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Nina [libromanie.de]
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Medienstudentin :: 20something :: verschlingt alles, was aus Buchstaben besteht und schreibt darüber

Bewertungen

Insgesamt 115 Bewertungen
Bewertung vom 02.04.2011
Süß wie Schattenmorellen
Schreiber, Claudia

Süß wie Schattenmorellen


ausgezeichnet

»Schade, dass IKEA keine Särge hat und Aldi entsprechende Hemden dazu.«
- Seite 81 -

Die 14jährige Annie lebt mit ihrer (vor allem in Liebesdingen) glücklosen Mutter Nette und dem kauzigen Opa auf einer Schattenmorellenplantage. In der Schule ist sie eine Außenseiterin, weil sie – statt zu chatten oder Musik zu hören oder was man sonst so als Heranwachsende macht – lieber durch die Kirschbäume strolcht und die Vögel vertreibt. Einen eigenen Computer oder einen iPod hat Annie auch gar nicht. Dazu fehlt das Geld, denn die Mutter hat nicht nur mit den Männern Pech, sondern auch mit ihren Kirschen.
Als der Opa sich eine blutjunge Gespielin aus dem Internet auf den Hof holt und dort mit ihr seinen zweiten Frühling erlebt, hat Nette endgültig die Nase voll und nimmt sich eine Auszeit. Kurz darauf packt auch der Opa seine Koffer, um mit seiner Ninotschka ans Meer zu fahren. Und plötzlich ist Annie alleine – mit der anstehenden Kirschernte und der 16jährigen Paula, die eines Tages hochschwanger für Annies Tür steht…

Das Setting (Frau/Mädchen allein auf einem Bauernhof) erinnert bewusst an Emmas Glück, einem früheren Roman der Autorin. Doch während es hier um das Ende des Lebens ging, dreht sich in Süß wie Schattenmorellen nun alles um dessen Anfang. Im Zentrum stehen Annie und deren Reife zur Frau, die leider schneller vonstatten geht als man es einem Kind eigentlich wünscht. Viel zu sehr lasten die Unzufriedenheit und das Unvermögen der Erwachsenen auf ihren jungen Schultern, doch Annie ist stark, gewitzt und strahlt trotz allem eine unbändige Lebensfreude aus. Sie ist ein Charakter, den man so schnell nicht wieder vergisst, jemand, der sich einprägt.
Aber auch die anderen, teils sehr skurrilen Figuren sind Claudia Schreiber vortrefflich gelungen. Die überforderte Mutter, der schräge Opa (von dem im Übrigen das obige Zitat stammt) – sie und auch die anderen Nebenfiguren werden dem Leser mit wenigen Worten greifbar gemacht. Sie sind überzeichnet und doch lebensnah.

Insgesamt ist die Geschichte keine, die so oder ähnlich tagtäglich passiert. Trotzdem steckt sehr viel Wahres und Weises in Claudia Schreibers Worten. Kaum vorstellbar eigentlich, dass sie für das, was sie da alles erzählt, mit gerade einmal 285 Seiten (gebunden in Handtaschengröße!) auskommt. Aber egal wie ernst es auch wird, nie drückt die Geschichte zu sehr auf den Magen. Dafür sorgt der teils recht derbe Humor der Autorin, die hier einen perfekten Balanceakt zwischen Schwere und Leichtigkeit schafft.
Ihr Erzählstil ist herzlich und schnodderig zugleich, ehrlich und absolut unkitschig.

FAZIT: Ein außergewöhnliches, originelles Buch. Hatte mich Emmas Glück vor 4 Jahren noch nicht restlos überzeugen können, die bittersüßen Kirschen haben es definitiv geschafft!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.03.2011
Die Känguru-Chroniken / Känguru Chroniken Bd.1 (2 Audio-CDs)
Kling, Marc-Uwe

