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Kaum eine Epoche ist in der europäischen Erinnerungskultur so präsent wie die Zeit zwischen 1914 und 1945. Millionen Europäer kamen in dieser Zeit ums Leben, in den Schlachten der Weltkriege, im Holocaust, im Bombenhagel an den Heimatfronten, bei Hungersnöten und Epidemien sowie bei ethnischen Säuberungen und in Bürgerkriegen. Eingegraben haben sich auch die Erinnerungen an wirtschaftliche Turbulenzen, materielle Not und scharfe gesellschaftliche Konflikte. Gleichzeitig brachte das Zeitalter der Weltkriege ungeahnte wissenschaftliche Durchbrüche, aufregende kulturelle Experimente und eine…mehr

Produktbeschreibung
Kaum eine Epoche ist in der europäischen Erinnerungskultur so präsent wie die Zeit zwischen 1914 und 1945. Millionen Europäer kamen in dieser Zeit ums Leben, in den Schlachten der Weltkriege, im Holocaust, im Bombenhagel an den Heimatfronten, bei Hungersnöten und Epidemien sowie bei ethnischen Säuberungen und in Bürgerkriegen. Eingegraben haben sich auch die Erinnerungen an wirtschaftliche Turbulenzen, materielle Not und scharfe gesellschaftliche Konflikte. Gleichzeitig brachte das Zeitalter der Weltkriege ungeahnte wissenschaftliche Durchbrüche, aufregende kulturelle Experimente und eine seitdem unerreichte intellektuelle Intensität. Lutz Raphael zeigt in seiner souveränen Synthese, wie Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Labor der Moderne wurde. Erst das Zeitalter der Weltkriege schuf jenes Europa homogener Nationalstaaten, das trotz der Globalisierung des 21. Jahrhunderts bis in unsere Gegenwart hinein prägend wirkt.
Autorenporträt
Lutz Raphael, geb. 1955, ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Trier und Mitglied im Wissenschaftsrat.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.12.2011

