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1 Kundenbewertung

Der Erste Weltkrieg sprengte alles, was sich die Welt vor 1914 hatte vorstellen können. Er wirkte wie die Büchse der Pandora - jenes mythische Schreckensgefäß, aus dem alle Übel der Welt entwichen, als man gegen den Rat der Götter seinen Deckel hob. Jörn Leonhard erzählt die Geschichte des Krieges so vielschichtig wie nie zuvor. Er führt den Leser auf vergessene Schlachtfelder und versetzt ihn abwechselnd in die Hauptstädte aller beteiligten Staaten. So entfaltet dieses Buch ein beeindruckendes Panorama. Es zeigt, wie die Welt in den Krieg hineinging und wie sie aus ihm als eine völlig andere…mehr

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Produktbeschreibung
Der Erste Weltkrieg sprengte alles, was sich die Welt vor 1914 hatte vorstellen können. Er wirkte wie die Büchse der Pandora - jenes mythische Schreckensgefäß, aus dem alle Übel der Welt entwichen, als man gegen den Rat der Götter seinen Deckel hob. Jörn Leonhard erzählt die Geschichte des Krieges so vielschichtig wie nie zuvor. Er führt den Leser auf vergessene Schlachtfelder und versetzt ihn abwechselnd in die Hauptstädte aller beteiligten Staaten. So entfaltet dieses Buch ein beeindruckendes Panorama. Es zeigt, wie die Welt in den Krieg hineinging und wie sie aus ihm als eine völlig andere wieder herauskam. Es nimmt nicht nur die Staaten und Nationen in den Blick, sondern auch die Imperien in Europa und weit darüber hinaus. Es beschreibt die dynamische Veränderung der Handlungsspielräume, die rasanten militärischen Entwicklungen und die immer rascheren Wandlungen der Kriegsgesellschaften. Und es lässt die Erfahrungen ganz unterschiedlicher Zeitgenossen wieder lebendig werden: von Militärs, Politikern und Schriftstellern, Männern und Frauen, Soldaten und Arbeitern. Jörn Leonhard ist eine zeitgemäße und moderne Geschichte des Ersten Weltkriegs gelungen, die es so bisher noch nicht gegeben hat: europäisch vergleichend, global in der Perspektive, souverän in der Darstellung.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Jörn Leonhard ist Professor für Westeuropäische Geschichte an der Universität Freiburg.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Urszenen gegenwärtiger Konflikte entdeckt Jens Bisky in Jörn Leonhards monumentaler Geschichte des Ersten Weltkriegs. Den Krieg versteht er auch, wenn ihm der Autor anhand von klug geordneten Details und Anekdoten, Fotos und Briefen Schlaglichter auf das Geschehen bietet, alles in einem plausiblen analytischen Rahmen, wie Bisky versichert, dem die Zusammenfassungen ausgangs jedes Kapitels Orientierung verschafft haben. Ein bisschen Geduld braucht der Rezensent, bis der Autor zum eigentlichen Kriegsausbruch kommt, doch bis dahin hat er schon viel gelernt. Über die einzelnen Elemente der "Urkatastrophe", darüber, wie Loyalität erzeugt wurde, wie Eliten und Massen zusammenspielten und über Erinnerungsformen. Dass vom Autor aufgezeigte Kontinuitäten hier nicht zu Zwangsläufigkeit führen, rechnet Bisky Leonhard hoch an, auch seine historische Distanz und dass er die Frage der Kriegsschuld locker umschifft, um sich Spannenderem zuzuwenden. Ein derartig reflektiertes wie kühnes Nebeneinander von Militär-, Wirtschafts-, Mentalitäts- und Gesellschaftsgeschichte, meint der Rezensent, ist was für den Profi wie auch für den historisch interessierten Leser.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2014

Beginn einer neuen Epoche der Weltkriegsgeschichte

Christopher Clark, Herfried Münkler, schön und gut - aber das wichtigste Buch zum Ersten Weltkrieg legt Jörn Leonhard mit "Die Büchse der Pandora" vor. Es ist unübertrefflich.