Die Känguru-Chroniken / Känguru Chroniken Bd.1 (2 Audio-CDs)


gut

Eigentlich fängt alles mit ein paar Pfannkuchen an, die das Känguru backen möchte. Leider fehlen ihm aber dazu sämtliche Zutaten, die es sich kurzerhand von seinem Nachbarn Marc-Uwe leiht, bei dem es dann auch gleich einzieht.
Die Känguru-Chroniken erzählen vom Alltag der ungleichen Wohngemeinschaft. Einen roten Faden gibt es dabei nicht. Die Episoden umfassen jeweiligs nur wenige Minuten. Trotzdem ist das Tempo angenehm, man hat nicht das Gefühl, bloß von einem Gag zum nächsten zu hetzen. Zu Beginn waren mir die Witze allerdings etwas zu abgedroschen. Mit der Zeit traf der Autor meinen Humor aber immer mehr und bewies großartiges sprachliches und satirisches Talent.
Und das Känguru? Mit Marc-Uwe tauschen möchte man ganz gewiss nicht, aber als fiktive Figur begleitet man es unheimlich gern. Es hat nämlich nicht nur eine Vorliebe für Schnapspralinen, Aschenbecher und Nirvana, sondern auch recht radikale politische Ansichten und wenn es nicht gerade im Park kläffende Hunde weg tritt in ihre Schranken weist oder fragwürdige Klingeltöne vertreibt, raubt es Marc-Uwe mit seinen frechen Sprüchen den letzten Nerv.

Die mäßige Bewertung ist daher keinesfalls auf den Inhalt zurückzuführen, sondern auf die schlechte Qualität der Aufnahme, bei der es sich um einen Livemitschnitt einer Lesung handelt. Dass man immer mal wieder das Publikum lachen hört, ist an und für sich nicht verkehrt, aber der Klang ist leider ziemlich blechern.
Hinzu kommt die Angewohnheit des Autors, zum Ende eines jeden Satzes extrem in der Tonlage herunter zu gehen. Und manchmal nuschelt er auch. Das passt zwar zu seinem Typ bzw. zu der Figur, die er in den Erzählungen darstellt, und auch die Stimme des Kängurus bekommt er gut hin, aber auf Dauer wird das in Kombination mit der schlechten Tonqualität einfach anstrengend, sodass ich während des Hörens immer wieder Pausen einlegen musste.

FAZIT: Originell, sozialkritisch, intelligent und vor allem lustig. Ich freu mich schon auf »Das Känguru-Manifest«, das im August/September erscheinen soll. Das werde ich dann aber selbst lesen.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.03.2011
Ash
Lo, Malinda

Ash


gut

Die junge Ash hat den plötzlichen Tod ihrer Mutter noch nicht verwunden, als ihr Vater erneut heiratet und kurz darauf ebenfalls stirbt. Zu allem Übel hat er ihrer Stiefmutter einen Haufen Schulden hinterlassen, die Ash nun abarbeiten muss. Das behauptet zumindest die Stiefmutter. Und so wird aus Ash - der einst behüteten Tochter eines Kaufmanns und einer Kräuterfrau - eine Dienstmagd, während ihre beiden Stiefschwestern die schönsten und teuersten Kleider tragen, um sich möglichst bald einen passenden Bräutigam angeln zu können.

Das kommt Euch bekannt vor? Kein Wunder. Ashs Name erinnert schließlich nicht zufällig an Aschenputtel. Ihre Geschichte ist ganz bewusst an das Märchen angelehnt. Auch der weitere Verlauf der Handlung (Besuche am Grab der Mutter, der rauschende Ball im Schloss inklusive Tanz mit dem Königssohn) orientiert sich stark an der Vorlage der Gebrüder Grimm. Mit dem Unterschied, dass Ash ihr Glück nicht in den Armen eines Prinzen findet, sondern in denen einer Frau. Hinzu kommen die fantastischen Elemente, die Malinda Lo in ihre Version des Märchens eingebaut hat.

So flüchtet sich Ash in ihrer Verzweiflung immer wieder in Aberglaube und Fabelgeschichten, die ihre Mutter, die noch fest an Feen glaubte, ihr als Kind erzählte. Auf einem ihrer Streifzüge durch den Wald trifft Ash dann tatsächlich auf einen Feenmann, den mysteriösen Sidhean. Obwohl er sich weigert, sie ins Feenreich zu überführen und so von ihrer trostlosen, irdischen Existenz zu erlösen, freunden sich die beiden an. Als Ash die königliche Hofjägerin Kaisa kennen lernt und Sidheans magische Hilfe in Anspruch nimmt, um Kaisa auf eine Jagd begleiten zu können, muss sie jedoch erfahren, wie gefährlich es ist, mit einem Feenmann Geschäfte zu machen…

