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Produktdetails
  • Verlag: Beck
  • 2. Aufl.
  • Seitenzahl: 304
  • Erscheinungstermin: 15. Februar 2023
  • Deutsch
  • Abmessung: 216mm x 140mm x 22mm
  • Gewicht: 424g
  • ISBN-13: 9783406801440
  • ISBN-10: 3406801447
  • Artikelnr.: 66686268
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.12.2011

Klares Denken,
kleines Deutschland
In einer markanten Biographie erhellt Gerhard Schulz
das Leben des Salineninspektors Friedrich von Hardenberg
und das Werk des Dichters Novalis Von Lothar Müller
Mit knapp 26 Jahren wählte Friedrich von Hardenberg im Februar 1798 seinen Künstlernamen: Novalis. Schon drei Jahre später, im März 1801, starb er, und sein wachsender Nachruhm heftete sich an das Pseudonym, an den suggestiven Dreiklang der Vokale. Er verband sich mit den „Hymnen an die Nacht“, mit dem postum veröffentlichten Roman „Heinrich von Ofterdingen“, wurde zur Unterschrift unter das Bild eines ätherischen Dichters von geringer Bodenhaftung, der seiner blutjung gestorbenen Geliebten hatte nachsterben wollen und im Luftreich des Traums die blaue Blume gesucht und gefunden hatte.
Gerhard Schulz, 1928 in der Oberlausitz geboren, hat ein langes Gelehrtenleben mit dem Dichter Novalis verbracht, und er hat schon 1958 begonnen, ihn an seinen Geburtsnamen zurückzubinden, in seiner Leipziger Dissertation mit dem nüchternen Titel: „Die Berufstätigkeit Friedrich von Hardenbergs und ihre Bedeutung für seine Dichtung und seine Gedankenwelt.“ Ein Jahr später holte ihn der aus Deutschland emigrierte Richard Samuel nach Melbourne, als Mitarbeiter an der historisch-kritischen Novalis-Ausgabe. Schulz blieb in Australien, wurde 1969 nach der Emeritierung Samuels dessen Nachfolger und publizierte im selben Jahr die Rowohlt-Monographie „Novalis in Selbstzeugnissen und Dokumenten“.
In dem Buch, in dem er jetzt noch einmal einen Gesamtüberblick über die Biographie Friedrich von Hardenbergs und sein Werk gibt, beansprucht das Verzeichnis der eigenen Schriften zum Thema vier Druckseiten. Aber dies ist keine voluminöse Summe, kein Dickicht von Details, keine Fachsimpelei mit den gelehrten Kollegen. Es ist der Versuch letzter Hand des Novalis-Forschers Gerhard Schulz, dem allgemeinen Publikum das vertrackte Innenleben eines sehr einfachen Satzes nahezubringen: Die Werke des Novalis hat der studierte Jurist und thüringisch-sächsische Verwaltungsbeamte, der Bergbauingenieur, Geologe und Salinentechniker Friedrich von Hardenberg geschrieben.
Schulz gibt nie der Versuchung nach, das Pseudonym und den amtlichen Namen des Aristokraten in einer Doppelgänger-Geschichte gegeneinander auszuspielen, als Drama zweier Seelen in einer Brust, einer poetischen und einer prosaischen. Stattdessen nimmt er beide Namen gleich ernst. Er stellt einen Intellektuellen vor, der in zwei Sphären zugleich lebt, zeigt die Verbindungslinien zwischen dem Werk des romantischsten aller deutschen Dichter und seiner beruflichen Existenz auf und zitiert den Brief, den Friedrich von Hardenberg im Dezember 1798 – da waren seine „Blüthenstaub“-Fragmente im Athenäum bereits erschienen – an die Frau des Amtmanns August Cölestin Just schrieb: „Die Schriftstellerei ist eine Nebensache – Sie beurteilen mich wohl nach der Hauptsache – dem praktischen Leben.“
Mit markanten Strichen skizziert Schulz den Raum dieses Lebens, das sich ganz im mittleren Deutschland bewegte: weder hat Friedrich von Hardenberg den Rhein mit eigenen Augen gesehen, noch die Oder oder die Donau, und auch nicht das Meer. 1772 wurde der Dichter auf dem Familiengut Oberwiederstedt in der Grafschaft Manstein geboren, einem alten Bergbaugebiet, 1785 übersiedelte die Familie nach Weißenfels, Amtssitz des Vaters als Direktor der kursächsischen Salinen.