Macht und Mobilisierung, Imperium und Nation
Wie kam es nur zur Radikalisierung im 20. Jahrhundert? In einem großen Wurf erklärt der Historiker Lutz Raphael das Europa der Weltkriege
Noch ein Buch über die beiden Weltkriege und die Zwischenkriegszeit? Noch eine Beschreibung blutiger Schlachten und Feldzüge? Noch ein Werk über Massenverbrechen des 20. Jahrhunderts? Ist nicht schon längst alles gesagt, geschrieben und durchdebattiert?
Lutz Raphael scheint dies nicht abzuschrecken. Zugleich räumt der Trierer Historiker selbst ein, dass die geschichtswissenschaftliche Forschung zu dieser Epoche unüberschaubar ist und sie die Fülle an Detailwissen und an Spezialuntersuchungen zu der vermutlich besterforschten Phase in der langen Geschichte Europas macht. Folglich verzichtet er in seinem mit angenehm leichter Feder geschriebenen Überblickswerk auch weitgehend auf die Darstellung der Deutungskontroversen zu den beiden Welt-kriegen, dem Holocaust, den totalitären und autoritären Diktaturen oder den Folgen des Versailler Vertrages. Stattdessen knüpft Raphael an die jüngeren Debatten um die Verortung dieser Epoche in der europäischen Geschichte seit dem 18. Jahrhundert an.
So gehen neuere Forschungen davon aus, dass von dem grundlegenden Strukturwandel, der seit Mitte des 18. Jahrhunderts nach und nach immer weitere Teile Europas erfasste und dort Industrien und Großstädte entstehen ließ, Bildung, Wissenschaft und Technik förderte, schließlich den wachsenden Wohlstand der Vielen ermöglichte, kein direkter Weg zu den Gewaltausbrüchen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts führte. Dennoch sieht Raphael einen Zusammenhang zwischen den Basisprozessen dieses Wandels und den Erschütterungen der Epoche, den er als Wechselspiel von „modernen“ Ordnungsmustern und diesen Basisprozessen beschreibt.
Dieser Erzählung nach bewegt sich Europas Geschichte spätestens seit der Französischen Revolution vor einem Horizont offener Zukunftsmöglichkeiten. Denn die europäischen Gesellschaften begannen ihre eigene Kultur, Politik und Wirtschaft als „moderne“, historisch veränderbare Ordnungen zu deuten und zu entwerfen. Dabei vergrößerte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts der Raum des Mach- und Sagbaren immer mehr. Seit den 1880er Jahren wuchsen die Gestaltungsspielräume angesichts der industriellen Produktionsdynamik, der technisch-wissenschaftlichen Innovationen und der wachsenden Beteiligung der Bevölkerung am politischen Geschehen noch einmal deutlich rascher als in den hundert Jahren zuvor. Beides – die Verdichtung der kulturellen sowie politischen Gestaltungsentwürfe und die Beschleunigung des sozioökonomischen Wandels – lassen die Jahrzehnte seit 1880 in Raphaels Augen als unmittelbare Vorgeschichte der Weltkriegsepoche erscheinen.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Staatsschuldenkrise Europas und der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit einiger EU-Staaten erlebt der Leser bei Raphael ein Déjà-vu: Bereits sein Blick zurück vom Ende des 19. Jahrhunderts auf dessen Beginn zeigt, dass die Kontraste zwischen Ost und West, Nord und Süd in Europa eher gewachsen waren. Die unterschiedliche Dynamik von Industrialisierung, Alphabetisierung, moderner Staatsverwaltung oder Nationenbildung hatten die schon aus früheren Epochen stammenden religiösen, kulturellen und politischen Unterschiede noch verstärkt.
Daher erzählt Raphael seine Geschichte Europas in dieser Phase trotz der gewaltsamen, insbesondere kriegsbedingten Annäherungen und Berührungen zwischen diesen fremden Welten auch als Geschichte regionalspezifischer Differenzen und Entwicklungspfade. Zugleich hat er in allen Regionen die gleichen Basisprozesse der Modernisierung beobachtet, die man beschleunigen oder verlangsamen, vor allem aber im Sinne der eigenen politischen und gesellschaftlichen Ordnungsentwürfe manipulieren wollte.