In der anschwellenden Flut von Literatur über den Ersten Weltkrieg, dessen Ausbruch vor hundert Jahren als Auftakt der "Urkatastrophe" des zwanzigsten Jahrhunderts ins Gedächtnis gerufen wird, gibt es sehr unterschiedliche Leistungen und Tiefpunkte. Bisher bietet der in Cambridge lehrende australische Historiker Christopher Clark mit seinen "Schlafwandlern", derzeit schon in der dreizehnten Auflage, eine lohnende Geschichte der internationalen Beziehungen vor dem Herbst 1914. Doch die Proportionen von Clarkes Text stimmen nicht. Hundert Seiten über Serbien und seine gefährliche Terrorismusszene folgen längere Kapitel über Frankreich, Russland und England, während ein eigener, ausführlicherer Teil über die Berliner Entscheidungsprozesse, deren Folgenreichtum bekannt ist, fehlt.

Man gewinnt den Eindruck, dass sich Clark partout von der Fischer-Kontroverse der sechziger Jahre so weit wie möglich distanzieren möchte. Zu dieser Position passt auch, dass er die methodisch immer lohnende Frage nach den "Non-Decisions", nach den schwerwiegenden Folgen nicht getroffener Entscheidungen, nirgendwo konsequent verfolgt.

Wozu hätte eine aufrechte, auf Friedenswahrung abgestellte England-Politik Bethmann Hollwegs geführt? Wohin eine entschieden bremsende reichsdeutsche Politik? Warum konnten die beiden Balkankriege im Vorfeld von 1914 vom europäischen Staatensystem aufgefangen werden, während das mit dem dritten von deutscher Seite nicht ernsthaft versucht wurde?

Durch sein Vorgehen verwischt Clark verblüffend einseitig den massiven deutschen Verursachungsanteil an der fatalen Konstellation, die zum Krieg geführt hat. Dem beschönigenden Kommentar des englischen Politikers Lloyd George aus den zwanziger Jahren, alle Staaten seien letztlich in das Unheil "hineingeschlittert", wird zielstrebig zu neuer Geltung verholfen. Und der Verkaufserfolg auf dem deutschen Büchermarkt - keineswegs auf dem englischen! - verrät ein tiefsitzendes, jetzt wieder hochgespültes apologetisches Bedürfnis, sich von jenen Schuldvorwürfen zu befreien, die in der Kontroverse um das Kriegszielbuch des Hamburger Historikers Fritz Fischer ("Griff nach der Weltmacht", 1961) allenthalben verfochten worden waren.

Das gleichzeitig erschienene Buch des Berliner Politikwissenschaftlers Herfried Münkler wird der intensiven Debatte über den Weltkrieg nicht von ferne gerecht. Offenbar muss man sich mit der einen gewaltigen Umfang erreichenden Forschungsliteratur ganz anders vertraut machen. Übrigens ist die strenge Deutschland-Zentriertheit seines Buchs den weitgespannten globalen, vergleichenden Perspektiven von Leonhard krass unterlegen. Münklers penetrante Kritik an Fischer bezeugt zudem die Verständnislosigkeit, mit der er dessen Leistung begegnet, jahrelang mit imponierender Zivilcourage als einziger deutscher Neuzeithistoriker die Kritik an der Julikrise 1914 und an den Kriegszielplänen bis 1918 - sowie an den damals nur zu oft verschwiegenen Kontinuitätslinien bis 1945 - pointiert vertreten zu haben.

Doch glücklicherweise ist soeben die glänzende Analyse "Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs"des Freiburger Historikers Jörn Leonhard erschienen, die in einem umfangreichen Konvolut von 1150 Seiten ein wahrhaft umfassendes Panorama des Ersten Weltkriegs, seiner Vorgeschichte und seiner Ursachen, seines Verlaufs und seiner Folgen präsentiert. Alle Historiker wissen, dass sie das theoretische Ziel einer "Totalgeschichte" wegen des ihnen nur vergönnten partiellen Erkenntnisgewinns nie erreichen können. Doch Leonhard kommt dieser totalgeschichtlichen Zielutopie erstaunlich nahe.

Der Freiburger Neuzeithistoriker war bisher mit zwei mächtigen Bänden über "Liberalismus" und "Bellizismus" hervorgetreten, die durch eine eigentümliche Mischung von moderner Ideen- und koselleckscher Begriffsgeschichte auffielen. Mit seinem Glanzstück zur Weltkriegsgeschichte hat er seine früheren Leistungen geradezu sprungartig weit übertroffen. Der Umfang des Buches verbietet eine Schritt für Schritt referierende Darstellung des Inhalts. Wohl aber können die auffallenden Vorzüge dieser Synthese knapp präsentiert werden.