Die Idee, das Märchen einmal neu zu erzählen und aus dem armen Aschenputtel eine starke junge Frau zu machen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt statt auf ihren Prinzen zu warten, hat definitiv ihren Reiz. Problematisch ist allerdings, dass den allermeisten Lesern die Handlung in den Grundzügen bekannt ist und so zieht sich gerade der Anfang ziemlich in die Länge, weil man ja genau weiß, dass zunächst einmal beide Elternteile sterben müssen, bevor es mehr oder weniger losgehen kann. Interessanter wird die Geschichte mit dem Auftreten von Kaisa im zweiten Teil, wirkliche Spannung kommt aber auch hier nicht auf. Ständig werden kurze Feensagen eingeschoben, die Ash liest oder erzählt bekommt. Diese zeugen zwar von der Fantasie der Autorin und sind durchaus nett zu lesen, gleichzeitig bremsen sie den Leser aber auch immer wieder aus.

Lange Zeit ist darüber hinaus unklar, welche Rolle Sidhean und die Feen eigentlich spielen. Dass Sidhean und Ash sich anfreunden, wird zwar erzählt, so richtig mitverfolgen darf man ihre Annäherung allerdings nicht. Ohnehin bleibt über die gesamten 268 Seiten stets eine gewisse Distanz zwischen dem Leser und den Figuren bestehen. Ich kann mir aber vorstellen, dass Malinda Lo dies beabsichtigt hat, da Märchenfiguren ja auch eher schablonenhaft angelegt sind, sodass ich ihr die etwas blassen Figuren nicht so recht übel nehmen mag, zumal sie nicht nur eine wunderbar düstere, märchenhafte Atmosphäre schafft, sondern auch die Liebesgeschichte zwischen Ash und Kaisa sehr feinfühlig und in absolut richtigem Maß erzählt. Am Ende griffen dann auch die beiden Handlungsstränge besser ineinander als ich anfangs erwartet hatte, sodass ich in diesem Punkt wieder versöhnt war, wenngleich ich mir eine etwas weniger simple Auflösung gewünscht hätte.

FAZIT: Malinda Los Debüt lediglich als »Märchen vom lesbischen Aschenputtel« zu bezeichnen, wird der Geschichte keinesfalls gerecht. Trotzdem fehlen insgesamt betrachtet einfach ein paar Höhen und Tiefen.

3 von 15 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2011
Die Teerose
Donnelly, Jennifer

Die Teerose


sehr gut

London 1888: Zu Zeiten, in denen Jack the Ripper sein Unwesen in den Gassen von Whitechapel treibt, träumt die 17jährige Teepackerin Fiona davon, gemeinsam mit ihrer großen Liebe Joe ein eigenes Geschäft zu eröffnen, um der bedrückenden Armut zu entfliehen – bis ihr Vater der Arbeitergewerkschaft beitritt und tödlich verunglückt. Dies ist der Anfang einer Reihe von tragischen Ereignissen, die letztlich dazu führen, dass Fiona zusammen mit ihrem jüngeren Bruder nach New York fliehen muss, wo ihr Onkel einen Lebensmittelladen führt. Trotz weiterer Schicksalsschläge schafft es die junge Frau, mit viel Fleiß und Ehrgeiz sowie der Hilfe lieber Freunde einen erfolgreichen Teehandel aufzuziehen. Immer mit dem Hintergedanken, irgendwann den Tod ihres Vaters rächen zu können. Und schließlich kommt der Tag, an dem sie nicht nur nach England zurückkehrt, sondern auch Joe wieder trifft, der ihr damals das Herz gebrochen hat…

Jennifer Donnelly ist mit ihrem Debütroman ein ganz wundervoller Schmöker gelungen, den ich - einmal angefangen - nicht mehr aus der Hand legen konnte. Geschickt vereint sie eine rührende Liebesgeschichte mit dem packenden Schicksal einer jungen, mutigen Frau vor einer historischen Kulisse, die mich schlichtweg gefangen nahm.
Der Erzählstil ist so flüssig, dass man kaum merkt, wie die Seiten dahinfliegen. Aufgrund der lebendigen, bildhaften Sprache fühlt man sich direkt an die Schauplätze versetzt. Detailreiche Beschreibungen machen die Atmosphäre authentisch und lassen die Szenerie deutlich vor den Augen des Lesers erscheinen.

