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Stefan Meining deckt auf, wie aus alten Waffenbrüderschaften zwischen antisowjetischen Muslimen und Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg in München die erste Keimzelle des politischen Islam im Westen entstand. Bis heute laufen in einer Münchner Moschee die Fäden des westlichen Islamismus zusammen – eine atemberaubende Recherche.
Und eine unglaubliche Geschichte: Ausgediente NS-Bürokraten, Vertriebenenfunktionäre, Geheimdienstler und andere Kalte Krieger päppeln in den fünfziger Jahren in München die Keimzelle des politischen Islam im Westen auf. Muslime, die im Dienst der Wehrmacht und der SS
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Produktbeschreibung
Stefan Meining deckt auf, wie aus alten Waffenbrüderschaften zwischen antisowjetischen Muslimen und Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg in München die erste Keimzelle des politischen Islam im Westen entstand. Bis heute laufen in einer Münchner Moschee die Fäden des westlichen Islamismus zusammen – eine atemberaubende Recherche.

Und eine unglaubliche Geschichte: Ausgediente NS-Bürokraten, Vertriebenenfunktionäre, Geheimdienstler und andere Kalte Krieger päppeln in den fünfziger Jahren in München die Keimzelle des politischen Islam im Westen auf. Muslime, die im Dienst der Wehrmacht und der SS im Zweiten Weltkrieg gegen die Sowjetunion gekämpft haben, sollen nun für Unruhe in den islamischen Sowjetrepubliken sorgen. Aber die Münchner Muslime haben mit dem Kalten Krieg nichts im Sinn: Sie werden zur wichtigsten Filiale von Anhängern der Muslimbruderschaften im Westen und zur Schaltzentrale eines globalen Netzwerkes. Seit Jahrzehnten stehen immer wieder Personen aus diesem Netzwerk unter Terrorverdacht – bis hin zu den Anschlägen vom 11. September. In der islamischen Welt weiß man längst, welche Bedeutung die Moschee in München hat. Meinings aufrüttelndes Buch sagt es nun auch dem Westen.
Autorenporträt
Stefan Meining, Dr. phil., geb. 1964, ist Redakteur des ARD-Politmagazins Report München beim Bayerischen Rundfunk. Sein ARD-Dokumentarfilm über die Hintergründe der Moschee in München hat großes Aufsehen erregt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.2011

Deutscher Verdacht
Zusammenarbeit mit Muslimen vor und nach 1945

Das nach hartnäckigen journalistischen Recherchen entstandene Buch von Stefan Meining nimmt in den einzelnen Kapiteln über das Wirken von Muslimen in Deutschland und über ihre Zusammenarbeit mit deutschen politischen Stellen sehr unterschiedliche Personenkreise unter sehr verschiedenen Aspekten in den Blick. Den Ausgangspunkt für die Darstellung bildet der Angriff des nationalsozialistischen Deutschland auf die Sowjetunion im Juni 1941. Hier - und nicht früher - liegen für den Autor die Wurzeln des "politischen Islam in Deutschland". Stalins Herrschaft sollte nicht nur militärisch besiegt, sondern auch von innen destabilisiert werden.

Viele Völkerschaften in der Sowjetunion fühlten sich von den Russen unterdrückt, darunter auch die mehrheitlich muslimischen Völker im Kaukasus und in Zentralasien. Aus diesem Reservoir rekrutierte die Wehrmacht nach einigem Zögern muslimische Freiwilligenverbände. Als der Krieg verloren war, begannen die westlichen Siegermächte mit der Auslieferung dieser Soldaten an die Sowjetunion. Wenn diese sich dem nicht entziehen konnten, erwartete sie ein sicherer Tod. Der Kalte Krieg ließ bald die Einigkeit der vier Alliierten platzen. So konnten diejenigen Muslime, die sich gerettet hatten, ihre Kenntnisse jetzt amerikanischen Dienststellen anbieten. Auch die Bundesrepublik Deutschland nahm ab 1955 Anteil an ihnen. Den zeitweiligen Vertriebenenminister Theodor Oberländer, der über persönliche Erfahrungen mit muslimischen Hilfstruppen der Wehrmacht verfügte, wollten die muslimischen Emigranten im Rahmen des Kalten Krieges zu eigenen, von den Amerikanern unabhängigen politischen Zwecken einsetzen. Das misslang gründlich. Bis hierhin handelt das Buch von einem weitgehend im Dunkeln gebliebenen Schauplatz des Zweiten Weltkrieges und des Kalten Krieges. Für die nationalistischen Muslime in dieser Geschichte spielte die Religion zwar eine nicht ganz unwichtige, aber doch nur eine Nebenrolle. Als Bannerträger des Islam verstanden sie sich nicht.