Es ließe sich von den Jugendjahren rasch übergehen zum Jurastudium in Jena der Jahre 1790/91, zur Bekanntschaft mit dem bewunderten Schiller, nach Leipzig, wo Hardenberg auf Friedrich Schlegel traf, und Wittenberg, wo er das juristische Staatsexamen ablegte. Aber Schulz hält sich zuvor bei den Schülerjahren auf, mit Gewinn. Das hat unmittelbar mit der historisch-kritischen Novalis-Ausgabe zu tun, in die 1998 der 1983 von Hans-Joachim Mähl in Krakau wiederentdeckte Jugendnachlass des Dichters eingegangen. Diese rund 480 Manuskriptseiten mit mehr als dreihundert Gedichten, Fabeln, Übersetzungen, Aufsätzen dokumentieren die poetischen Lehrjahre des 16- bis 18-Jährigen. Aus seiner Seele schöpfte er weniger als aus der Bibliothek, wenn er sich in „der leichten Versification“ übte, antike, französische, italienische Autoren übersetzte, Totenklagen auf lebende Familienmitglieder dichtete, frivole Scherze machte, den Ton protestantischer Gesangbücher variierte. Dem Übungsfuror lag die alte Vorstellung zugrunde, Dichten sei etwas, das man lernen könne, nicht die neue Lehre vom Originalgenie. Dem Rokoko steht er näher als dem Sturm und Drang, und seinem Zentrum, der Lyrik Goethes.
Der Jugendliche Friedrich von Hardenberg, der schon Dichter ist, aber noch nicht Novalis, hat hier ein Gegenüber: den Absolventen der Bergakademie in Freiberg, der 1799 in die Salinendirektion in Weißenfels eintritt. Dieser Jurist und Bergbauingenieur ist schon Novalis, aber nicht nur Dichter. Zwischen diesen beiden steht der verliebte junge Mann, der sich 1794 mit Sophie von Kühn verlobt und nach ihrer Krankheit und ihrem Tod im März 1797 sein Tagebuch zu führen beginnt. Ihr schwärmerisches Pathos verlieren die „Hymnen an die Nacht“ durch diese Einbettung nicht, aber das Bild des Autors, der sie geschrieben hat, gewinnt an Konkretion. Ebenso ist es mit dem „Heinrich von Ofterdingen“ im Kapitel „Siedepfannen und Sonette“. Es ist aus dem 2006 erschienenen Band der Novalis-Ausgabe herausgewachsen, der die Schriften und Dokumente zur Berufstätigkeit Hardenbergs versammelt, und sucht die Listen mit Reimworten zu den Gedichten des „Ofterdingen“ in den Notizen des Salineninspektos auf.
In der Wahrnehmung Goethes sind die amtlichen Schriften dem Werk an die Seite getreten, zur Verklärung Kafkas bildet das Ernstnehmen seiner Berufstätigkeit ein heilsames Gegengewicht. Durch Bücher wie dieses wird die umstandslose Gleichsetzung von Romantik und Weltflucht erschwert, Novalis vom Bild des todessüchtigen Träumers gelöst. Doch zum Glück geht hier die Aufwertung von Alltag und Beruf nicht mit einer heimlichen Aversion gegen die Poesie einher.
Hier schreibt ein Kenner Friedrich von Hardenbergs und Bewunderer des Novalis zugleich, ob es um „Die Christenheit oder Europa“ geht, die „Geistlichen Lieder“,das „Lied der Todten“ oder das Verhältnis von Liebe, Sexualität, Madonnenkult und pietistisch-protestantische Frömmigkeit. Schulz stellt Wegweiser in Richtung Werk auf, statt es umfassend zu kommentieren. Manches ist aus seinen Aufsätzen übernommen, nicht immer sind die Nahtstellen zu übersehen. Aber das wiegt gering gegenüber den Vorzügen dieser „Leben und Werk“-Darstellung. Zu ihnen gehört, dass sie den Intellektuellen und Philosophen so ernst nimmt wie den Dichter, und das heißt vor allem: den Autor des 1798/1799 entstandenen „Allgemeinen Brouillon“, das von der Wissenschaftslehre Fichtes inspirierte Gegenstück zur romantischen Universalpoesie. In dieser quecksilbrig-galvanischen Enzyklopädistik ist Novalis nebenbei auch, was Lichtenberg in seinen „Sudelbüchern“ für die Aufklärung war. Hier gilt besonders, was Schulz für das Werk insgesamt reklamiert: „Universalität, klares Denken und kleines Deutschland“.
Gerhard Schulz
Novalis
Leben und Werk Friedrich von Hardenbergs. Verlag C. H. Beck, München 2011. 304 Seiten, 24,95 Euro.
Bücher wie dieses erschweren
die Gleichsetzung von
Romantik und Weltflucht
Friedrich von Hardenberg (1772-1801), Stich von Eduard Eichens. Foto: Blanc Kunstverlag
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2012

Er hat die Schranken gebrochen

In jüngster Zeit sind gleich zwei neue Biographien über den Dichter Novalis erschienen. Warum eigentlich? Und ist das des Guten womöglich zu viel?

