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"Sie kamen zu einer Insel, die nördlich des Landes lag und gingen dort hinauf und sahen sich bei gutem Wetter um. Sie fanden Tau auf dem Gras und berührten als Erstes mit den Händen den Tau und führten ihn zum Mund und dachten, noch nie etwas Süßeres gekostet zu haben." So wird in der Grænlendinga Saga die Ankunft der Wikinger in Amerika beschrieben. Rudolf Simek erzählt hier die Geschichte dieser Entdeckungsreise und schildert, wie deren archäologische Spuren im 20. Jahrhundert wiederentdeckt wurden. Was trieb die Wikinger rund 400 Jahre, bevor Christoph Kolumbus in die Neue Welt aufbrach, zu…mehr

Produktbeschreibung
"Sie kamen zu einer Insel, die nördlich des Landes lag und gingen dort hinauf und sahen sich bei gutem Wetter um. Sie fanden Tau auf dem Gras und berührten als Erstes mit den Händen den Tau und führten ihn zum Mund und dachten, noch nie etwas Süßeres gekostet zu haben." So wird in der Grænlendinga Saga die Ankunft der Wikinger in Amerika beschrieben. Rudolf Simek erzählt hier die Geschichte dieser Entdeckungsreise und schildert, wie deren archäologische Spuren im 20. Jahrhundert wiederentdeckt wurden. Was trieb die Wikinger rund 400 Jahre, bevor Christoph Kolumbus in die Neue Welt aufbrach, zu ihrer gefährlichen Reise durch das Nordmeer? Abenteuerlust, Mangel an wichtigen Rohstoffen und Nahrungsquellen? Woher stammten diese Entdecker überhaupt, die wir recht unpräzise mit dem Begriff "Wikinger" bezeichnen, und welche Quellen erzählen ihre Geschichte(n)? Diesen Fragen geht der renommierte Wikinger-Forscher Rudolf Simek hier nach. Darüber hinaus erklärt er, wie die Boote der Wikinger beschaffen waren, schildert das nautische Wissen und die Weltvorstellungen der nordischen Seefahrer und erzählt, wie 1961 das norwegische Ehepaar Helge und Anne Stine Ingstad bei L'Anse aux Meadows an der Küste von Neufundland auf die archäologischen Reste der Wikinger-Expedition stieß. Ein unterhaltsames Kapitel über falsche nordamerikanische Wikinger, über die man in den USA so lebhaft phantasierte, dass man sich regelrechte "Viking Hoaxes" schuf, beschließt das Buch.
Autorenporträt
Rudolf Simek lehrt als Professor für Ältere Germanistik unter Einschluss des Nordischen an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.12.2016

Mit den Indianern war nicht gut Kirschenessen
Wein oder Weide, das ist bei Vinland die Frage: Rudolf Simek segelt mit den Wikingern nach Amerika

Mit fünfunddreißig Mann segelte Leif Eiriksson aus Grönland ab und erreichte zunächst ein Land, das "wie eine einzige Steinplatte" schien und das er daher "Helluland", Flachsteinland, nannte. Das zweite Land "war flach und von Wald bewachsen", berichtet die mittelalterliche "Saga von den Grönländern", also sollte es "Markland", Waldland, heißen. Ein drittes neues Land erhielt den Namen "Vinland", Weinland, weil ein Deutscher aus Leifs Mannschaft dort wild wachsenden Wein gefunden habe. Mit den Vinlandfahrten der Wikingerzeit begann, ein halbes Jahrtausend vor Kolumbus, die Entdeckung Amerikas.

Auch die "Saga von Eirik dem Roten", benannt nach Leifs Vater, erzählt von diesen Reisen. Überliefert sind beide Texte in isländischen Handschriften des vierzehnten beziehungsweise fünfzehnten Jahrhunderts. Sagas betrachte man "am besten als eine Art historischen Roman", schreibt Rudolf Simek. Der Bonner Altgermanist befasst sich in seinem neuen Buch mit den historischen Hintergründen der Fahrten und den archäologischen Funden, die die Ankunft in Amerika belegen.

Den Vinlandfahrten der Jahrtausendwende ging die skandinavische Besiedlung Islands und Grönlands voraus. Möglich war die Expansion im Nordatlantik durch die über Jahrhunderte hinweg erworbenen Erfahrungen im Schiffsbau. Neben Lang- oder Drachenschiffen, die als Kriegsschiffe unser Wikingerbild prägen, entstanden spezielle hochseetaugliche Lastschiffe, in denen Auswanderer auch Tiere und ihre übrige Habe transportieren konnten. Die Gefahr solcher Fahrten zeigte sich bei der Besiedlung Grönlands. Fünfundzwanzig Schiffe liefen in Island aus, nur vierzehn kamen an.

In beiden Sagas waren es Irrfahrten, die zum ersten Mal nach Amerika führten. In der "Saga von den Grönländern" wollte Bjarni Herjolfsson nach Grönland segeln, verlor aber im Nebel die Orientierung und gelangte an unbekannte Küsten, ohne dort an Land zu gehen. Das blieb Leif Eiriksson überlassen. Doch "die erfolgreichste und größte Expedition", so Simek, war in beiden Quellen die von Thorfinn Karlsefni, dessen Frau Gudrid das erste europäische Kind in der Neuen Welt gebar. Nachdem Thorfinn und seine Begleiter ihren ersten Winter in Vinland verbracht hatten, kamen fremde Männer, die Bündel mit Fellen trugen, aber keiner "verstand die Sprache des anderen". Trotzdem gelang der Handel mit den "Skrælingar", wie die Sagas die Indianer nennen.