Donnelly’s Charaktere sind hingegen nicht durchweg vielschichtig gezeichnet. So ist Fiona ein klein bisschen zu perfekt, muss einerseits auf einen Schlag sehr großes Leid erdulden, hat andererseits dann aber auch wieder erstaunlichen Erfolg. Die Liebesgeschichte wirkt an manchen Stellen ein wenig konstruiert, um sie noch dramatischer zu gestalten. So ist der ein oder andere unglückliche Zufall meines Erachtens etwas zu viel. Dennoch agieren die Figuren insgesamt überwiegend glaubhaft und sind trotz ihrer leichten Eindimensionalität überaus sympathisch.

Einziger größerer Kritikpunkt ist, dass die Autorin zu viele historische Fakten entfremdet hat. So sind es ihre Charaktere, denen wichtige Erfindungen dieser Zeit gelungen sind, und auch das Rätsel um Jack the Ripper wird mehr oder weniger glücklich gelöst.

Dies ändert jedoch nichts daran, dass mich Fiona’s Geschichte von der ersten bis zur letzten der über 600 Seiten gepackt und nicht mehr losgelassen hat. Auch wenn der Ausgang der Geschichte ein wenig vorhersehbar ist, so ist der Weg dorthin dennoch ein wirklicher Lesegenuss, der von der ein oder anderen überraschenden Wendung durchzogen ist.

FAZIT: Ein wundervoller Schmöker für gemütliche Stunden, an den ich mich immer wieder gerne zurück denke.

Bewertung vom 19.02.2011
Nijura, Das Erbe der Elfenkrone
Nuyen, Jenny-Mai

Nijura, Das Erbe der Elfenkrone


sehr gut

Jenny-Mai Nuyen hat mit ihrem Debüt-Roman eine emotionale und dichte Fantasy-Geschichte über den Kampf um Macht, aber vor allem über Freundschaft und Liebe geschrieben, die mir schon nach wenigen Kapiteln Lust auf weitere Bücher der jungen Autorin machte.

Der Klappentext lenkt die Erwartungen allerdings in eine etwas andere Richtung, als es zunächst tatsächlich geht. So begibt man sich nach einer kurzen Schilderung der Machtübernahme des neuen Königs erst einmal nach Kesselstadt, wo man die beiden Kinder Scapa und Arane kennen lernt, die sich mit Diebstählen über Wasser halten und die Eroberung des ‘Fuchsbaus’ planen. Erst im zweiten Teil des Buches wird Nill eingeführt, das Mädchen, dem das Messer und damit die schwierige Aufgabe zufallen, das Elfenvolk zu befreien.

Mit der Zeit laufen die beiden Handlungsstränge zusammen, anfängliche Rätsel werden nach und nach aufgeklärt bis es letztlich zum großen Finale kommt, bei dem jedoch die eine oder andere Frage offen bleibt. In mancher Hinsicht ist dies positiv, in anderen Punkten wäre eine abschließende Klärung hingegen wünschenswert gewesen. Auch stolpert man im Laufe der Geschichte manches Mal über kleinere Ungereimtheiten, weil diverse Dinge etwas zu einfach erscheinen.

Entschädigt wird man allerdings durch die wundervolle Sprache der Autorin. Bereits der erste Satz klingt fast schon poetisch. Wunderbar bildhafte und atmosphärische Beschreibungen versetzen den Leser mitten ins Geschehen. Man wandert mit Nill und ihren Gefährten durch die düsteren Marschen, tanzt mit den Elfen am Lagerfeuer und streift mit Scapa und Arane durch die engen Gassen von Kesselstadt.
Die Charaktere sind liebevoll gezeichnet, haben wohlklingende, passende Namen und sind größtenteils sympathisch, so dass sie dem Leser schnell ans Herz wachsen. Lediglich einer wichtigen Figur fehlen deutlichere Hintergründe für ihr Handeln, was das Lesevergnügen allerdings nur geringfügig schmälert.

Ein besonderes Lob verdient die tolle Aufmachung des Buches. Neben dem wunderschönen Einband ist es vor allem die selbst gezeichnete Landkarte der Autorin, die das Leserherz höher schlagen lässt.

