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R.E.R.

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Insgesamt 283 Bewertungen
Bewertung vom 02.02.2016
Willkommen im Club der Superhelden / Super Sarah Bd.1
Saddlewick, A. B.

Willkommen im Club der Superhelden / Super Sarah Bd.1


sehr gut

Sarah ist der Unglücksrabe vom Dienst. Jede AG ihrer Schule die sie bislang besuchte, hat sie alsbald wieder verlassen. Ihre Aktivitäten standen bislang unter keinem guten Stern. In der Koch AG setzte sie aus Versehen die Eistorte in Brand, in der Poesie AG schaffte sie es während einer dramatischen Lesung alle Bücherregale umzuwerfen und in der Bogenschieß AG mussten nach ihrer ersten Stunde die Verletzten mit Salben und Verbände verarztet werden. Die Turmspring AG verlässt sie daher auch noch vor ihrem ersten Einsatz. Als ihre beste Freundin Kelly jedoch bei einem Wettkampf auf dem Turm erstarrt eilt Sarah ihr zur Hilfe und landet dabei unfreiwillig im Wasser. Ihr Flug wieder willen erregt großes Aufsehen und plötzlich findet sich Sarah in einer ganz neuen AG wieder.

A.B.Saddlewick, das Pseudonym des britischen Autors Tim Collins wie ich dem Internet entnehmen konnte, hat bereits mit der Serie um „Monster Mia“ großen Erfolg. „Super Sarah“ ist nun der Beginn einer neuen Serie für weibliche Leser in der Altersgruppe 8 – 10 Jahre. Mir hat dieser erste Band sehr gut gefallen. Er hat allerdings einige Längen.

Der Anfang ist gut. Sarah „fällt“ vom Sprungturm und erhält trotzdem Traumnoten. Es wird nicht so ganz klar, was eigentlich während des Falls passiert ist, aber es muss außergewöhnlich gewesen sein. Ihr Klassenkamerad Ben lädt sie daraufhin in die AG „Fliegen lernen“ ein, die sich als Superhelden Lernanstalt herausstellt. Sarah soll getestet werden um herauszufinden, was genau ihre Superkraft ist. Hier beginnt es dann langweilig zu werden. Denn bis zum spannenden Showdown am Schluss wird nicht klar, was Sarah nun so besonderes kann. Und Sarah selber wird nicht müde zu betonen, dass sie nie und nimmer über irgendwelche Superkräfte verfügt. Stets betont sie nur wie tollpatschig sie ist und stellt dies auch in schöner Regelmäßigkeit unter Beweis. Und das wird mit der Zeit langweilig, denn das Buch zieht sich über 185 Seiten.

Der Schluss hat mich dann wieder versöhnt, denn es ist wirklich spannend zu lesen, wie Sarah mit ihren Freunden der Superhelden AG das große Musik-Event am Wasserstauwerk vor dem Bösewicht „Tsunami“ rettet. Und schließlich wird ganz am Ende auch klar, was ihre besondere Fähigkeit ist. Und die ist so außergewöhnlich, dass man tatsächlich gespannt ist, wie die Serie weitergeht.

Ich hatte überlegt „Super Sarah“ zum Vorlesen in der Grundschule einzusetzen, in der ich als ehrenamtlicher Lesepate tätig bin. Davon bin ich jedoch abgekommen, als ich zu Hause eine Probelesung gemacht habe. Der Erzählfluss eignet sich nicht gut zum Vorlesen. „Super Sarah“ ist eindeutig ein Buch zum selber Lesen. Ich würde es für Mädchen ab etwa 9 Jahren empfehlen.

Bewertung vom 09.09.2015
Sommer wie Winter
Taschler, Judith W.

Sommer wie Winter


sehr gut

Auf die Frage nach seinem prägendsten Erlebnis aus der Kindheit, erzählt Alexander Sommer dem Therapeuten wie sein Freund Georg einen Frosch an Kreuz genagelt hat. „Geekelt hat's mich vor dem Brett mit dem Frosch drauf, mit den Nägeln darin. Und geekelt hat's mich auch vor dem Georg, aber gleichzeitig hat mich sein Verhalten so fasziniert. Ein oder zwei Jahre später, wollte ich auch einmal so was machen. Aus lauter Wut auf den Vater und die Mutter, aus Protest sozusagen. Aber ich habe es nicht zusammengebracht“.