Ein weiteres Merkmal des Weltkriegszeitalters ist nach Raphaels luzider Analyse der Zusammenstoß zweier politischer Ordnungsmodelle, die in Europa auf engstem Raum koexistierten: Imperium und Nation. Dies verbindet die Geschichte des alten Kontinents mit der internationalen Geschichte. Denn die Zeit von 1880 bis 1945 gilt in globalgeschichtlicher Perspektive als Kulminationspunkt imperialer Machtentfaltung und Konkurrenz. Die rigorose Ausrichtung der Innen- wie der Wirtschaftspolitik auf das Ziel der militärischen Machtbehauptung beziehungsweise -erweiterung kennzeichneten die Politik des Deutschen Reiches, der Sowjetunion, Italiens und Japans als neue Konkurrenten der USA, Frankreichs und Großbritanniens um Großmachtstatus und imperiale Expansion. Ohne diesen Aspekt lassen sich nach Raphaels realistischer Einschätzung auch die politischen und gesellschaftlichen Radikalisierungen und die kriegsbedingten Gewaltexzesse, die von Berlin, Rom und Moskau ausgelöst wurden, nicht hinreichend erklären.
Die Kontinuität des europäischen Kolonialismus und seine Verflechtung mit den kontinentaleuropäischen Formen des Imperialismus bilden dabei wichtige Aspekte, die in neueren Forschungen immer stärker herausgearbeitet worden sind und deren Folgen für die innereuropäische Entwicklung auch bei Raphael in den Mittelpunkt rücken. So reichen die Spuren imperialer Machtansprüche und Selbstwahrnehmungen von den vielen kolonialen Bezügen in Alltagswelt und Konsum über die politische Propaganda bis hin zum sozialdarwinistischen Nationalismus der politischen Führungsschichten, aber auch der kulturellen und wirtschaftlichen Eliten. Die imperialen Machtansprüche verbanden sich auf vielfältige Weise mit rassistisch unterlegten beziehungsweise sozialdarwinistisch begründeten Zivilisierungsmissionen und Überlegenheitsansprüchen, die sich angesichts der wirtschaftlichen, religiösen und sozialen Unterschiede zwischen den Großregionen Europas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts so stark radikalisierten, dass sie in Ausmaß und Form dem ähnlich wurden, was zwischen imperialen Metropolen und ihren außereuropäischen Kolonien Praxis war.
Parallel erlebten die europäischen Gesellschaften zwischen 1900 und 1945 eine Welle nationaler Mobilisierungen. Da sie in diesen Jahrzehnten auch jenseits der Kriegsjahre eine neue Stufe der Intensität und eine bis dahin unbekannte Breite erreichte, bildet diese Nationalisierung folgerichtig den zweiten Schwerpunkt in Raphaels Schilderungen. Entgegen älteren Sichtweisen, die den Höhepunkt des Nationalismus und der Nationalbewegungen im 19. Jahrhundert verorten, vertritt er die These, dass in einer europäischen Perspektive der Durchbruch der Nation zum primären politischen und kulturellen Bezugspunkt für die wirtschaftlichen und sozialen Ordnungen erst zwischen 1910 und 1945 erfolgte.
Denn erst dann entwickelten sich aus den kulturellen Nationalbewegungen und dem Nationalismus von Intellektuellen im östlichen und südlichen Europa nationale Gemeinschaften. Und die 1918 neu entstandenen Nationalstaaten setzten alles daran, den Prozess der inneren Nationsbildung voranzutreiben. Gleichzeitig verdichteten sich in den älteren Nationalstaaten im Westen, Norden und in der Mitte Europas nationale Gemeinsamkeit und Zugehörigkeit durch Schulbildung, Konsum, Sozialpolitik und politische Partizipation.
Indem Raphael die beiden Faktoren imperiales Machtstreben und nationale Mobilisierung besonders hervorhebt, bettet er die europäische Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in zweifacher Weise ein: zum einen in die längere Geschichte des europäischen Staatensystems und Nationalstaats, zum anderen in die internationale Geschichte imperialer und kolonialer Ansprüche und Erfahrungen Europas. Dass ihm dies mit Hilfe prägnanter Formulierungen auch noch überaus anschaulich gelingt, macht sein Werk zu einem großen Wurf.
THOMAS SPECKMANN
LUTZ RAPHAEL: Imperiale Gewalt und mobilisierte Nation. Europa 1914-1945. C. H. Beck, München 2011. 319 Seiten, 14,95 Euro.
Modernisierung, Kolonialismus
und verschärfter Nationalismus
hingen zusammen
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2012

