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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.01.2020

Können Intelligenzen uns noch retten?
Der hundertjährige Gaia-Künder James Lovelock preist das Anthropozän - und das Novozän, in dem KI uns beherrscht

Das Anthropozän hat das Bild des Menschen von sich selbst nicht gerade aufgehellt. Dass seine Hervorbringungen dazu in der Lage sind, die Erdgeschichte nicht bloß zu beeinflussen, sondern womöglich auch zu beenden, wirft ein düsteres Licht zurück auf die Rolle, die dieses Wesen im Weltganzen spielt; mittlerweile scheint es sich weniger als Krone denn als Fluch des Kosmos zu sehen, und entsprechend bedrückt ist der Ton, mit dem es über sich und seine Zukunft spricht.

Jetzt aber erscheint das Buch eines hundertjährigen Forschers, das alle vertrauten Kategorien durcheinanderwirbelt und das die dräuende Menschheitsdämmerung der Verfremdung einer unfassbaren Heiterkeit und Zuversicht unterzieht. Und das dies keineswegs um den Preis einer Leugnung oder Verharmlosung der Gefahren tut, die der Mensch selber heraufbeschworen hat, sondern das die Dramatik der bevorstehenden Umbrüche eher noch zuspitzt. Der Autor des Buchs, der britische Geochemiker James Lovelock, hatte schon 1965 den Klimawandel als das vordringliche Thema vorausgesagt; in den siebziger Jahren ist er als Schöpfer eines von ihm nach der altgriechischen Gottheit "Gaia" benannten Konzepts hervorgetreten, demzufolge die Erde und deren Biosphäre einen einzigen lebenden Organismus darstellen, den vor allem seine Fähigkeit zur Selbstregulierung auszeichne. Unter Naturwissenschaftlern stieß die Hypothese auf Kritik, doch bis heute hält die Anziehungskraft an, die sie auf Klimaforscher und systemisch denkende Theoretiker wie den französischen Soziologen Bruno Latour ausübt.

Die Pointe von Lovelocks neuem Buch ist, dass es auch die technischen Erzeugnisse der Menschen in sein Konzept von sich selbst regenerierendem Leben einschließt und in ihnen daher nicht nur das Problem, sondern auch die Rettung des Planeten sieht. Was für ihn die Maschinen und die organische Natur miteinander verbindet, ist die Intelligenz, auf die beide hinausliefen. An einer Stelle des Buchs formuliert er die darin steckende Teleologie ganz ausdrücklich: "Das Ziel des Kosmos ist es, intelligentes Leben hervorzubringen und zu erhalten."

Aus einer solchen Perspektive ist es dann kein Widerspruch, ein Loblied sowohl auf die Natur und den Menschen in seiner erkennenden und fühlenden Kraft als auch auf die Künstliche Intelligenz anzustimmen, die ebendiesen Menschen gemäß Lovelocks Erwartung in der nahen Zukunft des das Anthropozän ablösenden "Novozäns" ins Abseits stellen wird. "Nur durch uns ist der Kosmos zur Selbsterkenntnis erwacht", jubelt er auf der einen Seite die Menschen hoch, um dann auf der anderen auch deren mögliches Verschwinden nicht für eine Katastrophe zu halten: "So wie wir das Verlöschen unserer Vorgängerspezies nicht beweinen, so denke ich mir, werden die Cyborgs auch nicht gramerfüllt sein, wenn die Menschen sterben." Lovelock setzt darauf, dass sich die beiden derzeit schlimmsten Befürchtungen der Gattung, der Klimawandel und die Entfesselung der Künstlichen Intelligenz, in ihren Wirkungen gegenseitig aufheben werden: Die allen gemeinsame Bedrohung der Erde durch deren Erwärmung würde den sich selbst reproduzierenden intelligenten Maschinen ein ausreichendes Motiv geben, mit ihren menschlichen Erzeugern gemeinsame Sache zu machen, statt sich gegen sie zu wenden; und ihre die Möglichkeiten des Menschen um ein Vielfaches übersteigende Intelligenz mache es wahrscheinlich, dass ihnen die Rettung des Planeten tatsächlich gelingen werde - etwa indem sie hitzereflektierende Spiegel im All installieren. Allerdings rechnet Lovelock damit, dass die Menschen auch im besten Fall vom Zentrum des Geschehens an den Rand treten werden; den intelligenten Maschinen, die die Geschichte künftig vorantreiben, würden sie in ihrer Langsamkeit "wahrscheinlich vorkommen wie Pflanzen".