Nach einem traumatischen Autounfall, bei dem Alexander und seine Halbschwester Manuela schwer verletzt werden, müssen sich alle Familienmitglieder einer psychologischen Betreuung unterziehen. Anhand der Gesprächsmitschriften erfährt man was die unbändige Wut des Jungen ausgelöst hat. Judith W. Taschner erzählt in Form dieser Protokolle die düstere Geschichte einer Familie, die nur nach außen harmonisch, zufrieden und glücklich war.

Alexander Sommer kommt Anfang der 1970er Jahre als Pflegekind zur Familie Winter. Diese betreibt in Tirol eine Gästepension. Statt den vollverwaisten kleinen Jungen zu adoptieren, macht der Vater aus ihm und seinem Namen eine Touristenattraktion: Sommer wie Winter! Um die Gäste bei Laune zu halten ist jeder Kalauer recht, auch wenn der sensible Junge sichtlich unter dem darunter leidet. Die Kinder, neben Alexander die drei leiblichen Töchter Anna, Martina und Manuela, werden ohnehin eher als billige Arbeitskräfte betrachtet und dementsprechend ausgenutzt. Alexander hat besonders unter der Lieblosigkeit seiner Pflegemutter zu leiden, die dagegen war ein fremdes Kind anzunehmen. Der Vater wollte unbedingt einen Sohn ins Haus holen. Doch auch er kann keine Gefühle für den Jungen entwickeln.

Taschner's Sprache ist einfach und darum umso eindringlicher. Die Sätze sind kurz und prägnant, die erinnerten Dialoge messerscharf. Für jedes Familienmitglied findet die Autorin einen Tonus, der die Figur unverwechselbar und spannend macht. Die resignierte Mutter, die rebellische Manuela, die abgeklärte Martina, die scheinheilige Anna, der traumatisierte Alexander. Alle Personen tragen durch ihre Aussagen Teile eines schrecklichen Geheimnisses zusammen, das letztendlich in dem tragischen Unfall sein Ventil und seinen Weg nach außen findet.

Mir hat das Buch meine örtliche Buchändlerin empfohlen und ich kann diese Empfehlung nur weitergeben. Es ist leichte Lektüre mit Tiefgang. Man kann das Buch flott herunterlesen. Es bietet aber dennoch genug Stoff zum Nachdenken. Wer das Buch gelesen hat, wird wohl im Urlaub demnächst auch seinen Suppenteller kritischer betrachten. Denn das eingangs erwähnte Scheitern beim Kreuzigen des Frosches hält den Jungen nicht davon ab, sich etwas anderes, nicht weniger schauriges, auszudenken.

Bewertung vom 06.09.2015
Schöne Seelen
Tingler, Philipp

Schöne Seelen


sehr gut

„Sah auch schon mal besser aus, mit ihrem letzen Gesicht.“ Es ist das reinste „Wortgift“, das Philipp Tengler in seinem Roman "Schöne Seelen" verspritzt. Oder eher sprachliches Botox. Denn zu Beginn haucht Millvina von Runkle ihr Leben in einer vornehmen Schönheitsklinik aus. Ihr Name ist nur eines der vielen schönen Wortspiele mit denen Tingler seine Protagonisten benennt. Runkle anstelle des englischen Rinkle (Falte): Millvina hat schließlich zeitlebens gegen ihre „rinkles“ und sonstigen Schönheitsfehler angekämpft, was sie nun das Leben kostet, denn die letzte Schönheits OP ist gründlich schiefgegangen. Ihr letzter Gedanke gilt dennoch ihrer Figur. Denn sie fragt, ob die Infusion "fett macht".

In dieser Spielart geht es munter weiter. Wortgewandt und ironisch seziert der Autor das Leben der Schönen und Reichen sowie deren „vermessene Versuche, die äußere Scheinwelt durch die innere Wunschwelt zu ersetzen“. Bitterböse Spitzfindigkeiten und ebenso spritzige, wie witzige Dialoge lassen das Buch zu einem echten Lesevergnügen werden. Die eine oder andere inhaltliche Länge sollte man einfach locker überlesen. Besonders amüsant fand ich den trockenen Humor der Hauptfigur, des Schriftstellers Oskar Canow. »Oskar, Liebes!«, rief sie während sie anhob, die Luft über Oskars Wangenknochen zu küssen. »Wo warst du, in Antibes? Du siehst fabelhaft aus!« »Danke«, erwiderte Oskar, »das ist ein originelles Kompliment für eine Begegnung in der Schönheitsklinik."