Ideologiegeleitete Brutalisierung
Eine überzeugende Geschichte Europas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Geschichten Europas haben Konjunktur. Die fortschreitende Integration Europas trägt dazu ebenso bei wie die Fortschritte komparativer Geschichtsschreibung, die der Erkenntnis folgt, dass auch nationale Entwicklungen nur in vergleichender und transnationaler Perspektive angemessen zu erfassen sind. Eine der Konsequenzen lautet: Dem seit drei Jahrzehnten grassierenden Stereotyp eines "deutschen Sonderwegs" ist der Boden entzogen. Doch bedarf eine auf kurzem Raum dargebotene europäische Geschichte größerer Zeiträume, die sich nicht auf die Addition von Nationalgeschichten beschränkt, problemorientierter konzeptioneller Reflexion und selektiver Konzentration. Lutz Raphael steht in der Tradition mehrerer Vorgänger und einer überbordenden Detailforschung, die allerdings dem populären Reihencharakter gemäß nur vereinzelt dokumentiert wird. Zweifellos ist ihm eine höchst intelligente, komplexe Grundprobleme geschickt bündelnde ausgewogene Synthese gelungen, die durch kluge Interpretationen langfristiger Entwicklungen besticht.

Worin unterscheidet sich sein Zugang von dem der meisten Vorgängern? Weniger durch andere Themenkomplexe als auch durch eine eigenständige zeitliche Disposition und Gewichtung: Anders als der Titel suggeriert - und durchaus überzeugend -, beginnt er nicht 1914, sondern um 1900. Dieser Beginn wird plausibel damit begründet, dass eine Reihe langfristiger Trends der Modernisierung wie fortschreitende Industrialisierung, Urbanisierung und Verkehrsrevolution vor dem Ersten Weltkrieg begannen. Ebenso wie die Mobilisierung der Nationen und ihr Streben nach imperialer Machtentfaltung radikalisierten sich diese Tendenzen extrem bis zum Zweiten Weltkrieg.

Es entspricht dieser Perspektive, dass der Autor in einem Epilog einen problemorientierten Querschnitt durch das Jahr 1947 legt: Welche langfristigen Trends wirkten fort, was hatte sich verändert? War Europa um 1900 noch das politische und ökonomische Gravitationszentrum der Welt, so hatte es diese Bedeutung nach dem Zweiten Weltkrieg an die Vereinigten Staaten verloren, die mit der Sowjetunion wesentlich den Krieg entschieden hatten. Die folgende Dekolonialisierung machte auch aus den ehemals global agierenden europäischen Staaten politisch und militärisch Regionalmächte. Ob die zweite Nachkriegszeit eine Festigung "nationalgesellschaftlicher und nationalkultureller Homogenität" brachte und Charles de Gaulle als "überzeugter Nationalist" dafür symbolisch war, erscheint dem Rezensenten dennoch zweifelhaft.

Das Buch bietet keine kontinuierlich erzählte Geschichte, sondern anhand zentraler Themenblöcke chronologisch eine problemorientierte Analyse in zuweilen essayistischer Form. So werden der Erste Weltkrieg und seine Folgen als Beispiel "imperialer Konfrontation", das Spannungsfeld von Nationalisierung und Demokratisierung exemplarisch anhand des Parteienspektrums und der Verfassungsstrukturen, die Sinnkrise im Gefolge der Modernisierung und die Suche nach neuen Ordnungen, die Weltwirtschaftskrise und ihre ökonomischen, vor allem aber gesellschaftlichen Folgen als Wendepunkt und Scharnier zwischen scheiternden Demokratien und aufsteigenden antidemokratischen Bewegungen behandelt. Einen Schwerpunkt bildet die Typologie der autoritären Herrschaftsformen, vor allem diejenige der ideologiegeleiteten Diktaturen Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus, wobei das italienische Exempel als Vorbild autoritärer und nationalsozialistischer Herrschaft in Europa besonders gelungen ist. Schließlich bildet die extreme imperiale Expansion als Ziel und zeitweilige Realität der italienischen, sowjetischen und deutschen Machteroberung mit ihren Gewaltexzessen, dem ideologisch-rassistischen Vernichtungskrieg des nationalsozialistischen Deutschland und seine Besatzungspolitik in Osteuropa sowie der Massenmord an mindestens 5,7 Millionen europäischen Juden einen Schwerpunkt, wohingegen die sowjetische Besatzungspolitik etwas kursorisch dargestellt wird.