An erster Stelle steht das scharf ausgeprägte Problembewusstsein des Verfassers, das ihn durchweg zu einer überzeugenden Problemorientierung seiner analytischen Fragen und seiner erklärungskräftigen Antworten anhält. Seine Methode, jeweils ein halbes Dutzend solcher Fragen aufzuwerfen und dann überzeugend zu erörtern, erleichtert dem Leser eine eingehende Auseinandersetzung mit der jeweils anstehenden Problematik.

Trotz dieses analytischen Duktus kommt die Ereignisgeschichte, und zwar in einem imponierenden globalen Umfang, keineswegs zu kurz. Sie wird aber eigentlich immer wieder durch eine vergleichende Argumentation gebändigt. Dadurch wird eine riesige Informationsfülle glänzend strukturiert, ob es um den immens wichtigen Beitrag der britischen Dominions zur englischen Kriegsleistung, die Bewältigung der Kriegskosten oder die Strapazen an der Heimatfront, die ausgedehnte Nachkriegsgeschichte in aller Welt geht. Wie viel plausibler wird jetzt der Erste Weltkrieg als Vorgeschichte und determinierende Kraft des Zweiten Weltkriegs begriffen!

Der "Weltkrieg" schließlich, durchaus als globale Konflikthäufung verstanden, wird als eine Vielfalt von Problemen, die in anderen Gesamtdarstellungen überhaupt nicht oder nur selten punktuell zur Sprache kommen, kenntnisreich erörtert. Das reicht vom Mikrokosmos der Grabenwelt im Stellungskrieg über die Körpererfahrung an der Front und in der Heimat bis zur Schlachtenschilderung der Kämpfe bei Verdun und an der Somme mit ihren Hunderttausenden von Toten auf beiden Seiten. Das weite Ausgreifen wird durch ein durchweg überzeugendes Herausarbeiten der Gemeinsamkeit von Problemlagen in den kriegführenden Ländern, aber auch der gravierenden Unterschiede zwischen ihnen gewissermaßen diszipliniert.

Man kann den Autor nur bewundern, dass er diese methodische Ausrichtung so konsequent durchgehalten hat.

Die Sprache dieses riesigen Textes bleibt elastisch und stets begriffsscharf. Allenfalls hätte ein energischer Lektor eingreifen sollen, da die deutsche Sprache nun einmal vorbehaltlos den Singular liebt, keineswegs aber die ständigen Pluralformen, die als Anglizismen in das Gegenwartsdeutsch immer weiter eindringen. Die Anmerkungen entsprechen der Fülle der Urteile und Informationen; die Register erschließen den Text für suchende Leser; die Bibliographie ist ein kleines Meisterwerk für sich, da sie aus einer riesigen Literatur eine überzeugende Auswahl getroffen hat.

Kurzum, wir haben mit Jörn Leonhards imponierender Synthese ein theoretisch und methodisch höchsten Ansprüchen genügendes, durch seine Interpretationskunst, seine Vielseitigkeit und die Informationsdichte überzeugendes Werk gewonnen, das nicht zuletzt durch sein gerechtes Urteil überzeugt. Wird am Ende des Jahres 2014 eine Bilanz der Literaturschwemme zum Ersten Weltkrieg gezogen, wird Leonhard aller Wahrscheinlichkeit nach als einsamer Spitzenreiter aus diesem Wettbewerb hervorgehen, denn mit seiner Analyse beginnt eine neue Epoche der Weltkriegsgeschichte.