Originell ist auch dieser Roman. Wer beim Friseur nomalerweise die Gala liest, kann beim nächsten Mal „Schöne Seelen“ mitnehmen und vergleichen, wen er aufgrund der Beschreibungen wiederzuerkennen glaubt. Und sich darüber freuen, dass man nicht die Probleme der Menschen hat, die über zuviel Geld und zuviel Zeit verfügen dabei aber zu wenig sinnvolles zu tun haben.

Bewertung vom 30.07.2015
Funkenflieger
Falk, Rita

Funkenflieger


ausgezeichnet

„Mit der Liebe ist es wie mit dem Licht. Verliebtsein, das ist doch wie ein Feuerwerk. Sprühend und funkelnd und strahlend und hell. Wunderschön, aber eben leider auch sehr schnell vorbei. Eine kleine Kerze dagegen brennt schon viel länger. Am besten aber sind Energiesparlampen. Die brauchen zwar ein wenig Zeit, bis sie richtig leuchten, dafür verbrauchen sie wenig und geben viel Licht. Und genau so muss eine gute Ehe sein, verstehst du“.
Marvin, genannt Locke, versteht nicht, was der türkische Gemüsehändler ihm mit diesen Worten sagen will. Das liegt daran, dass er der falsche Adressat ist. Der Vater von Aicha will eigentlich an Kevin, den großen Bruder von Marvin appellieren, seine Tochter ihn Ruhe zu lassen. Ein Appell der zu spät kommt. Denn Aicha ist bereits schwanger und weder sie noch Kevin haben die Absicht ihre Liebe bzw. das erwartete Kind aufzugeben.
Rita Falk, bekannt und berühmt durch ihre „Eberhofer“ Krimis hat nachgelegt. Nach „Hannes“, dem ersten Roman der sich nicht um Mord und Totschlag in Niederkaltenkirchen drehte, hat sie nun wieder eine Geschichte aus dem „normalen“ Leben geschrieben. Und Sätze, wie die eingangs zitierten, sind es die diese Autorin so besonders machen. Denn die „Energiesparlampe“ fliegt dem türkischen Vater am Ende um die Ohren. Ich will hier nicht zuviel verraten, aber es ist eine dieser legendären „Falk-Stellen“, die einen erst einmal zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen. Wie so vieles in diesem Buch.
Die Familie von Marvin ist „erbärmlich“. So bezeichnet es der Ich-Erzähler zumindest selbst. Die Mutter Elvira, alleinerziehend und arbeitslos, hockt den ganzen Tag auf dem Sofa. Sie gibt sich ihren Depressionen hin und hat keine Ahnung vom Leben ihrer Söhne. Zum Beispiel das Robin, der mittlere Bruder, in die Fänge falscher Freunde geraten ist, die ihn erpressen und terrorisieren. Oder das der sonstige Vorzeigesohn Kevin in großen Schwierigkeiten steckt. Er steht kurz vor dem Abitur, seine minderjährige Freundin ist schwanger und ihre Eltern drohen damit, sie in die Türkei abzuschieben, wenn sie sich nicht von dem Kind und dem dazugehörigen Erzeuger verabschiedet.
Eine vertrackte Ausgangssitution die Rita Falk in gewohnt humorvoller Weise entspannt. Schicksalsschläge und Katastrophen führen bei ihr nicht zu noch mehr Elend, sondern aus so manchem „Schlechten“ erwächst bei ihr Gutes. Aus Hass wird Freundschaft, aus Depressionen neuer Lebensmut. Das dies nicht von allein geht versteht sich von selbst. Und so bevölkern auch diesen Roman jede Menge liebevoll skizzierte Originale. Wie der dicke Kunstlehrer Conradi, der im Unterricht nicht nur die Liebe zur Malerei vermittelt, sondern seinen Schülern auch im richtigen Leben zur Seite steht. Oder die Krankenschwester Annemarie und ihr Bruder, der Polizist. Ein resolutes Geschwisterpaar, das nicht nur die träge Elvira auf Vordermann bringt.
„Funkenflieger“ hat mir zwar nicht so gut gefallen wie „Hannes. Locke erinnert sprachlich sehr an Franz Eberhofer. Diese Sprache passt aber, wie ich finde, nicht zu einem Sechzehnjährigen. Dazu kommt, dass die Geschichte sehr in Richtung „Friede, Freude, Eierkuchen“ tendiert. Oder besser in Richtung Eierlikörkuchen. Denn das eine Krankenschwester, die Vollzeit arbeitet, Zeit hat täglich einen Kuchen zu backen um damit jeden Nachmittag eine sozial benachteiligte Familie zu beglücken, ist wohl eher Wunschdenken als realistisch.
Sei's drum. „Funkenflieger“ ist auf jeden Fall ein einfühlsamer Roman indem Rita Falk einmal mehr ihr Gespür für Menschen und Geschichten unter Beweis stellt. Gutes Ende inklusive. Und davon kann man schließlich nie genug haben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.02.2015
Stark für einen Tag
Kirkegaard, Ole Lund

