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Kaum ein anderer nicht-christlicher Denker des Mittelalters ist so sehr Teil der abendländischen Geistesgeschichte geworden wie der persische Muslim Avicenna (um 980-1037). Durch seine Vermittlung gelangten die Werke des Aristoteles wieder nach Westeuropa. Sein enzyklopädisches Hauptwerk "Buch der Genesung der Seele" hatte prägenden Einfluß auf Albert den Großen und Thomas von Aquin. Gotthard Strohmaier schildert das abenteuerliche Leben Avicennas, gibt eine Einführung in sein Werk auf dem neuesten Stand der Forschung und skizziert Avicennas Bedeutung für das abendländische Denken.

Produktbeschreibung
Kaum ein anderer nicht-christlicher Denker des Mittelalters ist so sehr Teil der abendländischen Geistesgeschichte geworden wie der persische Muslim Avicenna (um 980-1037). Durch seine Vermittlung gelangten die Werke des Aristoteles wieder nach Westeuropa. Sein enzyklopädisches Hauptwerk "Buch der Genesung der Seele" hatte prägenden Einfluß auf Albert den Großen und Thomas von Aquin. Gotthard Strohmaier schildert das abenteuerliche Leben Avicennas, gibt eine Einführung in sein Werk auf dem neuesten Stand der Forschung und skizziert Avicennas Bedeutung für das abendländische Denken.
Autorenporträt
Prof. Dr. phil. Gotthard Strohmaier ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am "Corpus Medicorum Graecorum" der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Professor am Seminar für Semitistik und Arabistik der Freien Universität Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.04.2000

Beginne dich selbst
Gotthard Strohmaier deutet und kritisiert Avicenna

Bewunderer des islamischen Philosophen Avicenna, der um 980 in Nordostpersien geboren wurde, sind sich selten einig: Die einen preisen den allegorischen und verschlüsselten Stil des Spätwerks und mutmaßen recht spekulativ, dass das verlorene Buch "Die Östlichen" eine mystische Philosophie der Erleuchtung enthalten haben müsse. Die anderen schätzen Avicenna als subtilen Aristoteliker, als den Begründer einer ebenso schwierigen wie originellen Metaphysik und Seelenlehre.

Umso gespannter durfte man auf Gotthard Strohmaiers Avicenna-Monografie sein. Der Autor gehört, wie sich herausstellt, zu keiner der genannten Gruppen, und man fragt sich am Ende, ob er überhaupt unter die Bewunderer Avicennas zu rechnen ist. Denn Strohmaiers Buch ist von einer eigentümlichen Distanz zu seinem denkenden Helden durchzogen. Das hat den Vorzug, dass die Eigenpropaganda des Philosophen nicht auf die Darstellung abfärbt, wie das bei Monografien über große Denker häufig der Fall ist. Es hat auch zur Folge, dass Avicennas Naturwissenschaft schlecht abschneidet, schlechter jedenfalls als die seines Zeitgenossen al-Biruni; das Gleiche gilt für das medizinische Werk, das am Niveau des Griechen Galen gemessen wird. Das dunkle Spätwerk Avicennas, modernen irrationalen Strömungen vergleichbar, führe aus westlicher Sicht auf einen "Holzweg". Die Originalität des arabischen Philosophen liege vielmehr "auf dem Feld einer idealistischen Metaphysik".

Die wenigen Seiten aber, die Strohmaier der Metaphysik widmet, sind auf einen Teilbereich, Gottes- und Himmelslehre, beschränkt und werden nur wenige Leser von Avicennas philosophischer Leistung überzeugen können. Dabei hätte sich eindrucksvoll beschreiben lassen, wie Avicenna die bei Aristoteles noch tastende und unzusammenhängende Metaphysik durch eine systematische Lehre vom Seienden ersetzt; wie er dieses System auf den Begriffen des Seienden, des Dings und des Notwendigen aufbaut, also nicht von oben, von Gott her; wie er die Unterscheidung zwischen Wesen und Existenz entwickelt und sie nicht nur auf Gott, der als einziger durch sein Wesen eines und existent ist, sondern auch auf die Allgemeinbegriffe anwendet, zu deren Wesen die Existenz nicht gehört; wie endlich die Metaphysik von einer Lehre philosophischer Prophetie gekrönt wird.

Auch Avicennas Psychologie hätte mit mehr Sinn für ihre Stärken dargestellt werden können. Natürlich ist richtig, dass die Lokalisierung der so genannten fünf inneren Sinne in den Gehirnkammern "rein spekulativ" ist, wie Strohmaier schreibt. Das sollte aber nicht den Blick dafür verstellen, dass Avicennas begriffliche Trennung zwischen Gemeinsinn, Vorstellungskraft, Kombinationskraft, Urteilskraft und Gedächtnis mit einer genauen Differenzierung von Funktionen einhergeht, die die Benennung psychologischer Vorgänge in bis dahin unbekannter Präzision ermöglicht. Griechische und arabische Autoren vor Avicenna entwickelten noch keine vollgültige Theorie von instinktiv richtigem Verhalten bei Tieren und Menschen. Avicenna ist dazu in der Lage, weil er im Zuge seiner Diskussion der Urteilskraft zwischen Sinnesdaten und den sie begleitenden Konnotationen unterscheidet. Es greift zu kurz, wenn man in Avicennas dezidiert philosophischer Interpretation von Medizin, Naturwissenschaft und Theologie eine prinzipielle Schwäche sieht. Gerade hier zeigt sich die Qualität seines Denkens, das weit mehr leistet, als "Versatzstücke griechischer Bildung" nur "kritisch sichtend zusammenzufügen".

Strohmaier ist ein großer Erzähler, und das nimmt einen für dieses Buch wieder ein. Er stellt Avicennas Philosophie und Wissenschaft nicht dar, er erzählt sie. Der Leser lernt wie beiläufig sehr viel über islamische Kultur, und er lernt auf sehr anschauliche Weise das Gesamtwerk Avicennas kennen: seine Philosophie, Theologie, Medizin, Naturwissenschaft, Politik und Poesie - Strohmaier leistet hier deutlich mehr als viele andere Autoren der philosophielastigen Reihe "Denker".

Dieses Buch über Avicenna schließt eine Lücke in der deutschen Geisteswissenschaft: Möge es viele Leser dazu anregen, sich mit dem großen islamischen Philosophen zu beschäftigen. Als Empfehlung sei die mürrisch tadelnde, nur auf Lateinisch überlieferte Bemerkung seines Gegners Averroes zitiert. Avicenna habe in fast allen Bereichen geirrt, und zwar weil er, anstatt Aristoteles zu folgen, sozusagen bei sich selbst begonnen habe: "quia incepit quasi a se".

DAG NICOLAUS HASSE

Gotthard Strohmaier: "Avicenna". Verlag C. H. Beck, München 1999. 182 S., Abb., br., 24,- DM.

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