HANS-ULRICH WEHLER

Jörn Leonhard: "Die Büchse der Pandora". Geschichte des Ersten Weltkriegs. Verlag C. H. Beck, München 2014. 1157 S., Abb., geb., 38,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.06.2014

Triumphe der Gewalt
Nach drei, vier Jahren glichen die Gesellschaften Häusern, von denen nur noch die äußeren Wände standen: Wer die
Geschichte des Ersten Weltkriegs verstehen will, sollte Jörn Leonhards Monumentalpanorama „Die Büchse der Pandora“ lesen
VON JENS BISKY
Die Berliner Morgenpost wollte Ende Juli 1914 einen Leitartikel bringen, in dem ihr langjähriger Mitarbeiter Arthur Bernstein die „Kriegshetzer“ warnte: Sie verrechneten sich, gingen ihren Illusionen auf den Leim. Italien, schrieb er, würde Deutschland nicht beistehen, wenn es überhaupt mitmachen würde, dann auf der Seite der Entente. Schlimmer noch: England werde nicht neutral bleiben, einen Durchmarsch deutscher Truppen durch Belgien auf keinen Fall dulden. Damit hätte man dann die „ganze englische Welt“ gegen sich, besonders Amerika. Von Österreich-Ungarn sei weder militärisch noch wirtschaftlich viel zu erhoffen, es sei kaum den Serben und Rumänen gewachsen. Eine russische Revolution sei erst nach der Niederlage Russlands zu erwarten. Ein deutscher Sieg sei ungewiss: „Aber selbst wenn wir den Krieg gewinnen, so werden wir nichts gewinnen.“ Bernsteins Artikel „Die letzte Warnung“ wurde gesetzt, aber nicht gedruckt. Er schien nicht mehr opportun. Seine Analyse traf zu, weil er gut informiert und nicht im Wahnsystem der Diplomaten, Generalstäbler und sonstigen „Schlafwandler“ befangen war.
  Im September 1914 schrieb die Stettiner Hausbesetzerin Redepenning ihren Mietern einen Brief: „Die gewaltige Wendung, die durch die Gnade des Allmächtigen Gottes unsere durch seine Macht und Kraft bewaffneten Truppen uns errungen haben, lassen uns in eine große gesegnete kommende Zeit blicken. (. . . ) Ihre Wohnung kostet vom 1. Oktober ab 30 Mark mehr.“ Den Mietern standen nach diesem verspäteten „Augusterlebnis“ Jahre voller Todesnachrichten, Hunger, der Zusammenbruch ihrer gewohnten Welt bevor. Die dreißig, mit Gnade des Allmächtigen abverlangten Mark waren im Rückblick wohl das kleinste Übel, aber ein erstes Zeichen.
  Als im November 1916 der Steckrübenwinter begann, plagten den deutschen Kaiser Wilhelm II. Sorgen um sein Lieblingsjagdrevier in Ostpreußen. Einen Bericht über den Hirschbestand in Rominten las er vor der Mittagstafel vor, der eifrige Forstmeister plante, Mohrrüben für die Wildfütterung aufzukaufen. Es würde die Geweihbildung verbessern. An Hunger, an Folgen des Mangels, der ständigen Unterversorgung starben im Reich Wilhelms II. etwa 700 000 Menschen.
  Aufschlussreiche Details wie diese, Anekdoten, Fotografien, Tagebücher und Briefe hat der Freiburger Historiker Jörn Leonhard für seine „Geschichte des Ersten Weltkriegs“ en masse zusammengetragen. Er beginnt mit den Kindern der Familie Mann, die am Samstag, den 1. August 1914 „Die Büchse der Pandora“ probten, nach Gustav Schwabs Sagen des klassischen Altertums. Es muss vergnüglich zugegangen sein im Garten des Ferienhauses, bis das Kindermädchen die Generalprobe unterbrach, man könne heute nicht Theater spielen, der Krieg sei ausgebrochen. Das „Elend in allen Gestalten“, die in Pandoras Büchse verschlossen waren, beherrschte fortan die reale Welt.
  Der Leser merkt sich Geschichten und Einzelheiten, weil Jörn Leonhard sein Panorama des Großen Krieges klug geordnet hat. Der analytische Rahmen ist plausibel. Nach einem langen Kapitel über die „Welt von Gestern“ und die Zunahme von Krisen schreitet Leonhard Jahr für Jahr ab: Sommer und Herbst 1914 behandelt er unter den Schlagworten „Entgleisung und Eskalation“, dann folgen: „Stillstand und Bewegung: 1915“, „Abnutzen und Durchhalten: 1916“, „Expansion und Erosion: 1917“, „Plötzlichkeit und Zerfall: 1918“. Jedes Kapitel endet mit einer deutenden Zusammenfassung: „Fünf Monate Krieg“, „17 Monate Krieg“ und so weiter.
