß-Kreationen, bevor die Natur im Herbst ihre Blütenauswahl wieder ein bisschen reduziert. Auch in der kühleren Jahreszeit lassen sich schöne Sträuße binden: ein Herbststrauß aus Hortensien, Funkienblättern, Duftnessel, Wermut, Waldrebe, aufgeplatzten Samenschoten, Walnüssen, Hagebutten, Äpfel und vielen anderen Oktober-Fundstücken oder ein Kranz aus bunt gefärbtem Laub sehen einfach umwerfend aus. Selbst im November lassen sich noch viele, viele schöne “Zutaten” für wunderschöne Kränze finden, zum Beispiel Äste der Schneebeere oder Schlehe.

So bleiben Spaziergänge das ganze Jahr spannend und die Sträuße eignen sich fürs eigene Zuhause genau so gut wie als außergewöhnliches, natürlich-schönes Geschenk. Kaufen kann jeder!

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