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In seinen Erinnerungen beschrieb Stefan Zweig seine geistige Heimat, die durch zwei Weltkriege zerstörte "Welt von gestern", als "Jahrhundert der Sicherheit" und "goldenes Zeitalter des Versicherungswesens". Doch diese Diagnose gilt nicht nur für die bürgerliche Welt vor 1914. Auch im Arbeiter- und Bauernstaat wollten die Menschen sich gegen alle möglichen Risiken versichern, um sorglos in die Zukunft blicken zu können. Bereits 1946 waren die privaten Versicherungsgesellschaften in der Sowjetischen Besatzungszone weitgehend ausgeschaltet. Ihre Geschäfte wurden zunächst von dezentral…mehr

Produktbeschreibung
In seinen Erinnerungen beschrieb Stefan Zweig seine geistige Heimat, die durch zwei Weltkriege zerstörte "Welt von gestern", als "Jahrhundert der Sicherheit" und "goldenes Zeitalter des Versicherungswesens". Doch diese Diagnose gilt nicht nur für die bürgerliche Welt vor 1914. Auch im Arbeiter- und Bauernstaat wollten die Menschen sich gegen alle möglichen Risiken versichern, um sorglos in die Zukunft blicken zu können. Bereits 1946 waren die privaten Versicherungsgesellschaften in der Sowjetischen Besatzungszone weitgehend ausgeschaltet. Ihre Geschäfte wurden zunächst von dezentral operierenden Landesversicherungsanstalten übernommen. Erst 1952 wurden diese in der "Deutschen Versicherungs-Anstalt" zusammengefasst, die 1969 in "Staatliche Versicherung der DDR" umbenannt wurde. Ihr Ende kam 1990, als die ehemalige staatliche Monopolgesellschaft von der Allianz übernommen wurde. Anschaulich erzählen die Autoren die Geschichte des Versicherungswesens der DDR und beziehen diese immer wieder auf die allgemeine Entwicklung des SED-Staates. Dabei wird deutlich, wie vielfältig die Funktionen waren, die von der Monopolorganisation wahrgenommen werden mussten und wie tief sie in der DDR-Gesellschaft verwurzelt war.
Autorenporträt
Barbara Eggenkämper ist Leiterin des firmenhistorischen Archivs der Allianz.

Stefan Pretzlik arbeitet als Historiker im Firmenhistorischen Archiv der Allianz.

Gerd Modert arbeitet als Historiker im Firmenhistorischen Archiv der Allianz.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.04.2011

Fundgrube für
DDR-Historiker
Plötzlich musste alles ganz schnell gehen. Eigentlich hatte die Allianz früh genug ihr Interesse an der Übernahme der Staatlichen Versicherung der DDR angemeldet: Seit Anfang 1990 hatte sie in zahlreichen Gesprächen mit Vertretern der Versicherung, aber auch der Regierung der DDR, ihre Vorstellungen von der Eingliederung dargelegt. Wie tief die ideologischen Gräben noch waren, zeigt sich schon daran, dass sich die Führungskräfte beider Versicherungen erst nach Abschluss eines Vorvertrages zwischen Allianz und Staatlicher im März 1990 zum Kennenlernen trafen.
Doch kartellrechtliche Bedenken und Einwände der Konkurrenten in der Versicherungsbranche führten zu einem knappen Zeitplan. Die Staatliche musste vor einer Übernahme durch die Allianz erst in eine AG umgewandelt werden. Damit aber das komplizierte Zulassungsverfahren nach bundesdeutschem Gesetz umgangen werden konnte, musste die Gründung vor dem Staatsvertrag vom 1. Juli 1990 erfolgen. Am 26. Juni schuf man die Voraussetzungen.
Die Geschichte um die Eingliederung der Staatlichen Versicherung der DDR in den Allianz-Konzern ist nur der Abschluss einer sorgfältig aufbereiteten Studie. Barbara Eggenkämper, Gerd Modert und Stefan Pretzlik haben die Geschichte der Staatlichen aufgeschrieben und verfolgen die Zeit zurück bis zum Zusammenbruch der Frankfurter Allgemeinen Versicherungs AG 1929.
Mit dem Befehl 01 des Obersten Chefs der sowjetischen Militärverwaltung begann am 23. Juli 1945 die Geschichte der Staatlichen Versicherung der DDR: „Es sind Versicherungsgesellschaften für Eigentum- und Personenversicherungen zu schaffen“, heißt es dort. Dass dies nicht notwendigerweise die Liquidierung der alten, privaten Versicherungsunternehmen bedeutet hätte, weiß man heute, im Rückblick. De facto stellten diese bis 1946 ihre Arbeit in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) ein. Es entstanden sechs Monopolgesellschaften von Mecklenburg-Vorpommern bis Sachsen. 1952 vereinigten sich diese Landesbetriebe zur Deutschen Versicherungs-Anstalt (DVA), seit 1969 als „Staatliche Versicherung der DDR“ geführt. In jenem Jahr begann auch die schwierige Arbeit der Belegschaft: Zwei Jahre lang sichtete sie Akten und bewertete Policen aus der Zeit vor 1945. Die Schwierigkeiten, die dies mit sich brachte, kommen im Buch in besonderer Weise zur Geltung.
Ob die Warnung „Sturmschäden häufen sich!“, die bange Frage „Die Ernte, die Tiere, . . . und Du?“ oder der erhobene Zeigefinger über einen freihändig fahrenden Radler – „Das ist kein Sport, sondern Gefahr für Dich und den Straßenverkehr“: Der vorliegende Band ist auch eine Fundgrube für Kommunikationshistoriker und Marketinginteressierte. Besonders schön der Broschürentitel für die Reisen ins sozialistische Ausland: „Vor dem Start zur Auslandsfahrt“. Hier wird ein Stück DDR wieder lebendig.
Das bringt zuweilen mit sich, dass der Leser die Verhältnisse nicht immer sinnvoll einordnen kann: Als die Allianz-Mitarbeiter 1990 die Dienststellen der Staatlichen besuchten, fanden Sie für 10 000 Beschäftigte nur 450 Computer. Leider liefern die Autoren keine Vergleichszahlen. Sah die Situation in einigen westdeutschen Kommunen auch Jahre später nicht ähnlich aus?
Barbara Eggenkämper leitet das historische Archiv der Allianz, die beiden Koautoren sind ihre Mitarbeiter. Allzu kritische Töne über den Arbeitgeber der Autoren durfte man also nicht erwarten. Dennoch ist es eine ausgewogene, in Teilen sogar spannende Schilderung eines großen Kapitels deutscher Versicherungsgeschichte geworden.
Ulrich Brömmling
Barbara Eggenkämper, Gerd Modert, Stefan Pretzlik: Die Staatliche Versicherung der DDR. Von der Gründung
bis zur Integration in die Allianz. C.H.
Beck Verlag, München 2010. 288 Seiten. 29,95 Euro.
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