All diese vermeintlichen Unvereinbarkeiten haben ihren Ursprung offenkundig im Autor selbst: einem Forscher mit Ingenieurs-Leidenschaften voller Empathie und Poesie, einem Hymniker des Lebens und der Maschinenwelt gleichermaßen. Seit den vierziger Jahren hat der 1919 im britischen Letchworth Garden City geborene Mediziner, Chemiker und Biophysiker immer wieder bedeutende Erfindungen gemacht, seien es die Instrumente zur Analyse extraterrestrischer Atmosphären, die er im Auftrag der Nasa entwickelte, oder der Elektroneneinfangdetektor, mit dem sich die Verbreitung von FCKW in der Erdatmosphäre messen lässt. Er sieht sich selbst als Erfinder, für den die Intuition mindestens genauso wichtig gewesen sei wie die lineare Rationalität - und das kann wohl etwas erklären, weshalb er zu technischen Schöpfungen eine ähnlich schwärmerische Nähe empfinden kann wie zu deren Schöpfern. Konstruieren und Erkennen fallen für ihn zuletzt in eins - diese Ingenieursmentalität erklärt seinen Glauben an eine Zielgerichtetheit des Universums, an dessen Ende erst ein Geist steht, der ihm einen Sinn gibt, indem er es erkennt. So ist für ihn auch das Anthropozän ein Ergebnis der Evolution, ein "Ausdruck der Natur" und insofern zu bejahen. Und mehr noch: "Mein letztes Wort zum Anthropozän ist ein Freudenschrei - Freude angesichts der ungeheuren Erweiterung unseres Wissens über die Welt und den Kosmos, die dieses Zeitalter hervorgebracht hat. Es ist großartig, in einer Zeit zu leben, in der es möglich war, ein Bewusstsein für Gaia zu entwickeln."

Mit großer Leichtigkeit, ja Beschwingtheit durcheilt Lovelock, unterstützt von dem Journalisten Bryan Appleyard, in kurzen Kapiteln die 13,8 Milliarden Jahre des Kosmos. Immer wieder blitzt dabei auch ein Humor auf, der vom eigenen Alter graziös die Lizenz ableitet, über die Beschwerden der in die Jahre gekommenen Erde mit einer gewissen familiären Vertrautheit zu reden. "Wie Menschen werden auch Planeten mit dem Alter gebrechlich", schreibt er an einer Stelle: "Wenn alles gutgeht, können Gaia und ich eine produktive und angenehme Zeit des Niedergangs erwarten - aber Menschen können tödliche Unfälle haben, und Planeten ebenso." Das ist auch der Grund dafür, dass er sich trotz der von ihm angenommenen Regenerationsfähigkeit des Klimas dafür einsetzt, die Erde so kühl wie möglich zu halten - sonst könnte der alt gewordene Planet bei Katastrophen wie einem Asterioidenaufprall zu verwundbar sein.

Doch wie bei vielen anderen Kündern der "Singularität", des Moments, in dem die intelligenten Maschinen sich von ihren Schöpfern unabhängig machen und sich selbständig programmieren und weiterentwickeln, gibt es eine entscheidende logische Schwachstelle in dem Buch. Lovelock macht am Beispiel von AlphaGo Zero plausibel, wie dieser Moment aussehen könnte: So wie der Go-Computer nur noch mit sich selbst spielt, könnten die Apparate durch das bloße Von-sich-selbst-Lernen mit einem enormen Tempo dem menschlichen Fassungsvermögen enteilen. Aber Lovelock erklärt nicht, wie die Maschinen in diesem Prozess das Bewusstsein von sich selbst erwerben würden, das er ihnen wie selbstverständlich zuschreibt. Er personalisiert die Apparate durchweg als "Cyborgs" - was schon ein unüblicher Sprachgebrauch ist, da damit sonst meist Mischwesen aus Mensch und künstlichen Bauteilen bezeichnet werden. Woher aber sollen der Wille und das Selbstbewusstsein bei den Maschinen kommen, die die Voraussetzung dafür wären, dass man ihnen überhaupt ein eigenes Handeln zuschreibt? Entsprechend willkürlich wirkt denn auch die Einfügung der Computerwesen in die Evolution, die sich bislang durch Selektion und nicht durch Konstruktion vollzogen hat.