FAZIT: Ein phantasievolles Buch mit vielen neuen Ideen, das ich gerne gelesen und schon weiterempfohlen habe.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2011
Effi Briest
Fontane, Theodor

Effi Briest


sehr gut

Als die junge Effi den fast zwanzig Jahre älteren Baron von Innstetten heiratet, verlässt sie ihr Elternhaus in Hohen-Cremmen und zieht mit ihrem Gatten nach Kessin. Doch die Ehe steht unter keinem guten Stern. Während Effi vor Lebenshunger und Wildheit nur so strotzt, ist Innstetten ein Mann der Grundsätze, der Effi zwar sehr schätzt, aber eher mit seiner Arbeit verheiratet ist. Viel zu oft lässt er seine junge Frau allein, die sich in ihrer neuen Heimat nicht wohl fühlt. Im Haus fürchtet sie sich vor einem Spuk und in der neuen Gesellschaft findet sie schlecht Anschluss. Selbst die Geburt ihrer Tochter Annie bringt keinen Aufschwung. Effi vereinsamt immer mehr. Als sie sich in eine leidenschaftslose Affäre stürzt, ist ihr Schicksal besiegelt…

Nachdem ich den allerersten, etwas abschreckenden, langen und verschachtelten Satz hinter mich gebracht hatte, war ich überrascht, wie flüssig und schnell sich der Rest der Geschichte lesen ließ. Die Dialoge sind lebendig und lebensnah, die Sprache ist insgesamt leichter zu lesen, als man es bei einem über 100 Jahre alten Buch erwartet und teilweise sogar ironisch bis amüsant. Die Handlung wird erstaunlich schnell vorangetrieben. Ohne viel Vorgeplänkel kommt Fontane zur Sache, lässt Effi – gerade noch mit ihren Freundinnen spielend – mit Innstetten auf Hochzeitsreise gehen und von dort nach Kessin ziehen, wo das Unheil seinen Lauf nimmt.
Dabei nennt der Autor jedoch nicht alles beim Wort. Geschickt streut er hier und da eine Andeutung, die den Leser vermuten lässt, auf welchen Pfaden Effi gerade wandelt – bis am Ende die bittere Auflösung kommt.

Während sich der Mittelteil ein klein wenig in die Länge zog, konnte ich das Buch zum Ende hin nicht mehr aus der Hand legen. Effi’s Schicksal hat mich sehr berührt, zumal ich mir vorstellen kann, dass es nicht weit von der Wirklichkeit entfernt ist. Fontane zeichnet das Bild einer Ehe, wie sie in der damaligen Gesellschaft mit ihren Grundsätzen und Regeln nicht selten gewesen sein dürfte. Ebenso wie die Tatsache, dass eine junge Frau daran zu zerbrechen drohte.

FAZIT: Ein bewegender Klassiker, den ich gerne gelesen habe.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2011
Gemmas Visionen / Der geheime Zirkel Bd.1
Bray, Libba

Gemmas Visionen / Der geheime Zirkel Bd.1


sehr gut

Obwohl sie in Indien ein sorgenfreies Leben führt, ist es Gemmas sehnlichster Wunsch, eine Schule in London zu besuchen – gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Mutter. Als diese unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt, wird Gemma zwar nach England auf ein Internat für höhere Töchter geschickt, dort wird sie jedoch immer wieder von merkwürdigen Visionen heimgesucht.
Nach anfänglichen Startschwierigkeiten findet Gemma in der Anführerin Felicity, der hübschen Pippa und der Außenseiterin Ann drei Freundinnen, mit denen es ihr gelingt, etwas Freude in den strengen Internatsalltag zu bringen. Dabei überschreiten die Mädchen allerdings nicht selten die Grenze des Verbotenen. Als sich für Gemma bei einem ihrer nächtlichen Treffen ein Tor zu einem phantastischen Reich öffnet, in dem alle Wünsche wahr werden, vertraut sie ihren Freundinnen ihr Geheimnis an. Sie ahnt nicht, welche Gefahren damit verbunden sind…

Schon als Kind mochte ich Internatsgeschichten unheimlich gerne. Freund- und Feindschaft, ein bisschen Romantik, spannende Abenteuer… Auch in Gemmas Visionen, dem Auftakt der Trilogie um den geheimen Zirkel, dreht sich alles um diese Themen, verbunden mit einer ordentlichen Portion Übersinnlichem.
Die Grundstimmung ist düster bis gruselig. Hat man einmal angefangen zu lesen, kann man das Buch nicht wieder zur Seite legen. Zu sehr ist man gefangen in dem Rätsel um die geheimnisvollen Visionen, dem Schicksal der Mädchen und ihrer besonderen Freundschaft, die mehr als einmal auf die Probe gestellt wird.