Während die politische Geschichte der Staaten sowie die internationalen Beziehungen nur knapp und exemplarisch dargestellt werden, liegt die Stärke einerseits in der Typologisierung, andererseits in der multithematischen Anlage: So werden die Kommunikationsrevolution, lebensweltliche Dimensionen, die urbane Lebensweise als Labor der Moderne, der generationelle, soziale und technische Wandel, Krisenbewusstsein und Orientierungssuche in die Interpretation einbezogen. Dabei geht es zuweilen ohne holzschnittartige Verallgemeinerungen nicht ab, doch verweist der Autor immer wieder auf regionale Differenzen stärker agrarisch beziehungsweise industriell geprägter Regionen und die Konsequenzen für gesellschaftliche Mentalitäten. Insgesamt erfolgt die Interpretation in einzelnen Abschnitten deduktiv aus einer europäischen Vogelperspektive. Demgegenüber ist die besonders überzeugende Analyse der sozialpsychologischen Ursachen und der Symbolpolitik der modernen Diktaturen in Italien, Deutschland und der Sowjetunion phänomenologisch angelegt. Dabei erinnert Raphael daran, dass die NS-Diktatur bis 1938 trotz ihres Terrors (im Unterschied zur stalinistischen Sowjetunion) eher im Rahmen der in Europa verbreiteten autoritären Herrschaftsformen zu verorten ist, bevor mit dem Weg in den Krieg die ideologiegeleitete extreme Brutalisierung begann.

Der große Vorzug der konsequent durchgehaltenen europäischen Perspektive ist es, ohne Berührungsängste und Vorurteile Vergleiche durchzuführen und damit beispielsweise sowohl die Ähnlichkeiten als auch die Besonderheiten der kommunistischen, faschistischen und nationalsozialistischen Diktaturen und ihrer chronologischen - partiell auch kausalen - Bedingungszusammenhänge herauszustellen. Dabei zeigt sich immer wieder, in welchem Maße auch Phänomene, die die "Sonderwegs"-Anhänger als spezifisch deutsch apostrophiert hatten, europäische Phänomene waren, wenngleich in oftmals spezifischer nationaler Ausprägung. Die Skala reicht von der nationalen Mobilisierung mit imperialistischer Zielsetzung als Leitthema des Buches über die europäische Modernisierungskrise bis zu einzelnen Sektoren. So war die Eugenik nicht spezifisch deutsch, Zwangssterilisierung gab es selbst in skandinavischen Staaten noch nach 1945. So wird auch der in der Forschung lange Zeit verkannte Rassismus im italienischen Faschismus erwähnt, anderseits aber der unterschiedlichen sozialen Basis der Diktaturen ebenso Rechnung getragen wie der in Kommunismus und Nationalsozialismus analogen Ideologie der Erschaffung eines neuen Menschen, wozu eigene "Sozialtechnologien" entwickelt wurden. Ein ebenfalls souveräner Überblick, der sich bisher in europäischen Geschichten nicht findet, gilt den nationalen Erinnerungskulturen an den dargestellten Zeitraum in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine überzeugende Deutung des "Zeitalters der Extreme".

HORST MÖLLER

Lutz Raphael: Imperiale Gewalt und mobilisierte Nation. Europa 1914-1945. C. H. Beck Verlag, München 2011. 319 S., 14,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als Erkenntnisgewinne aus vorliegendem Band referiert der Politologe und PR-Chef des Metro-Konzerns Thomas Speckmann, dass sich Europas Geschichte seit der Französischen Revolution "vor einem Horizont offener Zukunftsmöglichkeiten" bewegte und dass die Jahrzehnte seit 1880 "als unmittelbare Vorgeschichte der Weltkriegsepoche erscheinen". Hm, das klingt ja grundstürzend, denkt man, und Speckmann fährt fort: In allen Regionen Europas hat es in dieser Zeit die "gleichen Basisprozesse der Modernisierung" gegeben. Als grundlegende Tendenzen mache Raphael außerdem noch einen "Zusammenstoß zweier politischer Ordnungsmodelle", nämlich Nation und Imperium aus. Speckmann findet das alles sehr anregend, obwohl er gleich zu Beginn seiner Rezension konstatierte, dass über diese Epoche der europäischen Geschichte alles in allem schon recht viel geschrieben worden sei.

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