Beklemmend realistisch erscheint dagegen das politische Szenario, in dem Lovelock eine Entwicklung von Computern für wahrscheinlich hält, die dem Menschen planmäßig entgleiten: im Rahmen militärischer Zwecke nämlich, als "letale autonome Waffensysteme". Da entschwindet die übliche Selbstberuhigung, im Notfall könne man ja immer noch den Stecker ziehen - wenn die eine Kriegspartei der anderen schaden will, wird sie eben dies nicht tun. Und es entschwindet leider auch die freundliche Vision einer Intelligenz, die so umfassend groß ist, dass sie gar nicht anders kann, als sich um das Überleben des Ganzen zu sorgen. Die pure Intelligenz erscheint da eher wie eine loose cannon, an deren Unberechenbarkeit Menschen ein Interesse haben können. So schnell entlässt sie die zurückbleibenden Menschen nicht aus der Verantwortung, was mit dem Planeten geschieht.

MARK SIEMONS.

James Lovelock mit Bryan Appleyard: "Novozän. Das kommende Zeitalter der Hyperintelligenz." Aus dem Englischen von Annabel Zettel. Verlag C.H. Beck, 160 Seiten, 18 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.07.2020

Die besten Seiten des Sommers
Demut und
Furchtlosigkeit
James Lovelock:
Novozän. Das kommende
Zeitalter der Hyperintelligenz. Aus dem
Englischen von
Annabel Zettel. C.H. Beck,
München 2020.
158 Seiten, 18 Euro.
Die Corona-Pandemie hat – mindestens im Westen – eine Welt, die entweder vernarrt in die Vergangenheit oder besessen von der Zukunft war, eine heftige Kur in absoluter Gegenwart beschert. Und ein neues Bewusstsein dafür, wie sehr das, was war, das beeinflussen kann, was ist, und wie stark das, was sein wird, beeinflusst werden kann – wenn es nur gewollt wird oder wenigstens unumgänglich erscheint. Die Lage ist dementsprechend aufgeheizt und giftig. Allerorten fliegen die Löcher aus dem Käse. Und dann ist da ja immer noch die dramatische Ökokrise des Planeten. Mit anderen Worten: Ein kühler Kopf scheint nötiger denn je, also zum Beispiel der des ingeniösen, 101 Jahre alten britischen Erfinders und visionären Ökologen James Lovelock. Sein kleines neues Buch „Novozän“ enthält die furchterregende, aber gar nicht triumphalistisch vorgebrachte These, dass gerade ein neues Zeitalter beginnt, nämlich das der Cyborgs mit technischer Hyperintelligenz. Vor allem aber ist das Buch eine große, so weltweise wie liebenswürdig-hoffnungsvolle Lektion in Demut und Furchtlosigkeit: „Das Aussterben der Menschheit war immer schon eine drohende Gefahr. (. . .) Aber wir können etwas tun, um uns selbst zu retten, indem wir lernen zu denken.“
JENS-CHRISTIAN RABE
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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"Es ist die Verbindung von Demut und Hoffnung, die Lovelocks so altersweises Buch auszeichnet. Demut sowohl gegenüber der Erde als sich selbst regulierendem System wie gegenüber dem Kosmos, der seiner Bestimmung zustrebt. Und Hoffnung, dass unser Beitrag, Wissen und Erkenntnis weiterzugeben, nicht ganz in Vergessenheit geraten wird."
pro Zukunft

"Eine große, so weltweise wie liebenswürdig-hoffnungsvolle Lektion in Demut und Furchtlosigkeit."
Süddeutsche Zeitung, Jens-Christian Rabe

"Lovelocks Spekulation, dass die Ablösung des Menschen durch eine künstliche Intelligenz die anstehenden ökologischen Herausforderungen meistern könnte, ist hoch spannend, wenn man sie konkreter und politischer denkt."
Der Freitag, Roberto Simanowski