Libby Bray schildert die beengte Rolle der Frau im viktorianischen Zeitalter sehr authentisch. Hinzu kommt die lebendige Charakterzeichnung. Schnell wachsen einem die jungen Frauen ans Herz, die verzweifelt versuchen, das Korsett ihrer Zeit zu sprengen und doch nie völlig ausbrechen können. So leidet man mit ihnen, wenn man mehr über ihre Hintergründe erfährt und freut sich darüber, dass sie trotz allem ihren Sinn für Humor nicht verloren haben.

Die Sprache ist relativ einfach gehalten und auch im englischen Original leicht zu verstehen.
Die Spannung flacht zu keiner Zeit übermäßig ab und besonders eine Wendung hat mich in ihrer Tragik ziemlich überrascht.
Leider ging es zum Schluss allerdings etwas schnell, sodass das Ende doch sehr offen ist. Dennoch, der Grundstein für eine fesselnde Trilogie ist gelegt.

FAZIT: Nicht nur für Anhänger von Internatsgeschichten empfehlenswert.

0 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2011
Ohne ein Wort
Barclay, Linwood

Ohne ein Wort


sehr gut

25 Jahre ist es her, dass Cynthia eines Morgens aufwachte und feststellen musste, dass ihre Familie spurlos verschwunden ist. Obwohl sie mittlerweile ein geordnetes Leben mit Mann und Tochter führt, lässt sie die Vergangenheit einfach nicht los. Zu groß ist der Wunsch zu erfahren, was damals mit ihrer Familie passiert ist, ob sie noch lebt und warum sie als Einzige zurück gelassen wurde. Mithilfe einer Fernsehreportage versucht sie, Licht ins Dunkel zu bringen – nicht ahnend, dass der Horror von damals nicht nur sie selbst auf’s Brutalste einholen wird…

Nachdem dies nun bereits mein zweites Buch des Autors ist, kann ich sagen: Linwood Barclay hat es einfach drauf, packende Plots zu entwickeln und die Spannung über die gesamte Länge hoch zu halten - um im Finale noch mal eins draufzusetzen.
Aufmerksame Leser werden feststellen, dass nichts zufällig passiert und jedes noch so kleine Detail im Laufe der Geschichte wichtig werden kann. So macht es unheimlichen Spaß, zu spekulieren und seine Vermutungen bestätigt zu sehen; allerdings nicht, ohne vorher ordentlich in die Irre geführt worden zu sein.

Hinzu kommt der schnörkellose, flüssige Schreibstil, der dafür sorgt, dass die Seiten nur so dahinfliegen.
Auch die Charaktere sind ausreichend klar gezeichnet und ihre Handlungen zumeist nachvollziehbar. Während der Prolog in der dritten Person geschrieben ist, wird die spätere Geschichte von Cynthia’s Mann Terry erzählt. Der versucht sein Bestes, um seiner Frau zu helfen, doch mit der Zeit kann auch er sich nicht dem Gedanken verwehren, dass Cynthia, die seit langem schon regelmäßig einen Psychologen aufsucht, sich die neusten Geschehnisse möglicherweise nur einbildet. So weiß auch der Leser nicht, wem er denn nun was glauben soll. Immerhin gibt es auch Stimmen, die behaupten, Cynthia hätte selbst etwas mit dem Verschwinden ihrer Familie zu tun.