  Diese kompositorische Entscheidung hat den Nachteil, die Darstellung zu verlangsamen. Temperamentvolle Leser dürften auf den ersten hundert Seiten unruhig mit den Füßen scharren. Es dauert, bis die ersten Schüsse fallen. Doch wird man durch Erkenntnisgewinn entschädigt. So genau wie hier ist die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ bisher nicht in ihre Elemente und Momente zerlegt worden. Wie die bürgerliche Welt des 19. Jahrhunderts im und durch den Krieg sich wandelte, warum das „Jahrhundert der Extreme“ als Kind des Krieges gelten kann, analysiert Leonhard kühl und mit dem Willen, nicht alles über einen Kamm zu scheren. Auch die Kontroversen über den Krieg, die verschiedenen Formen, an ihn zu erinnern, werden aus der historischen Distanz betrachtet. Die leidige Diskussion über die Kriegsschuld etwa wendet Leonhard in die Frage, wer im Juli 1914 hätte deeskalieren können und warum dies nicht gelang.
  Vor allem widmet er sich der viel interessanteren Frage, wie Loyalität erzeugt, gesichert, erhalten wurde und warum sie schließlich erodierte. Die Helden seiner Geschichte, die von Jahr zu Jahr einen stärkeren Sog entwickelt, sind die Kriegsgesellschaften – im Zusammenspiel von Eliten und Massen, von Front und Heimat.
  Geschildert wird wirklich der Weltkrieg. Im Jahr 1916 etwa waren, so Leonhard, die Kämpfe an der Ostfront wichtiger als die im Westen. Die Brussilow-Offensive brachte den Alliierten den bedeutendsten Geländegewinn seit Beginn des Krieges, die Verluste auf beiden Seiten waren größer als die der Schlachten von Verdun und an der Somme, Österreich-Ungarn musste fortan deutsche Hilfe akzeptieren, einschließlich deutscher Kommandeure bis zur Bataillonsebene hinab.
  Der Krieg würde, so ließ sich schlussfolgern, nicht durch Durchbrüche auf den Schlachtfeldern und rasch gewonnene, rasch verlorene Geländegewinne entschieden werden. Es ging ums Durchhalten. Wer konnte die Abnutzung der Kräfte länger ertragen? Für Russland und die Habsburgermonarchie waren die „Ereignisse im Osten zwischen März und September 1916 eine entscheidende Wasserscheide“. Wachsende Erschöpfung führte zur Erosion der militärischen Strukturen wie des politischen Systems. Pointiert: Ein Sieg so groß, dass er die Opfer und Verluste rechtfertigen, verlorene Legitimität wiederherstellen könnte, war unmöglich – und wurde doch erwartet. Radikalisierung schien unvermeidlich, der Liberalismus in den meisten Kriegsgesellschaften erledigt.
  Es schlug die Stunde der Utopie-Strategen Wladimir Iljitsch Uljanow und Woodrow Wilson. Leonhard behandelt sie auf erhellende Weise zusammen: „Lenin und Wilson: Doppelter Internationalismus als revolutionärer Bürgerkrieg und demokratische Intervention.“ Die Konkurrenz beider Utopien sollte das zwanzigste Jahrhundert prägen. Seit 1917 zeichnete sich die „Totalisierung von Kriegsanstrengungen“ als Möglichkeit ab, eine „totale Mobilisierung“ von Militär, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Für neue Kriegsregime stehen die Namen Clemenceau, Lloyd George und Ludendorff.
  Noch einmal funktionierte 1917 der „Mechanismus der paradoxen Selbstverlängerung des Krieges“ – die Opfer verlangen einen Siegfrieden –, zugleich wurde deutlich, dass es nicht mehr lange so weitergehen könne: „Immer mehr ähnelten die Regime und Kriegsgesellschaften Häusern, von denen nach vier Jahren Krieg nur noch die äußeren Wände standen, und die beim nächsten Treffen komplett in sich zusammenfallen konnten.“