"Lovelocks Verdienst besteht darin, die Perspektive zu wechseln und den Menschen nicht als Höchstes zu sehen. Sondern als Teil der Natur, der jetzt gefälligst lebensrettenden Maschinen nicht im Weg stehen soll. Dies formuliert der Hundertjährige entspannt, mit alltagsnahen Beispielen."
Sächsische Zeitung, Uwe Salzbrenner

"KI sei nicht der Untergang der Menschheit, sondern ihre Rettung, das ist die Überzeugung von James Lovelock, die er (...) in seinem ungewöhnlichen, aber durchaus lesenswerten Buch vertritt."
Deutschlandfunk, Dagmar Röhrlich

"Eine unglaublich spannende, visionäre Schrift von einem der größten Erfinder und Forscher des 21. Jahrhunderts."
Gute Bücher lesen, Brian Appleyard

"Die Erde wird auch das Anthropozän, das Zeitalter des Menschen, überleben. Dank der künstlichen Intelligenz wird dann sogar der Mensch noch da sein. Super."
Die literarische WELT - Bester Lesestoff der Saison, Michael Pilz

"Der dumme Mensch und der kluge Cyborg, die sich zusammenschließen, um die Erderwärmung zu stoppen, die beide gleichermaßen bedroht. Ist dies etwa kein Szenario, für das es sich zu leben lohnen wird?"
Hohe Luft, Rebekka Reinhard und Thomas Vasek

"(...) ein erstaunlich heiteres und optimistisches Buch."
Kronen Zeitung

"Ein ungemütliches, aber hochinteressantes Buch."
Dresdner Morgenpost

"Dieser vermutlich letzte Universalwissenschaftler unseres Planeten (...) argumentiert mit bestechender Klarheit."
Technology Review, Jo Schilling

"Ein heiterer und hoffnungsvoller Text."
WELT, Michael Pilz

"(Lovelocks) lange Karriere als Wissenschaftler ist übersät mit glänzenden Ideen (...) Sein Denken ist intellektuell ungeheuer anregend."
Kölner Stadtanzeiger

"Weil er schon lange vor der Überhitzung des Planeten warnt, müsste die "Fridays for Future"-Jugend diesem alten (100!!) weißen Mann auf Knien dankbar sein"
Focus, Uwe Wittstock

"Das Buch eines hundertjährigen Forschers, das alle vertrauten Kategorien durcheinanderwirbelt und das die dräuende Menschheitsdämmerung der Verfremdung einer unfassbaren Heiterkeit und Zuversicht unterzieht."
FAS, Mark Siemons

"Ein 18-Jähriger mit 82-jähriger Erfahrung."
ARD, Dieter Mohr

"Heute gilt Lovelock als wissenschaftlicher Visionär. (...) Apokalyptische Visionen sind ihm fremd. Auch deshalb habe er dieses neue Buch geschrieben, gegen platte KI-Monster und Untergangsszenarien. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Lovelock spekuliert über Hyperintelligenzen, Photonen, Energie und Telepathie und sagt dabei mit jedem Satz: Komm ins Offene."
ARD, Angelika Kellhammer

"Der größte wissenschaftliche Visionär unserer Zeit"
The Observer

"James Lovelock ist ein Wunder."
Frankfurter Rundschau

"Ein Prophet, der jede Ehrung verdient, die die Menschheit vergeben kann."
The Guardian

"Der einflussreichste Forscher und Autor seit Charles Darwin."
The Irish Times

"Der Wissenschaftler, der unser Bild der Erde verändert hat."
The Independent

"Der größte wissenschaftliche Denker unserer Zeit"
The Sunday Times

"Es ist wach, hell und klar, witzig und streitbar."
Arno Widmann, Frankfurter Rundschau
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"Eine große Lektion in Demut und Furchtlosigkeit"
Jens-Christian Raabe, Süddeutsche Zeitung

"Apokalyptische Visionen sind ihm fremd ... Angst ist ein schlechter Ratgeber. Lovelock spekuliert über Hyperintelligenzen, Photonen, Energie und Telepathie und sagt dabei mit jedem Satz: Komm ins Offene."
Angelika Kehlhammer, ttt

"Dieser vermutlich letzte Universalwissenschaftler unseres Planeten ... argumentiert mit bestechender Klarheit."
Jo Schilling, Technology Review

"James Lovelock ist ein Wunder."
Frankfurter Rundschau