Leider habe ich den Fehler gemacht und das Buch gleich im Anschluss an ‘Dem Tode nah’ gelesen, sodass mir ein paar Parallelen aufgefallen sind, die mich sicherlich weniger gestört hätte, wenn zwischen den einzelnen Büchern etwas mehr Zeit gelegen hätte.
Dennoch hat mich ‘Ohne ein Wort’ von Anfang bis Ende gefesselt und da auch die Auflösung zufrieden stellend war, freue ich mich jetzt schon auf das nächste Buch von Linwood Barcay, der mich dazu gebracht hat, in Zukunft wieder mehr Thriller lesen zu wollen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2011
Die Mütter-Mafia
Gier, Kerstin

Die Mütter-Mafia


sehr gut

Damit hätte Constanze nun wirklich nicht gerechnet. Von einem Tag auf den anderen erklärt ihr Ehemann Lorenz, ein erfolgreicher Staatsanwalt, dass er die Scheidung will und die junge Mutter ist gezwungen, mit ihren beiden Kindern in das alte Haus ihrer verstorbenen (Ex)Schwiegermutter zu ziehen. Ein schreckliches Haus, das ausnahmslos aus Mahagoni zu bestehen scheint. In einer Siedlung, in der offenbar nur perfekte Familien wohnen.
Die chaotische Constanze und ihre Kinder, die pubertierende Nelly und der kleine Julius mit dem empfindlichen Magen, fallen da ganz schön aus dem Rahmen, zumal sie sich ihre direkten Nachbarn schon vor dem Umzug in die Insektensiedlung zu Feinden gemacht haben. Und dann ist da auch noch die Mütter-Society, ein Netzwerk »fröhlicher, aufgeschlossener und toleranter Frauen, die sich liebevoll gegenseitig unterstützen«, die aber längst nicht jede in ihren illustren Kreis aufnehmen. Constanze, deren Selbstbewusstsein gerade ziemlich angeknackst ist, möchte unbedingt dazugehören, um zu beweisen, dass auch sie eine gute Mutter ist. Fragt sich nur, was genau eine gute Mutter wirklich ausmacht…

In »Die Mütter-Mafia«, dem ersten Teil der Reihe um Constanze und Co., bekommen alle versnobten Supermamis, die denken, sie wären etwas Besseres, weil sie ihre Kinder jeden Tag zu einem anderen Kurs kutschieren, ordentlich ihr Fett weg. Auch wenn sie vielleicht etwas überspitzt dargestellt werden, man kennt sie doch, diese überengagierten Frauen, die anderen Müttern das Gefühl geben, etwas falsch zu machen, weil sie ihre Kinder nicht so früh wie möglich zur musikalischen Frühförderung/zum Sprachkurs/zum Ballett usw. angemeldet haben.

Constanze ist eine erfrischend natürliche, wenn auch am Anfang noch etwas naive Frau Anfang 30, die ihre Umwelt bisweilen recht bissig, aber eben auch ziemlich treffend beschreibt. Sie spricht aus, was andere nur denken. Etwa, dass es sehr wohl Kinder gibt, die einem bereits vom Zeitpunkt ihrer Geburt an unsympathisch sein können. Punkt. Da gibt es nichts zu rütteln. Auch wenn ich selbst ja auch beigebracht bekommen habe, dass man so etwas eigentlich nicht sagen darf.

Es war aber nicht nur der amüsante Erzählton, der mich öfters laut lachen ließ, sondern auch die unzähligen komischen Situationen, in die Constanze gerät; allem voran natürlich das »Vorstellungsgespräch« bei den Elitemuttis, das - wie zu erwarten - ganz schrecklich aus dem Ruder läuft. Was habe ich gelacht!
Ebenso wie über die Sache mit dem Jaguarmann, der dafür sorgt, dass neben dem Humor auch die Liebe nicht zu kurz kommt. Als zum Ende hin gezeigt wird, dass das Streben nach der perfekten Selbstdarstellung dazu führen kann, dass man die wirklich wichtigen Dinge leicht übersieht und andere darunter zu leiden haben, wird es sogar noch richtig dramatisch und spannend. Leider hätte ich mir in dieser einen Situation (die ich hier natürlich nicht verraten werde!) aber eine etwas weniger filmreife Lösung gewünscht. Daher das eine Herzchen weniger.

FAZIT: Eine tolle Komödie, fast schon eine Satire - auch für LeserInnen, die (wie ich) selbst noch keine Kinder haben. Ich freu mich schon auf meinen zweiten Besuch in der Insektensiedlung.

3 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.