  Die Bewohner dieser entkernten Häuser verloren die Fähigkeit zum Frieden. Leonhard versteht es geschickt, Kontinuitäten aufzuzeigen, ohne die Zwangsläufigkeit der späteren Entwicklung zu behaupten. Der Sieger des 1914 begonnenen Krieges war, so sein Fazit, „der Krieg selbst, das Prinzip des Krieges, der totalisierbaren Gewalt als Möglichkeit“ – und das heißt ja auch, nicht als Notwendigkeit. Das zehnte und letzte Kapitel resümiert die „Hypotheken“ des jahrelangen Mobilisierens, Kämpfens, Schlachtens: eine neue Gewaltökonomie, in der große Zahlen und Abstraktionen vorherrschten, das Töten anonym geschah, der Gegner kein Gesicht besaß, die Todesdrohung permanent wurde.
  Nachdem immer weniger zwischen äußeren und inneren Feinden unterschieden worden war – man denke nur an den Völkermord an den Armeniern, an Internierungen, Ausgrenzungen –, nachdem es zur Gewohnheit wurde, sich von Feinden umgeben zu fühlen, schien Selbsthilfe durch Gewalt ein probates Mittel. Die staatliche Bürokratie gewann an Macht und wurde mit immer neuen Aufgaben konfrontiert. Überkommene Ordnungsvorstellungen schienen obsolet. Erwartungen und Erfahrungen traten auseinander. In Osteuropa hinterließ der Krieg Zonen der Gewalt. Da dort auch lange nach dem November 1918 weiter gekämpft wurde, Bürgerkriege, Säuberungen und Staatsterrorismus aufeinander folgten, fehlen vielfach die in Westeuropa selbstverständlichen „Erinnerungsorte“ an die Toten des Ersten Weltkriegs.
  Jörn Leonhard scheut die Zuspitzung, er wägt die Argumente lieber ab, beruft sich auf das ständige Nebeneinander von Kontinuität und Diskontinuität. Beinahe zu skrupulös warnt er davor, den Krieg als „Block mit einem einfachen Schema des Vorher und Nachher“ zu behandeln. Aber eben dank dieser reflektierten Zurückhaltung, im kühnen Nebeneinander von Kultur- und Militärgeschichte, von Wirtschafts-, Mentalitäts- und Gesellschaftsgeschichte ist ihm eine große Synthese gelungen, von der professionelle Historiker ebenso profitieren dürften wie historisch interessierte Zeitgenossen.
  Ein „neuer stabiler Ordnungsrahmen“ sei, sagt er, nach 1918 nicht zu erkennen gewesen, weder gesellschaftlich, noch politisch noch zwischen den Staaten. Seine „Büchse der Pandora“ stellt nun einen so plausiblen wie flexiblen Rahmen bereit, um die Fülle des Wissens über den Großen Krieg zu ordnen. Ein Teil der Hypotheken ist bis heute nicht abgetragen. Wer in kommenden Jahren nach „Ur-Szenen“ gegenwärtiger Konflikte sucht, an den Grenzen der Europäischen Union, im Nahen Osten, auf dem Balkan oder im Inneren der europäischen Gesellschaften, im Verhältnis zu den USA oder zu Russland, der wird nicht umhin kommen, dieses Buch zu befragen.
Im Steckrübenwinter 1916 sorgte
sich Wilhelm II. um sein
Lieblingsjagdrevier in Ostpreußen
Der Krieg konnte nicht durch
Durchbrüche gewonnen werden –
es ging ums Durchhalten
Zwischen äußeren und inneren
Feinden wurde immer
weniger unterschieden
„Je mehr Opfer der Krieg forderte, desto weniger kam ein Kompromissfrieden infrage, und desto mehr konzentrierte man sich auf einen Sieg . . . “ Ruine in den Dolomiten.
Foto: Scherl
  
  
  
Jörn Leonhard: Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs. Verlag C.H. Beck, München 2014. 1157 Seiten, 38 Euro. E-Book 31,99 Euro.
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"The beste single-volume history of the Great War yet written."
Simon Heffer, The Spectator, 5. Mai 2018

"Dieses Buch ist ein Meisterwerk - elegant geschrieben, klar in der Analyse und vielschichtig in der Perspektive. Eine maßgebliche neue Deutung des Ersten Weltkriegs und eine fesselnde Lektüre."
Christopher Clark, Autor von "Die Schlafwandler"

"Mit Leonhards Analyse beginnt eine neue Epoche der Weltkriegsgeschichte."
Hans-Ulrich Wehler, Frankfurter Allgemeine Zeitung