Die Lebensdaten des Friedrich von Hardenberg oder Novalis, der 1772 geboren wurde und schon 1801 verstarb, boten nicht unbedingt Anlass für zwei Biographien - ein 240. Geburtstag oder ein 210. Todestag ist kein Gedenktag, zu dem man eine neue Gesamtwürdigung erwartet.

Wohl aber mag die Entwicklung der Novalis-Forschung ein Impuls gewesen sein. Die historisch-kritische Ausgabe seiner Werke, die viel neues Material zur Kenntnis gebracht hat, erreichte 1998 mit den Jugendschriften des Dichters und 2006 mit den beruflichen Schriften des Salinen-Assessors ihren Abschluss. Die Forschung ist, seit Herbert Uerlings sie 1991 in einem fast siebenhundert Seiten umfassenden Handbuch referiert hat, vorangeschritten und hat - nicht zuletzt durch die Auswertung der beiden letzten Werkbände - neue Wahrnehmungen eröffnet. Deutlicher als früher sieht man, wie produktiv Hardenberg schon als Gymnasiast war und mit welch ungeheurer Lese- und Schreibleistung er sich die klassische und moderne Literatur als Voraussetzung seines eigenen hochintellektualistischen und hochartistischen Dichtertums angeeignet hat. Und noch deutlicher als früher sieht man auch, wie sehr dieser weltflüchtigste aller Dichter im praktischen Leben stand.

Die ersten Notizen für die beiden Zueignungssonette zum Roman "Heinrich von Ofterdingen" finden sich auf zwei Blättern - Schulz bietet sie im Faksimile - mit Arbeitsplänen für die Saline Artern vom Ende des Jahres 1799. Das ist nicht nur für die Datierung der Gedichte interessant, sondern auch für die Verschränkung von dichterischem Schaffen und Berufstätigkeit, die im Übrigen - mit anstrengenden Fußmärschen, langwierigen Besichtigungen und detaillierten schriftlichen Berichten - alles andere als gemütlich war.

Eine neue summierende Novalis-Biographie, so darf man also feststellen, war nach dem Abschluss der historisch-kritischen Ausgabe fällig. Dass es gleich zwei wurden, war überraschend - und ist nichts anderes als erfreulich. Denn beide sind in ihrer Art ganz vorzüglich, und am besten sollte man beide lesen, obwohl in beiden im Kern und in vielen Einzelheiten mehr oder minder dasselbe steht, nur eben auf eine andere Weise: Gerhard Schulz, der in Melbourne Germanistik lehrte, Herausgeber der Novalis-Ausgabe ist und als einer der besten Kenner der Literatur der Goethezeit gilt, bietet auf rund 270 Textseiten ein außerordentlich prägnantes Porträt Hardenbergs und eine ebenso aufschlussreiche und klug wertende Charakterisierung seines Werks. Das Buch ist ein wissenschaftlich fundierter Hymnus auf jenen genialen jungen Mann, der in wenigen Jahren des Schreibens mit einer durchaus überschaubaren Anzahl von gedruckten Werken zum Dichter von Weltrang wurde und daneben ein Konvolut von Aufzeichnungen hinterließ, das eine schier unerschöpfliche Fundgrube des Geistes ist. Man liest diese passioniert geschriebene Biographie mit wachsender Anteilnahme und Begeisterung.