Stark für einen Tag


sehr gut

Ivan Olsen ist klein, dünn und schwach. Er kann nicht auf Bäume klettern, nicht Fahrrad fahren, nicht Fußball spielen und Buchstaben sind für ihn wirre Ameisenkleckse. Selbst weit spucken kann er nicht. Täglich wird er von den großen Jungs an seiner Schule getriezt. Sie verprügeln ihn oder verpassen ihm eine Ladung “Hosenwasser”. Seine Eltern sind ihm auch keine große Hilfe. Sein Vater nennt ihn so gar “Gummi Tarzan”. Eines Tages begegnet Ivan einer Hexe und darf sich etwas wünschen. Er denkt sich einen so großen aus, dass die Wunschkraft nur für einen, ganz besonderen, Tag reicht.

Ich bin über das Titelbild auf das Buch gekommen. Die Illustration der beiden schrägen Typen erinnerte mich stark an die beiden Ganoven aus Astrid Lindgrens “Pippi Langstrumpf”: Donner Karlsson und sein Freund Blom. Ich fing noch in der Buchhandlung zu Lesen an und dachte mir, dass könnte etwas zum Vorlesen für meine Grundschulkinder sein.

“Stark für einen Tag” ist ein Kinderbuchklassiker aus Dänemark, aus den frühen 1970er Jahren. Ein wunderbares Beispiel dafür wie Literatur für Kinder damals funktionierte. Weitab von “politischer Korrektheit” und des “pädagogischen Zeigefingers” wird hier herrlich subversiv erzählt. Die Geschichte eines Jungen, der “eigentlich” ein “armes Opfer” ist, dies aber so gar nicht akzeptiert und daher “eigentlich” so gar nicht bemitleidenswert wirkt.

Ole Lund Kirkegaard stattet seinen Helden mit drei Dingen aus, die es ihm ermöglichen unbeschadet zu bleiben. Einer schier unerschütterlichen Gelassenheit, Sinn für Humor und einem gesunden Selbstbewusstsein (trotz aller Niederlagen und Demütigungen). Wenn die großen Jungs ihn erniedrigen, schreit er sie an und er verlässt den Ort seiner Schmach aufrecht, auch mit Hosenwasser. Wenn sein Vater ihn zu Hause einen Schwächling nennt und ihn drängt selber gewalttätig zu werden, antwortet er ganz schlicht das er das nicht könne und schlendert entspannt von dannen. Diese Lockerheit hat mir besonders imponiert. Ivan lässt sich nicht verunsichern und nicht aus der Ruhe bringen.

Durch den Wunsch, dem ihm die Hexe erfüllt, wendet sich sein Schicksal für einen Tag. Alles was ihm bisher misslang, funktioniert nun ausgezeichnet. Plötzlich kann er seine Peiniger in Schach halten, seinen Lehrer beeindrucken aber auch seinem rechthaberischen Vater eine Lektion erteilen. Am Ende bleibt zwar alles wie bisher, aber diesen einen Tag kann ihm niemand mehr nehmen. “Carpe diem” in seiner besten Form sozusagen.

An anderer Stelle las ich in einer Kritik die Frage, was eigentlich der “Sinn” dieser Geschichte sei? Auf was der Autor hinauswolle? Beginn und Ende seien schließlich von Hoffnungslosigkeit geprägt, da sich für den “armen” Ivan ja nichts ändere. Mir fehlt dieser sogenannte “Sinn” nicht. Gerade die “Sinnlosigkeit” macht das Buch für mich besonders. Es macht auch keinen “Sinn”, dass ein Mädchen mit Superkräften allein in einer Villa am Stadtrand lebt und ein Pferd auf der Veranda hat (um bei der eingangs erwähnten Pippi Langstrumpf zu bleiben). Es ist wohl gerade dieser “Unsinn” der Kinder begeistert und dazu führt, dass die Werke von Ole Lund Kirkegaard noch immer gern gelesen werden und zwar nicht nur in Dänemark.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.01.2015
Eine Handvoll Worte
Moyes, Jojo

Eine Handvoll Worte


sehr gut

Bestseller von Yoyo Moyes sind für mich typische “Bahnhofsbücher”. Das heißt, wenn ich kurz vor der Abfahrt zu einer längeren Zugfahrt noch dringend ein Buch brauche, damit mir auf der Fahrt nicht langweilig wird, kann ich ohne zu zögern in der Bahnhofsbuchhandlung zugreifen. Mit einem Schmöker der britischen Autorin liegt man (wie ich meine) immer richtig, wenn man eine Geschichte für Herz und Verstand sucht, ohne den letzteren zu sehr anstrengen zu müssen.