Mit Beginn der sechziger Jahre setzt eine andere Geschichte ein. Die Muslime, die jetzt in langsam wachsender Zahl nach Deutschland kommen, stammen aus anderen sozialen Milieus. Es sind entweder Studenten oder Gastarbeiter. Auch bei ihnen spielen nationale Gegensätze eine große Rolle. Viele Türken, Araber und Iraner definieren ihre politische Identität antiimperialistisch und nationalistisch. Das bringt sie nicht selten in Opposition zu ihren Regierungen. Zugleich nimmt die Rolle der Religion an Bedeutung zu. Interne Spaltungen im Islam werden wichtiger. Meining konzentriert seine Ausführungen im zweiten Teil des Buches auf das organisatorische Wachstum islamischer Vereine. Die "Islamische Gemeinschaft in Süddeutschland", ihre Ziele, darunter als wichtigstes der Bau einer Moschee in München, und ihre organisatorische Entwicklung, die keineswegs frei von Querelen verlaufen ist, schildert der Autor besonders eingehend. Er ist hervorragend informiert. Und er verwebt seine Kenntnisse zu einer spannenden Erzählung. Manches muss allerdings unklar bleiben, etwa der Einfluss der Muslimbrüderschaft. Manches wäre eine eigene Erzählung wert, etwa der geistige und soziale Einfluss der zum Islam konvertierten Deutschen auf das kollektive Selbstbild der hier lebenden Muslime.

Ist man mit der Lektüre so weit gekommen, fallen einem aber auch die nicht unbeträchtlichen Schwächen des Buches auf. Es fehlt ein klarer analytischer Deutungsrahmen. So bleibt ungeklärt, was der zentrale Begriff des Buches, nämlich "politischer Islam", meint. Nur die Vereine und Gruppierungen, die islamische Werte und Forderungen an die Politik vertreten, analog zu einem "politischen" Protestantismus oder Katholizismus? Oder wird damit so etwas wie Islamismus bezeichnet? Außerdem stört der Hang des Autors zu Dramatisierungen. Die Gründung der "Islamischen Gemeinschaft" Anfang 1960 - sie hieß erst "Moscheebau-Kommission" - ist für ihn die Grundsteinlegung des politischen Islam in Deutschland und der gesamten westlichen Welt. In den nächsten Jahren häufen sich dann die "entscheidenden Daten" und die "entscheidenden Schritte", bis es schließlich 2009 zur "Epochenwende" in der Vereinsgeschichte kommt. Solche Formulierungen vereinheitlichen die struppige Geschichte des Islam in Deutschland zu einer einzigen, in sich folgerichtigen, weitsichtig geplanten und flexibel durchgesetzten Strategie-Entfaltung. Derlei Konstruktion verführt zum antimuslimischen Ressentiment, selbst wenn dem Autor diese Absicht fern liegt.

WILFRIED VON BREDOW

Stefan Meining: Eine Moschee in Deutschland. Nazis, Geheimdienste und der Aufstieg des politischen Islam im Westen. Verlag C. H. Beck, München 2011. 316 S., 19,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Martin Zähringer schätzt Stefan Meinings Buch über die erstaunliche Geschichte der Moschee des islamischen Zentrums München. Wie er berichtet, war diese ursprünglich als Anlaufstelle für junge Muslime aus Ländern der Sowjetunion gedacht, die sich im Zweiten Weltkrieg aus Hass gegen Stalin der Wehrmacht und der SS anschlossen. Detailliert beschreibe der Autor die politische und militärische Organisation der Freiwilligen, die Rolle des Ministeriums für Ostgebiete und das muslimischen Personal. Auch die zweite Phase des Zentrums, die schon zur Geschichte des politischen Islam in Deutschland gehört, findet Zähringer in dem Buch erhellend dargestellt. Neben Meinings Buch kann er auch Ian Johnstons Buch "Die vierte Moschee", das dasselbe Thema mit anderen Schwerpunkten behandelt, als ergänzende Lektüre empfehlen.

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