Beim zweiten Treffen versuchte dann ein Indianer, Waffen der Siedler zu nehmen, und wurde erschlagen. Die dritte Begegnung war ein Kampf, in dem viele "Skrælingar" fielen. Durch die Schilderung von Kontakt und Konflikt zwischen fremden Kulturen sind die Sagas somit auch Urtexte der langen amerikanischen Frontiergeschichte, worauf Simek leider gar nicht eingeht. Die für Vinland belanglosen Selbst- und Fremdbezeichnungen der nach Osten ausgreifenden Wikinger erklärt er dagegen bis in die etymologischen Details. Man hätte ihm mehr Sinn für Auswahl und Gewichtung gewünscht.

Das norwegische Forscherpaar Helge und Anne Stine Ingstad entdeckte 1960 im kanadischen L'Anse aux Meadows an der Nordspitze Neufundlands die Überreste einer wikingerzeitlichen Siedlung. Dort standen einst Häuser mit Grasziegelwänden nach skandinavischer Art. Eiserne Bootsnieten und eine bronzene Ringnadel weisen ebenso auf europäische Siedler hin wie die Eisenschlacke als Anzeichen dafür, dass "Eisen zur Reparatur von Schiffen, Werkzeugen und Waffen hergestellt wurde". Unabhängig davon, ob die Siedlung tatsächlich mit Vinland oder einem anderen Ort der Sagas gleichzusetzen ist, lassen diese Funde laut Simek zwei Schlüsse zu: dass Skandinavier im frühen elften Jahrhundert dort siedelten - und dass die Anwesenheit nur von kurzer Dauer war.

Ärgerlich sind die Nachlässigkeiten, die den schmalen Band durchziehen. Dreimal findet man für die Besiedlung Grönlands die falsche Jahreszahl 885 (statt 985). Simek liest seine Quellen nicht genau, wenn er sich in der "Saga von Eirik dem Roten" über hundertsechzig Menschen auf nur zwei Schiffen wundert, denn es waren drei. Auch sprachlich geht manches schief: Da "haben spätere Grabungen (. . .) weitere Objekte entdeckt", als gäbe es kein Passiv, oder treten die Sagas "in das Blickfeld des Interesses", als reichte es nicht, wenn sie einfach in den Blick kämen.

Das größte Fragezeichen bleibt aber bei Simeks Ausführungen zur Benennung von Vinland, das er als Weide- statt als Weinland deutet, weil sich Weide und Wein im Altnordischen nur im kurzen oder langen "i" unterscheiden. Vom Forscherstreit über die sprachgeschichtliche Beurteilung der Weideland-Deutung erfährt man hier nichts. Stattdessen argumentiert Simek handfest. Der deutsche Weinfinder hätte doch gar nicht allein von Trauben betrunken werden können, wie es die Grönländer-Saga darstellt; Trauben wären auch schlecht länger per Schiff zu transportieren gewesen; und daheim in Grönland hätten die Seefahrer ja mit den angeblich mitgenommenen Weinreben gar nichts anfangen können wegen des Klimas. Den Weinbezug hält Simek für einen Marketingkniff der Entdecker oder eine spätere Ausschmückung.

In L'Anse aux Meadows wurden allerdings, wie Simek selbst erwähnt, Nüsse entdeckt, die nur weiter südlich wuchsen - also dort, so ergänzen die Weinland-Befürworter, wo es auch wilden Wein gab. Simek hat ein großes Thema und spannende Quellen, aber aufgrund der Leerstellen und Nachlässigkeiten wird daraus nur ein schwaches Buch.

THORSTEN GRÄBE

Rudolf Simek: "Vinland!". Wie die Wikinger Amerika entdeckten.

Verlag C. H. Beck, München 2016. 160 S., Abb., geb., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Großes Thema, schwaches Buch, urteilt Rezensent Thorsten Gräbe über Rudolf Simeks Versuch, die historischen Hintergründe und archäoloischen Funde zur Entdeckung Amerikas durch die Wikinger darzustellen. Auswahl und Gewichtung der Darstellung findet Gräbe nicht überzeugend. So geht der Autor laut Gräbe nicht auf die Bedeutung der Grönländer-Sagas als Urtexte der amerikanischen Frontiergeschichte ein, hält sich stattdessen aber unnötig lange mit den laut Rezensent belanglosen Selbstbezeichnungen der Wikinger auf. Ärgerlich findet Gräbe außerdem die Nachlässigkeiten im Buch. Falsche Jahreszahlen, ungenaue Quellenlektüre und sprachliche Fehltritte machen ihm die Lektüre schwer. Über die Debatten der Forschung zur sprachgeschichtlichen Beurteilung der Weideland-Deutung erfährt der Rezensent auch nichts.

© Perlentaucher Medien GmbH