Als ich “eine Handvoll Worte” in unserer örtlichen Bücherei auslieh, überreichte mir die Bibliothekarin das Buch allerdings mit den Worten: “Ich bin ja gespannt, ob es dir gefällt. Ich kam einfach nicht in die Geschichte hinein!” Als ich das Buch nach einigen Tagen wieder zurückbrachte, traf ich an der Eingangstür eine Bekannte. Sie sah das Buch unter meinem Arm und fragte wie es mir gefallen habe. Sie selber sei “einfach nicht in die Geschichte hineingekommen”. Keine der beiden konnte jedoch erklären, was gestört hat. Das machte mich stutzig.

Ich selber habe das Buch in einem Rutsch gelesen und es hat mir gefallen. Ich bin problemlos in die “Geschichte hineingekommen”. Ellie eine aufstrebende Journalistin hat eine Affäre mit einem verheirateten Bestsellerautor. Die unabhängige und beruflich erfolgreiche Frau, wünscht sich sehnlich eine feste Beziehung mit ihm, ist sich aber seiner Gefühle nicht sicher. Ausgerechnet in dieser verzwickten Situation findet sie, im Rahmen einer Recherche, einen vierzig Jahre alten Liebesbrief, dem auch eine verbotene Liebe zugrunde liegt. Diese wird nun vor dem Leser ausgebreitet.

Jennifer, eine verheiratete Frau, die aufgrund eines schweren Verkehrsunfalls ihr Gedächtnis verloren hat, kämpft sich mühsam in ihr Leben zurück. Was ihr, nicht nur im übertragenen Sinne Kopfschmerzen macht, ist die Tatsache, dass sie ihren besorgten Ehemann nicht zu lieben scheint. Langsam beginnt sie sich zu erinnern. An ihre große Liebe zu einem fremden Mann, der sie anscheinend immer noch liebt.

Interessanter als die Liebesgeschichte, fand ich den Stoff der dahintersteckt. Nur allzu leicht vergessen wir, in welch freien Zeiten wir leben. Heutzutage wird niemand mehr schuldig geschieden. Frauen sind berufstätig, verdienen ihr eigenes Geld und können, Dank vielfältiger Verhütungsmethoden, entscheiden, ob und wann sie ein Kind bekommen. Jenni hat diese Wahl in den 1960er Jahren nicht.

Sie wird als junges Mädchen mit einem älteren Mann verheiratet, weil er eine gute Partie und ihrer Kreise würdig ist. Sie wurde dazu erzogen, eine schöne Fassade zu bieten. Das sie als Frau auch über Intelligenz und eine eigene Meinung verfügt, interessiert niemanden. Am wenigsten ihren Ehemann, der sie offen zurechtweist, wenn sie doch einmal wagt den Mund zu öffnen. Jenni weiß dass, wenn sie ihren Ehemann verlässt, sie alles verliert. Dennoch wagt sie den Schritt. Mit fatalen Folgen.

Der Handlungsbogen reicht von den Swinging Sixties bis in das London der heutigen Zeit. Zusätzliche Spannung zieht der Roman durch die berufliche Tätigkeit von Jennis Ehemann. Seine Firma verarbeitet und handelt mit Asbest. Eine der tragischen Komponenten die den Erzählverlauf dramatisch erhöhen.

Als ich das Buch zurückbrachte erzählte ich einer anderen Bibliothekarin, die den Roman noch nicht gelesen hatte, von den beiden eingangs erwähnten Gesprächen. Sie meinte der Grund für das “nicht hineinkommen“ könne an den verschiedenen Handlungssträngen liegen. Diese seien für viele Leser oft verwirrend. Moyes dualer Handlungsverlauf ist jedoch (wie ich meine) gut verständlich und sehr stringent erzählt. Am Ende bringt sie beide Teile auch nonchalant zusammen. Das Leben und Lieben der beiden Frauen ist auf jeden Fall mehr als eine “Handvoll Worte”.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.