Das Buch des Lehrers und Schriftstellers Wolfgang Hädecke, der unter anderem mit Heine- und Fontane-Biographien hervorgetreten ist, zählt 90 Textseiten mehr als das von Schulz. Sie kommen vor allem der Lebensgeschichte des Dichters, der Darstellung der Familie sowie des Freundes- und Bekanntenkreises zugute. Über Hardenbergs Eltern und Geschwister erfährt man bei Hädecke mehr als bei Schulz, ebenso über seine Beziehung zu Schiller oder zu Friedrich Schlegel, dessen Bedeutung für Hardenberg zitatenreich erläutert wird. Auch weniger wichtige Zeitgenossen werden knapp charakterisiert, wenn sie in Hardenbergs Blickfeld traten. Fast eine Seite widmet Hädecke beispielsweise Hardenbergs beiläufiger Begegnung mit August Herder, dem Sohn des großen Johann Gottfried Herder, obwohl dieses Treffen für Hardenberg keine weitere Bedeutung hatte. Im Übrigen referiert Hädecke ausführlich die Forschung, nicht zuletzt auch Schulz, aber ohne dass dies beschwerlich würde. Hädeckes Kunst des Arrangements und sein flüssiger Schreibstil tragen leicht auch über sperrige Materien hinweg.

Im Übrigen wäre es ungerecht, die beiden Biographien durch Verweise auf fehlende oder überschüssige Details gegeneinander auszuspielen. Schulz konzentriert sich auf Novalis, ohne natürlich Schiller, Schlegel, den großen Herder und die anderen Vorbilder und Wegbegleiter zu übergehen. Hädecke gibt dem gesellschaftlichen und literarischen Umfeld mehr Platz. In den wesentlichen Punkten geben sich die beiden Biographien nichts nach. Alle belangvollen biographischen Informationen, die für Novalis charakteristischen Aphorismen, seine frappierenden Bekenntnisse, die denkwürdigsten Anekdoten und die klügsten Äußerungen über den Autor und sein Werk findet man mit ausnahmsloser Zuverlässigkeit in beiden Büchern. Über die maßlosen Ansprüche dieses jungen Mannes und seine innovativen poetischen Leistungen, über seine tiefe, manchmal aber fast blasphemische Religiosität und seine moralische Freiheit, über seine Lebens- und Liebesfreude bei gleichzeitiger Todestrunkenheit geben beide Biographien gleichermaßen gute Auskunft. Die gedankliche Kühnheit und sprachliche Schönheit der poetischen Schriften wird in beiden Büchern gleichermaßen gewürdigt. Und die Schilderung der Erkrankung und jenes "Nachsterbens", mit dem Novalis sich seiner mädchenhaft frühverstorbenen ersten Geliebten zu verloben gedachte, pointieren beide zu Recht mit den harten und dunklen, aber letztlich wohl sehr angemessenen Sätzen, die Caroline Schlegel sechs Wochen vor dem Tod des kranken Freundes an ihren Geliebten, Friedrich Schelling, schrieb: "Wir können ihm nicht helfen, wenn ihm Gott nicht hilft, es sey zum gesunden Leben, oder zum freudigen Tode. Ich kann ihn nicht beklagen, wenn er dahin ist. Er hat die Schranken gebrochen."

Dieser wahrhaft außergewöhnliche Mensch brauchte zwei Namen, um der Fülle seiner Anlagen und der Größe seiner Ansprüche genügen zu können. Seinem Studium und Beruf ging er als Friedrich von Hardenberg nach, als Dichter aber wollte er Novalis heißen. In einem Schreiben an August Wilhelm Schlegel verwies er darauf, dass dies ein "alter Geschlechtsname" seiner Familie sei. Ein Vorfahre von ihm hatte wohl "von Rode" geheißen und sich auch "de Novali" genannt: einer, der durch Rodungen Neuland gewinnt. Friedrich von Hardenberg wollte sich diesen Namen zu eigen machen, indem er durch eine Romantisierung oder "qualitative Potenzierung" der Welt und durch einen Gang "nach innen" geistiges Neuland schuf.

Zu hören ist der Name Novalis in zwei Formen: einmal mit der Betonung auf o, ein anderes Mal mit der Betonung auf dem a. Was ist richtig? Schulz sorgt hier gleich zu Beginn seiner Darstellung zwar nicht für Eindeutigkeit, aber doch für Klarheit: Der lateinischen Herkunft des Namens entspricht die Betonung "auf der zweiten Silbe (Novális)", wie sie sich in der Literaturwissenschaft eingebürgert hat, "während für die Familie Hardenberg die Betonung auf der ersten üblich geblieben ist (Nóvalis)". Ein schöner Fall für Pedanten, Rechthaber und Besserwisser.

HELMUTH KIESEL.

Wolfgang Hädecke: "Novalis". Biographie.

Hanser Verlag, München 2011. 399 S., geb., 24,90 [Euro].

Gerhard Schulz: "Novalis". Leben und Werk Friedrich von Hardenbergs.

C. H. Beck Verlag, München 2011. 304 S., geb., 24,95 [Euro].

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